Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 37 U 74/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 42/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Januar 2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Überfalls als Arbeitsunfall.
Der 1990 geborene Kläger war seit August 2007 als auszubildender Maurer im Baugeschäft der K G GmbH, C beschäftigt. Im Zeitraum vom 08. bis zum 11. September 2008 war er zusammen mit anderen Lehrlingen zur Grundausbildung im Wohnheim des Lehrbauhofs G der Handwerkskammer C untergebracht. Am 10. September 2008 gegen 22.35 Uhr wurden der Kläger sowie die Lehrlinge K L, SH T F mit denen sich der Kläger eine Wohnung im 4. Stock teilte, von Jugendlichen aus G, die gewaltsam in das Wohnheim eingedrungen waren, überfallen und erheblich verletzt. Der weitere Mitbewohner P M blieb unversehrt. Der Kläger erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma Grad I - II mit komplexer zentraler Mittelgesichtsfraktur und eine Gehirnerschütterung (s. Bericht des C-T-Klinkums C vom 19. September 2008).
Nach Ermittlungen der Polizei befindet sich das Lehrlingswohnheim in einem 4-stöckigen Mehrfamilienhaus (Rstr. 66 – 74) gegenüber der Schule. Das Gebäude hat insgesamt 5 Eingänge, wobei 3 Hauseingänge (Rstr. 70 – 74) zu den Wohnungen für Auszubildende führen, die von der K G vermietet werden und unter Verwaltung der A Wohnanlage GmbH standen. Die Hauseingangstür war eine Aluminiumtür mit Thermoglasfüllung und einem sogenannten Spion. Eine Betreuerin des Lehrlingswohnheims hatte ihr Büro in diesem Haus und hielt sich zur Tatzeit dort auch auf. Die Tatortbesichtigung ergab, dass die Haustür gewaltsam aufgestoßen worden war, dabei war die hintere Doppelscheibe zu Bruch gegangen, die oberen Gummidichtungen, eine Aluminiumschiene und weitere Teile der Tür waren herausgerissen worden und lagen auf dem Boden. Die verschlossene, aber nicht verriegelte Tür zur Wohnung des Klägers war aus der Zarge gebrochen, indem das Türblatt mit dem kompletten Rahmen in den Wohnungsflur gestoßen worden war, wobei die gesamte Tür zu Bruch ging. Das Schließblech in der Zarge war intakt und die Falle funktionierte einwandfrei (s. polizeilicher Tatortbefundbericht vom 11. September 2008).
Im Rahmen seiner am 12. September 2008 noch im Krankenhaus durchgeführten polizeilichen Vernehmung zum Geschehen gab der Kläger an, es habe ein paar Tage zuvor eine Rangelei zwischen ein paar Azubis und den G Jugendlichen gegeben und an dem fraglichen Abend seien sie dann alle auf den Markt gegangen, um sich zu prügeln, und da sie da wahrscheinlich keinen gefunden hätten, seien sie abends gekommen. Er selbst sei mit S und P auf dem Markt gewesen, habe noch Geld von der Sparkasse holen wollen, aber das Portemonnaie nicht mit gehabt. Dann seien sie noch zum Bahnhof gelaufen und dann wieder ins Internat gegangen. Er selbst habe keine Auseinandersetzung mit anderen Bewohnern aus G gehabt. Demgegenüber hat der weitere Geschädigte K L bei seiner Vernehmung am 15. September 2008 angegeben, der Kläger sei am Abend des 10. September 2008 zusammen mit S und P M sowie mit weiteren ca. 14 Lehrlingen aus dem Heim noch mal in die Stadt gegangen, wobei S gesagt habe, dass sie dort herumpöbeln und irgendwelchen Leuten auf die Fresse hauen wollten. So gegen 22:00 Uhr seien sie zurückgekommen und hätten Bier und Wodka getrunken. Er selbst habe sich schlafen legen wollen, da habe S geschrien: "Die kommen hoch!" Dann hätten mehrere Personen "aufmachen" geschrien und gegen die Wohnungstür getreten und geschlagen, es habe sich angehört wie mit einem Vorschlaghammer. Dann sei die Eingangstür aus dem Rahmen gefallen und 5 bis 6 Personen hätten sie in der Wohnung überfallen. Der Zeuge S H hat bei seiner Vernehmung am 15. September 2008 angegeben, er sei an dem fraglichen Abend gemeinsam mit ca. 25 Lehrlingen aus dem Wohnheim nach G gegangen. Ein Maurerlehrling aus dem ersten Lehrjahr habe erzählt, dass er und ein anderer Lehrling aus dem ersten Lehrjahr Stress mit G Jugendlichen gehabt hätten. Er selbst sei einfach aus Langeweile mitgelaufen. Vor dem Pub hätten fünf oder sechs Personen gesessen, und zwei davon seien auf sie zugekommen und hätten provoziert. Es sei aber dort nichts passiert und sie seien zum Wohnheim zurückgegangen, erst da sei es zum Überfall gekommen. Der Zeuge P M hat in seiner Aussage vom 11. September 2008 keine näheren Angaben zu dem Geschehen auf dem Markt gemacht, aber die Angaben der anderen Mitbewohner bestätigt, dass sie sich bereits zur Nachtruhe fertig gemacht hätten, als der Überfall geschah. Die Betreuerin des Lehrlingswohnheims, M Z hat in ihren Zeugenaussagen vom 11./12. September 2008 angegeben, dass es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den G Jugendlichen und den Lehrlingen gekommen sei. An dem fraglichen Abend seien vier aggressiv wirkende und mit Knüppeln, Schlagstöcken und einer Axt bewaffnete Personen in einem Pkw vorgefahren. Sie habe sofort Gefahr vermutet und noch im Hausflur die Polizei gerufen. Dabei habe sie einen Knall gehört und die Jungen hätten geschrien. Sie habe dann den Notarzt gerufen und erste Hilfe geleistet. Ausweislich des Abschlussberichts des Polizeipräsidiums F vom 20. März 2009 konnten die Täter trotz umfangreicher Vernehmungen von Personal und Zeugen nicht ermittelt werden. Ein zwischenzeitlich entstandener Tatverdacht gegen mehrere Personen habe sich nicht bestätigt. Aus den Zeugenvernehmungen sei jedoch bekannt geworden, dass es im Vorfeld zu Streitigkeiten zwischen Heimbewohnern und Jugendlichen aus G gekommen sei, welche den Tatbestand einer räuberischen Erpressung erfüllt hätten. Ausgangspunkt hierfür seien einzelne Heimbewohner gewesen. Es sei zu vermuten, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt für die räuberische Erpressung gehandelt habe. Zur räuberischen Erpressung sei von Amts wegen Anzeige erstattet worden.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 ab, das Ereignis vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Bei Überfällen sei Unfallversicherungsschutz grundsätzlich nur dann gegeben, wenn diese im Rahmen einer versicherten Tätigkeit erfolgten. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeführte Verrichtung, d. h. die Nachtruhe, sei aber grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht umfassten Bereich zuzurechnen.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, seine Verpflichtung zur Übernachtung im Lehrlingswohnheim sei ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart gewesen. Er hätte ohne größere Probleme die Fahrstrecke von F nach G täglich bewältigen können, um an der Ausbildung am Lehrbauhof teilzunehmen. Die Übernachtung im Wohnheim sei daher dem betrieblichen Bereich zuzurechnen, sodass sich der Überfall im Rahmen einer versicherten Tätigkeit ereignet habe.
Die K G GmbH teilte auf Anfrage der Beklagten mit (Schreiben vom 27. Februar 2009), dass der Kläger seit dem 08. September 2008 auf dem Lehrbauhof G eingesetzt gewesen sei und der Einsatz am 26. September habe enden sollen. Die Übernachtung im Lehrlingswohnheim werde für die Lehrlinge dringend empfohlen, um lange Anfahrtszeiten zu vermeiden, da der Unterricht sehr zeitig beginne. Nach Ermittlungen der Beklagten hätte der Weg von der damaligen Wohnung des Klägers in F bis zu seiner Arbeitsstelle 25 km betragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 wies die Beklagte, die zwischenzeitlich die Akten der Staatsanwaltschaft C) beigezogen und hieraus Kopien der polizeilichen Ermittlungen gefertigt hatte, den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Nachtruhe und die damit zusammenhängenden Verrichtungen seien grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht mehr umfassten Bereich zuzurechnen, selbst wenn die Übernachtung im Lehrlingswohnheim vom Arbeitgeber des Klägers dringend empfohlen worden sei. Zudem sei ein Versicherungsschutz bei Überfällen grundsätzlich nur dann gegeben, wenn diese aus einer versicherten Tätigkeit hervorgegangen seien. Hierbei sei entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers abzustellen. Werde ein Versicherter bei Vornahme einer versicherten Tätigkeit überfallen, begründe dies einen ursächlichen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang verliere aber dann an Bedeutung, wenn die Beweggründe des Angreifers auf einer persönlichen Verfeindung mit dem Angegriffenen beruhten. In einem solchen Fall biete die versicherte Tätigkeit oft nur eine von vielfachen beliebigen Gelegenheiten für den Angreifer, das Opfer zu überfallen, womit der Zusammenhang des Überfalls mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich unwesentlich zurückgedrängt würde. Ausweislich des Abschlussberichtes der Polizei sei zu vermuten, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt von Jugendlichen aus G für eine erlittene räuberische Erpressung gehandelt habe. Auch hätten besondere Verhältnisse des Tatortes, welche die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt hätten, nicht vorgelegen.
Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung des Unfalles vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall weiter verfolgt und ergänzend vorgetragen, die Auffassung der Beklagten sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage des Versicherungsschutzes auf Geschäfts- und Dienstreisen unzutreffend (BSGE 8, 48; 12, 247). Auch wenn der Überfall zur Zeit der Nachtruhe geschehen und diese Zeit dem privaten Bereich zuzuordnen sei, seien hier die Gegebenheiten des Internats für den erlittenen Unfall von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C sei ersichtlich, dass sich mit dem Überfall ein typisches Risiko der Wohnheimunterbringung verwirklicht habe. Anlass des Überfalls sei ein bereits länger andauernder Streit zwischen Bewohnern des Lehrlingswohnheims und Jugendlichen aus G gewesen. Das Risiko überfallen zu werden, wäre für ihn nicht gegeben gewesen, wenn er nicht aufgrund der betrieblichen Veranlassung im Lehrlingswohnheim hätte übernachten müssen. Zur Untermauerung seiner Auffassung verweise er auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) - L 2 U 248/83 -, welche von der Beklagten bezüglich der spezifischen Gefahren der Unterbringung in einem Lehrlingswohnheim unzutreffend interpretiert worden sei. Infolge des Überfalls habe er sich bisher drei Operationen unterziehen müssen und einen totalen Geruchsverlust erlitten. Die Heilbehandlung sei noch nicht abgeschlossen. Mittlerweile habe er versucht, im Bauberuf zu arbeiten, könne aber aufgrund der erlittenen Nasenverletzungen einen derartigen Beruf nicht mehr ausführen, sei arbeitslos und bekomme ergänzend Hartz IV-Leistungen.
Mit Urteil vom 25. Januar 2013 hat das SG Cottbus die Klage abgewiesen. Der vom Kläger am 10. September 2008 erlittene Überfall sei kein Arbeitsunfall, denn es habe weder eine versicherte Tätigkeit, noch ein versicherter Überfall vorgelegen und es hätten sich auch nicht die besonderen Gefahren der Unterbringung in einem Lehrlingswohnheim bei dem Überfall, sondern ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Erholung und Nachtschlaf stünden losgelöst von der versicherten Tätigkeit des Klägers (Ausbildung zum Maurer) und fielen auch ohne Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses im täglichen Leben an (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VII, 75. Ergänzungslieferung 2012, § 8 Rdnr. 41). Ein Versicherungsschutz werde auch nicht dadurch begründet, dass sich besondere Gefahrenelemente der Übernachtungsstätte verwirklicht hätten. Ein Überfall durch Dritte sei keine spezifische Gefahr eines Lehrlingswohnheims. Es handele sich um ein Alltagsrisiko, welche sich nicht durch die Unterbringung im Wohnheim erhöht habe. Das Gebäude habe eine Eingangstür, die den Türen der anderen Wohnhäuser entsprochen habe. Auch die Wohnungstür des Klägers sei verschließbar und von ihm mit weiteren Möbeln gesichert gewesen. Eine unzureichende Sicherung liege nicht vor, diese habe den üblichen Gegebenheiten entsprochen. Haustür und die Tür zu seinem Zimmer seien mit Gewalt aufgebrochen worden. Ein Erfahrungssatz, dass Lehrlingswohnheime ein besonderes Objekt für Überfälle durch Unbekannte seien, sei nicht bekannt. Auch eine konkrete Gefahr für Überfälle des bewohnten Heims sei nicht erkennbar. So sprächen auch die Bestürzung und das Unverständnis, welche der Überfall in der Presse ausgelöst habe, für einen Einzelfall. Der Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen LSG treffe insoweit nicht den vorliegenden Fall, als dort aufgrund der baulichen Begebenheiten ein Einbruch in die Schlafzimmer erleichtert gewesen sei und der Täter dies für den Überfall ausgenutzt habe. Zudem komme es bei der Frage, ob ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen sei, in der Regel entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers an (BSG, Urteil vom 30. Juli 1998, B 2 U 27/97, in juris). Die Angreifer hätten sich aber trotz umfangreicher polizeilicher Maßnahmen nicht ermitteln lassen. Es verbleibe daher lediglich die Vermutung, dass die Tat ein Racheakt für Streitigkeiten zwischen anderen Heimbewohnern und Bewohnern der Stadt G gewesen sei. Ein solcher Racheakt liege ausschließlich im privaten Bereich und habe keine Verbindung zur versicherten Tätigkeit, nämlich der Lehre zum Maurer.
Mit seiner hiergegen beim LSG Berlin-Brandenburg erhobenen Berufung hält der Kläger an seiner Auffassung fest, bei dem Überfall habe es sich um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt. Es hätten gefahrbringende Umstände vorgelegen, die ihm in ihrer besonderen Eigenart während seines normalen Verweilens zu Hause nicht begegnet wären. In einem Wohnheim hätte eine Vielzahl junger Menschen zusammen gelebt, woraus sich bereits eine erhöhte Gefährdung ergebe. So sei es zwischen den Bewohnern des Wohnheimes und Jugendlichen der Stadt G immer wieder zu Reibereien gekommen, und der Überfall könne ein Racheakt gewesen sein. Selbst dann aber hätte geprüft werden müssen, ob er selbst Anlass zu einem derartigen Racheakt gegeben habe. Dies sei jedoch weder festgestellt worden noch feststellbar. Er selbst habe in der mündlichen Verhandlung und auch in seiner polizeilichen Vernehmung darauf hingewiesen, dass er an den Streitigkeiten zwischen den Heimbewohnern und den Jugendlichen der Stadt G nicht beteiligt gewesen sei. Diese hätten zwischen den Lehrlingen des ersten Lehrjahres und den Jugendlichen der Stadt bestanden, wogegen er bereits im 2. Lehrjahr gewesen sei. Zudem sei die von ihm genutzte Wohnung von den Tätern ganz offensichtlich deshalb ausgewählt worden, weil nur in dieser Wohnung noch Licht gebrannt habe, daran hätten die Täter von außen erkennen können, welche Wohnung des Wohnheimes belegt gewesen sei. Schließlich habe der Betreiber des Wohnheimes festgestellt, dass wesentlich stärkere Sicherungsmaßnahmen gegen das unbefugte Betreten geschaffen werden müssten, als dies in einem normalen Wohnblock der Fall sei, weil eine besondere Gefährdungslage durch die Vielzahl der zusammenwohnenden Menschen bestehe. Aus diesem Grunde seien nach dem Überfall die Glaseingangstür durch eine Stahleingangstür ausgetauscht, eine Videoüberwachung installiert und neben dem nachts anwesenden Sozialarbeiter noch ein Wachschutz beauftragt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2009 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 10. September 2008 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig auf die Anfechtung der Bescheide der Beklagten sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles beschränkte Berufung (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2009 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 Satz 2). Dabei muss das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein und die Verrichtung andererseits den Unfall herbeigeführt haben. Es muss also eine sachliche Verbindung mit der versicherten Tätigkeit bestehen (so genannter innerer Zusammenhang), die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Hierfür ist der volle Nachweis zu erbringen, d. h. es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, 2 RU 27/86, vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr. 10 und vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44 RdNr 25 ff). Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer derartigen, im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung trägt der Versicherte.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt der vom Kläger am 10. September 2008 erlittene Überfall keinen Arbeitsunfall dar. Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils vom 25. Januar 2013 des SG Cottbus (§ 153 Abs. 2 SGG).
Es liegt hier keine, einen Versicherungsschutz begründende Sachverhaltskonstellation vor. So hat sich der Überfall weder während einer betrieblichen - versicherten - Verrichtung des Klägers im Rahmen seiner Ausbildung zum Maurer ereignet noch wurde er auf dem zwischen Wohnheim und Ausbildungsstätte zurückgelegten - versicherten - Weg zur Arbeit oder von der Arbeit (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) überfallen. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Überfall aus einem betriebsbezogenen Motiv erfolgt sein könnte, wie dies etwa bei einem Raubüberfall auf den Kassierer eines Geldinstituts der Fall wäre.
Im Streitfall liegt auch nicht eine - ausnahmsweise - den Versicherungsschutz begründende Sachverhaltskonstellation vor, auf die die Grundsätze über Versicherungsschutz auf Geschäfts- oder Dienstreisen zur Anwendung kommen könnten. Da ein betrieblich bedingter Aufenthalt an einem fremden Ort und außerhalb der Arbeitszeit nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst wird wie derjenige am Wohnort, kann bei einer Reihe von Tätigkeiten ein innerer Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Tätigkeit begründet werden. Aber auch auf Dienst- oder Geschäftsreisen ist zu unterscheiden zwischen – versicherten - Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehen, und solchen Verrichtungen, bei denen sich der Betroffene außerhalb einer solchen inneren Beziehung zum Unternehmen befindet, etwa wenn der Reisende sich rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet. Hierzu gehören etwa die Freizeitgestaltung, das Schlafen, die Nahrungsaufnahme oder die Körperreinigung, die jeweils unversichert sind (vgl. BSG, Urteile vom 04. Juni 2002 – B 2 U 21/01 R - und 04. August 1992 – 2 RU 43/91 -, beide in juris).
Von diesen Grundsätzen ausgehend stellt sich der durch den Arbeitgeber veranlasste Aufenthalt des Klägers in dem Lehrlingswohnheim zwar als beruflich veranlasst dar, denn es ist zweckmäßig und der Berufsausbildung dienend, wenn die Lehrlinge wegen des frühen Beginns ihrer Arbeit in der Nähe der Ausbildungsstätte untergebracht sind. Dies bedeutet aber nicht, dass jeder während der zeitlichen Dauer der Fremdunterbringung erlittene Unfall auch unter Versicherungsschutz steht. Vielmehr trat der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit eindeutig in den Hintergrund als sich der Kläger - wie er selbst angegeben hat - am Abend des 10. September 2008 in seinem Zimmer bereit für die Nachtruhe gemacht und sich damit rein persönlichen Belangen gewidmet hat. Erholung und Nachtschlaf sind losgelöst von der versicherten Tätigkeit und fallen auch ohne Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses im täglichen Leben an.
Zwar kann ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auch bei einer dem privaten Bereich angehörenden Verrichtung, wie hier der Nachtruhe, ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn gefahrbringende Umstände, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten an seinem Wohnort nicht begegnet wären, den Unfall wesentlich bedingt haben. Insoweit ist aber zu fordern, dass sich bei Unfällen während einer Dienstreise ein besonderes Gefahrenmoment realisiert haben muss, etwa weil der Versicherte wegen des auswärtigen Dienstgeschäfts gezwungen war, eine gefahrbringende Einrichtung zu benutzen (vgl. hierzu die Rechtsprechungsübersicht in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – Kommentar, Stand Juni 2011, § 8 RNrn. 107, 108). Das Argument des Klägers, es lägen besondere gefahrbringende Umstände, die ihm zu Hause nicht begegnet wären, deshalb vor, weil in dem Wohnheim eine Vielzahl junger Menschen zusammen gelebt habe und weil es im Vorfeld zu Streitigkeiten zwischen Heimbewohnern und den Jugendlichen aus G gekommen sei, genügt jedoch nicht, um einen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Maurerlehrling zu begründen. Das SG Cottbus hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es einen Erfahrungssatz, dass ein Lehrlingswohnheim ein besonderes Objekt für Überfälle durch Unbekannte sei, nicht gebe und dass aus der Bestürzung und dem Unverständnis, welche der Überfall in der Presse ausgelöst habe, auf einen bedauerlichen Einzelfall zu schließen sei. Dem ist zuzustimmen. Auch andernorts gibt es Wohnhäuser, in denen viele Menschen auf engem Raum zusammen leben, wodurch sich Interessengegensätze ergeben können, und auch an anderen Orten kommt es zwischen Jugendlichen bzw. Gruppen von Jugendlichen zu Reibereien. Soweit im vorliegenden Sachverhalt die Streitigkeiten, deren nähere Umstände nicht aufgeklärt werden konnten, schließlich eskaliert und in einem Überfall der G Jugendlichen auf den Kläger und seine Zimmergenossen gemündet sind, hat sich ein Alltagsrisiko realisiert, das sich nicht durch die Unterbringung im Wohnheim erhöht hat. Der Überfall hätte vielmehr genauso gut direkt auf dem Marktplatz oder auf dem Rückweg zum Wohnheim geschehen können.
Der Auffassung des Klägers, die besonderen räumlichen Verhältnisse des Lehrlingswohnheims hätten den Überfall erst ermöglicht, ist nicht zu folgen. In dem vom Kläger angeführten Urteil des Bayerischen LSG vom 05. Februar 1986 (L 2 U 248/83) handelte es sich um örtliche Gegebenheiten, in denen der dortige Täter von der frei zugänglichen Teeküche aus nach Öffnen des dortigen Schiebefensters auf einen Feuerschutzbalkon (Fluchtbalkon) und von dort nach unproblematischer Entriegelung der Fenster in die Zimmer gelangen konnte. So verhielt es sich in dem Lehrlingswohnheim aber nicht. Dort war ausweislich der strafrechtlichen Ermittlungen ständig, auch nachts, ein Sozialarbeiter anwesend. Die polizeiliche Tatortbesichtigung ergab, dass das Gebäude über eine den Türen der anderen Wohnhäuser entsprechende Eingangstür verfügte. Auch die Wohnungstür des Klägers entsprach der ortsüblichen Ausstattung und war verschließbar. Eine unzureichende Sicherung lag also nicht vor, sondern sie entsprach vielmehr den üblichen Gegebenheiten. Ein unbefugtes Eindringen war nur in der Form möglich, dass die Angreifer sowohl die Hauseingangstür wie auch die Tür zur Wohnung des Klägers unter Einsatz von Hilfsmitteln (Axt, Hammer, Baseballschläger) gewaltsam öffneten, indem sie u. a. das Türblatt mit dem kompletten Rahmen in den Wohnungsflur stießen. Vorher bestehende Defekte an der Hauseingangs- wie auch der Wohnungstür wurden nicht bekannt. Dass der Betreiber des Wohnheimes, wie der Kläger vorträgt, nach dem Überfall stärkere Sicherungsmaßnahmen in Form einer Stahleingangstür, einer Videoüberwachung und von Einsatz eines Wachschutzes eingeführt hat, beweist nicht, dass zuvor eine unzureichende Sicherung bestand, sondern dient dem Bestreben nach höheren Sicherheitsstandards.
Schließlich kommt auch dem Argument des Klägers, er persönlich habe keinerlei Anlass zu einem möglichen Racheakt von G Jugendlicher gegeben, keine entscheidende Bedeutung zu. Ein Überfall bzw. eine tätliche Auseinandersetzung steht grundsätzlich nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn ein Tatmotiv aus dem persönlichen Bereich von Täter oder Opfer – etwa ein Racheakt – zum Überfall geführt hat, und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Tätlichkeit am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsweg oder auf dem Weg von oder nach dem Ort der Tätigkeit ereignet hat. Hier herrschen die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Opfer vor und drängen den Zusammenhang des Überfalls mit der betriebsdienlichen Tätigkeit zurück (vgl. BSG, Urteile vom 19. März 1996 – 2 RU 19/95 – und vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 37/99 R -, beide in juris). Der Kläger selbst hat in seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, es habe bereits zuvor bereits eine Rangelei zwischen ein paar Azubis und den G Jugendlichen gegeben und an dem fraglichen Abend seien die G auf den Markt gegangen, weil sie sich hätten prügeln wollen. Nach Angaben des Zeugen SH hätten Lehrlinge aus dem ersten Lehrjahr Stress mit G Jugendlichen gehabt. Ähnliche Angaben haben auch andere zeugenschaftlich vernommene Lehrlinge sowie die Betreuerin des Wohnheims MZ gemacht. Ausweislich des Abschlussberichts des Polizeipräsidiums F vom 20. März 2009 lagen nach den strafrechtlichen Ermittlungen Anhaltspunkte dafür vor, dass es im Vorfeld zu einer räuberischen Erpressung zwischen Heimbewohnern (als Täter) und Jugendlichen (als Opfer) aus G gekommen sei. Ausgangspunkt hierfür seien einzelne Heimbewohner gewesen, so dass zu vermuten sei, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt für die räuberische Erpressung gehandelt habe. Private Auseinandersetzungen wie diese stehen aber grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger, wie er angibt, nicht an den vorangegangenen Streitigkeiten beteiligt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung eines Überfalls als Arbeitsunfall.
Der 1990 geborene Kläger war seit August 2007 als auszubildender Maurer im Baugeschäft der K G GmbH, C beschäftigt. Im Zeitraum vom 08. bis zum 11. September 2008 war er zusammen mit anderen Lehrlingen zur Grundausbildung im Wohnheim des Lehrbauhofs G der Handwerkskammer C untergebracht. Am 10. September 2008 gegen 22.35 Uhr wurden der Kläger sowie die Lehrlinge K L, SH T F mit denen sich der Kläger eine Wohnung im 4. Stock teilte, von Jugendlichen aus G, die gewaltsam in das Wohnheim eingedrungen waren, überfallen und erheblich verletzt. Der weitere Mitbewohner P M blieb unversehrt. Der Kläger erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma Grad I - II mit komplexer zentraler Mittelgesichtsfraktur und eine Gehirnerschütterung (s. Bericht des C-T-Klinkums C vom 19. September 2008).
Nach Ermittlungen der Polizei befindet sich das Lehrlingswohnheim in einem 4-stöckigen Mehrfamilienhaus (Rstr. 66 – 74) gegenüber der Schule. Das Gebäude hat insgesamt 5 Eingänge, wobei 3 Hauseingänge (Rstr. 70 – 74) zu den Wohnungen für Auszubildende führen, die von der K G vermietet werden und unter Verwaltung der A Wohnanlage GmbH standen. Die Hauseingangstür war eine Aluminiumtür mit Thermoglasfüllung und einem sogenannten Spion. Eine Betreuerin des Lehrlingswohnheims hatte ihr Büro in diesem Haus und hielt sich zur Tatzeit dort auch auf. Die Tatortbesichtigung ergab, dass die Haustür gewaltsam aufgestoßen worden war, dabei war die hintere Doppelscheibe zu Bruch gegangen, die oberen Gummidichtungen, eine Aluminiumschiene und weitere Teile der Tür waren herausgerissen worden und lagen auf dem Boden. Die verschlossene, aber nicht verriegelte Tür zur Wohnung des Klägers war aus der Zarge gebrochen, indem das Türblatt mit dem kompletten Rahmen in den Wohnungsflur gestoßen worden war, wobei die gesamte Tür zu Bruch ging. Das Schließblech in der Zarge war intakt und die Falle funktionierte einwandfrei (s. polizeilicher Tatortbefundbericht vom 11. September 2008).
Im Rahmen seiner am 12. September 2008 noch im Krankenhaus durchgeführten polizeilichen Vernehmung zum Geschehen gab der Kläger an, es habe ein paar Tage zuvor eine Rangelei zwischen ein paar Azubis und den G Jugendlichen gegeben und an dem fraglichen Abend seien sie dann alle auf den Markt gegangen, um sich zu prügeln, und da sie da wahrscheinlich keinen gefunden hätten, seien sie abends gekommen. Er selbst sei mit S und P auf dem Markt gewesen, habe noch Geld von der Sparkasse holen wollen, aber das Portemonnaie nicht mit gehabt. Dann seien sie noch zum Bahnhof gelaufen und dann wieder ins Internat gegangen. Er selbst habe keine Auseinandersetzung mit anderen Bewohnern aus G gehabt. Demgegenüber hat der weitere Geschädigte K L bei seiner Vernehmung am 15. September 2008 angegeben, der Kläger sei am Abend des 10. September 2008 zusammen mit S und P M sowie mit weiteren ca. 14 Lehrlingen aus dem Heim noch mal in die Stadt gegangen, wobei S gesagt habe, dass sie dort herumpöbeln und irgendwelchen Leuten auf die Fresse hauen wollten. So gegen 22:00 Uhr seien sie zurückgekommen und hätten Bier und Wodka getrunken. Er selbst habe sich schlafen legen wollen, da habe S geschrien: "Die kommen hoch!" Dann hätten mehrere Personen "aufmachen" geschrien und gegen die Wohnungstür getreten und geschlagen, es habe sich angehört wie mit einem Vorschlaghammer. Dann sei die Eingangstür aus dem Rahmen gefallen und 5 bis 6 Personen hätten sie in der Wohnung überfallen. Der Zeuge S H hat bei seiner Vernehmung am 15. September 2008 angegeben, er sei an dem fraglichen Abend gemeinsam mit ca. 25 Lehrlingen aus dem Wohnheim nach G gegangen. Ein Maurerlehrling aus dem ersten Lehrjahr habe erzählt, dass er und ein anderer Lehrling aus dem ersten Lehrjahr Stress mit G Jugendlichen gehabt hätten. Er selbst sei einfach aus Langeweile mitgelaufen. Vor dem Pub hätten fünf oder sechs Personen gesessen, und zwei davon seien auf sie zugekommen und hätten provoziert. Es sei aber dort nichts passiert und sie seien zum Wohnheim zurückgegangen, erst da sei es zum Überfall gekommen. Der Zeuge P M hat in seiner Aussage vom 11. September 2008 keine näheren Angaben zu dem Geschehen auf dem Markt gemacht, aber die Angaben der anderen Mitbewohner bestätigt, dass sie sich bereits zur Nachtruhe fertig gemacht hätten, als der Überfall geschah. Die Betreuerin des Lehrlingswohnheims, M Z hat in ihren Zeugenaussagen vom 11./12. September 2008 angegeben, dass es bereits in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den G Jugendlichen und den Lehrlingen gekommen sei. An dem fraglichen Abend seien vier aggressiv wirkende und mit Knüppeln, Schlagstöcken und einer Axt bewaffnete Personen in einem Pkw vorgefahren. Sie habe sofort Gefahr vermutet und noch im Hausflur die Polizei gerufen. Dabei habe sie einen Knall gehört und die Jungen hätten geschrien. Sie habe dann den Notarzt gerufen und erste Hilfe geleistet. Ausweislich des Abschlussberichts des Polizeipräsidiums F vom 20. März 2009 konnten die Täter trotz umfangreicher Vernehmungen von Personal und Zeugen nicht ermittelt werden. Ein zwischenzeitlich entstandener Tatverdacht gegen mehrere Personen habe sich nicht bestätigt. Aus den Zeugenvernehmungen sei jedoch bekannt geworden, dass es im Vorfeld zu Streitigkeiten zwischen Heimbewohnern und Jugendlichen aus G gekommen sei, welche den Tatbestand einer räuberischen Erpressung erfüllt hätten. Ausgangspunkt hierfür seien einzelne Heimbewohner gewesen. Es sei zu vermuten, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt für die räuberische Erpressung gehandelt habe. Zur räuberischen Erpressung sei von Amts wegen Anzeige erstattet worden.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 ab, das Ereignis vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Bei Überfällen sei Unfallversicherungsschutz grundsätzlich nur dann gegeben, wenn diese im Rahmen einer versicherten Tätigkeit erfolgten. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeführte Verrichtung, d. h. die Nachtruhe, sei aber grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht umfassten Bereich zuzurechnen.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger vor, seine Verpflichtung zur Übernachtung im Lehrlingswohnheim sei ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart gewesen. Er hätte ohne größere Probleme die Fahrstrecke von F nach G täglich bewältigen können, um an der Ausbildung am Lehrbauhof teilzunehmen. Die Übernachtung im Wohnheim sei daher dem betrieblichen Bereich zuzurechnen, sodass sich der Überfall im Rahmen einer versicherten Tätigkeit ereignet habe.
Die K G GmbH teilte auf Anfrage der Beklagten mit (Schreiben vom 27. Februar 2009), dass der Kläger seit dem 08. September 2008 auf dem Lehrbauhof G eingesetzt gewesen sei und der Einsatz am 26. September habe enden sollen. Die Übernachtung im Lehrlingswohnheim werde für die Lehrlinge dringend empfohlen, um lange Anfahrtszeiten zu vermeiden, da der Unterricht sehr zeitig beginne. Nach Ermittlungen der Beklagten hätte der Weg von der damaligen Wohnung des Klägers in F bis zu seiner Arbeitsstelle 25 km betragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 wies die Beklagte, die zwischenzeitlich die Akten der Staatsanwaltschaft C) beigezogen und hieraus Kopien der polizeilichen Ermittlungen gefertigt hatte, den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Nachtruhe und die damit zusammenhängenden Verrichtungen seien grundsätzlich dem persönlichen, vom Versicherungsschutz nicht mehr umfassten Bereich zuzurechnen, selbst wenn die Übernachtung im Lehrlingswohnheim vom Arbeitgeber des Klägers dringend empfohlen worden sei. Zudem sei ein Versicherungsschutz bei Überfällen grundsätzlich nur dann gegeben, wenn diese aus einer versicherten Tätigkeit hervorgegangen seien. Hierbei sei entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers abzustellen. Werde ein Versicherter bei Vornahme einer versicherten Tätigkeit überfallen, begründe dies einen ursächlichen Zusammenhang. Dieser Zusammenhang verliere aber dann an Bedeutung, wenn die Beweggründe des Angreifers auf einer persönlichen Verfeindung mit dem Angegriffenen beruhten. In einem solchen Fall biete die versicherte Tätigkeit oft nur eine von vielfachen beliebigen Gelegenheiten für den Angreifer, das Opfer zu überfallen, womit der Zusammenhang des Überfalls mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich unwesentlich zurückgedrängt würde. Ausweislich des Abschlussberichtes der Polizei sei zu vermuten, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt von Jugendlichen aus G für eine erlittene räuberische Erpressung gehandelt habe. Auch hätten besondere Verhältnisse des Tatortes, welche die Verübung der Gewalttat entscheidend begünstigt hätten, nicht vorgelegen.
Mit seiner hiergegen bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung des Unfalles vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall weiter verfolgt und ergänzend vorgetragen, die Auffassung der Beklagten sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage des Versicherungsschutzes auf Geschäfts- und Dienstreisen unzutreffend (BSGE 8, 48; 12, 247). Auch wenn der Überfall zur Zeit der Nachtruhe geschehen und diese Zeit dem privaten Bereich zuzuordnen sei, seien hier die Gegebenheiten des Internats für den erlittenen Unfall von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft C sei ersichtlich, dass sich mit dem Überfall ein typisches Risiko der Wohnheimunterbringung verwirklicht habe. Anlass des Überfalls sei ein bereits länger andauernder Streit zwischen Bewohnern des Lehrlingswohnheims und Jugendlichen aus G gewesen. Das Risiko überfallen zu werden, wäre für ihn nicht gegeben gewesen, wenn er nicht aufgrund der betrieblichen Veranlassung im Lehrlingswohnheim hätte übernachten müssen. Zur Untermauerung seiner Auffassung verweise er auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) - L 2 U 248/83 -, welche von der Beklagten bezüglich der spezifischen Gefahren der Unterbringung in einem Lehrlingswohnheim unzutreffend interpretiert worden sei. Infolge des Überfalls habe er sich bisher drei Operationen unterziehen müssen und einen totalen Geruchsverlust erlitten. Die Heilbehandlung sei noch nicht abgeschlossen. Mittlerweile habe er versucht, im Bauberuf zu arbeiten, könne aber aufgrund der erlittenen Nasenverletzungen einen derartigen Beruf nicht mehr ausführen, sei arbeitslos und bekomme ergänzend Hartz IV-Leistungen.
Mit Urteil vom 25. Januar 2013 hat das SG Cottbus die Klage abgewiesen. Der vom Kläger am 10. September 2008 erlittene Überfall sei kein Arbeitsunfall, denn es habe weder eine versicherte Tätigkeit, noch ein versicherter Überfall vorgelegen und es hätten sich auch nicht die besonderen Gefahren der Unterbringung in einem Lehrlingswohnheim bei dem Überfall, sondern ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Erholung und Nachtschlaf stünden losgelöst von der versicherten Tätigkeit des Klägers (Ausbildung zum Maurer) und fielen auch ohne Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses im täglichen Leben an (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VII, 75. Ergänzungslieferung 2012, § 8 Rdnr. 41). Ein Versicherungsschutz werde auch nicht dadurch begründet, dass sich besondere Gefahrenelemente der Übernachtungsstätte verwirklicht hätten. Ein Überfall durch Dritte sei keine spezifische Gefahr eines Lehrlingswohnheims. Es handele sich um ein Alltagsrisiko, welche sich nicht durch die Unterbringung im Wohnheim erhöht habe. Das Gebäude habe eine Eingangstür, die den Türen der anderen Wohnhäuser entsprochen habe. Auch die Wohnungstür des Klägers sei verschließbar und von ihm mit weiteren Möbeln gesichert gewesen. Eine unzureichende Sicherung liege nicht vor, diese habe den üblichen Gegebenheiten entsprochen. Haustür und die Tür zu seinem Zimmer seien mit Gewalt aufgebrochen worden. Ein Erfahrungssatz, dass Lehrlingswohnheime ein besonderes Objekt für Überfälle durch Unbekannte seien, sei nicht bekannt. Auch eine konkrete Gefahr für Überfälle des bewohnten Heims sei nicht erkennbar. So sprächen auch die Bestürzung und das Unverständnis, welche der Überfall in der Presse ausgelöst habe, für einen Einzelfall. Der Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen LSG treffe insoweit nicht den vorliegenden Fall, als dort aufgrund der baulichen Begebenheiten ein Einbruch in die Schlafzimmer erleichtert gewesen sei und der Täter dies für den Überfall ausgenutzt habe. Zudem komme es bei der Frage, ob ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen sei, in der Regel entscheidend auf die Beweggründe des Angreifers an (BSG, Urteil vom 30. Juli 1998, B 2 U 27/97, in juris). Die Angreifer hätten sich aber trotz umfangreicher polizeilicher Maßnahmen nicht ermitteln lassen. Es verbleibe daher lediglich die Vermutung, dass die Tat ein Racheakt für Streitigkeiten zwischen anderen Heimbewohnern und Bewohnern der Stadt G gewesen sei. Ein solcher Racheakt liege ausschließlich im privaten Bereich und habe keine Verbindung zur versicherten Tätigkeit, nämlich der Lehre zum Maurer.
Mit seiner hiergegen beim LSG Berlin-Brandenburg erhobenen Berufung hält der Kläger an seiner Auffassung fest, bei dem Überfall habe es sich um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt. Es hätten gefahrbringende Umstände vorgelegen, die ihm in ihrer besonderen Eigenart während seines normalen Verweilens zu Hause nicht begegnet wären. In einem Wohnheim hätte eine Vielzahl junger Menschen zusammen gelebt, woraus sich bereits eine erhöhte Gefährdung ergebe. So sei es zwischen den Bewohnern des Wohnheimes und Jugendlichen der Stadt G immer wieder zu Reibereien gekommen, und der Überfall könne ein Racheakt gewesen sein. Selbst dann aber hätte geprüft werden müssen, ob er selbst Anlass zu einem derartigen Racheakt gegeben habe. Dies sei jedoch weder festgestellt worden noch feststellbar. Er selbst habe in der mündlichen Verhandlung und auch in seiner polizeilichen Vernehmung darauf hingewiesen, dass er an den Streitigkeiten zwischen den Heimbewohnern und den Jugendlichen der Stadt G nicht beteiligt gewesen sei. Diese hätten zwischen den Lehrlingen des ersten Lehrjahres und den Jugendlichen der Stadt bestanden, wogegen er bereits im 2. Lehrjahr gewesen sei. Zudem sei die von ihm genutzte Wohnung von den Tätern ganz offensichtlich deshalb ausgewählt worden, weil nur in dieser Wohnung noch Licht gebrannt habe, daran hätten die Täter von außen erkennen können, welche Wohnung des Wohnheimes belegt gewesen sei. Schließlich habe der Betreiber des Wohnheimes festgestellt, dass wesentlich stärkere Sicherungsmaßnahmen gegen das unbefugte Betreten geschaffen werden müssten, als dies in einem normalen Wohnblock der Fall sei, weil eine besondere Gefährdungslage durch die Vielzahl der zusammenwohnenden Menschen bestehe. Aus diesem Grunde seien nach dem Überfall die Glaseingangstür durch eine Stahleingangstür ausgetauscht, eine Videoüberwachung installiert und neben dem nachts anwesenden Sozialarbeiter noch ein Wachschutz beauftragt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2009 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 10. September 2008 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig auf die Anfechtung der Bescheide der Beklagten sowie die Feststellung des Eintritts eines Versicherungsfalles beschränkte Berufung (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2009 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 10. September 2008 als Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 Satz 2). Dabei muss das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein und die Verrichtung andererseits den Unfall herbeigeführt haben. Es muss also eine sachliche Verbindung mit der versicherten Tätigkeit bestehen (so genannter innerer Zusammenhang), die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Hierfür ist der volle Nachweis zu erbringen, d. h. es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, 2 RU 27/86, vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr. 10 und vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44 RdNr 25 ff). Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer derartigen, im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung trägt der Versicherte.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt der vom Kläger am 10. September 2008 erlittene Überfall keinen Arbeitsunfall dar. Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils vom 25. Januar 2013 des SG Cottbus (§ 153 Abs. 2 SGG).
Es liegt hier keine, einen Versicherungsschutz begründende Sachverhaltskonstellation vor. So hat sich der Überfall weder während einer betrieblichen - versicherten - Verrichtung des Klägers im Rahmen seiner Ausbildung zum Maurer ereignet noch wurde er auf dem zwischen Wohnheim und Ausbildungsstätte zurückgelegten - versicherten - Weg zur Arbeit oder von der Arbeit (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) überfallen. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Überfall aus einem betriebsbezogenen Motiv erfolgt sein könnte, wie dies etwa bei einem Raubüberfall auf den Kassierer eines Geldinstituts der Fall wäre.
Im Streitfall liegt auch nicht eine - ausnahmsweise - den Versicherungsschutz begründende Sachverhaltskonstellation vor, auf die die Grundsätze über Versicherungsschutz auf Geschäfts- oder Dienstreisen zur Anwendung kommen könnten. Da ein betrieblich bedingter Aufenthalt an einem fremden Ort und außerhalb der Arbeitszeit nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflusst wird wie derjenige am Wohnort, kann bei einer Reihe von Tätigkeiten ein innerer Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Tätigkeit begründet werden. Aber auch auf Dienst- oder Geschäftsreisen ist zu unterscheiden zwischen – versicherten - Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stehen, und solchen Verrichtungen, bei denen sich der Betroffene außerhalb einer solchen inneren Beziehung zum Unternehmen befindet, etwa wenn der Reisende sich rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet. Hierzu gehören etwa die Freizeitgestaltung, das Schlafen, die Nahrungsaufnahme oder die Körperreinigung, die jeweils unversichert sind (vgl. BSG, Urteile vom 04. Juni 2002 – B 2 U 21/01 R - und 04. August 1992 – 2 RU 43/91 -, beide in juris).
Von diesen Grundsätzen ausgehend stellt sich der durch den Arbeitgeber veranlasste Aufenthalt des Klägers in dem Lehrlingswohnheim zwar als beruflich veranlasst dar, denn es ist zweckmäßig und der Berufsausbildung dienend, wenn die Lehrlinge wegen des frühen Beginns ihrer Arbeit in der Nähe der Ausbildungsstätte untergebracht sind. Dies bedeutet aber nicht, dass jeder während der zeitlichen Dauer der Fremdunterbringung erlittene Unfall auch unter Versicherungsschutz steht. Vielmehr trat der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit eindeutig in den Hintergrund als sich der Kläger - wie er selbst angegeben hat - am Abend des 10. September 2008 in seinem Zimmer bereit für die Nachtruhe gemacht und sich damit rein persönlichen Belangen gewidmet hat. Erholung und Nachtschlaf sind losgelöst von der versicherten Tätigkeit und fallen auch ohne Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses im täglichen Leben an.
Zwar kann ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auch bei einer dem privaten Bereich angehörenden Verrichtung, wie hier der Nachtruhe, ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn gefahrbringende Umstände, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten an seinem Wohnort nicht begegnet wären, den Unfall wesentlich bedingt haben. Insoweit ist aber zu fordern, dass sich bei Unfällen während einer Dienstreise ein besonderes Gefahrenmoment realisiert haben muss, etwa weil der Versicherte wegen des auswärtigen Dienstgeschäfts gezwungen war, eine gefahrbringende Einrichtung zu benutzen (vgl. hierzu die Rechtsprechungsübersicht in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – Kommentar, Stand Juni 2011, § 8 RNrn. 107, 108). Das Argument des Klägers, es lägen besondere gefahrbringende Umstände, die ihm zu Hause nicht begegnet wären, deshalb vor, weil in dem Wohnheim eine Vielzahl junger Menschen zusammen gelebt habe und weil es im Vorfeld zu Streitigkeiten zwischen Heimbewohnern und den Jugendlichen aus G gekommen sei, genügt jedoch nicht, um einen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Maurerlehrling zu begründen. Das SG Cottbus hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es einen Erfahrungssatz, dass ein Lehrlingswohnheim ein besonderes Objekt für Überfälle durch Unbekannte sei, nicht gebe und dass aus der Bestürzung und dem Unverständnis, welche der Überfall in der Presse ausgelöst habe, auf einen bedauerlichen Einzelfall zu schließen sei. Dem ist zuzustimmen. Auch andernorts gibt es Wohnhäuser, in denen viele Menschen auf engem Raum zusammen leben, wodurch sich Interessengegensätze ergeben können, und auch an anderen Orten kommt es zwischen Jugendlichen bzw. Gruppen von Jugendlichen zu Reibereien. Soweit im vorliegenden Sachverhalt die Streitigkeiten, deren nähere Umstände nicht aufgeklärt werden konnten, schließlich eskaliert und in einem Überfall der G Jugendlichen auf den Kläger und seine Zimmergenossen gemündet sind, hat sich ein Alltagsrisiko realisiert, das sich nicht durch die Unterbringung im Wohnheim erhöht hat. Der Überfall hätte vielmehr genauso gut direkt auf dem Marktplatz oder auf dem Rückweg zum Wohnheim geschehen können.
Der Auffassung des Klägers, die besonderen räumlichen Verhältnisse des Lehrlingswohnheims hätten den Überfall erst ermöglicht, ist nicht zu folgen. In dem vom Kläger angeführten Urteil des Bayerischen LSG vom 05. Februar 1986 (L 2 U 248/83) handelte es sich um örtliche Gegebenheiten, in denen der dortige Täter von der frei zugänglichen Teeküche aus nach Öffnen des dortigen Schiebefensters auf einen Feuerschutzbalkon (Fluchtbalkon) und von dort nach unproblematischer Entriegelung der Fenster in die Zimmer gelangen konnte. So verhielt es sich in dem Lehrlingswohnheim aber nicht. Dort war ausweislich der strafrechtlichen Ermittlungen ständig, auch nachts, ein Sozialarbeiter anwesend. Die polizeiliche Tatortbesichtigung ergab, dass das Gebäude über eine den Türen der anderen Wohnhäuser entsprechende Eingangstür verfügte. Auch die Wohnungstür des Klägers entsprach der ortsüblichen Ausstattung und war verschließbar. Eine unzureichende Sicherung lag also nicht vor, sondern sie entsprach vielmehr den üblichen Gegebenheiten. Ein unbefugtes Eindringen war nur in der Form möglich, dass die Angreifer sowohl die Hauseingangstür wie auch die Tür zur Wohnung des Klägers unter Einsatz von Hilfsmitteln (Axt, Hammer, Baseballschläger) gewaltsam öffneten, indem sie u. a. das Türblatt mit dem kompletten Rahmen in den Wohnungsflur stießen. Vorher bestehende Defekte an der Hauseingangs- wie auch der Wohnungstür wurden nicht bekannt. Dass der Betreiber des Wohnheimes, wie der Kläger vorträgt, nach dem Überfall stärkere Sicherungsmaßnahmen in Form einer Stahleingangstür, einer Videoüberwachung und von Einsatz eines Wachschutzes eingeführt hat, beweist nicht, dass zuvor eine unzureichende Sicherung bestand, sondern dient dem Bestreben nach höheren Sicherheitsstandards.
Schließlich kommt auch dem Argument des Klägers, er persönlich habe keinerlei Anlass zu einem möglichen Racheakt von G Jugendlicher gegeben, keine entscheidende Bedeutung zu. Ein Überfall bzw. eine tätliche Auseinandersetzung steht grundsätzlich nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn ein Tatmotiv aus dem persönlichen Bereich von Täter oder Opfer – etwa ein Racheakt – zum Überfall geführt hat, und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Tätlichkeit am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsweg oder auf dem Weg von oder nach dem Ort der Tätigkeit ereignet hat. Hier herrschen die betriebsfremden Beziehungen zwischen Täter und Opfer vor und drängen den Zusammenhang des Überfalls mit der betriebsdienlichen Tätigkeit zurück (vgl. BSG, Urteile vom 19. März 1996 – 2 RU 19/95 – und vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 37/99 R -, beide in juris). Der Kläger selbst hat in seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, es habe bereits zuvor bereits eine Rangelei zwischen ein paar Azubis und den G Jugendlichen gegeben und an dem fraglichen Abend seien die G auf den Markt gegangen, weil sie sich hätten prügeln wollen. Nach Angaben des Zeugen SH hätten Lehrlinge aus dem ersten Lehrjahr Stress mit G Jugendlichen gehabt. Ähnliche Angaben haben auch andere zeugenschaftlich vernommene Lehrlinge sowie die Betreuerin des Wohnheims MZ gemacht. Ausweislich des Abschlussberichts des Polizeipräsidiums F vom 20. März 2009 lagen nach den strafrechtlichen Ermittlungen Anhaltspunkte dafür vor, dass es im Vorfeld zu einer räuberischen Erpressung zwischen Heimbewohnern (als Täter) und Jugendlichen (als Opfer) aus G gekommen sei. Ausgangspunkt hierfür seien einzelne Heimbewohner gewesen, so dass zu vermuten sei, dass es sich bei dem Überfall um einen Racheakt für die räuberische Erpressung gehandelt habe. Private Auseinandersetzungen wie diese stehen aber grundsätzlich nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Aus diesem Grund spielt es auch keine Rolle, dass der Kläger, wie er angibt, nicht an den vorangegangenen Streitigkeiten beteiligt war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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