Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 266/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1835/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 08. März 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Bewilligung von Kosten für Warmwasserbereitung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Jahre 2005 bis 2010 im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig.
Die 1967 geborene Klägerin bezog im streitigen Zeitraum vom Beklagen bzw. dessen Rechtsvorgänger Leistungen nach dem SGB II. Der Klägerin und den mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern A. (- 01.01.1992), B. (-17.07.1995) und C. (-25.03.1999) wurden - zuletzt mit Bescheid vom 28.07.2010 für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 - Leistungen nach dem SGB II bewilligt, wobei die in der Regelleistung enthaltene Pauschale für die Erzeugung von Warmwasser von den Kosten der Unterkunft abgezogen wurde (KdU der Klägerin monatlich 232,04 EUR).
Am 21.02.2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen "Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X für alle bisher ergangenen Bescheide". Darin führte sie aus, sie beantrage die Nachzahlung zu Unrecht nicht übernommener Beträge für Warmwasser. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfahren zur Ermittlung der Hartz IV-Regelleistungen aufgrund Intransparenz für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens zum 01.01.2011 eine transparente Neuberechnung der Regelleistung vorzunehmen. Die Warmwasserkosten seien noch nie in den Regelleistungen enthalten gewesen und hätten somit schon seit dem 01.01.2005 zu den Kosten der Unterkunft gehört. Deshalb seien alle zu ihren Ungunsten erlassenen Bescheide seit 01.01.2005 abzuändern und die rechtswidrig vorenthaltenen Beträge für die Kosten der Wassererwärmung als Kosten der Unterkunft für die Zeit ab dem 01.01.2005 nachzuzahlen.
Mit Bescheid vom 02.08.2011 entsprach der Beklagte dem Antrag für die Zeit ab 01.01.2011.
Mit Schreiben vom 29.08.2011, beim Beklagten am 12.09.2011 eingegangen, erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und verwies darauf, dass sich der Überprüfungsantrag auch auf die Zeit vor dem 01.01.2011 beziehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, in der Zeit bis zum 31.12.2010 sei das Recht nicht unrichtig angewandt worden. Nach der bis dahin geltenden Rechtslage seien gemäß § 20 SGB II die Kosten für die Warmwasserzubereitung in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten gewesen. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I. S. 1706) sei klargestellt worden, dass auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Kosten Bestandteil der Regelleistung seien. Danach seien bis dahin insbesondere die Energiekosten für Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten gewesen. Erst in der seit 01.01.2011 gültigen Fassung des § 20 SGB II sei nunmehr geregelt, dass der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile umfasse. Durch das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz sei nunmehr festgelegt, dass die Energiekosten für die Erzeugung von Warmwasser nicht mehr von der Regelleistung umfasst seien, sondern - wie die Heizkosten - Bestandteil der Kosten der Unterkunft. Eine rückwirkende Regelung, wonach der Abzug der Warmwasserbereitungskosten von den Kosten der Unterkunft bereits vor dem 01.01.2011 entfalle, sei seitens des Gesetzgebers nicht vorgesehen. Die Kürzung der Heizkosten um den Warmwasseranteil bis 31.12.2010 habe der bis dahin gültigen Rechtslage entsprochen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.01.2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, die Kosten für Strom hätten noch nie einen Anteil für die Wassererwärmung enthalten. Deshalb seien die Kosten für die Wassererwärmung seit 01.01.2005 nicht separat ausgezahlt worden. Die ihr und den drei Kindern seit 01.01.2005 vorenthaltenen Wassererwärmungskosten beliefen sich auf insgesamt 1.382,64 EUR.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin habe bereits deshalb keinen Anspruch auf Abänderung "sämtlicher Bescheide" die Jahre 2005 bis 2010 betreffend, weil sie nicht im Einzelnen die von ihr beanstandeten Bescheide genannt und somit keine konkrete Beanstandung vorgenommen habe. Im Übrigen bestehe nach der gesetzlichen Regelung in § 20 SGB II, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, kein Anspruch auf eine rückwirkende Übernahme der Kosten für die Warmwasserbereitung.
Gegen den am 18.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.04.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der Gesetzgeber habe zum 01.01.2011 beschlossen, dass der Stromkostenanteil zusätzlich bezahlt werden müsse. Dies habe eine Auswertung der Verbrauchsanalysen im Verhältnis der Jahre 2005 zu 2008 ergeben. Dies sei jedoch nicht korrekt. Die Auswertungen hätten einen nahezu identischen Stromkostenanteil sowohl im Jahr 2005 als auch im Jahr 2008 ergeben. Dies lasse im Umkehrschluss lediglich die Folgerung zu, dass die Warmwasserkosten noch nie in der Regelleistung enthalten gewesen seien. Deshalb sei dem Gesetzgeber ein Fehler unterlaufen mit der Folge, dass der zusätzliche Stromkostenanteil für die Warmwasserbereitung bereits ab Einführung des SGB II zum 01.01.2005 zu zahlen sei. Eine Benennung der einzelnen zur Überprüfung gestellten Leistungsbescheide sei nicht erforderlich, insoweit bestehe eine Amtsermittlungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 08. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 zu verpflichten, die Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 insoweit zurückzunehmen, als in den Kosten für Unterkunft und Heizung die Beträge für die Warmwasserbereitung nicht enthalten waren und ihr die Kosten der Warmwasserbereitung für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakten sowie die Akten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.
Streitgegenständlich sind allein die Kosten der Unterkunft als abtrennbarer Teil der Leistungen nach dem SGB II für die Klägerin in den Jahren 2005 bis 2010. Adressatin sowohl des Überprüfungsbescheides als auch des Widerspruchsbescheides war allein die Klägerin. Zwar gilt gemäß § 38 SGB II die Vermutung, dass ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegen zu nehmen. Diese Vertretungsvermutung gilt jedoch lediglich für das Verwaltungsverfahren. Im gerichtlichen Verfahren gilt diese Vertretungsvermutung nicht. Jeder Berechtigte muss seine Ansprüche selbst geltend machen. Lediglich für eine Übergangsfrist bis zum 30.07.2007 waren nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - juris Rn 11) Anträge in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten. Vorliegend hat die anwaltlich vertretene Klägerin die Klage allein in eigenem Namen erhoben. Streitgegenständlich sind deshalb lediglich die von der Klägerin für sich geltend gemachten Wassererwärmungskosten. Diese übersteigen nicht den Betrag von 750,- EUR. Die Berufung ist jedoch gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht werden.
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Entgegen der Auffassung des SG steht einem Anspruch auf Überprüfung und Abänderung nicht bereits entgegen, dass die Klägerin die zu überprüfenden Bescheide nicht konkret genannt hat. Sie hat auch kein pauschales Überprüfungsbegehren gestellt, mit dem sie die vollständige Überprüfung eines Verwaltungshandelns der gesamten Leistungszeiträume seit einem bestimmten Datum geltend gemacht hat (so der Sachverhalt, der dem Urteil des LSG-Berlin-Brandenburg vom 16.10.2012 - L 5 AS 949/11 - zugrunde gelegen hat). Sie hat vielmehr die rechtlichen Beanstandungen - Nichtberücksichtigung bzw. Abzug der Kosten für Warmwasserzubereitung - konkret benannt und hierzu auch eine detaillierte Auflistung ihrer jeweiligen Kosten vorgelegt. Damit hat sie ihr Begehren hinreichend konkretisiert.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Rücknahme der Bewilligungsbescheide für die Zeit bis zum 31.12.2010. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht lediglich für die Zeit ab dem 01.01.2011 bei den Kosten der Unterkunft keinen Abzug der Kosten der Wassererwärmung mehr vorgenommen und im Übrigen eine Änderung der Bewilligungsbescheide abgelehnt.
Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den Heizkosten entsprach bis zum 31.12.2010 der gesetzlichen Regelung. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 09.02.2010 (Az: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BGBl. I S. 193 v. 22.02.2010) entschieden, dass § 20 Abs. 2 Erster Halbsatz und Abs. 3 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Erste Alternative des SGB II mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar sind. In Ziff. 2 des Tenors hat das Bundesverfassungsgericht jedoch weiter entschieden, dass bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2010 zu treffen habe, diese Vorschriften weiter anwendbar sind. Maßgeblich ist deshalb, ob aufgrund der bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage der Abzug der Warmwasserpauschale zulässig war. Nach der damals geltenden Rechtslage waren die Kosten der Warmwasserbereitung von der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst. In Abteilung 04 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) waren die Kosten für Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe enthalten, die gem. § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 in den für den Eckregelsatz relevanten Verbrauch einflossen. Ausweislich der Regierungsbegründung (BRDrucks. 206/04, S. 6 - 9) nicht berücksichtigt waren die gesondert abgedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 58). Deshalb konnten die Kosten der Warmwasserzubereitung nicht ein weiteres Mal im Rahmen der Kosten der Unterkunft gem. § 22 SGB II erbracht werden. Diese Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II wurde bestätigt durch die Neufassung, die die Norm durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) erhalten hat. In Anlehnung an den Wortlaut der gleichlautenden Vorgängervorschrift des Sozialhilferechts ist § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dahingehend geändert worden, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasste. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/1410 S. 23) handelte es sich bei der Neufassung lediglich um eine Klarstellung, nach der insbesondere die Kosten der Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten seien und nicht als Bestandteil der Kosten der Unterkunft übernommen werden könnten. Dies hat auch das BSG ausdrücklich so entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R).
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Problematik der Kosten für Haushaltsstrom thematisiert, jedoch gleichwohl die bisherige Regelung bis zum 31.12.2010 weiterhin für anwendbar erklärt hat, findet eine rückwirkende Änderung nicht statt, zumal auch der Gesetzgeber im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453), mit dem er § 20 SGB II ab 01.01.2011 neu gefasst hat, eine rückwirkende Änderung nicht vorgenommen hat.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Kosten für Warmwasserzubereitung sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Einem Anspruch auf Übernahme der Kosten für Warmwasserzubereitung für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 steht zudem bereits § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden dann, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Aufgrund des am 21.02.2011 gestellten Überprüfungsantrags könnte eine rückwirkende Leistungsgewährung allenfalls ab dem 01.01.2007 erfolgen.
Die Berufung der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Bewilligung von Kosten für Warmwasserbereitung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Jahre 2005 bis 2010 im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig.
Die 1967 geborene Klägerin bezog im streitigen Zeitraum vom Beklagen bzw. dessen Rechtsvorgänger Leistungen nach dem SGB II. Der Klägerin und den mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern A. (- 01.01.1992), B. (-17.07.1995) und C. (-25.03.1999) wurden - zuletzt mit Bescheid vom 28.07.2010 für die Zeit vom 01.09.2010 bis 28.02.2011 - Leistungen nach dem SGB II bewilligt, wobei die in der Regelleistung enthaltene Pauschale für die Erzeugung von Warmwasser von den Kosten der Unterkunft abgezogen wurde (KdU der Klägerin monatlich 232,04 EUR).
Am 21.02.2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen "Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X für alle bisher ergangenen Bescheide". Darin führte sie aus, sie beantrage die Nachzahlung zu Unrecht nicht übernommener Beträge für Warmwasser. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfahren zur Ermittlung der Hartz IV-Regelleistungen aufgrund Intransparenz für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis spätestens zum 01.01.2011 eine transparente Neuberechnung der Regelleistung vorzunehmen. Die Warmwasserkosten seien noch nie in den Regelleistungen enthalten gewesen und hätten somit schon seit dem 01.01.2005 zu den Kosten der Unterkunft gehört. Deshalb seien alle zu ihren Ungunsten erlassenen Bescheide seit 01.01.2005 abzuändern und die rechtswidrig vorenthaltenen Beträge für die Kosten der Wassererwärmung als Kosten der Unterkunft für die Zeit ab dem 01.01.2005 nachzuzahlen.
Mit Bescheid vom 02.08.2011 entsprach der Beklagte dem Antrag für die Zeit ab 01.01.2011.
Mit Schreiben vom 29.08.2011, beim Beklagten am 12.09.2011 eingegangen, erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und verwies darauf, dass sich der Überprüfungsantrag auch auf die Zeit vor dem 01.01.2011 beziehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, in der Zeit bis zum 31.12.2010 sei das Recht nicht unrichtig angewandt worden. Nach der bis dahin geltenden Rechtslage seien gemäß § 20 SGB II die Kosten für die Warmwasserzubereitung in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten gewesen. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I. S. 1706) sei klargestellt worden, dass auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Kosten Bestandteil der Regelleistung seien. Danach seien bis dahin insbesondere die Energiekosten für Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten gewesen. Erst in der seit 01.01.2011 gültigen Fassung des § 20 SGB II sei nunmehr geregelt, dass der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile umfasse. Durch das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz sei nunmehr festgelegt, dass die Energiekosten für die Erzeugung von Warmwasser nicht mehr von der Regelleistung umfasst seien, sondern - wie die Heizkosten - Bestandteil der Kosten der Unterkunft. Eine rückwirkende Regelung, wonach der Abzug der Warmwasserbereitungskosten von den Kosten der Unterkunft bereits vor dem 01.01.2011 entfalle, sei seitens des Gesetzgebers nicht vorgesehen. Die Kürzung der Heizkosten um den Warmwasseranteil bis 31.12.2010 habe der bis dahin gültigen Rechtslage entsprochen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.01.2012 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, die Kosten für Strom hätten noch nie einen Anteil für die Wassererwärmung enthalten. Deshalb seien die Kosten für die Wassererwärmung seit 01.01.2005 nicht separat ausgezahlt worden. Die ihr und den drei Kindern seit 01.01.2005 vorenthaltenen Wassererwärmungskosten beliefen sich auf insgesamt 1.382,64 EUR.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin habe bereits deshalb keinen Anspruch auf Abänderung "sämtlicher Bescheide" die Jahre 2005 bis 2010 betreffend, weil sie nicht im Einzelnen die von ihr beanstandeten Bescheide genannt und somit keine konkrete Beanstandung vorgenommen habe. Im Übrigen bestehe nach der gesetzlichen Regelung in § 20 SGB II, die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, kein Anspruch auf eine rückwirkende Übernahme der Kosten für die Warmwasserbereitung.
Gegen den am 18.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08.04.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der Gesetzgeber habe zum 01.01.2011 beschlossen, dass der Stromkostenanteil zusätzlich bezahlt werden müsse. Dies habe eine Auswertung der Verbrauchsanalysen im Verhältnis der Jahre 2005 zu 2008 ergeben. Dies sei jedoch nicht korrekt. Die Auswertungen hätten einen nahezu identischen Stromkostenanteil sowohl im Jahr 2005 als auch im Jahr 2008 ergeben. Dies lasse im Umkehrschluss lediglich die Folgerung zu, dass die Warmwasserkosten noch nie in der Regelleistung enthalten gewesen seien. Deshalb sei dem Gesetzgeber ein Fehler unterlaufen mit der Folge, dass der zusätzliche Stromkostenanteil für die Warmwasserbereitung bereits ab Einführung des SGB II zum 01.01.2005 zu zahlen sei. Eine Benennung der einzelnen zur Überprüfung gestellten Leistungsbescheide sei nicht erforderlich, insoweit bestehe eine Amtsermittlungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 08. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2011 zu verpflichten, die Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 insoweit zurückzunehmen, als in den Kosten für Unterkunft und Heizung die Beträge für die Warmwasserbereitung nicht enthalten waren und ihr die Kosten der Warmwasserbereitung für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Beklagtenakten sowie die Akten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig.
Streitgegenständlich sind allein die Kosten der Unterkunft als abtrennbarer Teil der Leistungen nach dem SGB II für die Klägerin in den Jahren 2005 bis 2010. Adressatin sowohl des Überprüfungsbescheides als auch des Widerspruchsbescheides war allein die Klägerin. Zwar gilt gemäß § 38 SGB II die Vermutung, dass ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bevollmächtigt ist, Leistungen nach diesem Buch auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegen zu nehmen. Diese Vertretungsvermutung gilt jedoch lediglich für das Verwaltungsverfahren. Im gerichtlichen Verfahren gilt diese Vertretungsvermutung nicht. Jeder Berechtigte muss seine Ansprüche selbst geltend machen. Lediglich für eine Übergangsfrist bis zum 30.07.2007 waren nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - juris Rn 11) Anträge in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten. Vorliegend hat die anwaltlich vertretene Klägerin die Klage allein in eigenem Namen erhoben. Streitgegenständlich sind deshalb lediglich die von der Klägerin für sich geltend gemachten Wassererwärmungskosten. Diese übersteigen nicht den Betrag von 750,- EUR. Die Berufung ist jedoch gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht werden.
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Entgegen der Auffassung des SG steht einem Anspruch auf Überprüfung und Abänderung nicht bereits entgegen, dass die Klägerin die zu überprüfenden Bescheide nicht konkret genannt hat. Sie hat auch kein pauschales Überprüfungsbegehren gestellt, mit dem sie die vollständige Überprüfung eines Verwaltungshandelns der gesamten Leistungszeiträume seit einem bestimmten Datum geltend gemacht hat (so der Sachverhalt, der dem Urteil des LSG-Berlin-Brandenburg vom 16.10.2012 - L 5 AS 949/11 - zugrunde gelegen hat). Sie hat vielmehr die rechtlichen Beanstandungen - Nichtberücksichtigung bzw. Abzug der Kosten für Warmwasserzubereitung - konkret benannt und hierzu auch eine detaillierte Auflistung ihrer jeweiligen Kosten vorgelegt. Damit hat sie ihr Begehren hinreichend konkretisiert.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Rücknahme der Bewilligungsbescheide für die Zeit bis zum 31.12.2010. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht lediglich für die Zeit ab dem 01.01.2011 bei den Kosten der Unterkunft keinen Abzug der Kosten der Wassererwärmung mehr vorgenommen und im Übrigen eine Änderung der Bewilligungsbescheide abgelehnt.
Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den Heizkosten entsprach bis zum 31.12.2010 der gesetzlichen Regelung. Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 09.02.2010 (Az: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BGBl. I S. 193 v. 22.02.2010) entschieden, dass § 20 Abs. 2 Erster Halbsatz und Abs. 3 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Erste Alternative des SGB II mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar sind. In Ziff. 2 des Tenors hat das Bundesverfassungsgericht jedoch weiter entschieden, dass bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis spätestens zum 31.12.2010 zu treffen habe, diese Vorschriften weiter anwendbar sind. Maßgeblich ist deshalb, ob aufgrund der bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage der Abzug der Warmwasserpauschale zulässig war. Nach der damals geltenden Rechtslage waren die Kosten der Warmwasserbereitung von der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst. In Abteilung 04 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) waren die Kosten für Wohnung, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennstoffe enthalten, die gem. § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 in den für den Eckregelsatz relevanten Verbrauch einflossen. Ausweislich der Regierungsbegründung (BRDrucks. 206/04, S. 6 - 9) nicht berücksichtigt waren die gesondert abgedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 58). Deshalb konnten die Kosten der Warmwasserzubereitung nicht ein weiteres Mal im Rahmen der Kosten der Unterkunft gem. § 22 SGB II erbracht werden. Diese Auslegung des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II wurde bestätigt durch die Neufassung, die die Norm durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) erhalten hat. In Anlehnung an den Wortlaut der gleichlautenden Vorgängervorschrift des Sozialhilferechts ist § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dahingehend geändert worden, dass die Regelleistung auch die "Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile" umfasste. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/1410 S. 23) handelte es sich bei der Neufassung lediglich um eine Klarstellung, nach der insbesondere die Kosten der Warmwasserbereitung aus der Regelleistung zu bestreiten seien und nicht als Bestandteil der Kosten der Unterkunft übernommen werden könnten. Dies hat auch das BSG ausdrücklich so entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - juris Rn. 20; BSG, Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R).
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Problematik der Kosten für Haushaltsstrom thematisiert, jedoch gleichwohl die bisherige Regelung bis zum 31.12.2010 weiterhin für anwendbar erklärt hat, findet eine rückwirkende Änderung nicht statt, zumal auch der Gesetzgeber im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453), mit dem er § 20 SGB II ab 01.01.2011 neu gefasst hat, eine rückwirkende Änderung nicht vorgenommen hat.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Kosten für Warmwasserzubereitung sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Einem Anspruch auf Übernahme der Kosten für Warmwasserzubereitung für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.12.2006 steht zudem bereits § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden dann, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Aufgrund des am 21.02.2011 gestellten Überprüfungsantrags könnte eine rückwirkende Leistungsgewährung allenfalls ab dem 01.01.2007 erfolgen.
Die Berufung der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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