Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 SO 116/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig die Kosten eines Integrationshelfers für die Antragstellerin während des Besuchs der Integrativen Kindertagesstätte der AWO, M.-Strasse 17, H., für 25 Stunden wöchentlich für die Zeit ab 24.04.2013 für die Dauer von 10 Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit dem Az: S 16 SO 57/13 zu übernehmen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt ½ der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer.
Die 2008 geborene Antragstellerin leidet ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen an einem Fetalen Alkoholsyndrom mit bestätigter Alkoholexposition. Sie hat einen Grad der Behinderung von 80 mit den Merkzeichen G, B und H. Mit Bescheid vom 14.08.2012 bewilligte die Techniker Krankenkasse ab 25.05.2012 Pflegegeld der Pflegestufe I sowie mit weiterem Bescheid vom selben Tag wegen einem erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung den Höchstanspruch für zusätzliche Betreuungsleistungen.
Seit dem 01.07.2009 lebt die Antragstellerin bei ihrer Pflegefamilie und besucht seit dem 01.08.2011 die Integrative Kindertagesstätte der AWO, M.-Strasse 17, in H. (nachfolgend: Kita). Mit Bescheid vom 02.11.2010 bewilligte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten des behinderungsbedingten Mehraufwandes für die Betreuung der Antragstellerin in der Einrichtung.
Am 03.01.2012 beantragte die Antragstellerin über ihre Pflegemutter und Ergänzungspflegerin die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer. Sie legt hierbei unter anderem Stellungnahmen der Kita vor. Bezüglich des Inhalts wird auf Blatt 56 und 78f. der Leistungsakte Bezug genommen. Die Kita gibt den Betreuungsbedarf dort mit 25 bis 45 Stunden pro Woche an.
Mit Bescheid vom 07.05.2012 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer mit der Begründung ab, dass die Prüfung der ärztlichen Berichte sowie der personellen Besetzung der Gruppe, in der die Antragstellerin in der Kita betreut werde, ergeben habe, dass die Betreuung durch das vorhandene Personal ausreichen gedeckt werden könne.
Den Widerspruch der Antragstellerin vom 21.05.2012 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2013 als unbegründet zurück. Mittlerweile ist unter dem Aktenzeichen S 16 SO 57/13 das Klageverfahren beim SG Duisburg anhängig.
Zur Begründung ihres zunächst beim Verwaltungsgericht Münster am 23.01.2013 gestellten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht die Antragstellerin geltend, dass es ihr aufgrund ihrer kognitiven Schädigungen nicht möglich sei, ein selbstkritisches Verständnis für ihr Verhalten aufzubauen. Ein Reflexionsvermögen vor dem Hintergrund erzieherischer Entwicklung auf ein fremdgefährdendes und selbstgefährdendes Verhalten sei ihr nicht möglich. Durch die inzwischen hinzugetretenen Weglauftendenzen sei eine Eins-zu-Eins-Betreuung notwendig, die von der Kita nicht geleistet werden könne. Bestätigt werde dies durch die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche B und H sowie die Feststellung der Pflegestufe I.
Die Antragstellerin legt zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages eine Stellungnahme der Tagesklinik W. vom 02.01.2013 vor, wonach ein Integrationshelfer dringend empfohlen wird. Bezüglich des weiteren Inhalts wird auf Blatt 12f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten eines nicht qualifizierten Integrationshelfers für den Besuch der Integrativen Kindertagesstätte der AWO, M.-Strasse 17, H. zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist zunächst der Ansicht, dass es sich bei der begehrten Leistung um eine nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) handele, weshalb die Sozialgerichte zuständig seien. In der Sache selbst ist der Antragsgegner der Ansicht, dass die für die Gruppe der Antragstellerin zuständigen zwei Erzieherinnen und eine Therapeutin in der Lage seien, den Betreuungsbedarf der Antragstellerin zu decken. In der Gruppe befinden sich 6 Kinder mit und 9 Kinder ohne Behinderung. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht jedes behinderte Kind in gleichem Maße wie die Antragstellerin Betreuung benötige. Auch sei nicht ersichtlich, dass die derzeitigen personellen Bedingungen derzeit so unzureichend seien, dass eine sofortige Eins-zu-Eins-Betreuung erforderlich sei. Der Antragstellerin werde vielmehr durch den Besuch der Kita die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht. Die hierfür erforderliche Hilfe erhalte sie durch das in der Kita vorhandene Personal. Darüber hinaus werde auch verneint, dass die angestrebte Eins-zu-Eins-Betreuung in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit erreichbaren Ziel stehe. Die Sozialhilfe müsse keine optimale Förderung ermöglichen, daher seien auch nicht alle denkbaren Fördermöglichkeiten zu finanzieren, sondern nur solche, die die Führung eines Lebens ermöglichen, dass der Würde des Menschen entspreche. Die Eins-zu-Eins-Betreuung der Antragstellerin sei jedoch mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden. Daher sei eine Bewilligung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann geboten, wenn zumindest wahrscheinlich sei, dass der Antragstellerin andernfalls existenzielle Nachteile drohen, was vorliegend nicht der Fall sei. Darüber hinaus stünden der Einrichtung bereits aktuell ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um den Betreuungsbedarf der Antragstellerin durch den Einsatz einer weiteren Betreuungsperson zu decken.
Mit Beschluss vom 18.02.2013 hat das Verwaltungsgericht Münster den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das erkennende Gericht verwiesen. Die Akten sind am 08.03.2013 beim Sozialgericht Duisburg eingegangen.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht mit Schreiben vom 12.03.2013 die Kita unter anderem um eine Stellungnahme zum Betreuungsbedarf der Antragstellerin sowie zur Betreuungssituation der Gruppe gebeten, in der die Antragstellerin betreut wird. Mit Schreiben vom 18.03.2013 und 26.03.2013 hat die Kita ausführlich Stellung genommen. Bezüglich des Inhalts wird auf Blatt 48ff und 59f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die die Antragstellerin betreffende Leistungsakte des Antragsgegners. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Gründe:
II
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann. Die Erfolgsaussichten des Hauptsachebehelfes (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Nach den genannten Grundsätzen ist dem Begehren der Antragstellerin teilweise zu entsprechen.
Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ergibt sich der Anordnungsanspruch aus den §§ 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit § 55 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX). Nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe "insbesondere" auch heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind. Bei § 55 Abs. 2 SGB IX handelt es sich jedoch nicht um einen abschließenden Katalog von Leistungen. Vielmehr können darüber hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern. Ähnlich wie bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sind daher auch bei behinderten Kindern im Kindergartenalter neben heilpädagogischen auch sonstige Maßnahmen zu gewähren, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, den behinderten Kindern den Besuch in der Kita zu ermöglichen oder zu erleichtern. Zu den Hilfen in diesem Sinne gehören auch die Kosten für die Übernahme eines Integrationshelfers. Grundsätzlich ist es zwar Aufgabe der jeweiligen Kita, die Betreuung sicherzustellen. Anders stellt sich dies jedoch nach Ansicht des Gerichts für die Kosten für eine individuelle Eins-zu-Eins-Betreuung und Begleitung dar, durch die der Besuch der Kita und damit die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst ermöglicht wird.
Die genannten Voraussetzungen liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand und der gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls im tenorierten Umfang vor (vgl. unter Punkt 1.). Soweit aufgrund der Einwendungen des Antragsgegners noch Restzweifel bestehen sollten, geht dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu seinen Lasten (vgl. unter Punkt 2.).
1. Streitig ist vorliegend die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, mithin die Zeit ab 23.01.2013. Nach dem Vortrag sowohl der Antragstellerin als auch der Kita ist jedoch bis aktuell noch kein Integrationshelfer eingesetzt worden. Daher konnte im Wege der einstweiligen Anordnung auch erst ab dem Tag der Beschlussfassung, mithin ab 24.04.2013, die vorläufige Zuerkennung eines Integrationshelfers erfolgen. Lediglich klarstellend weist das Gericht darauf hin, dass eine vorläufige Übernehme der Kosten für den Integrationshelfer durch die Antragsgegnerin selbstverständlich erst ab dem Tag erfolgen kann, an dem tatsächlich ein Integrationshelfer in der Kita zur Betreuung der Antragstellerin eingesetzt wird.
Für die Zeit ab 24.04.2013 spricht mehr dafür als dagegen, dass die Bereitstellung eines Integrationshelfers zur Verwirklichung der Ziele der Integrationshilfe erforderlich ist. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen sowie der Stellungnahmen der Kita.
Die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin gelangt in ihrer medizinischen Stellungnahme vom 27.10.2009 zu dem Ergebnis, dass im Fall der Antragstellerin bedingt durch das Fetale Alkoholsyndrom Verhaltensauffälligkeiten und massive Einschränkungen im Sozialverhalten bestehen. Erforderlich seien sehr klar vorgegebene Alltagsstrukturen und Verhaltensanweisungen. Diese Einschätzung wird durch die Tagesklinik W. in deren medizinischen Stellungnahme vom 24.01.2012 geteilt. Darüber hinaus teilt die Tagesklinik in ihrer Stellungnahme vom 02.01.2013 mit, dass aufgrund der hirnorganischen Schädigung die Antragstellerin eine sehr klare und enge Begleitung und Anleitung benötige, die Orientierung und Sicherheit biete. Die Rahmenbedingungen und Strukturen müssen eng gestrickt und die Anforderungen kleinschrittig gestellt werden. Es werde aus fachlicher Sicht dringend die Bestellung einer Integrationskraft empfohlen. Bestätigt wird der dargestellte Betreuungsaufwand durch den Bescheid der Techniker Krankenkasse vom 14.08.2012. Dort wird nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse festgestellt, dass die Antragstellerin einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung hat. Die medizinischen Stellungnahmen sind in sich schlüssig. Sie gelangen in Bezug auf die behinderungsbedingten Einschränkungen übereinstimmend zu demselben Ergebnis. Für das Gericht steht, nach der gebotenen summarischen Prüfung, fest, dass die Antragstellerin behinderungsbedingt einen erheblichen Betreuungsbedarf hat, der insbesondere in einer engen Beaufsichtigung während des Besuchs der Kita besteht, um Gefährdungssituationen zu vermeiden. Dabei sollen klare Rahmenbedingungen vorgegeben und die Anforderungen an die Antragstellerin kleinschrittig gestellt werden, was zur Folge hat, dass auch ein ständiger Bedarf an Anleitung und Führung besteht.
Bestätigt wird dies durch die von der Kita insoweit ausführlich dargestellte aktuelle Betreuungssituation der Antragstellerin. Aktuell ist dort eine dem Betreuungsbedarf entsprechende Beaufsichtigung und Anleitung nur unzureichend möglich. Dies ergibt sich daraus, dass sich trotz des vorhandenen Personals immer wieder Gefahrensituationen ergeben, in denen die Antragstellerin sich selbst oder andere gefährdet hat. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist daher aktuell ein möglichst gefährungsfreier Besuch der Kita durch die Antragstellerin kaum möglich. Dies dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftig zur Folge haben, dass die Antragstellerin ohne Integrationshelfer behinderungsbedingt die Kita wird nicht mehr besuchen können.
Darüber hinaus teilt die Kita mit, dass der Antragstellerin selbständige Aktivitäten sowie Aktivitäten außerhalb der Gruppe, in der Erfahrungsräume aufgesucht werden können und die eine angemessene Förderung der Selbständigkeit der Antragstellerin darstellen, untersagt werden müssen, da hierfür eine ständige Beaufsichtigung erforderlich sei, diese jedoch nur unzureichend gewährleistet werden könne. Damit ist aktuell auch eine angemessene Förderung der Antragstellerin behinderungsbedingt voraussichtlich nur durch den Einsatz einen Integrationshelfers möglich, der die Antragstellerin sowohl bei Aktivitäten innerhalb als auch außerhalb der Gruppe beaufsichtigen sowie unterstützen und anleiten kann. Erst durch diese Unterstützung dürfte damit eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht bzw. erleichtert werden.
Die Einschätzung der Kita im Hinblick auf den Betreuungsumfang der Antragstellerin wird durch den Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen NRW e.V. in seiner Stellungnahme vom 12.03.2013 bestätigt. Nach deren Einschätzung benötige die Antragstellerin eine besonders enge Betreuung und Begleitung, da sie Gefahren auch bei wiederholter Begegnung nicht erkenne und sich immer wieder in Gefahr bringe. Das geringe Schmerzempfinden stelle hierbei ein besonderes Risiko dar, da der natürliche Schutzreflex wenig ausgeprägt sei. Sie habe eine Tendenz, ihr interessant scheinenden Impulsen ungesteuert nachzugehen und laufe weg, wenn sie daran nicht gehindert werde. Sie müsse stets im Auge behalten werden, da sie ihren Ideen ungebremst nachgehe und sich und oder gefährde oder Dinge beschädige.
Zwar stimmt das Gericht dem Antragsgegner darin zu, dass kein Anspruch auf bestmögliche bzw. optimale Betreuung besteht. Jedoch ist dies vorliegend nicht der Fall. Wie bereits dargelegt, soll vielmehr sichergestellt werden, dass die Antragstellerin ohne Eigen- oder Fremdgefährdung die Kita besuchen und damit einhergehend eine angemessene Förderung sichergestellt werden kann.
Offen bleiben kann, jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob es der Kita finanziell möglich ist, aus eigenen Mitteln die Betreuung der Antragstellerin durch eine zusätzliche Betreuungsperson sicherzustellen. Zwar hat der Antragsgegner hier angegeben, in welcher Höhe der Kita Mittel zur Verfügung stehen. Die Kita hat demgegenüber angegeben, dass lediglich die beiden Erzieher sowie ein Therapeut die Betreuung der Gruppe übernimmt. Inwieweit für die 5 Kinder mit Behinderung noch weitere Mittel vorhanden sind bzw. inwieweit diese bereits aktuell eingesetzt werden, kann im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht abschließend geklärt werden. Dies muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für die Entscheidung des Gerichts war vorliegend vielmehr ausschlaggebend, dass die Antragstellerin aktuell nicht ohne Eigen- bzw. Fremdgefährdung die Kita besuchen und dieser Zustand jedenfalls bis zu einer Klärung in der Hauptsache nicht hingenommen werden kann.
Nach alledem ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin im Rahmen des Besuchs der Kita ständiger Beaufsichtigung und Anleitung durch einen – einfachen, nicht qualifizierten – Integrationselfer bedarf, um Eigen- und Fremdgefährdungen zu unterbinden und eine angemessene Förderung zu erreichen.
Auch ein Anordnungsgrund ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners hinreichend glaubhaft gemacht. Dieser liegt dann vor, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag. Durch die Stellungnahme der Kita wurde hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin sich und andere behinderungsbedingt bereits mehrfach in Gefahr gebracht hat und die Kita sich nicht mehr in der Lage sieht, die angemessene Betreuung der Antragstellerin sicherzustellen. Um jedoch den möglichst risikofreien Kita-Besuch der Antragstellerin und damit die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicherzustellen, ist damit die Betreuung durch einen Integrationshelfer erforderlich.
Die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers durch den Antragsgegner war vorliegend für 10 Monate längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusprechen. Die Begrenzung auf 10 Monate war erforderlich, um die Hauptsache nicht gänzlich vorwegzunehmen. Andererseits geht das Gericht davon aus, dass im Hauptsacheverfahren eine medizinische Begutachtung der Antragstellerin in der Kita erforderlich sein wird, um so das Gefährdungspotential und den Betreuungsbedarf abschließend zu ermitteln. Diese Sachverhaltsaufklärung wurde bislang vom Antragsgegner unterlassen. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsgegner auch nach Ablauf der 10 Monate die Kosten vorläufig übernehmen wird, bis im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist, ob ein Integrationselfer erforderlich ist, um so den erneuten Erlass einer einstweiligen Anordnung mit demselben Inhalt wie der Vorliegenden zu vermeiden, was für den Antragsgegner mit weiteren Kosten verbunden wäre.
Des Weiteren war der Betreuungsumfang auf 25 Stunden pro Woche ebenfalls vor dem Hintergrund zu begrenzen, dass die Entscheidung in der Hauptsache nicht gänzlich vorweggenommen werden sollte. Darüber hinaus entsprach diese Stundenzahl auch der Einschätzung der Kita von dem mindestens erforderlichen Betreuungsumfang der Antragsstellerin. Schließlich war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin während des Kita-Besuches weitere Therapien (logopädische und motorische Therapie) erhält und sie jedenfalls für diese Zeit keines Integrationshelfers bedarf. Das Gericht geht davon aus, dass für die darüber hinausgehenden Stunden eine angemessene Betreuung der Antragstellerin jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch die Kita sichergestellt werden kann.
2. Selbst wenn noch Unklarheiten in Bezug auf die Erforderlichkeit eines Integrationshelfers bestehen sollten, folgt jedenfalls aus der dann vorzunehmenden Interessenabwägung dennoch, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu Gunsten der Antragstellerin zu entscheiden war. Auf Seiten des Antragsgegners besteht das Interesse an einer ordnungsgemäßen Mittelverwendung und an rechtmäßigem Verwaltungshandeln. Dem steht das Interesse der Antragstellerin an einem – insbesondere gefährdungsfreien – Besuch der Kita gegenüber. Nach Ansicht des Gerichts überwiegen die Interessen der Antragstellerin die des Antragsgegners, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einem weiteren Besuch der Kita ohne Integrationshelfer nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu weiteren Gefährdungssituationen oder sogar Verletzungen der Antragstellerin bzw. anderer Kinder der Gruppe kommt. Durch die objektiv bestehenden Verhaltensauffälligkeiten ist darüber hinaus wohl auch der weitere Besuch der Kita durch die Antragstellerin gefährdet. Die genaue Prüfung der Frage, ob und ggfs. in welchem Umfang ein Integrationshelfer erforderlich ist, um den Besuch der Kita zu ermöglichen, muss vor diesem Hintergrund einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt ½ der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer.
Die 2008 geborene Antragstellerin leidet ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen an einem Fetalen Alkoholsyndrom mit bestätigter Alkoholexposition. Sie hat einen Grad der Behinderung von 80 mit den Merkzeichen G, B und H. Mit Bescheid vom 14.08.2012 bewilligte die Techniker Krankenkasse ab 25.05.2012 Pflegegeld der Pflegestufe I sowie mit weiterem Bescheid vom selben Tag wegen einem erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung den Höchstanspruch für zusätzliche Betreuungsleistungen.
Seit dem 01.07.2009 lebt die Antragstellerin bei ihrer Pflegefamilie und besucht seit dem 01.08.2011 die Integrative Kindertagesstätte der AWO, M.-Strasse 17, in H. (nachfolgend: Kita). Mit Bescheid vom 02.11.2010 bewilligte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten des behinderungsbedingten Mehraufwandes für die Betreuung der Antragstellerin in der Einrichtung.
Am 03.01.2012 beantragte die Antragstellerin über ihre Pflegemutter und Ergänzungspflegerin die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer. Sie legt hierbei unter anderem Stellungnahmen der Kita vor. Bezüglich des Inhalts wird auf Blatt 56 und 78f. der Leistungsakte Bezug genommen. Die Kita gibt den Betreuungsbedarf dort mit 25 bis 45 Stunden pro Woche an.
Mit Bescheid vom 07.05.2012 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer mit der Begründung ab, dass die Prüfung der ärztlichen Berichte sowie der personellen Besetzung der Gruppe, in der die Antragstellerin in der Kita betreut werde, ergeben habe, dass die Betreuung durch das vorhandene Personal ausreichen gedeckt werden könne.
Den Widerspruch der Antragstellerin vom 21.05.2012 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2013 als unbegründet zurück. Mittlerweile ist unter dem Aktenzeichen S 16 SO 57/13 das Klageverfahren beim SG Duisburg anhängig.
Zur Begründung ihres zunächst beim Verwaltungsgericht Münster am 23.01.2013 gestellten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht die Antragstellerin geltend, dass es ihr aufgrund ihrer kognitiven Schädigungen nicht möglich sei, ein selbstkritisches Verständnis für ihr Verhalten aufzubauen. Ein Reflexionsvermögen vor dem Hintergrund erzieherischer Entwicklung auf ein fremdgefährdendes und selbstgefährdendes Verhalten sei ihr nicht möglich. Durch die inzwischen hinzugetretenen Weglauftendenzen sei eine Eins-zu-Eins-Betreuung notwendig, die von der Kita nicht geleistet werden könne. Bestätigt werde dies durch die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche B und H sowie die Feststellung der Pflegestufe I.
Die Antragstellerin legt zur Glaubhaftmachung ihres Vortrages eine Stellungnahme der Tagesklinik W. vom 02.01.2013 vor, wonach ein Integrationshelfer dringend empfohlen wird. Bezüglich des weiteren Inhalts wird auf Blatt 12f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten eines nicht qualifizierten Integrationshelfers für den Besuch der Integrativen Kindertagesstätte der AWO, M.-Strasse 17, H. zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist zunächst der Ansicht, dass es sich bei der begehrten Leistung um eine nach dem Sozialgesetzbuch – Zwölftes Buch (SGB XII) handele, weshalb die Sozialgerichte zuständig seien. In der Sache selbst ist der Antragsgegner der Ansicht, dass die für die Gruppe der Antragstellerin zuständigen zwei Erzieherinnen und eine Therapeutin in der Lage seien, den Betreuungsbedarf der Antragstellerin zu decken. In der Gruppe befinden sich 6 Kinder mit und 9 Kinder ohne Behinderung. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass nicht jedes behinderte Kind in gleichem Maße wie die Antragstellerin Betreuung benötige. Auch sei nicht ersichtlich, dass die derzeitigen personellen Bedingungen derzeit so unzureichend seien, dass eine sofortige Eins-zu-Eins-Betreuung erforderlich sei. Der Antragstellerin werde vielmehr durch den Besuch der Kita die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht. Die hierfür erforderliche Hilfe erhalte sie durch das in der Kita vorhandene Personal. Darüber hinaus werde auch verneint, dass die angestrebte Eins-zu-Eins-Betreuung in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit erreichbaren Ziel stehe. Die Sozialhilfe müsse keine optimale Förderung ermöglichen, daher seien auch nicht alle denkbaren Fördermöglichkeiten zu finanzieren, sondern nur solche, die die Führung eines Lebens ermöglichen, dass der Würde des Menschen entspreche. Die Eins-zu-Eins-Betreuung der Antragstellerin sei jedoch mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden. Daher sei eine Bewilligung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann geboten, wenn zumindest wahrscheinlich sei, dass der Antragstellerin andernfalls existenzielle Nachteile drohen, was vorliegend nicht der Fall sei. Darüber hinaus stünden der Einrichtung bereits aktuell ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung, um den Betreuungsbedarf der Antragstellerin durch den Einsatz einer weiteren Betreuungsperson zu decken.
Mit Beschluss vom 18.02.2013 hat das Verwaltungsgericht Münster den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das erkennende Gericht verwiesen. Die Akten sind am 08.03.2013 beim Sozialgericht Duisburg eingegangen.
Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht mit Schreiben vom 12.03.2013 die Kita unter anderem um eine Stellungnahme zum Betreuungsbedarf der Antragstellerin sowie zur Betreuungssituation der Gruppe gebeten, in der die Antragstellerin betreut wird. Mit Schreiben vom 18.03.2013 und 26.03.2013 hat die Kita ausführlich Stellung genommen. Bezüglich des Inhalts wird auf Blatt 48ff und 59f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die die Antragstellerin betreffende Leistungsakte des Antragsgegners. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Gründe:
II
Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann. Die Erfolgsaussichten des Hauptsachebehelfes (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Nach den genannten Grundsätzen ist dem Begehren der Antragstellerin teilweise zu entsprechen.
Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ergibt sich der Anordnungsanspruch aus den §§ 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) in Verbindung mit § 55 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX). Nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe "insbesondere" auch heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind. Bei § 55 Abs. 2 SGB IX handelt es sich jedoch nicht um einen abschließenden Katalog von Leistungen. Vielmehr können darüber hinaus weitere Leistungen erbracht werden, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern. Ähnlich wie bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII sind daher auch bei behinderten Kindern im Kindergartenalter neben heilpädagogischen auch sonstige Maßnahmen zu gewähren, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, den behinderten Kindern den Besuch in der Kita zu ermöglichen oder zu erleichtern. Zu den Hilfen in diesem Sinne gehören auch die Kosten für die Übernahme eines Integrationshelfers. Grundsätzlich ist es zwar Aufgabe der jeweiligen Kita, die Betreuung sicherzustellen. Anders stellt sich dies jedoch nach Ansicht des Gerichts für die Kosten für eine individuelle Eins-zu-Eins-Betreuung und Begleitung dar, durch die der Besuch der Kita und damit die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst ermöglicht wird.
Die genannten Voraussetzungen liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand und der gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls im tenorierten Umfang vor (vgl. unter Punkt 1.). Soweit aufgrund der Einwendungen des Antragsgegners noch Restzweifel bestehen sollten, geht dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu seinen Lasten (vgl. unter Punkt 2.).
1. Streitig ist vorliegend die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, mithin die Zeit ab 23.01.2013. Nach dem Vortrag sowohl der Antragstellerin als auch der Kita ist jedoch bis aktuell noch kein Integrationshelfer eingesetzt worden. Daher konnte im Wege der einstweiligen Anordnung auch erst ab dem Tag der Beschlussfassung, mithin ab 24.04.2013, die vorläufige Zuerkennung eines Integrationshelfers erfolgen. Lediglich klarstellend weist das Gericht darauf hin, dass eine vorläufige Übernehme der Kosten für den Integrationshelfer durch die Antragsgegnerin selbstverständlich erst ab dem Tag erfolgen kann, an dem tatsächlich ein Integrationshelfer in der Kita zur Betreuung der Antragstellerin eingesetzt wird.
Für die Zeit ab 24.04.2013 spricht mehr dafür als dagegen, dass die Bereitstellung eines Integrationshelfers zur Verwirklichung der Ziele der Integrationshilfe erforderlich ist. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus den vorliegenden medizinischen Stellungnahmen sowie der Stellungnahmen der Kita.
Die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin gelangt in ihrer medizinischen Stellungnahme vom 27.10.2009 zu dem Ergebnis, dass im Fall der Antragstellerin bedingt durch das Fetale Alkoholsyndrom Verhaltensauffälligkeiten und massive Einschränkungen im Sozialverhalten bestehen. Erforderlich seien sehr klar vorgegebene Alltagsstrukturen und Verhaltensanweisungen. Diese Einschätzung wird durch die Tagesklinik W. in deren medizinischen Stellungnahme vom 24.01.2012 geteilt. Darüber hinaus teilt die Tagesklinik in ihrer Stellungnahme vom 02.01.2013 mit, dass aufgrund der hirnorganischen Schädigung die Antragstellerin eine sehr klare und enge Begleitung und Anleitung benötige, die Orientierung und Sicherheit biete. Die Rahmenbedingungen und Strukturen müssen eng gestrickt und die Anforderungen kleinschrittig gestellt werden. Es werde aus fachlicher Sicht dringend die Bestellung einer Integrationskraft empfohlen. Bestätigt wird der dargestellte Betreuungsaufwand durch den Bescheid der Techniker Krankenkasse vom 14.08.2012. Dort wird nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse festgestellt, dass die Antragstellerin einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung hat. Die medizinischen Stellungnahmen sind in sich schlüssig. Sie gelangen in Bezug auf die behinderungsbedingten Einschränkungen übereinstimmend zu demselben Ergebnis. Für das Gericht steht, nach der gebotenen summarischen Prüfung, fest, dass die Antragstellerin behinderungsbedingt einen erheblichen Betreuungsbedarf hat, der insbesondere in einer engen Beaufsichtigung während des Besuchs der Kita besteht, um Gefährdungssituationen zu vermeiden. Dabei sollen klare Rahmenbedingungen vorgegeben und die Anforderungen an die Antragstellerin kleinschrittig gestellt werden, was zur Folge hat, dass auch ein ständiger Bedarf an Anleitung und Führung besteht.
Bestätigt wird dies durch die von der Kita insoweit ausführlich dargestellte aktuelle Betreuungssituation der Antragstellerin. Aktuell ist dort eine dem Betreuungsbedarf entsprechende Beaufsichtigung und Anleitung nur unzureichend möglich. Dies ergibt sich daraus, dass sich trotz des vorhandenen Personals immer wieder Gefahrensituationen ergeben, in denen die Antragstellerin sich selbst oder andere gefährdet hat. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist daher aktuell ein möglichst gefährungsfreier Besuch der Kita durch die Antragstellerin kaum möglich. Dies dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach zukünftig zur Folge haben, dass die Antragstellerin ohne Integrationshelfer behinderungsbedingt die Kita wird nicht mehr besuchen können.
Darüber hinaus teilt die Kita mit, dass der Antragstellerin selbständige Aktivitäten sowie Aktivitäten außerhalb der Gruppe, in der Erfahrungsräume aufgesucht werden können und die eine angemessene Förderung der Selbständigkeit der Antragstellerin darstellen, untersagt werden müssen, da hierfür eine ständige Beaufsichtigung erforderlich sei, diese jedoch nur unzureichend gewährleistet werden könne. Damit ist aktuell auch eine angemessene Förderung der Antragstellerin behinderungsbedingt voraussichtlich nur durch den Einsatz einen Integrationshelfers möglich, der die Antragstellerin sowohl bei Aktivitäten innerhalb als auch außerhalb der Gruppe beaufsichtigen sowie unterstützen und anleiten kann. Erst durch diese Unterstützung dürfte damit eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht bzw. erleichtert werden.
Die Einschätzung der Kita im Hinblick auf den Betreuungsumfang der Antragstellerin wird durch den Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen NRW e.V. in seiner Stellungnahme vom 12.03.2013 bestätigt. Nach deren Einschätzung benötige die Antragstellerin eine besonders enge Betreuung und Begleitung, da sie Gefahren auch bei wiederholter Begegnung nicht erkenne und sich immer wieder in Gefahr bringe. Das geringe Schmerzempfinden stelle hierbei ein besonderes Risiko dar, da der natürliche Schutzreflex wenig ausgeprägt sei. Sie habe eine Tendenz, ihr interessant scheinenden Impulsen ungesteuert nachzugehen und laufe weg, wenn sie daran nicht gehindert werde. Sie müsse stets im Auge behalten werden, da sie ihren Ideen ungebremst nachgehe und sich und oder gefährde oder Dinge beschädige.
Zwar stimmt das Gericht dem Antragsgegner darin zu, dass kein Anspruch auf bestmögliche bzw. optimale Betreuung besteht. Jedoch ist dies vorliegend nicht der Fall. Wie bereits dargelegt, soll vielmehr sichergestellt werden, dass die Antragstellerin ohne Eigen- oder Fremdgefährdung die Kita besuchen und damit einhergehend eine angemessene Förderung sichergestellt werden kann.
Offen bleiben kann, jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, ob es der Kita finanziell möglich ist, aus eigenen Mitteln die Betreuung der Antragstellerin durch eine zusätzliche Betreuungsperson sicherzustellen. Zwar hat der Antragsgegner hier angegeben, in welcher Höhe der Kita Mittel zur Verfügung stehen. Die Kita hat demgegenüber angegeben, dass lediglich die beiden Erzieher sowie ein Therapeut die Betreuung der Gruppe übernimmt. Inwieweit für die 5 Kinder mit Behinderung noch weitere Mittel vorhanden sind bzw. inwieweit diese bereits aktuell eingesetzt werden, kann im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens nicht abschließend geklärt werden. Dies muss einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für die Entscheidung des Gerichts war vorliegend vielmehr ausschlaggebend, dass die Antragstellerin aktuell nicht ohne Eigen- bzw. Fremdgefährdung die Kita besuchen und dieser Zustand jedenfalls bis zu einer Klärung in der Hauptsache nicht hingenommen werden kann.
Nach alledem ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin im Rahmen des Besuchs der Kita ständiger Beaufsichtigung und Anleitung durch einen – einfachen, nicht qualifizierten – Integrationselfer bedarf, um Eigen- und Fremdgefährdungen zu unterbinden und eine angemessene Förderung zu erreichen.
Auch ein Anordnungsgrund ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners hinreichend glaubhaft gemacht. Dieser liegt dann vor, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag. Durch die Stellungnahme der Kita wurde hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin sich und andere behinderungsbedingt bereits mehrfach in Gefahr gebracht hat und die Kita sich nicht mehr in der Lage sieht, die angemessene Betreuung der Antragstellerin sicherzustellen. Um jedoch den möglichst risikofreien Kita-Besuch der Antragstellerin und damit die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicherzustellen, ist damit die Betreuung durch einen Integrationshelfer erforderlich.
Die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers durch den Antragsgegner war vorliegend für 10 Monate längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszusprechen. Die Begrenzung auf 10 Monate war erforderlich, um die Hauptsache nicht gänzlich vorwegzunehmen. Andererseits geht das Gericht davon aus, dass im Hauptsacheverfahren eine medizinische Begutachtung der Antragstellerin in der Kita erforderlich sein wird, um so das Gefährdungspotential und den Betreuungsbedarf abschließend zu ermitteln. Diese Sachverhaltsaufklärung wurde bislang vom Antragsgegner unterlassen. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsgegner auch nach Ablauf der 10 Monate die Kosten vorläufig übernehmen wird, bis im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist, ob ein Integrationselfer erforderlich ist, um so den erneuten Erlass einer einstweiligen Anordnung mit demselben Inhalt wie der Vorliegenden zu vermeiden, was für den Antragsgegner mit weiteren Kosten verbunden wäre.
Des Weiteren war der Betreuungsumfang auf 25 Stunden pro Woche ebenfalls vor dem Hintergrund zu begrenzen, dass die Entscheidung in der Hauptsache nicht gänzlich vorweggenommen werden sollte. Darüber hinaus entsprach diese Stundenzahl auch der Einschätzung der Kita von dem mindestens erforderlichen Betreuungsumfang der Antragsstellerin. Schließlich war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin während des Kita-Besuches weitere Therapien (logopädische und motorische Therapie) erhält und sie jedenfalls für diese Zeit keines Integrationshelfers bedarf. Das Gericht geht davon aus, dass für die darüber hinausgehenden Stunden eine angemessene Betreuung der Antragstellerin jedenfalls bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch die Kita sichergestellt werden kann.
2. Selbst wenn noch Unklarheiten in Bezug auf die Erforderlichkeit eines Integrationshelfers bestehen sollten, folgt jedenfalls aus der dann vorzunehmenden Interessenabwägung dennoch, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu Gunsten der Antragstellerin zu entscheiden war. Auf Seiten des Antragsgegners besteht das Interesse an einer ordnungsgemäßen Mittelverwendung und an rechtmäßigem Verwaltungshandeln. Dem steht das Interesse der Antragstellerin an einem – insbesondere gefährdungsfreien – Besuch der Kita gegenüber. Nach Ansicht des Gerichts überwiegen die Interessen der Antragstellerin die des Antragsgegners, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einem weiteren Besuch der Kita ohne Integrationshelfer nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu weiteren Gefährdungssituationen oder sogar Verletzungen der Antragstellerin bzw. anderer Kinder der Gruppe kommt. Durch die objektiv bestehenden Verhaltensauffälligkeiten ist darüber hinaus wohl auch der weitere Besuch der Kita durch die Antragstellerin gefährdet. Die genaue Prüfung der Frage, ob und ggfs. in welchem Umfang ein Integrationshelfer erforderlich ist, um den Besuch der Kita zu ermöglichen, muss vor diesem Hintergrund einer Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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