L 4 R 978/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 2875/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 978/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1964 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von August 1981 bis Juli 1984 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser und war im Anschluss daran noch einen Monat als solcher beschäftigt. Von September 1984 bis Juli 1985 besuchte er ein Berufskolleg, das er mit der Fachhochschulreife abschloss. Zwischen dem 29. Juli 1985 und 30. September 1986 war er mit Ausnahme einer Zeit der Arbeitslosigkeit vom 12. August bis 30. September 1986 als Maschinenschlosser versicherungspflichtig beschäftigt, sodann arbeitete er nach einer weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit vom 27. Oktober 1986 bis 29. September 1989 versicherungspflichtig als Dreher. Vom 1. März 1989 bis 31. August 1991 war er im Studiengang Physikalische Technik an einer Fachhochschule eingeschrieben. Vom 1. Oktober 1991 bis 14. August 1993 war er mit Leistungsbezug erneut arbeitslos, ab 16. August 1993 bis 19. Juli 1995 absolvierte er eine Fachschulausbildung zum Staatlich geprüften Techniker und bezog in dieser Zeit Unterhaltsgeld. Daran schloss sich bis 30. April 1996 eine weitere Zeit der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug an. Zwischen dem 1. Mai und 31. Juli 1996 war er versicherungspflichtig im Versicherungsaußendienst beschäftigt, zwischen dem 1. August 1996 und 30. September 2002 erneut arbeitslos mit Leistungsbezug. Im Oktober 2002 war der Kläger noch einmal im Versicherungsaußendienst versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitslos gemeldet und bezog zunächst Arbeitslosenhilfe und seit 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, wobei er seit dem Jahr 2007 jeweils Anfang Dezember wegen einer Reise nach Thailand für kurze Zeit nicht im Leistungsbezug steht.

Am 14. Juli 2005 stellte der Kläger erstmals Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, er halte sich seit 2003 wegen einer Harnröhrenenge, einem Harnröhrendivertikel, einer erektilen Dysfunktion und eines Kräfteverfalls für erwerbsgemindert. Die Beklagte holte einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. M. vom 18. August 2005 ein und beauftragte den Urologen Dr. J. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser führte in seinem Gutachten vom 9. September 2005 aus, der Kläger klage sei 23 Jahren über eine rezidivierende Harnröhrenstriktur und eine Urethritis, eine operative Sanierung im Jahr 1989 habe für ihn keinen ausreichenden Erfolg ergeben. Eine weitere operative Sanierung nach vorangegangener genauer Diagnostik lehne er aber ab. Er käme, so meine er, wenn er sich warmhalte, mit seiner Situation auch weiterhin klar und wolle lediglich vier bis fünf Stunden am Tag arbeiten. Der Gutachter diagnostizierte ein Harnröhrenstrikturrezidiv bei Zustand nach offener Harnröhrenplastik und gestieltem Vorhautlappen und eine sekundäre erektile Dysfunktion und kam zu dem Ergebnis, der Kläger könne seine bisherigen Tätigkeiten als Maschinenschlosser oder Versicherungskaufmann und auch sonstige mittelschwere Tätigkeiten in warmen geschlossenen Räumen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Oktober 2005 den Rentenantrag ab. Auf den vom Kläger dagegen erhobenen Widerspruch beauftragte die Beklagte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dr. W. nannte in seinem Gutachten vom 5. April 2006 eine depressive Erschöpfungssymptomatik reaktiver Genese und leichter Ausprägung, eine erektile Dysfunktion und eine Harnröhrenenge. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, auch die letzte Tätigkeit im Versicherungsaußendienst, könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2006 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Das vom Kläger betriebene Klageverfahren war erfolglos (Sozialgericht Ulm - SG -, S 2 R 2312/06; Urteil vom 7. August 2007). Im sich anschließenden Berufungsverfahren (Landessozialgericht Baden-Württemberg - LSG -, L 11 R 4654/07) schlossen der Kläger und die Beklagte am 24. Januar 2008 einen Vergleich, wonach der Kläger seine Berufung zurücknahm und sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren. Vom 23. April bis 14. Mai 2008 absolvierte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in Bad Wildungen, die wegen mangelnder Therapiemotivation des Klägers vorzeitig abgebrochen wurde. Im Entlassungsbericht vom 27. Mai 2008 nannte Dr. F.-G. als Diagnosen eine Neurasthenie, eine Harnröhrenstriktur mit Urethradivertikel bei Zustand nach Mehrfachoperationen, ein Lendenwirbelsäulensyndrom und eine sekundäre erektile Dysfunktion. Der Kläger wurde arbeitsfähig mit einem täglich zumutbaren Leistungsvermögen für körperlich mittelschwere Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr entlassen.

Am 24. Oktober 2011 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Befundberichte des Urologen Dr. Sc. vom 12. Januar 2012 (Diagnosen: Harnröhrenenge bei prästenotischem Harnröhrendivertikel, erektile Dysfunktion, Urgeblase, rezidivierende Urethritis) und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 19. Januar 2012 (Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Burn-Out-Syndrom, Harnröhrendivertikel) ein und beauftragte sodann wiederum Dr. W. und Dr. J. mit der Erstattung von Gutachten. Dr. W., dem gegenüber der Kläger u.a. angab, dass er im Sommer Hobbygärtner sei und bis zur Dunkelheit im Garten arbeite und gelegentlich eine halbe Stunde jogge und zum Baggersee fahre, diagnostizierte in seinem Gutachten vom 14. März 2012 eine Dysthymie, eine Anpassungsstörung, eine erektile Dysfunktion nach offener Harnröhrenplastik 1985 und ein bulbäres Harnröhrenstrikturrezidiv mit Divertikelbildung nach Harnröhrenplastik 1989. Die Einschränkungen auf psychischem Gebiet stünden deutlich im Hintergrund. Eine durchgehende medikamentöse Behandlung oder eine psychotherapeutische Behandlung oder eine kontinuierliche nervenärztliche Behandlung sei nicht notwendig. Aus rein nervenärztlicher Sicht seien dem Kläger leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben oder Tragen, längere Zwangshaltungen, Zugluft und extrem schwankende Temperaturen und mit der Möglichkeit, Toiletten schnell zu erreichen, sechs Stunden und mehr täglich möglich. Dr. J., demgegenüber der Kläger weitere Untersuchungen wie Urodynamik, Urethroskopie, Röntgen oder sonstige Untersuchungen kategorisch ablehnte, nannte in seinem Gutachten vom 23. März 2012 eine rezidivierende Harnröhrenstriktur und prästenotisches Urethradivertikel, einen Zustand nach offener Harnröhrenplastik mit gestieltem Vorhautlappen und eine sekundäre erektile Dysfunktion. Der Kläger sei voll arbeitsfähig. Sowohl seine letzte berufliche Tätigkeit als Versicherungsvertreter als auch sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab (Bescheid vom 18. April 2012).

Der Kläger erhob Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, seine urologische Situation belaste ihn in seiner ganzen Aktivität. Seit der Operation im Jahr 1989 müsse er regelmäßig nach dem Wasserlassen ein Divertikel ausdrücken. Trotzdem lasse es sich nicht vermeiden, dass etwas Urin zurückbleibe. Dadurch entzünde sich der Divertikel nach jedem Wasserlassen von Neuem. Eine Temperatur unter 26° C empfinde er dadurch als kalt. Jede kurzzeitige Kältequelle reiche, um den Infekt zusätzlich anzuheizen. Um den wiederkehrenden Infekt klein zu halten, versuche er stündlich auf die Toilette zu gehen. Durch die offene Harnröhrenoperation sei es auch zu einer erektilen Dysfunktion gekommen, die ihn zusätzlich stark belaste. Dr. J. sei ihm gegenüber befangen. Im Gutachten von Dr. W. sei seine psychische Situation geschönt dargestellt. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers nach Einholung einer Stellungnehme der Beratenden Ärztin Dr. Linke zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. August 2012). Sie berief sich zur Begründung auf die vorliegenden Fachgutachten. Der Kläger könne eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.

Der Kläger erhob am 4. September 2012 Klage beim SG. Er wiederholte sein Widerspruchsvorbringen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 29. Januar 2013 wies das SG die Klage ab. Es führte aus, hinsichtlich des psychiatrischen Fachgebiets ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. W. schlüssig lediglich eine Anpassungsstörung. Diese Diagnose sei vor dem Hintergrund des erhobenen Tagesablaufs nachvollziehbar. Die abweichende Diagnosestellung und die daraus folgende Leistungseinschätzung des Hausarztes (Dr. K.) überzeuge nicht. Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen folge auch nicht aus den Beeinträchtigungen auf urologischem Fachgebiet. Eine Verschlechterung gegenüber den Vorgutachten sei nicht zu erkennen und auch nicht geltend gemacht. Der Leistungseinschätzung des behandelnden Urologen könne nicht gefolgt werden.

Gegen das ihm am 5. Februar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. März 2013 Berufung eingelegt. Er hat erneut sein bisheriges Vorbringen wortgleich wiederholt und darauf hingewiesen, aus seinen Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass er aufgrund seiner urologischen Erkrankung nicht erwerbsfähig sei. Die Diskrepanz zwischen den Gutachten des Dr. W. und des Dr. J. und den Aussagen von Dr. K. und Dr. Sc. sei zu groß. Die Beklagte hätte nicht dieselben Gutachter wie im ersten Rentenverfahren nehmen dürfen. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass er mit der Pflege seiner Mutter, die Pflegestufe I erhalte, und sich selbst ausgelastet sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Januar 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. November 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Dr. Sc. als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. Sc. hat (Auskunft vom 18. April 2013) mitgeteilt, dass er beim Kläger eine Harnröhrenstenose, ein Harnröhrendivertikel, eine erektile Dysfunktion, eine Urethritis und eine Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention diagnostiziert habe. Eine Veränderung in den letzten zwei Jahren sei nicht eingetreten. Bei der letzten Untersuchung am 4. Oktober 2012 habe er kaum Restharn festgestellt, die Nierenbecken seien nicht erweitert, das beim transrektalen Ultraschall (TRUS) gemessene Prostatavolumen von 21,89 ml sei nicht suspekt gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Vorprozessakte L 11 R 4654/07 Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat ab 1. November 2011 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Denn er ist nicht erwerbsgemindert.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung vom 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, seit 1. November 2011 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der von Dr. W. und Dr. J. erstatteten Gutachten vom 14. und 23. März 2012, aber auch dem Entlassungsbericht von Dr. F.-G. vom 27. Mai 2008 fest.

Als rentenrelevante Gesundheitsstörung besteht beim Kläger auf urologischem Fachgebiet eine rezidivierende Harnröhrenstriktur und ein prästenotisches Urethradivertikel sowie ein Zustand nach offener Harnröhrenplastik mit gestieltem Vorhautlappen und eine sekundäre erektile Dysfunktion. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. J. vom 23. März 2012 und dem Entlassungsbericht von Dr. F.-G. vom 27. Mai 2008. Mit Ausnahme des Urethradivertikels stellte Dr. J. diese Diagnosen auch bereits in seinem Gutachten vom 9. September 2005. Auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sc. vom 18. April 2013 geht eine Harnröhrenstenose, die der Harnröhrenstriktur entspricht, ein Harnröhrendivertikel und eine erektile Dysfunktion hervor. Dass beim Kläger wie von Dr. Sc. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. April 2013 angegeben, auch eine Urethritis (infektiöse oder reaktive Harnleiterentzündung) sowie eine Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention vorliegt, kann der Senat nicht feststellen. Der Kläger wird weder wegen einer Urethritis noch wegen einer Niereninsuffizienz fachärztlich behandelt. Der von Dr. J. ausweislich seines Gutachtens vom 23. März 2012 erhobene Urinbefund war normal, die Urinkultur negativ. Nach seinen eigenen Angaben anlässlich der von der Berichterstatterin durchgeführten nichtöffentlichen Sitzung am 15. August 2013 nimmt der Kläger keine Antibiotika ein und schluckt auch sonst nicht gerne Tabletten. Auch der zuletzt im August 2008 von Dr. Sc. gemessene Kreatininwert war mit 0,92 mg% unauffällig, das Nierenbecken war im Oktober 2012 nicht erweitert. Während der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2008 war der Urinbefund des Klägers ausweislich des Entlassungsberichts von Dr. F.-G. vom 27. Mai 2008 ebenfalls normal. Der dort gemessene auffällige Kreatininwert von 1,36 mg/dl hatte sich - wie ausgeführt - bis August 2008 auf 0,92 mg% erniedrigt.

Des Weiteren besteht beim Kläger eine Dysthymie und eine Anpassungsstörung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. W. vom 14. März 2012. Dr. W. hat nach umfassender eigener Exploration des Klägers insbesondere auch unter Berücksichtigung des vom Kläger geschilderten Tagesablaufs, diese Erkrankungen überzeugend für den Senat befundet. Im Einklang damit steht auch, dass der Kläger sich nicht in nervenärztlicher Behandlung befindet und auch insoweit nicht medikamentös vom Hausarzt behandelt wird. Auch anlässlich der stationären Heilbehandlung wurde nach dem Entlassungsbericht von Dr. F.-G. nur eine Neurasthenie diagnostiziert. Dafür, dass entgegen den Angaben im Befundbericht des Dr. K. vom 19. Januar 2012 eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Depression und ein Burn-Out-Syndrom beim Kläger vorliegen, spricht, dass Dr. K. die für eine posttraumatische Belastungsstörung typischen Merkmale wie ein Sichaufdrängen von Bildern des Traumas, ein Vermeidungsverhalten oder eine vermehrte psychomotorische Unruhe nicht beschrieben hat. Gegen eine Depression hinsichtlich derer Dr. K. keine Befunde mitteilt, spricht der von Dr. W. erhobene strukturierte Tagesablauf des Klägers mit erhaltenen Interessen verbunden mit der Tatsache, dass er nicht medikamentös behandelt wird. Anhaltspunkte für ein Burn-Out-Syndrom sind nicht ersichtlich.

Diese Erkrankungen des Klägers führen nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr unter Vermeidung von Zugluft, extrem schwankenden Temperaturen und mit leichter Erreichbarkeit von Toiletten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Der Senat folgt insoweit dem von Dr. J. und Dr. W. erstatteten Gutachten. Soweit Dr. W. darüber hinaus schweres Heben und Tragen und längere Zwangshaltungen ausschloss, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Befunde, die dies stützen würden, wurden von Dr. W. nicht genannt. Weder die Erkrankung auf urologischem noch diejenige auf psychiatrischem Fachgebiet rechtfertigt diese Einschränkung. Der Notwendigkeit der Vermeidung von Zwangshaltungen und des Hebens und Tragens von schweren Lasten steht auch entgegen, dass der Kläger als Hobby Gärtnerarbeiten angibt und vortrug, dass er im Garten arbeite, bis es dunkel werde. Im Einklang damit steht auch, dass der Kläger einmal jährlich in der Lage ist, einen Langstreckenflug von Deutschland nach Thailand zu absolvieren, was mit beengten Sitzverhältnissen und lang anhaltendem Sitzen verbunden ist.

Widerlegt wird diese Einschätzung nicht durch den dem Befundbericht des Dr. Sc. vom 12. Januar 2012 beigefügten Karteieintrag vom 5. November 2006, wonach dem Kläger nur noch Arbeiten von bis zu vier Stunden täglich möglich seien. Die von ihm erhobenen Befunde rechtfertigen diese Leistungseinschätzung nicht.

Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R - in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Beim Kläger liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Zwar sind schwere Tätigkeiten ausgeschlossen und Zugluft sowie extrem schwankende Temperaturen sind zu vermeiden. Außerdem sollte eine Toilette leicht erreichbar sein. Darin ist weder eine schwere spezifischen Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden.

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats auch zu betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Er benötigt insbesondere keine zusätzlichen betriebsunüblichen Pausen. Nach § 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) steht Beschäftigten mit einer Tätigkeit von mehr als sechs Stunden täglich eine Ruhepause von 30 Minuten bzw. zweimal 15 Minuten zu. Neben den betriebsüblichen Pausen werden Arbeitnehmern in gewissem Umfang auch sog. Verteilzeiten zugestanden, z.B. für den Weg vom Zeiterfassungsgerät zum Arbeitsplatz, das Vorbereiten bzw. Aufräumen des Arbeitsplatzes, den Gang zur Toilette, Unterbrechungen durch Störungen durch Dritte. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten Pausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden nicht als Arbeitszeit verkürzende Pausen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 - und vom 26. Oktober 2010 - L 11 R 5203/09 -, beide in juris). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme benötigt der Kläger nicht mehr als diese betriebsüblichen Pausen. Zwar trägt der Kläger vor, er versuche stündlich auf die Toilette zu gehen. Abgesehen davon, dass er dies nur "versucht", ist die Notwendigkeit eines stündlichen Toilettengangs ärztlicherseits nicht belegt. Die erhobenen Befunde rechtfertigen einen derart häufigen Toilettengang nicht. Auch gab der Kläger weder Dr. W. noch Dr. J. gegenüber an, dass Toilettengänge in dieser Frequenz erforderlich seien. Dr. Sc. hat nach seinem - beigefügten - Karteieintrag vom 6. November 2006 nur ausgeführt, dass der Kläger immer die Möglichkeit haben müsse, rasch eine Toilette mit hygienisch einwandfreien Verhältnissen aufzusuchen. Dies entnimmt der Senat auch dem Gutachten des Dr. W ... Toiletten hat indessen jeder Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Wenn ein Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen beschäftigt, hat er nach § 3a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in der seit 27. Juli 2010 geltenden Fassung der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2006/25/EG zum Schutz der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung und zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen vom 19. Juli 2010 (BGBl. I, S. 960), zuvor § 3 Abs. 2 ArbStättV, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden (Satz 1). Dies gilt insbesondere für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie von zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen, Orientierungssystemen, Waschgelegenheiten und Toilettenräumen (Satz 2). Nach Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 der Anlage zur ArbStättV müssen sich Toilettenräume sowohl in der Nähe der Arbeitsplätze als auch in der Nähe von Pausen- und Bereitschaftsräumen, Wasch- und Umkleideräumen befinden. Nach Nr. 3 der Arbeitsstättenrichtlinie 37/1 (vgl. § 7 Abs. 4 ArbStättV) sind die Toilettenräume bzw. die Toiletten unabhängig von Nr. 2 der Vorschrift innerhalb einer Arbeitsstätte so zu verteilen, dass sie von ständigen Arbeitsplätzen nicht mehr als 100 m und - sofern keine Fahrtreppen vorhanden sind - höchstens eine Geschosshöhe entfernt sind, der Weg von ständigen Arbeitsplätzen in Gebäuden zu Toiletten soll nicht durchs Freie führen (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 16. April 2010 - L 4 R 2563/08 - und vom 6. April 2011 - L 4 R 5110/10 -, nicht veröffentlicht). Damit besteht für den Kläger die Möglichkeit, rasch eine Toilette auszusuchen. Davon, dass diese Toiletten den hygienischen Standards entsprechen, geht der Senat aus. Im Übrigen ist insoweit zu beachten, dass der Kläger sich einmal im Jahr für einen Monat in Thailand aufhält. Dort dürften die hygienischen Verhältnisse auf Toiletten unter Umständen nicht dem europäischen Standard entsprechen, einen - zusätzlichen - gesundheitlichen Schaden hat der Kläger nach seinem Vortrag jedoch deshalb zu keiner Zeit erlitten. Nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sc. vom 18. April 2013 ergab sich beim Kläger in den letzten zwei Jahren keine Veränderung.

Der Senat verwertet die von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. W. und Dr. J ... Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen diese Gutachten stehen einer Verwertung dieser Gutachten nicht entgegen. Wenn der Kläger aufgrund des früheren von Dr. J. erstatteten Gutachtens meint, Dr. J. sei ihm gegenüber befangen, hätte er ihn spätestens binnen zwei Wochen nach dessen Ernennung wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen müssen (§ 21 Abs. 3 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, 406 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dies erfolgte nicht. Der in der Widerspruchsbegründung erhobene Einwand des Klägers greift daher nicht durch. Aus dem Gutachten ergeben sich für den Senat auch keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit. Den Einwand, Dr. W. habe seine psychische Situation im Gutachten geschönt dargestellt, hat der Kläger nicht weiter begründet. Die Darstellung der psychischen Situation entspricht im Wesentlichen dem anlässlich der Rehabilitationsmaßnahme von Dr. F.-G. erhobenen Befund. Letztlich wendet sich der Kläger damit gegen die vom Gutachter vorgenommene Leistungsbeurteilung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Von der Verhängung von Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Senat für dieses Berufungsverfahren abgesehen. Er weist jedoch darauf hin, dass für den Fall, dass der Kläger ohne Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung beantragen sollte, die Rechtsverfolgung, nachdem er dann bereits zweimal erfolglos die Gewährung von Rente beantragt hätte, missbräuchlich sein dürfte. Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2012 - L 13 AS 500/12 -, in juris). Davon dürfte dann auszugehen sein.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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