Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
72
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2302/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Künstler, die neben der künstlerischen einer weiteren selbständigen Tätigkeit nachgehen, in der sie nicht rentenversicherungspflichtig nach dem SGB VI sind, besteht Versicherungsfreiheit in entsprechender Anwendung von § 4 Nr. 1 KSVG, sofern sie aufgrund der weiteren selbständigen Tätigkeit einem berufsständischen Versorgungswerk angehören.
Die Bescheide der Beklagten vom 09.02.2010, 07.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2011 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungsfrei ist.
Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger gezahlten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist die Rentenversicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung (KSV). Der 1976 geborene Kläger ist als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig und aufgrund dieser Tätigkeit Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer Berlin sowie im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin. Daneben übt er seit Februar 2009 eine selbständige künstlerische Tätigkeit als Maler, künstlerischer Fotograf und wissenschaftlicher Autor aus. Mit Bescheid vom 09.02.2010 stellte die Beklagte u.a. fest, dass der Kläger ab dem 01.02.2009 in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Daraufhin beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin die Feststellung, dass er von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Den von der Beklagten angeforderte Befreiungsbescheid vom Rentenversicherungsträger DRV Bund konnte der Kläger nicht vorlegen. Eine entsprechende Klage gegen die DRV Bund hatte keinen Erfolg. Diese lehnte die Erteilung eines Bescheids mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung, weil er aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt schon per Gesetz befreit sei und deshalb keine Versicherungspflicht bestehe, von der er befreit werden könne. Mit Bescheid vom 07.11.2011 stellte die Beklagte gleichwohl fest, dass es bei dem Bescheid vom 09.02.2010 und der Feststellung der Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG verbleibe. Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.03.2011 (B 3 KS 2/10 R). Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des BSG sei in seinem Fall nicht einschlägig. Denn dort sei eine Tätigkeit als Medizinjournalistin beurteilt worden, die einerseits als ärztliche Tätigkeit mit der Folge der Mitgliedschaft im Versorgungswerk anzusehen und andererseits als publizistische Tätigkeit nach dem KSVG zu bewerten sei. Im Gegensatz hierzu übe der Kläger unterschiedliche selbständige Berufstätigkeiten aus. Mit der am 14.12.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sei gem. § 4 Nr. 1 KSVG von der Rentenversicherungspflicht befreit, da er aufgrund seiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte bereits hinreichend für das Alter abgesichert sei. Es bestehe deshalb kein Bedürfnis mehr, den Kläger zusätzlich in der Rentenversicherung zu versichern. Die doppelte Beitragslast sei nicht gerechtfertigt. Auch widerspreche es der gesetzgeberischen Intention, da die Künstlersozialversicherung zu einem erheblichen Teil aus Bundesmitteln bezuschusst werde; diese Subventionierung sei nur gerechtfertigt, wenn keine anderweitige Altersvorsorge bestehe. Da demnach keine Versicherungspflicht nach dem KSVG bestehe, habe die Beklagte die Rentenversicherungsbeiträge zu Unrecht eingezogen und sei zur Erstattung verpflichtet. Der Kläger beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 09.02.2010 und 07.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2011 aufzuheben und festzustellen, dass er in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungsfrei ist sowie die Beklagte zu verurteilen, die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, der Kläger erziele zwei Einkommen, eines aus künstlerischer, eines aus nichtkünstlerischer Tätigkeit. Diese Fallgruppe sei in § 4 Nr. 2 KSVG geregelt. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass er die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfülle. Aufgrund der fehlenden Regelungslücke könne § 4 Nr. 1 KSVG nicht analog angewendet werden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er nicht genau sagen könne, welches Einkommen er aus seiner Tätigkeit als freiberuflicher Rechtsanwalt erziele, dass dies aber jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt einen Betrag von 30.000 EUR nicht erreiche. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und auch – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- sowie Leistungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 5, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) und auch begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger ist in seiner künstlerischen Tätigkeit in entsprechender Anwendung der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei. Die von ihm gezahlten Beiträge sind deshalb von der Beklagten zu erstatten. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner unstreitig nicht nur vorübergehend erwerbsmäßig ausgeübten selbständigen künstlerischen Tätigkeit grundsätzlich der Versicherungspflicht (auch) in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt (vgl. §§ 1, 2 KSVG). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits aufgrund der Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG von der Versicherungspflicht befreit ist, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat angegeben, aus seiner Anwaltstätigkeit seines Wissens ein Einkommen von nicht mehr als 30.000 EUR zu erzielen. Damit würde er das von § 4 Nr. 2 KSVG geforderte Mindesteinkommen in Höhe der Hälfte der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West: 2009 64.800 EUR, 2010 und 2011 66.000 EUR, 2012 67.200 EUR und 2013 69.600 EUR) nicht erreichen. Die Frage bedarf jedoch auch keiner abschließenden Klärung, denn es besteht jedenfalls Versicherungsfreiheit in entsprechender Anwendung von § 4 Nr. 1 KSVG. Nach dieser Vorschrift ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei, wer auf Grund einer Beschäftigung oder einer nicht unter § 2 KSVG fallenden selbständigen Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, es sei denn, die Versicherungsfreiheit beruht auf einer geringfügigen Beschäftigung oder einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit (§ 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch). Unmittelbar greift der Tatbestand von § 4 Nr. 1 KSVG nicht ein. Der Kläger geht mit seiner Anwaltstätigkeit zwar einer nicht unter § 2 KSVG fallenden selbständigen Tätigkeit nach. Er ist aufgrund dieser allerdings weder "versicherungsfrei" gem. § 5 SGB VI, noch ist er "von der Versicherungspflicht befreit" gem. § 6 SGB VI. Er ist vielmehr schon gar nicht versicherungspflichtig, da er keinem der in § 2 SGB VI enumerativ aufgeführten Tatbestände unterfällt. Dieser Tatbestand des "nicht versicherungspflichtig Seins" wird vom Wortlaut der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG nicht umfasst. Die Kammer ist davon überzeugt, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch die analoge Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG zu schließen ist. Ein solcher Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2011, B 3 KS 2/10 R, Rn. 18 bei juris). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Vorschrift des § 4 KSVG schließt solche Personen von der Rentenversicherung aus, die für Alter und Invalidität bereits ausreichend gesichert sind oder nach ihrer persönlichen Situation gesichert sein können (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl. 2009, § 4 Rn. 1). Das BSG hat in seinem Urteil vom 10.03.2011 (a.a.O.) zum Sinn und Zweck der Regelung ausgeführt: "Die Vorschrift soll diejenigen selbstständigen Künstler und Publizisten von der besonderen Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG ausnehmen, die dieses Schutzes nicht bedürftig erscheinen, weil sie bereits anderweitig kraft Gesetzes für das Alter gesichert sind. Dabei hat der Gesetzgeber neben Beamten, Richtern und Soldaten an Personen gedacht, die bereits wegen einer anderweitigen Beschäftigung oder Tätigkeit zumindest in einem am Durchschnitt ausgerichteten Umfang in die soziale Sicherung einbezogen sind /(vgl BT-Drucks 9/26 S 18)/. Soweit dadurch ein ausreichender Schutz für das Alter bereits besteht, soll nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention keine zusätzliche Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen (vgl BT-Drucks 9/26 S 18; ebenso Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 4 RdNr 1)." (juris, Rn. 14 und 19) Der Kläger ist infolge seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt gem. § 10 Nr. 2 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin Mitglied des Versorgungswerks und hat deshalb Anspruch auf eine Altersrente (vgl. § 17 der Satzung). Eine Befreiungsmöglichkeit ist nicht ersichtlich, insbesondere erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 11 der Satzung nicht. Damit besteht für den Kläger bereits eine hinreichende Absicherung gegen das Alter, so dass er – ebenso wie die Klägerin in dem vom BSG entschiedenen Fall – in die Zielgruppe der gesetzlichen Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG fällt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zwar nach dem SGB VI versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht befreite Künstler in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei sein sollen, nicht aber Künstler, die schon nicht versicherungspflichtig nach dem SGB VI sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Künstler "erst recht" von der Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG befreit sind. Dafür spricht auch, dass der Kläger – hätte er gem. § 4 Abs. 2 SGB VI zunächst die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag erhalten – sich anschließend gem. § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VI von dieser Mitgliedschaft hätte befreien lassen können (vgl. hierzu Gürtner, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 77. Ergänzungslieferung 2013, § 6 Rn. 5). Dann aber wäre er schon nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 KSVG als "von der Versicherungspflicht befreit" auch nach diesem Gesetz versicherungsfrei. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke nicht entgegen. Nach jener Vorschrift schließt ein aufgrund einer nichtkünstlerischen selbständigen Tätigkeit bezogenes Arbeitseinkommen in voraussichtlicher Höhe von mindestens der Hälfte der für das jeweilige Jahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem KSVG aus. Infolgedessen sind "Personen, die anderweit mindestens durchschnittlich verdienen" in der Künstlersozialversicherung versicherungsfrei (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl. 2009, § 4 Rn. 14). Anders als die Beklagte meint, stehen die Nummern 1 und 2 des § 4 KSVG nicht in einem Alternativ- bzw. "Entweder-Oder" – Verhältnis zueinander in dem Sinne, dass lediglich Nummer 2 den Fall regelt, dass ein Künstler zwei Arbeitseinkommen erzielt, einmal aus künstlerischer und einmal aus nichtkünstlerischer Tätigkeit. Dies ist vielmehr Ausgangslage sowohl der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG als auch des § 4 Nr. 2 KSVG. Die Regelungen unterscheiden sich vielmehr in dem Tatbestand, an den der Gesetzgeber die fehlende Schutzbedürftigkeit des Künstlers bzw. der Künstlerin knüpft: Während Nr. 1 des § 4 KSVG auf die Wertungen des SGB VI zur Schutzbedürftigkeit Bezug nimmt, schließt Nr. 2 des § 4 KSVG die fehlende Schutzbedürftigkeit daraus, dass dieser ein Einkommen erzielt, dass entweder bereits ausreichenden Schutz gegen das Alter bedeutet (bei abhängiger Beschäftigung) oder diesen jedenfalls ermöglicht. Infolgedessen kann eine Person gleichzeitig beide Tatbestände erfüllen – etwa eine im Versorgungswerk pflichtversicherte und deshalb von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VI befreite abhängig beschäftigte Rechtsanwältin mit einem Gehalt über der in § 4 Nr. 2 KSVG genannten Grenze. Erreicht die Rechtsanwältin das Mindesteinkommen des § 4 Nr. 2 KSVG nicht, ist sie gleichwohl versicherungsfrei nach der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG. Da mithin beide Regelungen unabhängig nebeneinander stehen, können aus der Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG bei der Beurteilung der Frage, ob die Vorschrift des § 4 Nr. 1 KSVG eine planwidrige Regelungslücke enthält, keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Da der Kläger somit versicherungsfrei ist, hat die Beklagte zu Unrecht Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erhoben. Diese sind dem Kläger gem. § 21 Abs. 1 KSVG zu erstatten. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es wird festgestellt, dass der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungsfrei ist.
Die Beklagte wird verurteilt, die vom Kläger gezahlten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Streitig ist die Rentenversicherungspflicht des Klägers in der Künstlersozialversicherung (KSV). Der 1976 geborene Kläger ist als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig und aufgrund dieser Tätigkeit Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer Berlin sowie im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin. Daneben übt er seit Februar 2009 eine selbständige künstlerische Tätigkeit als Maler, künstlerischer Fotograf und wissenschaftlicher Autor aus. Mit Bescheid vom 09.02.2010 stellte die Beklagte u.a. fest, dass der Kläger ab dem 01.02.2009 in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. Daraufhin beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Berlin die Feststellung, dass er von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Den von der Beklagten angeforderte Befreiungsbescheid vom Rentenversicherungsträger DRV Bund konnte der Kläger nicht vorlegen. Eine entsprechende Klage gegen die DRV Bund hatte keinen Erfolg. Diese lehnte die Erteilung eines Bescheids mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung, weil er aufgrund seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt schon per Gesetz befreit sei und deshalb keine Versicherungspflicht bestehe, von der er befreit werden könne. Mit Bescheid vom 07.11.2011 stellte die Beklagte gleichwohl fest, dass es bei dem Bescheid vom 09.02.2010 und der Feststellung der Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG verbleibe. Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.03.2011 (B 3 KS 2/10 R). Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des BSG sei in seinem Fall nicht einschlägig. Denn dort sei eine Tätigkeit als Medizinjournalistin beurteilt worden, die einerseits als ärztliche Tätigkeit mit der Folge der Mitgliedschaft im Versorgungswerk anzusehen und andererseits als publizistische Tätigkeit nach dem KSVG zu bewerten sei. Im Gegensatz hierzu übe der Kläger unterschiedliche selbständige Berufstätigkeiten aus. Mit der am 14.12.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sei gem. § 4 Nr. 1 KSVG von der Rentenversicherungspflicht befreit, da er aufgrund seiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte bereits hinreichend für das Alter abgesichert sei. Es bestehe deshalb kein Bedürfnis mehr, den Kläger zusätzlich in der Rentenversicherung zu versichern. Die doppelte Beitragslast sei nicht gerechtfertigt. Auch widerspreche es der gesetzgeberischen Intention, da die Künstlersozialversicherung zu einem erheblichen Teil aus Bundesmitteln bezuschusst werde; diese Subventionierung sei nur gerechtfertigt, wenn keine anderweitige Altersvorsorge bestehe. Da demnach keine Versicherungspflicht nach dem KSVG bestehe, habe die Beklagte die Rentenversicherungsbeiträge zu Unrecht eingezogen und sei zur Erstattung verpflichtet. Der Kläger beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 09.02.2010 und 07.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2011 aufzuheben und festzustellen, dass er in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versicherungsfrei ist sowie die Beklagte zu verurteilen, die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu erstatten. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, der Kläger erziele zwei Einkommen, eines aus künstlerischer, eines aus nichtkünstlerischer Tätigkeit. Diese Fallgruppe sei in § 4 Nr. 2 KSVG geregelt. Der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass er die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfülle. Aufgrund der fehlenden Regelungslücke könne § 4 Nr. 1 KSVG nicht analog angewendet werden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er nicht genau sagen könne, welches Einkommen er aus seiner Tätigkeit als freiberuflicher Rechtsanwalt erziele, dass dies aber jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt einen Betrag von 30.000 EUR nicht erreiche. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und auch – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- sowie Leistungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 5, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) und auch begründet. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger ist in seiner künstlerischen Tätigkeit in entsprechender Anwendung der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei. Die von ihm gezahlten Beiträge sind deshalb von der Beklagten zu erstatten. Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger aufgrund seiner unstreitig nicht nur vorübergehend erwerbsmäßig ausgeübten selbständigen künstlerischen Tätigkeit grundsätzlich der Versicherungspflicht (auch) in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt (vgl. §§ 1, 2 KSVG). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits aufgrund der Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG von der Versicherungspflicht befreit ist, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat angegeben, aus seiner Anwaltstätigkeit seines Wissens ein Einkommen von nicht mehr als 30.000 EUR zu erzielen. Damit würde er das von § 4 Nr. 2 KSVG geforderte Mindesteinkommen in Höhe der Hälfte der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West: 2009 64.800 EUR, 2010 und 2011 66.000 EUR, 2012 67.200 EUR und 2013 69.600 EUR) nicht erreichen. Die Frage bedarf jedoch auch keiner abschließenden Klärung, denn es besteht jedenfalls Versicherungsfreiheit in entsprechender Anwendung von § 4 Nr. 1 KSVG. Nach dieser Vorschrift ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei, wer auf Grund einer Beschäftigung oder einer nicht unter § 2 KSVG fallenden selbständigen Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist, es sei denn, die Versicherungsfreiheit beruht auf einer geringfügigen Beschäftigung oder einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit (§ 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch). Unmittelbar greift der Tatbestand von § 4 Nr. 1 KSVG nicht ein. Der Kläger geht mit seiner Anwaltstätigkeit zwar einer nicht unter § 2 KSVG fallenden selbständigen Tätigkeit nach. Er ist aufgrund dieser allerdings weder "versicherungsfrei" gem. § 5 SGB VI, noch ist er "von der Versicherungspflicht befreit" gem. § 6 SGB VI. Er ist vielmehr schon gar nicht versicherungspflichtig, da er keinem der in § 2 SGB VI enumerativ aufgeführten Tatbestände unterfällt. Dieser Tatbestand des "nicht versicherungspflichtig Seins" wird vom Wortlaut der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG nicht umfasst. Die Kammer ist davon überzeugt, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch die analoge Anwendung von § 4 Nr 1 KSVG zu schließen ist. Ein solcher Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, so dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2011, B 3 KS 2/10 R, Rn. 18 bei juris). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Vorschrift des § 4 KSVG schließt solche Personen von der Rentenversicherung aus, die für Alter und Invalidität bereits ausreichend gesichert sind oder nach ihrer persönlichen Situation gesichert sein können (vgl. Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl. 2009, § 4 Rn. 1). Das BSG hat in seinem Urteil vom 10.03.2011 (a.a.O.) zum Sinn und Zweck der Regelung ausgeführt: "Die Vorschrift soll diejenigen selbstständigen Künstler und Publizisten von der besonderen Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG ausnehmen, die dieses Schutzes nicht bedürftig erscheinen, weil sie bereits anderweitig kraft Gesetzes für das Alter gesichert sind. Dabei hat der Gesetzgeber neben Beamten, Richtern und Soldaten an Personen gedacht, die bereits wegen einer anderweitigen Beschäftigung oder Tätigkeit zumindest in einem am Durchschnitt ausgerichteten Umfang in die soziale Sicherung einbezogen sind /(vgl BT-Drucks 9/26 S 18)/. Soweit dadurch ein ausreichender Schutz für das Alter bereits besteht, soll nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Intention keine zusätzliche Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen (vgl BT-Drucks 9/26 S 18; ebenso Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 4 RdNr 1)." (juris, Rn. 14 und 19) Der Kläger ist infolge seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt gem. § 10 Nr. 2 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin Mitglied des Versorgungswerks und hat deshalb Anspruch auf eine Altersrente (vgl. § 17 der Satzung). Eine Befreiungsmöglichkeit ist nicht ersichtlich, insbesondere erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 11 der Satzung nicht. Damit besteht für den Kläger bereits eine hinreichende Absicherung gegen das Alter, so dass er – ebenso wie die Klägerin in dem vom BSG entschiedenen Fall – in die Zielgruppe der gesetzlichen Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG fällt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zwar nach dem SGB VI versicherungsfreie und von der Versicherungspflicht befreite Künstler in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei sein sollen, nicht aber Künstler, die schon nicht versicherungspflichtig nach dem SGB VI sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Künstler "erst recht" von der Rentenversicherungspflicht nach dem KSVG befreit sind. Dafür spricht auch, dass der Kläger – hätte er gem. § 4 Abs. 2 SGB VI zunächst die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag erhalten – sich anschließend gem. § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VI von dieser Mitgliedschaft hätte befreien lassen können (vgl. hierzu Gürtner, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 77. Ergänzungslieferung 2013, § 6 Rn. 5). Dann aber wäre er schon nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 KSVG als "von der Versicherungspflicht befreit" auch nach diesem Gesetz versicherungsfrei. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke nicht entgegen. Nach jener Vorschrift schließt ein aufgrund einer nichtkünstlerischen selbständigen Tätigkeit bezogenes Arbeitseinkommen in voraussichtlicher Höhe von mindestens der Hälfte der für das jeweilige Jahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach dem KSVG aus. Infolgedessen sind "Personen, die anderweit mindestens durchschnittlich verdienen" in der Künstlersozialversicherung versicherungsfrei (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl. 2009, § 4 Rn. 14). Anders als die Beklagte meint, stehen die Nummern 1 und 2 des § 4 KSVG nicht in einem Alternativ- bzw. "Entweder-Oder" – Verhältnis zueinander in dem Sinne, dass lediglich Nummer 2 den Fall regelt, dass ein Künstler zwei Arbeitseinkommen erzielt, einmal aus künstlerischer und einmal aus nichtkünstlerischer Tätigkeit. Dies ist vielmehr Ausgangslage sowohl der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG als auch des § 4 Nr. 2 KSVG. Die Regelungen unterscheiden sich vielmehr in dem Tatbestand, an den der Gesetzgeber die fehlende Schutzbedürftigkeit des Künstlers bzw. der Künstlerin knüpft: Während Nr. 1 des § 4 KSVG auf die Wertungen des SGB VI zur Schutzbedürftigkeit Bezug nimmt, schließt Nr. 2 des § 4 KSVG die fehlende Schutzbedürftigkeit daraus, dass dieser ein Einkommen erzielt, dass entweder bereits ausreichenden Schutz gegen das Alter bedeutet (bei abhängiger Beschäftigung) oder diesen jedenfalls ermöglicht. Infolgedessen kann eine Person gleichzeitig beide Tatbestände erfüllen – etwa eine im Versorgungswerk pflichtversicherte und deshalb von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 SGB VI befreite abhängig beschäftigte Rechtsanwältin mit einem Gehalt über der in § 4 Nr. 2 KSVG genannten Grenze. Erreicht die Rechtsanwältin das Mindesteinkommen des § 4 Nr. 2 KSVG nicht, ist sie gleichwohl versicherungsfrei nach der Regelung des § 4 Nr. 1 KSVG. Da mithin beide Regelungen unabhängig nebeneinander stehen, können aus der Regelung des § 4 Nr. 2 KSVG bei der Beurteilung der Frage, ob die Vorschrift des § 4 Nr. 1 KSVG eine planwidrige Regelungslücke enthält, keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Da der Kläger somit versicherungsfrei ist, hat die Beklagte zu Unrecht Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erhoben. Diese sind dem Kläger gem. § 21 Abs. 1 KSVG zu erstatten. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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