Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 20 R 1022/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 70/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Dem am xxxxx 1950 in der T. geborenen Kläger, der zuletzt als Dachdecker tätig war, hatte die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 28. April 2004 aufgrund eines vor dem Sozialgericht Hamburg in einem wegen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geführten Rechtsstreit (S 16 RJ 90/03) am 29. März 2004 geschlossenen Vergleichs eine nicht befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit bewilligt. Am 23. März 2009 beantragte der Versicherte erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 2009 nach Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 8. Juli 2009 nach durch diese am 1. Juli 2009 erfolgter ambulanter Untersuchung ablehnte, weil der Kläger mit Blick auf den Verlauf seiner Erkrankung noch immer mehr als sechs Stunden täglich leichte Arbeiten ausführen könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2009 zurück.
Mit seiner daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe seinen erneuten Antrag auf Anraten seiner Ärzte gestellt, weil er nun nicht mehr in der Lage sei, auch nur drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie Dr. P. eingeholt, der unter dem 15. Februar 2010 angegeben hat, der Kläger leide an einer chronischen rezidivierenden Depression mit intermittierend paranoiden Verkennungen. In einem Befundbericht vom 26. April 2010 hat der Facharzt für Innere Medizin H. mitgeteilt, er habe bei dem Versicherten ein schwergradiges Erschöpfungssyndrom, eine erektile Dysfunktion, erhöhte CK sowie eine Aortenklappeninsuffizienz 1. – 2. Grades gefunden. Bei neurasthenischer Grundhaltung bestehe extrem hoher Leidensdruck. Auf Anordnung des Sozialgerichts hat alsdann die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. den Kläger am 22. Februar 2011 untersucht und unter dem 7. März 2011 ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem sie zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich und mehr leichte Tätigkeiten verrichten. Sie hat eine mittelgradige depressive Symptomatik mit somatoformer Symptombildung diagnostiziert, welche nach Aktenlage als chronifiziert anzusehen sei. Durch Urteil vom 14. April 2011 – dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. Mai 2011 zugestellt – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist dabei der Einschätzung von Dr. L. gefolgt. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Seit dem 1. April 2011 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 25. Mai 2011 hat der Kläger Berufung eingelegt und auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass es weitere medizinische Ermittlungen nicht für angezeigt halte, beantragt, den Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H1 nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuhören.
In dem daraufhin durch Dr. H1 aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 9. März 2012 unter dem 17. April 2012 erstatteten Gutachten stellt dieser eine chronifizierte depressive Entwicklung mit rezidivierender Verschlechterung fest und hält ihn mit Blick auf die Annahme, dass bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit der Gesundheitszustand wegen der Gefahr des Eintritts eventueller Arbeitsunfälle sich verschlechtern werde, für lediglich noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich auszuüben. Demgegenüber hält die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. in ihrer vom Berufungsgericht veranlassten ergänzenden Stellungnahme an ihrer Einschätzung eines mehr als sechs Stunden täglich betragenden Leistungsvermögens fest. Zwischen den durch Dr. H1 und ihr erhobenen Befunden bestünden keine wesentlichen Diskrepanzen. Weder sie noch Dr. H1 hätten eine schwergradige depressive Symptomatik mit Beeinträchtigung der Hirnleistungsfähigkeit und/oder eine wahnhafte Realitätsverkennung feststellen können. Dies gelte in gleicher Weise für die Vorgutachter. Die von Dr. H1 angenommen Gefahr der Verschlechterung bei Eintritt weiterer Arbeitsunfälle begründe kein aufgehobenes Leistungsvermögen. Vielmehr sei aus dem Umstand, dass zu Zeitpunkt der untesuchung durch sie eine den Kläger belastende familiäre Konfliktsituation erst kurz zurück gelegen habe, der Kläger aber gleichwohl die damit in Zusammenhang stehenden Probleme bewältigt habe, zu schließen, dass er über Ressourcen zur Kompensation von Belastungen verfüge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2009 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Januar 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2013 ist sowohl Dr. H1 als auch Dr. L. ergänzend angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. September 2013, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG der Berichterstatter allein entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) nicht zu. Das Berufungsgericht hat sich ebenso wenig wie zuvor schon die Beklagte und das Sozialgericht davon überzeugen können, dass der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur berufsunfähig, sondern nunmehr auch voll erwerbsgemindert war. Sämtliche im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren auf Veranlassung der Gerichte nach § 106 SGG durchgeführten medizinischen Begutachtungen gehen vielmehr davon aus, dass er seit (erneuter) Antragstellung und bis zum Einsetzen der Altersrente am 1. April 2011 noch vollschichtig, d.h. mindestens sechs Stunden täglich, leichte körperliche Arbeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen verrichten konnte und wegefähig war. Dies schließt die Annahme von Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI aus.
Wenn demgegenüber einzig Dr. H1 unter Hinweis auf die durch den Kläger in seinem früheren Beruf miterlebten Unfälle und eine unzureichende Behandlung deren psychischer Folgen die Auffassung vertritt, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, auch nur drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der Kläger mag in seinem früheren Beruf als Dachdecker dadurch traumatisiert worden sein, dass er miterleben musste, wie Arbeitskollegen verletzt oder gar getötet wurden. Indessen wird von dem Kläger nicht erwartet, dass er diesen verantwortungsvollen und auch gefährlichen Beruf weiterhin ausübt und womöglich wieder in die Situation gerät, etwas Derartiges zu erleben. Erwartet wird lediglich, dass er leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen und ohne besondere Verantwortung, namentlich für das Leben anderer, verrichtet. Dass aber ein möglicherweise vor 20 Jahren erlittenes Trauma, nach dessen Eintritt der Kläger dem Beruf des Dachdeckers im Übrigen auch noch weiter nachgegangen ist, bis er seinen Arbeitsplatz verlor, den Kläger nunmehr an zumutbarer Tätigkeit hindern sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Hierauf hat die medizinische Sachverständige Dr. L. und hat die Beklagte unter Berufung auf die Äußerung ihres sozialmedizinischen Dienstes deshalb zu Recht hingewiesen und das Gericht folgt ihnen. Wenn Dr. H1 in seiner in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht abgegeben Stellungnahme ein aufgehobenes Leistungsvermögen nun auch darauf gründen will, dass er anlässlich der von ihm am 9. März 2012 vorgenommenen Exploration eine als mittelschwer zu bezeichnende rezidivierende depressive Störung gefunden habe, welche dazu führen müsse, dass der Kläger Erwerbsarbeit keine drei Stunden täglich mehr verrichten kann, so vermag dies den vorliegend geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht zu stützen. Denn wie Dr. H1 zunächst selbst einräumt, war eben jenes Krankheitsbild zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Frau Dr. M. am 8. Juli 2009 noch nicht festzustellen, der Kläger, folgte man der Einschätzung von Dr. H1, zu jenem Zeitpunkt noch nicht voll erwerbsgemindert. Auch für den darauffolgenden Zeitraum kann dies aber nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht mit dem hierfür erforderlichen, vernünftige Zweifel ausschließenden Grad an Gewissheit, d.h. im Sinne des Vollbeweises, festgestellt werden. Zunächst hat Dr. H1 seine Exploration zu einem Zeitpunkt durchgeführt, der außerhalb des vorliegend geltend gemachten Leistungszeitraumes liegt. Seiner Einschätzung kommt schon deswegen für den streitgegenständlichen Zeitraum kein überragendes Gewicht zu. Des Weiteren konnte Dr. L., die den Kläger ebenfalls, und zwar innerhalb des streitigen Zeitraumes, untersucht hat, die Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens am 22. Februar 2011 ebenso wenig treffen, wie zuvor schon Dr. M ... Vielmehr traut sie dem Versicherten mit Blick auf die Art und Weise, wie er seinen Alltag bewältigt, ein quantitatives Leistungsvermögen zu, welches mehr als sechs Stunden täglich Erwerbstätigkeit ermöglicht. Der Eindruck, den das Gericht von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, stützt diese Annahme. Denn die Empathie, mit der der Kläger von seinem Schrebergarten und den dort von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten berichtet hat, hat die Sachverständige Dr. L. in der mündlichen Verhandlung aktuell zu der Einschätzung veranlasst, dass der Zustand des Klägers sich gegenwärtig sogar noch besser darstellt, als zum Zeitpunkt ihrer Exploration. Damit aber stellen sich mögliche Phasen stärkerer Beeinträchtigung, wie sie Dr. H1 festgestellt haben will, als vorübergehend und damit lediglich als Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit dar, welche die Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht tragen. Dies entspricht auch der Einschätzung durch Dr. L ... Da der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der nunmehr vollen Erwerbsminderung trägt, geht deren Nichterweislichkeit im streitgegenständlichen Zeitraum zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Dem am xxxxx 1950 in der T. geborenen Kläger, der zuletzt als Dachdecker tätig war, hatte die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 28. April 2004 aufgrund eines vor dem Sozialgericht Hamburg in einem wegen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung geführten Rechtsstreit (S 16 RJ 90/03) am 29. März 2004 geschlossenen Vergleichs eine nicht befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Berufsunfähigkeit bewilligt. Am 23. März 2009 beantragte der Versicherte erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juli 2009 nach Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 8. Juli 2009 nach durch diese am 1. Juli 2009 erfolgter ambulanter Untersuchung ablehnte, weil der Kläger mit Blick auf den Verlauf seiner Erkrankung noch immer mehr als sechs Stunden täglich leichte Arbeiten ausführen könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2009 zurück.
Mit seiner daraufhin fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe seinen erneuten Antrag auf Anraten seiner Ärzte gestellt, weil er nun nicht mehr in der Lage sei, auch nur drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie Dr. P. eingeholt, der unter dem 15. Februar 2010 angegeben hat, der Kläger leide an einer chronischen rezidivierenden Depression mit intermittierend paranoiden Verkennungen. In einem Befundbericht vom 26. April 2010 hat der Facharzt für Innere Medizin H. mitgeteilt, er habe bei dem Versicherten ein schwergradiges Erschöpfungssyndrom, eine erektile Dysfunktion, erhöhte CK sowie eine Aortenklappeninsuffizienz 1. – 2. Grades gefunden. Bei neurasthenischer Grundhaltung bestehe extrem hoher Leidensdruck. Auf Anordnung des Sozialgerichts hat alsdann die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. den Kläger am 22. Februar 2011 untersucht und unter dem 7. März 2011 ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem sie zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich und mehr leichte Tätigkeiten verrichten. Sie hat eine mittelgradige depressive Symptomatik mit somatoformer Symptombildung diagnostiziert, welche nach Aktenlage als chronifiziert anzusehen sei. Durch Urteil vom 14. April 2011 – dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. Mai 2011 zugestellt – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist dabei der Einschätzung von Dr. L. gefolgt. Auf die Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Seit dem 1. April 2011 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Am 25. Mai 2011 hat der Kläger Berufung eingelegt und auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass es weitere medizinische Ermittlungen nicht für angezeigt halte, beantragt, den Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H1 nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuhören.
In dem daraufhin durch Dr. H1 aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 9. März 2012 unter dem 17. April 2012 erstatteten Gutachten stellt dieser eine chronifizierte depressive Entwicklung mit rezidivierender Verschlechterung fest und hält ihn mit Blick auf die Annahme, dass bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit der Gesundheitszustand wegen der Gefahr des Eintritts eventueller Arbeitsunfälle sich verschlechtern werde, für lediglich noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglich auszuüben. Demgegenüber hält die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. in ihrer vom Berufungsgericht veranlassten ergänzenden Stellungnahme an ihrer Einschätzung eines mehr als sechs Stunden täglich betragenden Leistungsvermögens fest. Zwischen den durch Dr. H1 und ihr erhobenen Befunden bestünden keine wesentlichen Diskrepanzen. Weder sie noch Dr. H1 hätten eine schwergradige depressive Symptomatik mit Beeinträchtigung der Hirnleistungsfähigkeit und/oder eine wahnhafte Realitätsverkennung feststellen können. Dies gelte in gleicher Weise für die Vorgutachter. Die von Dr. H1 angenommen Gefahr der Verschlechterung bei Eintritt weiterer Arbeitsunfälle begründe kein aufgehobenes Leistungsvermögen. Vielmehr sei aus dem Umstand, dass zu Zeitpunkt der untesuchung durch sie eine den Kläger belastende familiäre Konfliktsituation erst kurz zurück gelegen habe, der Kläger aber gleichwohl die damit in Zusammenhang stehenden Probleme bewältigt habe, zu schließen, dass er über Ressourcen zur Kompensation von Belastungen verfüge.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2009 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. Januar 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung am 3. September 2013 ist sowohl Dr. H1 als auch Dr. L. ergänzend angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3. September 2013, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG der Berichterstatter allein entscheidet, ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Dem Kläger steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) nicht zu. Das Berufungsgericht hat sich ebenso wenig wie zuvor schon die Beklagte und das Sozialgericht davon überzeugen können, dass der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur berufsunfähig, sondern nunmehr auch voll erwerbsgemindert war. Sämtliche im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren auf Veranlassung der Gerichte nach § 106 SGG durchgeführten medizinischen Begutachtungen gehen vielmehr davon aus, dass er seit (erneuter) Antragstellung und bis zum Einsetzen der Altersrente am 1. April 2011 noch vollschichtig, d.h. mindestens sechs Stunden täglich, leichte körperliche Arbeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen verrichten konnte und wegefähig war. Dies schließt die Annahme von Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI aus.
Wenn demgegenüber einzig Dr. H1 unter Hinweis auf die durch den Kläger in seinem früheren Beruf miterlebten Unfälle und eine unzureichende Behandlung deren psychischer Folgen die Auffassung vertritt, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, auch nur drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Der Kläger mag in seinem früheren Beruf als Dachdecker dadurch traumatisiert worden sein, dass er miterleben musste, wie Arbeitskollegen verletzt oder gar getötet wurden. Indessen wird von dem Kläger nicht erwartet, dass er diesen verantwortungsvollen und auch gefährlichen Beruf weiterhin ausübt und womöglich wieder in die Situation gerät, etwas Derartiges zu erleben. Erwartet wird lediglich, dass er leichte Tätigkeiten ohne besondere Anforderungen und ohne besondere Verantwortung, namentlich für das Leben anderer, verrichtet. Dass aber ein möglicherweise vor 20 Jahren erlittenes Trauma, nach dessen Eintritt der Kläger dem Beruf des Dachdeckers im Übrigen auch noch weiter nachgegangen ist, bis er seinen Arbeitsplatz verlor, den Kläger nunmehr an zumutbarer Tätigkeit hindern sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Hierauf hat die medizinische Sachverständige Dr. L. und hat die Beklagte unter Berufung auf die Äußerung ihres sozialmedizinischen Dienstes deshalb zu Recht hingewiesen und das Gericht folgt ihnen. Wenn Dr. H1 in seiner in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht abgegeben Stellungnahme ein aufgehobenes Leistungsvermögen nun auch darauf gründen will, dass er anlässlich der von ihm am 9. März 2012 vorgenommenen Exploration eine als mittelschwer zu bezeichnende rezidivierende depressive Störung gefunden habe, welche dazu führen müsse, dass der Kläger Erwerbsarbeit keine drei Stunden täglich mehr verrichten kann, so vermag dies den vorliegend geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht zu stützen. Denn wie Dr. H1 zunächst selbst einräumt, war eben jenes Krankheitsbild zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Frau Dr. M. am 8. Juli 2009 noch nicht festzustellen, der Kläger, folgte man der Einschätzung von Dr. H1, zu jenem Zeitpunkt noch nicht voll erwerbsgemindert. Auch für den darauffolgenden Zeitraum kann dies aber nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht mit dem hierfür erforderlichen, vernünftige Zweifel ausschließenden Grad an Gewissheit, d.h. im Sinne des Vollbeweises, festgestellt werden. Zunächst hat Dr. H1 seine Exploration zu einem Zeitpunkt durchgeführt, der außerhalb des vorliegend geltend gemachten Leistungszeitraumes liegt. Seiner Einschätzung kommt schon deswegen für den streitgegenständlichen Zeitraum kein überragendes Gewicht zu. Des Weiteren konnte Dr. L., die den Kläger ebenfalls, und zwar innerhalb des streitigen Zeitraumes, untersucht hat, die Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens am 22. Februar 2011 ebenso wenig treffen, wie zuvor schon Dr. M ... Vielmehr traut sie dem Versicherten mit Blick auf die Art und Weise, wie er seinen Alltag bewältigt, ein quantitatives Leistungsvermögen zu, welches mehr als sechs Stunden täglich Erwerbstätigkeit ermöglicht. Der Eindruck, den das Gericht von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, stützt diese Annahme. Denn die Empathie, mit der der Kläger von seinem Schrebergarten und den dort von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten berichtet hat, hat die Sachverständige Dr. L. in der mündlichen Verhandlung aktuell zu der Einschätzung veranlasst, dass der Zustand des Klägers sich gegenwärtig sogar noch besser darstellt, als zum Zeitpunkt ihrer Exploration. Damit aber stellen sich mögliche Phasen stärkerer Beeinträchtigung, wie sie Dr. H1 festgestellt haben will, als vorübergehend und damit lediglich als Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit dar, welche die Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens nicht tragen. Dies entspricht auch der Einschätzung durch Dr. L ... Da der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der nunmehr vollen Erwerbsminderung trägt, geht deren Nichterweislichkeit im streitgegenständlichen Zeitraum zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved