L 2 AS 2249/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 255/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2249/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 364/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Beschwerde zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.10.2012 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Einstiegsgeld sowie eines "Existenzgründungs-" Zuschusses nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine selbständige Tätigkeit des Klägers als Energieberater.

Der am 00.00.1966 geborene Kläger steht beim Beklagten im Bezug laufender Leistungen zur Grundsicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Am 06.05.2009 teilte er dem Beklagten mit, dass er sich als Energieberater selbständig machen wolle. Diesbezüglich nahm er an einer Informationsveranstaltung "Erstinformationen für Gründer/innen" bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis C - Startercenter NRW - (WFG) teil und führte dort auf Anraten des Beklagten Beratungsgespräche. Die WFG berichtete dem Beklagten in einem Schreiben vom 02.07.2009 über ihre Einschätzung des Vorhabens: Der Kläger habe sich sehr bemüht und einen Businessplan erstellt. Er benötige einen Kapitalbedarf von 20.000 Euro für die technische Ausstattung wie z.B. Wärmebildkameras; hierfür habe ihm seine Hausbank "mehr oder weniger" eine Zusage gegeben. Eine Prognose zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit könne langfristig noch nicht abgegeben werden. Es sprächen einige Gesichtspunkte gegen einen möglichen Erfolg. Unternehmerische Selbständigkeit erfordere Ausdauer und Kontinuität, die sich aus dem Lebenslauf des Klägers nicht ergäben. Außerdem gebe es zur Zeit eine Vielzahl von Gründungen bei Energieberatungen sehr intensiv. Viele aus dem Handwerk Stammende hätten Fortbildungen abgeschlossen, ein großer Teil beginne die Selbständigkeit im Nebengewerbe. Auch die persönliche Ansprache der möglichen Kunden sei beim Kläger, der alleinstehend sei und keinen großen Freundes- und Bekanntenkreis habe, nicht günstig. Insgesamt betrachtet solle er aber vielleicht doch die Chance zur Gründung erhalten, sofern die Finanzierung geklärt sei. Ohne eine Finanzierungszusage habe er keine Chance sein Vorhaben umzusetzen.

Die Spar- und Darlehnskasse S eG, bei der der Kläger sich um einen Kredit bemühte, lehnte eine Darlehensgewährung (StartGeld der Kreditanstalt für Wiederaufbau - KfW - zur Existenzgründung) mit Schreiben vom 17.09.2009 ab. Nach einer Stellungnahme der KfW sei das zu übernehmende Risiko, wie es sich aus den Angaben zum persönlichen und beruflichen Hintergrund sowie der Vermögenssituation ergebe, zu hoch.

Am 01.10.2009 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld sowie eines Gründungszuschusses von 5.000 Euro. Dem Antrag fügte er einen überarbeiteten (kleinen) Geschäftsplan vom 23.09.2009 bei, in dem er den Kapitalbedarf "nur" noch mit 6.000 Euro ansetzte, davon 1.000 Euro Darlehensleistung seiner Eltern. Die Wärmebildkamera wolle er sich jeweils leihen und an 2 Leihtagen (à 200 Euro) konzertiert Aufnahmen erstellen. Da er die Zinsen des KfW-Darlehens spare, rechne sich die Existenzgründung sogar noch besser.

Mit Datum vom 21.10.2009 übersandte die WFG dem Beklagten eine weitere Stellungnahme zum geänderten Vorhaben. Die Entscheidung der KfW bestätige ihre vorigen Bedenken. Dem Kläger fehle Berufs- und Branchenerfahrung. Die Marktsituation sei von starkem Wettbewerb gekennzeichnet. Laufend träten neue Berater an den Markt, vielfach Unternehmer, die dies als zweites Standbein nutzten und es in aller Regel wesentlich einfacher hätten, auf den Kunden zuzugehen. Die Vorstellung des Klägers zur Leihe der Kamera und Bündelung der Aufträge sei nicht marktgerecht. Wenn sich ein Kunde entschlossen habe, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, warte er nicht mehrere Wochen auf den Einsatz der Kamera. Der Kläger habe auch in der Zeit seit Februar noch keinen Kunden gewonnen.

Mit Schreiben vom 05.11.2009 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er seit Oktober 2009 selbständig sei, ein Geschäftskonto eröffnet und vom Finanzamt eine Genehmigung zur Besteuerung der Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erhalten habe.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 01.12.2009 ab. Das pflichtgemäße Ermessen gem. § 16b SGB II (Anm. in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung - a.F.) übe er hinsichtlich des begehrten Einstiegsgeldes dahingehend aus, dass dies versagt werde. Das angestrebte Unternehmen habe keine Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg. Die mit der wirtschaftlichen Begutachtung des Gründungsvorhabens beauftragte WFG habe die Gründung der Energieberatungsfirma als sehr risikobehaftet eingestuft. Vorliegend trete noch die negative Einschätzung durch die KfW im Rahmen der Kreditgewährung hinzu. Auch unabhängig von den Stellungnahmen der WFG und der KfW könne nur von einer nicht gegebenen Erfolgsaussicht des Gründungsvorhabens ausgegangen werden. In der näheren Vergangenheit hätten sich zahlreiche Unternehmer auf dem vom Kläger angestrebten Segment im Nebenerwerb selbständig gemacht oder bereits bestehende Unternehmen böten die Energieberatung als zusätzliche Leistung an. Soweit der Kläger den Konkurrenten entgegenhalten wolle, dass seine Kunden aufgrund der Tatsache, dass er vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als Energieberater qualifiziert sei, Fördergelder erhalten könnten, sei es den Nebenerwerbsenergieberatern möglich, die Beratungskosten aufgrund ihrer sonstigen Verdienstmöglichkeiten entsprechend zu kürzen. Auch gebe es nach der vom BAFA herausgegebenen Liste im Kreis C 38 und im geschätzten 60 km-Umkreis von S 97 BAFA-qualifizierte Energieberater. Des weiteren sei das Vorhaben nicht ohne die Anschaffung von teuren Gerätschaften realisierbar. Soweit der Kläger die Anschaffung einer Wärmebildkamera und der für einen Blower-Door-Test erforderlichen Gerätschaften im ursprünglichen Businessplan durch die Leihe einer Wärmebildkamera im neuen Plan ersetzt und die Durchführung von Blower-Door-Tests ganz aufgegeben habe, ergäben sich hieraus deutliche Nachteile gegenüber den Konkurrenten. Der Blower-Door-Test sei nach Auskunft des Bauamtes ein für die energetische Bewertung von Neubauten und Erteilung eines Energieausweises zwingend erforderlicher Test. Das Angebot, thermografische Aufnahmen gebündelt an einem Termin durchzuführen, stelle aufgrund der geringeren Flexibilität ebenfalls einen Nachteil gegenüber Mitbewerbern dar. Der begehrte Gründungszuschuss könne ebenfalls nicht gewährt werden. Einen Gründungszuschuss nach § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) (Anm.: in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung - a.F.) könne der Kläger mangels Bezugs von Leistungen nach dem SGB III nicht beanspruchen. Soweit der Antrag als Antrag auf Eingliederungsleistungen nach § 16c SGB II (Anm.: in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung - a.F.) verstanden werde, fehle es an der Tatbestandsvoraussetzung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Vorhabens.

Mit Schreiben vom 31.12.2009 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein. Die Auffassung des Beklagten zu seinem Vorhaben sei fehlerhaft, sein Vorhaben durchaus wirtschaftlich tragfähig. Das Wirkungsfeld eines Gebäudeenergieberaters werde mit der Annahme, dass "an Bauvorhaben beteiligte Unternehmen" leichter Kunden für die Energieberatung gewinnen könnten, falsch eingeschätzt. Das eigentliche Wirkungsfeld eines Energieberaters liege nicht im Neubau, sondern im Altbau. Entsprechend sei auch die Durchführung des Blower-Door-Tests nicht sinnvoll. Nach Erhebungen der Deutschen Bauwirtschaft läge derzeit mehr als 60% des potenziellen Bauvolumens im Bereich der Altbaumodernisierung - Tendenz steigend. Die Bündelung der Kundentermine bei der thermografischen Begutachtung sei im Übrigen realistisch und üblicher Standard. Ihm aus seinem Lebenslauf eine mangelnde Ausdauer und Kontinuität anzudichten, halte er für unverschämt und diskriminierend. Es könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er - wie in der Firma X üblich - nach der Ausbildung zum Tischler entlassen worden, die Firma E-GmbH in Velen in Konkurs gegangen und die Kokerei Hassel in Gelsenkirchen stillgelegt worden sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die BAFA-Qualifizierung durchaus ein Vorteil. Der Kunde würde doch wohl einen unabhängigen Energieberater vorziehen, bei dem er sicher sein könne, dass dieser ihm nicht irgendein Produkt aufschwätzen wolle. Soweit der Beklagte auf weitere BAFA-anerkannte Energieberater verweise, werde verschwiegen, dass es am Gründungsstandort, d.h. in den fünf Orten der Gemeinden S keinen solchen Berater gebe. Es könne nicht erwartet werden, dass man bei einer Firmengründung keine Konkurrenz habe. Bei der WFG könne von einer fachkundigen Stelle keine Rede sein, da ihr das Wirkungsfeld eines Energieberaters nicht bekannt sei und im Leistungsbereich Thermografie jegliches Fach- oder Hintergrundwissen fehle.

Der Beklagte, der den Widerspruch zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2010 als unzulässig zurückwies, hob diesen Widerspruchsbescheid mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 29.03.2010 auf und wies den Widerspruch in der Sache zurück.

Der Kläger meldete ein Gewerbe der Gebäudeenergieberatung am 25.02.2010 zum 15.02.2010 an.

Am 22.03.2010 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 01.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2010 Klage zum Sozialgericht Münster (SG) erhoben und mit Schreiben vom 07.04.2010 auf den Widerspruchsbescheid vom 29.03.2010 erstreckt. Zur Begründung seines Begehrens hat er sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen. Ergänzend hat er seine Ausführungen dazu vertieft, dass der Beklagte seiner in § 16b/c SGB II auferlegten Pflicht, die Stellungnahme einer "fachkundigen Stelle" einzuholen, nicht nachgekommen sei. Eine fachkundige Stelle sei die Industrie- und Handelskammer (IHK) oder die Handwerkskammer (HWK), je nach Berufszweig, nicht hingegen die WFG. Letztere werde zu 50% vom Kreis und zur anderen Hälfte von den 17 kreisangehörigen Gemeinden getragen, so dass sie in einem starken finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten stehe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2010 zu verurteilen, ihm Einstiegsgeld und einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 5.000 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich im Wesentlichen auf die im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründe zur Ablehnung des Antrags bezogen. Im Übrigen würden die Gründerzentren, zu denen auch die WFG zähle, in der Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit als fachkundige Stellen benannt.

Das SG hat eine Stellungnahme der WFG C vom 11.05.2011 insb. zur Tätigkeitsbeschreibung eines Gebäudeenergieberaters und zur Perspektive des klägerischen Vorhabens eingeholt.

Mit Urteil vom 22.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung der begehrten Leistungen und der Beklagte sei auch nicht zur Neubescheidung zu verurteilen.

Tatbestandsvoraussetzung für die Bewilligung von Einstiegsgeld sei gem. §§ 16b Abs. 1 S. 1, 16c Abs. 1 SGB II, dass die Prognose einer fachkundigen Stelle erwarten lasse, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig sei und die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraumes dauerhaft überwunden oder verringert werde. Eine solche positive Erfolgsprognose liege hier nicht vor. Nach der Stellungnahme der als sachkundigen Stelle eingeschalteten WFG bestünden Bedenken; diese hätten auch die KfW Bank veranlasst, die Ablehnung des KfW-Startgeldes auszusprechen. Das SG vermöge die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Fachkunde der WFG nicht zu teilen. Anhaltspunkte, die es nahelegen könnten, der Einschätzung des Klägers aus Laiensicht eine höhere Verlässlichkeit als der WFG beizumessen, ergäben sich nicht. Eine Stellungnahme einer anderen fachkundigen Stelle, die seine Einschätzung bestätige, habe der Kläger nicht vorgelegt. Von weiteren Ermittlungen habe die Kammer absehen können.

Ein Anspruch auf Gewährung eines Existenzgründungszuschusses in Höhe von 5.000 Euro, der allenfalls nach § 16c Abs. 2 S. 1 (i. V. m. S. 2) SGB II in Betracht komme, bestehe nicht. Dieser Zuschuss sei in der Regel als Darlehen zu gewähren. Hier gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise statt eines Darlehens ein Zuschuss gewährt werden müsse. Im Übrigen stehe die negative Erfolgsprognose auch der Gewährung von Leistungen nach § 16c Abs. 2 S. 2 SGB II entgegen. Da es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung für die begehrten Leistungen fehle, komme es auf die Frage, ob der Beklagte sein Ermessen richtig ausgeübt habe, nicht an.

Gegen das ihm am 25.10.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.11.2012 Berufung eingelegt und sein voriges Vorbringen, insbesondere den Hinweis darauf, dass die WFG keine unabhängige und damit unvoreingenommene und geeignete Stelle zur Beurteilung des Vorhabens sei, im Wesentlichen wiederholt. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit hätte die Stellungnahme der IHK eingeholt werden müssen. In Ergänzung seines Vorbringens hat er eine E-Mail der IHK vom 24.06.2013 vorgelegt, wonach der Verleih von Wärmebildkameras ebenso gängige Praxis sei wie die Terminbündelung in der Anwendung der Wärmebilderfassung.

Der Senat hat den Landrat des Kreises C mit Beschluss vom 19.06.2013 gem. § 75 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen, weil dieser den streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid erlassen hat.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 01.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2010 zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld und eines Existenzgründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das beklagte Jobcenter der Gemeinde S, die zum Kreis C als zugelassenem Träger nach § 6a SGB II zählt, ist richtiger Beklagter, da das Jobcenter aufgrund von Aufgabenübertragung gegenüber den Leistungsberechtigten im Außenverhältnis materiell zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet ist (§ 2 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Kreis C in der Fassung vom 08.12.2011, Amtsblatt für den Kreis C, Ausgabe 23/2011, S. 3 ff; vgl. auch BSG Urteil vom 22.01.2011 - B 4 AS 138/10 R Rn. 10; BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 56/06 R Rn. 15 f.). Der Kreis C, der den Widerspruchsbescheid erlassen hat, ist gem. § 75 Abs. 1 S. 1 SGG zum Verfahren beigeladen worden (vgl. hierzu BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R Rn. 24; Urteil vom 16.02.2012 - B 4 AS 14/11 R Rn. 20; nach BSG Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 13/11 R Rn. 11 ist eine Beiladung nicht erforderlich). Das beklagte Jobcenter der Gemeinde S ist gem. § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich.

Gegenstand des Verfahrens ist die vom Kläger zuletzt (nur noch) begehrte Verpflichtung des Beklagten zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung seines Antrags vom 01.10.2009 auf Gewährung von Einstiegsgeld sowie eines "Existenzgründungs"zuschusses (sog. Verpflichtungsbescheidungsklage § 54 Abs. 1 S. 1 SGG). Bei diesen Leistungen zur Eingliederung handelt es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden kann. Die vom Kläger noch vor dem SG verfolgte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) auf (unmittelbare) Zahlung von Einstiegsgeld und Existenzgründungszuschuss hat er im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht weiter verfolgt.

Das SG hat die auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 01.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2010 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Einstiegsgeld ist § 16b SGB II i. V. m. § 16c SGB II in der - für den vom Kläger am 01.10.2009 gestellten Leistungsantrag - geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I, 2197 - im Folgenden a.F.). Die Rechtslage wäre im Übrigen auch nicht anders zu beurteilen, wenn man auf die mit der alten Gesetzesfassung in den hier relevanten Tatbestandsvoraussetzungen inhaltsgleichen Neufassungen des § 16b SGB II (Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I, 453 - Wirkung ab 01.04.2011) bzw. § 16c SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I, 2854 - Wirkung ab 01.04.2012) abstellt.

Der Kläger erfüllt mit der von ihm bei Antragstellung beabsichtigten und anschließend aufgenommenen selbständigen Tätigkeit als Energieberater die Voraussetzungen für die Gewährung eines Einstiegsgeldes nicht.

Gem. § 16b Abs. 1 SGB II a.F. bzw. der inhaltsgleichen Vorschrift des § 16b Abs. 1 SGB II n.F. kann erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die arbeitslos sind, zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld kann auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt. Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der angestrebten Tätigkeit ist ergänzend § 16c SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I, 2197 - im Folgenden a.F.) heranzuziehen, der im Zusammenhang mit § 16b SGB II a.F. zu lesen bzw. als dessen Konkretisierung zu verstehen ist (vgl. Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, SGB II, 4. Aufl. 2011, § 16b Rn. 1, § 16c Rn. 1; Thie in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 16b Rn. 9; Hannes in Gagel, SGB II/SGB III, 49. EL 2013, § 16b SGB II Rn. 27 f., 58; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 16b Rn. 21 m.w.N. und abweichender Auffassung zu § 16c n.F.; Harks in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16c Rn. 23 auch zu § 16c n.F.). § 16c SGB II a.F. setzt voraus, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit gem. § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen. Nach dem Aufbau der Vorschrift sind die Überwindung von Hilfebedürftigkeit und die Erforderlichkeit zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt Tatbestandsmerkmale, nicht lediglich Gesichtspunkte im Rahmen des dem Grundsicherungsträger eingeräumten Rechtsfolgeermessens (Hengelhaupt in Hauck/Noftz SGB II, 33. EL § 16b Rn. 91).

Der Kläger gehört zu dem gem. § 16b SGB II förderungsfähigen Personenkreis, da er dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Er erfüllte bei Antragstellung die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. So hatte er das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze gem. § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Darüber hinaus war er erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 Abs. 2 SGB II), hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 9 SGB II) und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II).

Den nach § 37 SGB II für eine Leistungsgewährung nach § 16b bzw. § 16c SGB II erforderlichen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld bzw. eines Zuschusses (vgl. zur Notwendigkeit eines eigenständigen Antrags Boerner in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 37 Rn. 7 unter Verweis auf BT-Drs. 17/3404, 114 sowie BSG Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 7/10 R Rn. 18) hat der Kläger am 01.10.2009 mit dem Ziel gestellt, entsprechend seinem Businessplan eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Energieberater aufzunehmen.

Die vom Kläger bei Antragstellung beabsichtigte und später aufgenommene selbständige Tätigkeit war jedoch nicht wahrscheinlich geeignet, seine Hilfebedürftigkeit gem. § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II zu überwinden (vgl. hierzu Hannes in Gagel, a.a.O., § 16b Rn. 54; vgl. auch BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 63/09 R juris Rn. 13 zu § 16 SGB II in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung, das von "hinreichender Sicherheit" spricht). Es kann vielmehr bereits schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit überhaupt wirtschaftlich tragfähig war.

Dies ergibt sich im vorliegenden Fall bereits daraus, dass der Kläger keine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle i.S.v. § 16c SGB II vorgelegt hat, die eine positive Prognose zu der von ihm beabsichtigten Tätigkeit als Energieberater enthält. Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die - negative - Stellungnahme der WFG sei nicht verwertbar und meint, dass sich hieraus zu seinen Gunsten ein Anspruch auf Neubescheidung ableiten ließe, missversteht er die gesetzliche Regelung des § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. Wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut der Vorschrift ergibt ("soll verlangen"), obliegt es in Modifizierung des Amtsermittlungsgrundsatzes dem Antragsteller und nicht dem Leistungsträger, die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle einzuholen (Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16c Rn. 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, 46. EL § 16c a.a.O., § 16c Rn. 45 m.w.N.).

Offen lassen kann der Senat dabei, ob die Vorlage einer günstigen Stellungnahme bereits schon Antragsvoraussetzung ist (so Harich in in Beck‘scher Onlinekommentar Sozialrecht, Edition 29, § 16b Rn. 2a). Zumindest ist eine solche positive Stellungnahme unabdingbare Voraussetzung, um für die Tatbestandsvoraussetzung wirtschaftlicher Tragfähigkeit überhaupt den Bereich weiterer Prüfung zu eröffnen. Die Annahme wirtschaftlicher Tragfähigkeit kann regelmäßig erst dann überhaupt in Betracht gezogen werden, wenn eine fachkundige Stelle das Vorhaben des Antragstellers untersucht und günstig bewertet hat (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16c Rn. 51 zur Weigerung eines Antragstellers, eine Stellungnahme beizubringen). In der Auswahl dieser Stelle - sofern sie ausreichend fachkundig ist - ist ein Antragsteller dabei grundsätzlich frei (LSG Sachsen Beschluss vom 01.11.2011 - L 3 AS 371/10 B PKH juris Rn. 8; Harks, jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16c Rn. 26; aA wohl Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16b Rn. 5). Auch eine positive Stellungnahme einer fachkundigen Stelle führt allerdings nicht ohne Weiteres dazu, das Vorhaben eines Antragstellers als wirtschaftlich tragfähig anzusehen. Der Leistungsträger ist nicht an das Ergebnis der Stellungnahme gebunden; vielmehr ist es nach Vorlage der Stellungnahme seine Aufgabe, die Analyse selbst zu werten und mit den verfügbaren Erkenntnissen abzuwägen (Leopold in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16b Rn. 60; Harks in jurisPK-SGB II, a.a.O., § 16c Rn. 26 m.w.N.; Voelzke in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16c Rn. 51).

Eine Ausnahme von dem Regelfall ("soll verlangen"), dass der Antragsteller die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle beizubringen hat, gilt lediglich dann, wenn die Behörde z.B. wegen eigener Kompetenzen oder Geringfügigkeit der begehrten Leistung ausnahmsweise vom Erfordernis einer Stellungnahme absieht (vgl. hierzu BT-Drs. 16/10810, 47; Voelzke in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16c Rn. 46; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16c Rn. 15). Ein solcher Ausnahmefall ist nicht ersichtlich.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Vorhaben des Klägers aber selbst dann nicht als wirtschaftlich tragfähig angesehen werden kann, wenn von der Vorlage einer positiven Stellungnahme einer fachkundigen Stelle abgesehen würde.

Ob eine Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist, ist vom SGB II-Leistungsträger mittels einer Prognose zu prüfen (Stölting in Eicher, a.a.O., § 16b Rn. 20; Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16b Rn. 5; Hannes in Gagel, a.a.O. § 16b Rn. 54; LSG NRW Urteil vom 20.06.2012 - L 12 AS 569/11 juris Rn. 25; vgl. auch zu der zuvor bis 31.12.2008 geltenden Fassungen des Einstiegsgeldes in § 29 SGB II LSG München Urteil vom 20.10.2011 - L 7 AS 643/11 R juris Rn. 17 sowie LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011 Az. L 13 AS 178/10 juris Rn. 23 und zu den allgemeinen Eingliederungsleistungen nach § 16 SGB II in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 63/09 R juris Rn. 13 m.w.N.).

Maßgeblich für die Prüfung mittels Prognose ist sowohl in Anfechtungs- wie auch in Verpflichtungs(-bescheidungs)klagen eine ex-ante Beurteilung, d.h. eine zukunftsorientierte Beurteilung unter Berücksichtigung aller zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der letzten Verwaltungsentscheidung bekannten Tatsachen (Stölting in Eicher, a.a.O., § 16b Rn. 20; Hannes in Gagel, a.a.O., § 16b Rn. 55; LSG NRW Urteil vom 06.06.2013 - L 7 AS 1884/12 juris Rn. 40; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011 Az. L 13 AS 178/10 juris Rn. 24; vgl. auch BSG Urteil vom 30.08.2007 - B 10 EG 6/06 R juris Rn. 15; BSG Urteil vom 03.07.2003 - B 7 AL 66/02 R juris Rn. 25; BSG Urteil vom 02.10.1997 - 14 REg 10/96 juris Rn. 16; BSG Urteil vom 07.04.1987 - 11b RAr 5/86 juris Rn. 11). Dies gilt nicht nur für Anfechtungsklagen, sondern gleichermaßen für Verpflichtungs(-bescheidungs)klagen wie die vorliegende. Steht die Rechtmäßigkeit von Abwägungsentscheidungen in Frage, die eine Beurteilung zeitbedingter und planerischer Elemente enthalten, ist der Überprüfung nicht wie grundsätzlich bei Verpflichtungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern der Zeitpunkt der letzten Entscheidung der Verwaltung zugrunde zu legen (BSG Urteil vom 26.09.1990 - 9b/11 RAr 151/88 juris Rn. 15).

Die von der Behörde getroffene Prognoseentscheidung ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar; ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum im Sinne einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung ist bei der Prüfung der in § 16b SGB II normierten Tatbestandsvoraussetzung der Überwindung der Hilfebedürftigkeit nicht gegeben (LSG NRW Urteil vom 06.06.2013 - L 7 AS 1884/12 juris Rn. 40; Hannes in Gagel, a.a.O., § 16b Rn. 87 und 53 unter Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 08.06.2011 - L 25 AS 538/10 juris Rn. 33 zu § 29 SGB II a.F.; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16b Rn. 92; Schumacher in Oestreicher, SGB II, EL 67, § 16b Rn. 24; aA Harks in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 16c Rn. 27).

Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Diese schließt - unbeschadet normativ eröffneter Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume - grundsätzlich eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, aus (z.B. BVerfG Urteil vom 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 juris Rn. 52 m.w.N.). Nur in den Fällen, in denen das materielle Recht der Exekutive in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Entscheidungsprogramme vorzugeben, kann die Verwaltung aufgrund normativer Ermächtigung die Befugnis zur Letztentscheidung haben (z.B. BVerfG Urteil vom 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 juris Rn. 53 m.w.N.). Wann der Gesetzgeber der Verwaltung die Befugnis zur Letztentscheidung einräumt, ist durch Auslegung der betreffenden gesetzlichen Regelung zu ermitteln; maßgeblich ist der materiell-rechtliche Regelungszusammenhang (BVerfG Urteil vom 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 juris Rn. 54 m.w.N.).

Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber der Verwaltung bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16b SGB II eine Letztentscheidungsbefugnis hat einräumen wollen. Allein die Tatsache, dass es sich bei dem Begriff der "Überwindung der Hilfebedürftigkeit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, genügt hierfür nicht. Auch unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen grundsätzlich der uneingeschränkten richterlichen Nachprüfung (z.B. BVerfG Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 juris Rn. 53; Urteil vom 17.04.1991 - 1 BvR 419/81 juris Rn. 47 m.w.N.). Die der Prüfung innewohnenden prognostischen Elemente rechtfertigen allein die Annahme eines Beurteilungsspielraums der Exekutive nicht (vgl. BVerfG Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 juris Rn. 54; BSG Urteil vom 29.07.1993 - 11/9b RAr 5/92 juris Rn. 22). Ein solcher lässt sich ebenfalls nicht aus der Entstehungsgeschichte der Norm herleiten (vgl. hierzu den Überblick bei Schumacher, a.a.O., § 16b Rn. 4 ff.). Schließlich sind auch keine sonstigen besonderen Umstände erkennbar, die ausnahmsweise die Notwendigkeit einer Einschätzungsprärogative der Verwaltung notwendig erscheinen lassen könnten, wie sie die Rechtsprechung z.B. bei Eignungsbeurteilungen (BVerfG Beschluss vom 17.04.1991 - 1 BvR 1529/84 juris Rn. 65), Planungsentscheidungen (vgl. z.B. BVerwG Urteil vom 11.05.2006 - 5 C 10/05 juris Rn. 64 m.w.N.) oder den Entscheidungen besonderer, fachkundig zusammengesetzter Kollegialorgane (z.B. BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R juris Rn. 27; BSG Urteil vom 05.11.2003 - B 6 KA 2/03 R juris Rn. 27; BVerwG Urteil vom 03.03.1987 - 26.06.1990 - 1 C 16/86 juris Rn. 23) anerkannt hat. Anders als bei der Beurteilung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit oder der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsmarktes, für die das BSG gleichfalls einen eingeschränkten Beurteilungsspielraum bejaht hat (z.B. BSG Urteil vom 31.03.1992 - 9b RAr 18/91 juris Rn. 10; BSG Urteil vom 26.09.1990 - 9b/11 RAr 151/88 juris Rn. 15), steht bei der Frage der Überwindung des Hilfebedarfs eine prognostische Einzelbeurteilung im Raum, für die eine Einschränkung des Beurteilungsspielraums nicht angenommen werden kann (BSG Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 20/05 R juris Rn. 22). Ebenso wie die Prognoseentscheidung hinsichtlich der Möglichkeit zur "Eingliederung in den Arbeitsmarkt" als Einzelbeurteilung der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG Urteil vom 29.07.1993 - 11/9b RAr 5/92 juris Rn. 21 zu § 217 SGB III a.F. - Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber), finden sich auch bei der Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit überwunden werden kann, keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme von Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BSG Beschluss vom 03.04.2008 - B 11b AS 15/07 B juris Rn. 3 zu § 29 SGB II a.F.).

Die vom Beklagten zum klägerischen Vorhaben getroffene Prognoseentscheidung ist nicht zu beanstanden.

Prognostisch wahrscheinlich kann Hilfebedürftigkeit überwunden werden, wenn die beabsichtigte zu fördernde Tätigkeit anhand einer Plausibilitätsprüfung und einer Prüfung des schlüssigen Konzepts eine konkrete und realistische Möglichkeit auf wirtschaftlichen Erfolg von einiger Dauer bietet (vgl. BSG Urteil vom 01.06.2010 - B 4 AS 63/09 R juris Rn. 14). Die angestrebte Erwerbstätigkeit muss dem Leistungsberechtigten die ernsthafte Perspektive eröffnen, in absehbarer Zeit aus eigenen Kräften den Lebensunterhalt jedenfalls für sich (bzw. streitig, ob auch für die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen - vgl. Hannes in Gagel, a.a.O. § 16b Rn. 54; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16b Rn. 20; Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16b Rn. 5) decken zu können. Dies setzt zunächst unabdingbar voraus, dass die Tätigkeit überhaupt wirtschaftlich tragfähig iSv § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II ist. Ob dies (schon) dann der Fall ist, wenn der erzielte Gewinn wenigstens die Betriebsausgaben deckt (LSG NRW Urteil vom 06.06.2013 - L 7 AS 1884/12 juris Rn. 40; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16c Rn. 14; Thie in LPK-SGB II, a.a.O., § 16c Rn. 2; Harks in jurisPK-SGB II, a.a.O., § 16c Rn. 25) oder (erst) dann, wenn ein (erheblicher) Gewinn erzielt wird (Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16c Rn. 4; Harich in BeckOK, a.a.O., § 16c Rn. 6; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, a.a.O., § 16b Rn. 108), kann vorliegend dahinstehen, weil die Gewinnerzielung ohnehin notwendig auch in der Tatbestandsvoraussetzung der "Überwindung von Hilfebedürftigkeit" (§ 16b Abs. 1 S. 1 SGB II a.F.) bzw. der "Überwindung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit" (§ 16c Abs. 1 S. 1 SGB II a.F.) enthalten ist.

Zur Überzeugung des Senats war es unter Berücksichtigung aller vorliegenden Umstände im Zeitpunkt der Antragstellung am 01.10.2009 bzw. der Widerspruchsentscheidung am 29.03.2010 in der den o.g. Grundsätzen folgenden Prognose nicht wahrscheinlich, dass die vom Kläger beabsichtigte Tätigkeit als Energieberater mindestens die Betriebsausgaben bzw. sogar seinen Hilfebedarf würde decken können.

Das Konzept des Klägers begegnete schon deshalb ganz erheblichen Bedenken, weil der Markt der Energieberater sich als stark umkämpft darstellte. So hatten sich nach den Ermittlungen der WFG in der näheren Vergangenheit zahlreiche Unternehmer auf dem vom Kläger angestrebten Segment im Nebenerwerb selbständig gemacht oder bereits bestehende Unternehmen die Energieberatung als zusätzliche Leistung angeboten. Hierbei handelte es sich nicht - wie der Kläger meint - allein bzw. mindestens wesentlich um Unternehmen, die an Neubauten beteiligt sind. Vielmehr erbringen Handwerksbetriebe ihre Leistungen sowohl bei Neubauten als auch bei bereits bestehenden (Alt-)Bauten. Es drängt sich hier auf, dass Personen in Handwerksbetrieben, die ohnehin mit Kunden zu tun haben, ihren Kunden viel leichter zusätzlich zur Handwerksleistung eine Energieberatung anbieten konnten als der Kläger, der sich komplett neu um Kunden bemühen musste. Dass der Kläger, der bei seinen Eltern lebte, einen großen Bekanntenkreis hatte, bei dem er sein Angebot, als "Einstieg" hätte zunächst platzieren und von dort für Weiterverbreitung sorgen können, ist von ihm zu keinem Zeitpunkt dargelegt worden, obwohl die WFG dies in ihrer Einschätzung angeführt hat.

Wenngleich sich der Kläger durch die BAFA-Zulassung etwas von seinen Konkurrenten abhob, genügte dies nicht, um ihm einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen. So war zum einen zu berücksichtigten, dass es nach der vom BAFA herausgegebenen Liste im Kreis C 38 und im geschätzten 60km Umkreis von S 97 BAFA-qualifizierte Energieberater gab. Wenn der Kläger allein auf die Tatsache abstellen will, dass es in den fünf Orten der Gemeinde S keinen BAFA-anerkannten Energieberater gebe, unterschätzt er, dass sich das Blickfeld der Kunden in Zeiten hoher Mobilität sowie der wachsenden Nutzung des Internets auf einen größeren Radius ausrichtet. Hinzu kommt, dass kaum Gründe für potentielle Kunden bestehen, Energieberatung als Dienstleistung bevorzugt wohnortnah in Anspruch zu nehmen. Im Übrigen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht notwendig davon auszugehen, dass ein Kunde, der eine Energieberatung in Anspruch nehmen will, mehr Vertrauen in einen ihm unbekannten aber unabhängigen Energieberater setzt, als in einen Handwerker, zu dem er bereits eine Geschäftsbeziehung aufgebaut hat und ggf. auch weiter unterhalten will.

Zu berücksichtigten war auch, dass der Kläger nicht über einschlägige Berufs- und Branchenkenntnisse im Bereich der Energieberatung verfügte. Vielmehr fehlte es ihm im Gegenteil seit etwa 20 Jahren überhaupt an Berufspraxis. Dies fiel auch deswegen zuungunsten des Klägers ins Gewicht, weil Selbständigkeit eine Ausdauer und Kontinuität erfordert, die sich aus seinem Lebenslauf gerade nicht ergibt. Der Kläger hat in den Jahren eine Vielzahl verschiedener Ausbildungen durchlaufen, so als Tischler, Nachrichtengerätemechaniker, Augenoptiker und Bautechniker. Tatsächlich gearbeitet hat er - in über 25 Jahren seit Beginn der ersten Ausbildung im Jahr 1982 - jedoch nur ca. vier Jahre als Schreiner. Der Einwand Argumentation des Klägers, die betriebsbedingten Entlassungen könnten ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, kann als zutreffend unterstellt werden. Dies ändert aber nichts daran, dass der Lebenslauf des Klägers keine positiven Anhaltspunkte bietet, eine günstige Prognose der angestrebten Tätigkeit rechtfertigen zu können.

Schließlich war auch von Bedeutung, dass der vom Kläger vorgelegte "kleine Businessplan" mit der von ihm vorgesehenen Leihe einer Wärmebildkamera an zwei Tagen im Jahr wenig Aussichten darauf bot, eine ausreichende Zahl von Gutachten mit entsprechenden Einnahmen realisieren zu können. Im Zusammenspiel mit der Konkurrenzsituation verschlechtert jede Minderung der Flexibilität die Aussicht, ausreichende Erträge zu erzielen. Entsprechend ist auch die Aufgabe der für die energetische Bewertung von Neubauten und Erteilung eines Energieausweises erforderlichen Blower-Door-Tests zwecks Einsparung der entsprechenden Gerätschaften zu betrachten. Auch hierdurch wird die Angebotspalette des klägerischen Vorhabens gemindert.

Die ungünstige Prognose für die vom Kläger beabsichtigte selbständige Tätigkeit als Energieberater wird durch die vorliegenden Stellungnahmen der WFG und der Sparkasse des Klägers / der KfW bekräftigt. Beide haben übereinstimmend die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Tätigkeit verneint. Sowohl KfW als auch WFG sind fachkundige Stellen iSv § 16c Abs. 1 S. 2 SGB II a.F.

Soweit der Kläger konkret Zweifel an der Fachkunde der WFG äußert, teilt der Senat diese nicht. Dies gilt unabhängig davon, welche Beispiele für fachkundige Stellen in den Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit genannt werden, da es sich hier zum einen nicht um abschließende Regelungen handelt und zum anderen die Anweisungen der BA für die Gerichte nicht verbindlich sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 50/06 R juris Rn. 19). Als fachkundige Stellen kommen insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute in Betracht (vgl. hierzu § 93 Abs. 2 S. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III; Breitkreuz in Löns/Herold-Tews, a.a.O., § 16c Rn. 5; Stölting in Eicher, a.a.O., § 16c Rn. 15; Voelzke, a.a.O., § 16c Rn. 47); darüber hinaus können ggf. auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Gründungszentren als fachkundig anzusehen sein (Voelzke, a.a.O.; Leopold in jurisPK-SGB II, a.a.O., § 16b Rn. 58).

Die WFG für den Kreis C ist seit 2007 zusätzlich als Startercenter NRW zertifiziert und damit mit 81 weiteren Stellen in NRW als Gründungszentrum anerkannte Anlauf- und Beratungsstelle für Existenzgründungsvorhaben. Die hierüber laufenden Leistungen werden regelmäßig durch Befragungen evaluiert, wobei die WFG C im Geschäftsjahr 2011 ausweislich des Geschäftsberichts durchschnittlich sehr gute Beurteilungen erzielte (Note 1,6). Die qualifizierte Arbeit der WFG wird besonders deutlich in der Verleihung des bundesweiten Großen Preises des Mittelstandes 2012. Unabhängig von dieser Zertifizierung ist die WFG C in sachlicher Hinsicht aufgrund ihrer jahrelangen Tätigkeit auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung, konkret auch der Hilfe bei Gründungen, als fachkundig anzusehen. Sie verfolgt seit ca. 45 Jahren das Ziel, die wirtschaftliche Situation im Kreis C zu verbessern und positiv auf die regionale Arbeitsmarktlage einzuwirken. Die Gründungsberatung, die sich an alle Gründungswilligen und nicht nur an Leistungsbezieher nach dem SGB II richtet, stellt dabei eine von verschiedenen Leistungen aus dem Leistungsspektrum der Unternehmensführung dar (s. www.wfg-C.de).

Allein die Beteiligung der Kommunen und des Kreises als Gesellschafter und im Aufsichtsrat der WFG schließt deren Qualifizierung als fachkundige Stelle iSv § 16c SGB II nicht - wie der Kläger meint wegen fehlender Unabhängigkeit - aus. § 16c SGB II spricht nicht von einer "unabhängigen", sondern von einer "fachkundigen" Stelle.

Bedenken an der Unabhängigkeit der WFG lassen sich zur Überzeugung des Senats im Übrigen trotz der kommunalen Beteiligung nicht erkennen. Die WFG sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Verwaltung. Ihrer - im Internetauftritt unter Historie dargestellten - Auffassung nach stellt die unmittelbare Einbindung der Städte und Gemeinden als Gesellschaft vielmehr sicher, dass die Wirtschaftsförderung von Kreis und Kommunen in sinnvoller Weise aufeinander abgestimmt ist und sich gegenseitig ergänzt. Die Städte und Gemeinden seien über ihre Vertreter in den Gremien der Gesellschaft in die Entscheidungen unmittelbar einbezogen. Die privatrechtliche Ausgestaltung als GmbH ermögliche Flexibilität und Eigenständigkeit. Hierdurch sei sichergestellt, dass von Seiten der Wirtschaft Vorbehalte, wie sie gelegentlich gegenüber Behörden vorgebracht würden, gar nicht erst aufkommen könnten. Die Bereitschaft der Unternehmen, als Kunden der WFG ihre jeweiligen Fragestellungen offen auf den Tisch zu legen, sei für die praktische Arbeit der WFG auch unverzichtbar. Die WFG sei dafür prädestiniert, in ihrer Funktion an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Verwaltung auch auf einen Ausgleich widerstreitender Interessen, wie sie zwischen Behörden und Betrieben gelegentlich vorkämen, hinzuwirken. Hier wirke die WFG oft "im Stillen" als Mittler und Moderator, immer mit dem Ziel, "verträgliche" Lösungen herbei zu führen.

Auch inhaltlich lässt sich nicht erkennen, dass die Interessen des Klägers an einer fachkundigen Beratung durch die WFG nicht gewahrt sein könnten. Sowohl dem Jobcenter als auch dem Kreis dürfte daran gelegen sein, dem Kläger zu helfen, aus dem Leistungsbezug auszuscheiden. Würde der Kläger einen tragfähigen Plan zur Existenzgründung vorlegen, so wäre es langfristig deutlich kostengünstiger, ihn bei der Aufnahme der Tätigkeit zu unterstützen, als ihn dauerhaft im Leistungsbezug zu belassen. Auch im konkreten Fall des Klägers ist eine generell ablehnende Haltung der WFG nicht erkennbar. Trotz Bedenken hat die WFG vielmehr zunächst den Start in die Selbständigkeit gegenüber dem Jobcenter - unter dem Vorbehalt des vom Kläger avisierten Darlehens durch seine Hausbank - sogar befürwortet.

Soweit der Kläger die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses begehrt, konnte er einen etwaigen Anspruch nicht auf § 57 SGB III a.F. stützen, da er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hatte. Entsprechend hat bereits das SG das Begehren im Sinne der Meistbegünstigung zutreffend als Antrag auf Gewährung einer Eingliederungsleistung in Form eines Zuschusses zur Beschaffung von Sachgütern gem. § 16c Abs. 1 SGB II a.F. ausgelegt. Da die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Tätigkeit auch bei Leistungen nach § 16c SGB II Tatbestandsvoraussetzung ist, kommt jedoch auch eine Gewährung dieses Zuschusses nicht in Betracht. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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