Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3967/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4176/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. August 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) bzw. nach Nr. 2110 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nach langjähriger, vorwiegend vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 15.05.1959 geborene Kläger war bei der Firma W. in St. G. nach einer dreijährigen Lehre als Zerspanungsmechaniker von 1978 bis 1993 als Rund- und Flachschleifer versicherungspflichtig beschäftigt. Daneben und in der Folgezeit war er zunächst in der elterlichen Landwirtschaft und sodann als selbständiger Landwirt tätig. Hierbei betreibt er ausschließlich Grünlandwirtschaft mit Viehhaltung.
Mit Schreiben vom 22.06.2006 wandte sich der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband an die damals zuständige Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg, Rechtsvorgängerin der Beklagten, und teilte mit, der Kläger habe Anfang 2005 einen Bandscheibenvorfall gehabt. Er führe dies auf seinen neuen Hofschlepper W. H. zurück. Die Beklagte leitete daraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine Wirbelsäulenerkrankung - BK Nrn. 2108/2110 ein. Im Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gab der Kläger unter dem 30.09.2006 an, er habe 25 Jahre in der Firma W. schwere Eisenteile auf die Maschine heben und in der elterlichen Landwirtschaft schwere Arbeiten ausführen müssen. Die Rückenbeschwerden seien aufgetreten nach jahrzehntelanger Schinderei, er habe tonnenweise Mist, Silage, Futtermittelmittel und Rundballen von Hand bewegen müssen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei und hörte die behandelnden Ärzte. Danach war der Kläger vom 24.08.1998 bis 19.11.1998 wegen einer Arthralgie beider Vorfüße und vom 27.09.1999 bis 26.11.1999 wegen einer chronisch-degenerativen Lumbalgie sowie eines Thorakalsyndroms arbeitsunfähig erkrankt. Der Radiologe Dr. Z. nannte im Arztbrief vom 15.11.2006 den Verdacht auf lumbalen Bandscheibenvorfall L4/5. Der Neurologe Dr. E. teilte unter dem 24.01.2007 mit, der Kläger habe erstmalig am 08.11.2005 in seiner ambulanten neurologischen Behandlung gestanden wegen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein sowie Schulterproblemen links. Er habe ein S1-Wurzelsyndrom links sowie eine chronische Nervenschädigung der Wurzel L4/5 links diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeit sei vom 01.12. bis 15.12.2005 bescheinigt worden. Sollte der Kläger bei seiner Tätigkeit schwere Lasten heben müssen, wäre ein Verhebetrauma als Ursache des Bandscheibenvorfalles mit in Betracht zu ziehen. Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, teilte am 09.02.2007 mit, der Kläger habe ihn erstmalig am 09.11.2005 wegen seit 4 Wochen bestehender Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung ins linke Bein und Beschwerden in der Kniekehle aufgesucht. Die Behandlung sei durch Dr. E. durchgeführt worden. Seiner Auffassung nach sei das Leiden durch die berufliche Tätigkeit verursacht. Der Arzt für Orthopädie Dr. K. teilte unter dem 20.02.2007 mit, er habe am 18.10.2005 beim Kläger ein Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit Blockierung C6 diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeit sei vom 18.10. - 11.11.2005 bescheinigt worden. Bei der Vorstellung am 31.10.2005 habe der Kläger über Schmerzen im Bereich der LWS geklagt. Eine Röntgenaufnahme der LWS in zwei Ebenen habe keine wesentlichen degenerativen Veränderungen ergeben. Die Beschwerden des Kläger seien nicht beruflich bedingt. Dieser habe sich nicht wie vereinbart am 14.11.2005 nochmals vorgestellt, so dass über den weiteren Verlauf keine Auskunft erteilt werden könne.
Am 17.04.2007 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) eine Erhebung auf dem Hof des Klägers in dessen Betrieb durch. Danach wurde der Hof von 1973 - 1983 vom Kläger zusammen mit seinem Vater und sodann von ihm alleine bewirtschaftet. Sämtliche Arbeiten mit Schleppereinsatz wurden vom Kläger allein ausgeführt. Der TAD gelangte in der Stellungnahme vom 18.04.2007 zu der Beurteilung, die beruflich bedingte Schwingungsbelastung habe 222 (m/s²)² betragen. Bezogen auf den Dosisrichtwert für Ganzkörperschwingungen von 1450 (m/s²)² entspreche dies einem prozentualen Anteil von 15,3 %. Die Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten habe nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) 4,208211 x 106 Nh betragen. Dies entspreche einem prozentualen Anteil von 16,8 % des Dosisrichtwerts von 25 x 106 Nh. Die Gesamtbelastung nach dem MDD von danach 32,1 % sei auf 35 % aufzurunden, um auch die vielseitigen Bauarbeiten in der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Nicht berücksichtigt sei der Transport von Biofleischerzeugnissen, da die erforderliche Mindestbelastung an den Tage, an denen diese Tätigkeit ausgeübt werde, nicht erreicht sei. Nicht berücksichtigt seien auch die Tragebelastungen bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker bei der Fa. W ... Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der BG Metall Nord Süd über die Belastung des Klägers während seiner Beschäftigung bei der Firma W. ein. Der Präventionsdienst der BG Metall Nord Süd teilte unter dem 15.06.2007 mit, eine Besichtigung des Arbeitsplatzes bei der Firma W. und die Befragung von Vorgesetzten und eines früheren Kollegen des Klägers hätten ergeben, dass am früheren Arbeitsplatz des Klägers immer eine Hebehilfe (Kran) zur Verfügung gestanden habe und auch benützt worden sei. Ein Einspannen des Werkstücks in die Maschine ohne Kran sei gar nicht möglich gewesen, weil dazu das Werkstück mit einer Hand hätte gehoben werden müssen. Der frühere Kollege habe erklärt, gelegentlich hätten (unter Zeitdruck) Werkstücke von bis zu 25 Kilogramm vom Boden auf den Arbeitstisch gegenüber der Schleifmaschine gehoben werden müssen (Trageentfernung ca. 3 Meter). Hebe- und Tragehäufigkeiten von 50 Lastenmani-pulationen pro Schicht seien dabei aber nur in Ausnahmefällen erreicht worden. Arbeiten in extremer Rumpfbeuge seien nicht durchgeführt worden. Einer Einwirkung von Ganzkörper-schwingungen im Sitzen sei der Kläger während der dortigen Tätigkeit nicht ausgesetzt gewesen. Der Kläger, der von der geplanten Arbeitsplatzbesichtigung informiert gewesen sei, habe eine Teilnahme hieran abgelehnt. Nachdem der TAD in der Stellungnahme vom 27.06.2007 ausgeführt hatte, an der errechneten Gesamtbelastung von 35 % ändere sich nichts, da die Mindestanforderungen bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker nicht erreicht worden seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2007 die Anerkennung der Wirbelsäulen-beschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. 2110 ab. Die arbeitstechnischen Voraus-setzungen der genannten Berufskrankheiten seien nicht erfüllt.
Am 05.08.2007 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Im Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 25.09.2007 führte er aus, bei ihm bestehe ein Zustand nach Hörsturz, der vom HNO-Arzt falsch behandelt worden sei. Weiter stehe er seit Mai 2007 wegen einer Hauterkrankung der Hände und Füße in ärztlicher Behandlung, weswegen er derzeit dreimal wöchentlich zur Bestrahlung in der Tagesklinik sei. Schließlich bestehe ein Bandscheiben- und Wirbelschaden nach einem Sturz von einer Leiter.
Nachdem der TAD seine Beurteilung bekräftigt hatte (Stellungnahme vom 06.02.2008), wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2008 zurück. Dieser wurde bestandskräftig.
Am 23.03.2009 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.10.2007 (Az.: B 2 U 4/06 R) erneut an die Beklagte und bat diese, "die Angelegenheit nochmals zu überprüfen". Auch hätten sich seine Beschwerden weiter verschlimmert. Die Beklagte wertete dies als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 20.04.2009 erließ die Beklagte folgende Verfügung: "Die Rücknahme des rechtskräftigen Bescheides vom 18.07.2007 gemäß § 44 SGB X wird abgelehnt." Zur Begründung führte sie aus, auch der neue, auf die Hälfte des bisherigen Grenzwertes herabgesetzte Orientierungs- bzw. Grenzwert des MDD sei nicht erreicht. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien auch weiterhin nicht erfüllt. Den hiergegen am 14.05.2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2009, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.11.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, bei der Ermittlung der Tragebelastungen sei nicht berücksichtigt worden, dass er das von ihm produzierte Fleisch selbst vermarkte und bei dieser Tätigkeit regelmäßig Tierhälften heben und tragen müsse, wobei er diese Arbeiten seit Übernahme des Hofes im Jahr 1983 ausführe. Auch die Belastungen während seiner Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Insbesondere sei nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BSG auf eine Mindesttagesdosis zu verzichten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er sich auf dem Hof teilweise nur in gebückter Haltung bewegen könne - der Stall des denkmalgeschützten Hofes habe eine Höhe von maximal 1, 70 m.
Der Kläger hat weiter eine am 23.04.2010 unterzeichnete Erklärung über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen vorgelegt. Danach ist er letztmals am 19.11.2005 wegen Beschwerden auf orthopädischem Gebiet ärztlich durch Dr. O. behandelt worden. Die Anfrage des SG vom 15.12.2010, bei welchen Ärzten er ab Dezember 2009 wegen Rückenbeschwerden in Behandlung gestanden habe, ist vom Kläger nicht beantwortet worden. Auch nach Fristsetzung gemäß § 106a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Schreiben vom 05.04.2011 ist keine Antwort des Klägers erfolgt.
Auf Anregung des SG hat der TAD eine erneute Erhebung durchgeführt. In seiner Stellungnahme vom 22.06.2012 hat er ausgeführt, nach den Angaben des Klägers habe dieser von 1986 bis 2011 an durchschnittlich 25 Tagen im Jahr geschlachtet, wobei jeweils 10 Wannen mit durchschnittlich 27 Kilo Fleisch vom Schlachtraum in den PKW und von diesem zum Kunden zu tragen gewesen seien. Dies bedinge eine Belastung von 4,269200 x 106 Nh. Die Gesamtbelastung für alle Hebe- und Tragetätigkeiten in der Landwirtschaft erhöhe sich somit auf 8,477411 x 106 Nh und ergebe nunmehr 33,9 % des Dosisrichtwerts. Kumulativ mit der bereits ermittelten Belastung durch Ganzkörperschwingungen von 15,3 % ergebe sich ein Gesamtbelastungsgrad von 49,2 %.
Mit Urteil vom 29.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Belastung durch schweres Heben und Tragen sowie die Belastung der Wirbelsäule aufgrund der Schwingungsbelastung seien vom TAD zutreffend ermittelt worden. Die hieraus resultierende Gesamtbelastung erreiche jedoch nicht die Hälfte des Orientierungswerts nach dem MDD. Es seien weiter zutreffend keine Belastungswerte für die Tätigkeit als Schleifer bei der Firma W. berücksichtigt worden, da bei dieser Tätigkeit die Mindestdruckkraft pro zu berücksichtigendem Arbeitsvorgang, der bei Männern mit dem Wert von 2700 N (Druckkraft beim Tragen von 20 kg) pro Arbeitsvorgang betrage, nicht erreicht worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG seien nur die Hebe- und Tragebelastungen, die diese Mindestbelastung erreichten, zu berechnen und aufzuaddieren.
Gegen das am 05.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2012 Berufung eingelegt. Er trägt vor, ohne sachverständige Hilfe sei es ihm nicht möglich, die Berechnung der Beklagten zu überprüfen. Der nunmehr ermittelte Wert von 49,2 % sei im Hinblick auf den Grenzwert von 50 % ausreichend Anlass, die tatsächliche Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Ganzkörperschwingungen durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 18. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2008 zurückzunehmen und das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen sowie dem Kläger Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Hinweis des Senats hat der TAD in der Stellungnahme vom 05.03.2013 ausgeführt, bei einer Berechnung nach dem MDD unter Verwendung geänderter Orientierungswerte (25 kg Gewicht verursache eine Bandscheibendruckkraft von 2,7 kN) sei die rechnerische Größe unter Zugrundelegung von nur geschätzten und nicht gewogenen Gewichten im Rahmen der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker gerade erreicht worden. Die weitere Anforderung des Ärztlichen Merkblattes, wonach gefordert werde, dass die Lastgewichte mit einer gewissen Regelmäßigkeit, d.h. Häufigkeit und Dauer pro Schicht gehandhabt würden, sei jedoch nicht erfüllt. Der Zeuge habe nur von "gelegentlichen" Handhabungen gesprochen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, soweit mit ihr die Aufhebung des Bescheids vom 20.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2009 und die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheids vom 19.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2008 sowie die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV geltend gemacht wird.
Soweit die Berufung darauf gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren, ist die Berufung unzulässig. Denn mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte lediglich über den Antrag auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide und die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV entschieden. Eine Entscheidung über einen Leistungsanspruch hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht getroffen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 18.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2008.
Nach § 44 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, stets auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen nicht vor. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 18.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2008 zu Recht die Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt.
Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS, die nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung und nach Nr. 2110 durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen verursacht worden sein müssen und die jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Vorliegend fehlt es hinsichtlich des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X bereits am Tatbestandsmerkmal des Unterlassens aller Tätigkeiten, welche für die Krankheit oder deren Verschlimmerung ursächlich waren. Das auf der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII beruhende Merkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat und unterlässt bzw. nicht (wieder ) aufnimmt (BSG, Urteil v. 30.10.2007 - B 2 U 12/06 R - Juris Rn.15). Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Tätigkeit, wegen deren Ausübung er die Feststellung der BK geltend macht, nämlich die Tätigkeit als Landwirt, aufgegeben hat. Am 05.05.2012 hat er zwar angegeben, er habe die Tätigkeit der Fleischvermarktung von 1986 bis 2011 ausgeübt.
Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger seine Tätigkeit als Landwirt insgesamt aufgegeben hat.
Unabhängig hiervon sind darüber hinaus die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 9/05 R - juris) können beim Zusammenwirken von beruflichen Einwirkungen im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 BKV beide Berufskrankheiten nebeneinander vorliegen, für die eine einheitliche MdE festzusetzen ist, auch wenn bei gesonderter Betrachtung die Orientierungswerte für die jeweiligen schädigenden Einwirkungen nicht erreicht sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch verschiedene berufliche Einwirkungen verursacht werden kann, die die Voraussetzungen zweier oder mehrerer Berufskrankheiten gleichzeitig erfüllen; diese sind dann nebeneinander anzuerkennen und zu entschädigen. Dabei darf der Umstand, dass bei Berufskrankheiten die im Merkblatt des BMA für die ärztliche Untersuchung festgelegten Richtwerte möglicherweise nicht ganz erreicht worden sind, nicht als Hindernis angesehen werden, weil bei einem Zusammenwirken von Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen auf der einen und Tätigkeiten mit Belastung durch vertikale Ganzkörperschwingungen auf der anderen Seite die letzteren nicht isoliert betrachtet werden dürfen.
Die Belastung des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb mit Ausnahme der Fleischvermarktung hat 4,208211 x 106 Nh betragen. Der Senat stützt sich hierbei auf die Berechnung des TAD vom 16.04.2007, die dieser aufgrund der Angaben des Klägers im Erhebungsbogen getroffen hat. Hierzu sind die Belastungen durch die Fleischvermarktung in Höhe von 4,269200 x 106 Nh zu addieren. Der TAD hat diesen Belastungswert zutreffend aufgrund der Angaben des Klägers vom 05.05.2012 ermittelt. In der Stellungnahme vom 22.06.2012 hat er die Belastung des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit als Landwirt errechnet. Danach hat die Gesamtbelastung für alle Hebe- und Tragetätigkeiten in der Landwirtschaft 8,477411 x 106 Nh betragen. Diese Berechnung ist aufgrund der ausführlichen Erhebung durch den TAD zutreffend.
Der TAD hat hieraus einen Prozentwert von 33,9 des Dosisrichtwertes ermittelt. Der Dosisrichtwert nach dem MDD beträgt 25 x 106 Nh. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.10.2007- B 2 U 4/06 R - juris) ist der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf Einzelfall bezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerts für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh herabzusetzen (BSG, a.a.O., Rn. 25). Als Maßstab ist deshalb dieser Grenzwert von 12,5 x 106 Nh zugrunde zu legen. Die Tragebelastung des Klägers in der Landwirtschaft hat damit 67,8 % des Grenzwerts erreicht.
Entgegen der Stellungnahme des TAD vom 05.03.2013 sind auch die Belastungen des Klägers bei seiner Tätigkeit für die Firma W. zu berücksichtigen. Denn nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie ist auf eine Mindesttagesdosis zu verzichten, zumal es für die geforderte Mindesttagedosis von 5.500 Nh für Männer keine gesicherte Ableitung ergibt. Danach sind alle Hebe- und Tragebelastungen, welche die Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft x Kraft x Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris Rn. 24).
Danach ist davon auszugehen, dass ein Lastgewicht von 20 kg eine Bandscheibendruckkraft in Höhe von 2,7 kN verursacht (vgl. auch BK-Report Wirbelsäulenerkrankung (BK Nrn. 2108 bis 2110), Seite 68). Diese Mindestdruckkraft von 2,7 kN leitet sich unmittelbar aus dem Merkblatt zur BK Nr. 2108 ab, in welchem ein Lastgewicht von 20 kg als Anhaltspunkt für eine schwere Last festgelegt ist. Bei der Angabe von 25 kg in der Stellungnahme des TAD vom 05.03.2013 dürfte es sich insoweit um einen Schreibfehler handeln.
Die Ermittlungen bezüglich des früheren Arbeitsplatzes des Klägers bei der Firma W. haben ergeben, dass eine genaue Ermittlung der dort zu hebenden und zu tragenden Lasten nicht mehr möglich ist. Ein früherer Arbeitskollege des Klägers hatte im Juni 2007 angegeben, Werkstücke bis ca. 20 kg gehoben und getragen zu haben, Teile über 15 kg seien nur gelegentlich gehoben und getragen worden. Weiter zu berücksichtigen ist die bereits früher erhobene Angabe, gelegentlich (unter Zeitdruck) seien Werkstücke von bis zu 25 kg vom Boden auf den Arbeitstisch mit einer Trageentfernung von ca. 3 Meter getragen worden. Hebe- und Tragehäufigkeiten von 50 Lastenmanipulationen pro Schicht seien dabei aber nur in Ausnahmefällen erreicht worden.
Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die angegebene Hebe- und Tragehäufigkeit von 50 Lastenmanipulationen nicht auf Werkstücke von 25 kg bezogen hat, sondern auf alle Lastenmanipulationen während einer Schicht, somit auch auf weitere (leichtere) Werkstücke.
Der TAD hat in der Stellungnahme vom 05.03.2013 unter Zugrundelegung des Hebens und Umsetzens von Werkstücken mit einem Gewicht von 20 kg in einer Anzahl von 50 mal pro Schicht einer Tagesdosis von 2,4 x 10³ Nh errechnet. Im nachfolgenden Berechnungsmodell wird davon ausgegangen, dass diese Tagesdosis an 50 Tagen im Jahr erfüllt worden ist (damit insgesamt 2.500 Hebe- und Tragevorgänge mit einem Lastgewicht von 20 kg, diese entspricht bei ca. 200 Arbeitstagen 12,5 Hebevorgängen mit Gewichten von 20 kg pro Arbeitsschicht). Zur Überzeugung des Senats sind bei der Tätigkeit des Klägers bei der Fa. W. mehr Tragevorgänge mit den genannten Lastgewichten nicht angefallen. Danach errechnet sich für die Tätigkeit bei der Firma W. folgende Teildosis: Tagesdosis: 2,4 Nh Jahresdosis (Tagesdosis x 50): 2,4 Nh x 50 = 0,12 x 106 Nh Teildosis Firma W. (Jahresdosis x 16 Jahre): 1,92 x 106 Nh.
Addiert man diese Belastung von 1,92 x 106 Nh zu der Belastung von 8,477 x 106 Nh aufgrund der Tätigkeit als Landwirt, ergibt sich eine Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten von 10,4 x 106 Nh. Dies entspricht 83,2 % der Grenzdosis von 12,5 x 106 Nh.
Hierzu ist noch die Belastung durch Ganzkörperschwingungen zu addieren. Insoweit hat die berufliche Belastung des Klägers mit 222 (m/s²)² 15,3 % des Dosisrichtwerts von 1450 (m/s²)² betragen. Der Senat stützt sich hierbei auf die Berechnungen des TAD vom 18.04.2007, in welcher die Belastungen des Klägers bei seiner Tätigkeit als Landwirt vollständig erfasst worden sind. Eine entsprechende Belastung bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker hat nicht bestanden.
Damit werden nur 98,5 % des Grenzwerts erreicht. Danach sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 2108 bzw. 2110 nicht erfüllt.
Dahingestellt bleiben kann deshalb insoweit auch, ob beim Kläger das weitere Tatbestandsmerkmal eines typischen Krankheitsbildes der Berufskrankheiten Nr. 2108 bzw. 2110 vorliegt. Ergänzend ist hierzu auf Folgendes hinzuweisen: Zum einen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht primär auf das beruflich bedingte Tragen von Lasten, sondern maßgeblich auch auf einen Sturz von einer Leiter zurückzuführen sind. Dies legt das Schreiben des Klägers vom 25.09.2007 nahe, in welchem er ausgeführt hat, sein Bandscheibenschaden und Wirbelsäulenschaden resultiere aus einem Sturz von einer Leiter. Diesbezügliche Anfragen des Senats zu dem Unfallhergang und daraus resultierenden Körperschäden hat der Kläger nicht beantwortet.
Gegen einen belastungsadäquaten Bandscheibenschaden spricht weiter der Umstand, dass der Kläger offensichtlich zuletzt Ende des Jahres 2005 bzw. Anfang 2006 wegen eines Wirbelsäulenleidens bzw. Bandscheibenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gestanden hat und danach keine Behandlungsbedürftigkeit mehr gegeben war. Dies legen die Angaben des Klägers in der Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 23.04.2010 nahe, in welcher er angegeben hat, zuletzt am 19.11.2005 bei Dr. O. in Behandlung gestanden zu haben. Auch hat der Kläger die Anfrage des SG, von welchen Ärzten er wegen Rückenbeschwerden seit Dezember 2009 behandelt worden sei, nicht beantwortet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) bzw. nach Nr. 2110 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nach langjähriger, vorwiegend vertikaler Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 15.05.1959 geborene Kläger war bei der Firma W. in St. G. nach einer dreijährigen Lehre als Zerspanungsmechaniker von 1978 bis 1993 als Rund- und Flachschleifer versicherungspflichtig beschäftigt. Daneben und in der Folgezeit war er zunächst in der elterlichen Landwirtschaft und sodann als selbständiger Landwirt tätig. Hierbei betreibt er ausschließlich Grünlandwirtschaft mit Viehhaltung.
Mit Schreiben vom 22.06.2006 wandte sich der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband an die damals zuständige Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Baden-Württemberg, Rechtsvorgängerin der Beklagten, und teilte mit, der Kläger habe Anfang 2005 einen Bandscheibenvorfall gehabt. Er führe dies auf seinen neuen Hofschlepper W. H. zurück. Die Beklagte leitete daraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts auf eine Wirbelsäulenerkrankung - BK Nrn. 2108/2110 ein. Im Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gab der Kläger unter dem 30.09.2006 an, er habe 25 Jahre in der Firma W. schwere Eisenteile auf die Maschine heben und in der elterlichen Landwirtschaft schwere Arbeiten ausführen müssen. Die Rückenbeschwerden seien aufgetreten nach jahrzehntelanger Schinderei, er habe tonnenweise Mist, Silage, Futtermittelmittel und Rundballen von Hand bewegen müssen.
Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei und hörte die behandelnden Ärzte. Danach war der Kläger vom 24.08.1998 bis 19.11.1998 wegen einer Arthralgie beider Vorfüße und vom 27.09.1999 bis 26.11.1999 wegen einer chronisch-degenerativen Lumbalgie sowie eines Thorakalsyndroms arbeitsunfähig erkrankt. Der Radiologe Dr. Z. nannte im Arztbrief vom 15.11.2006 den Verdacht auf lumbalen Bandscheibenvorfall L4/5. Der Neurologe Dr. E. teilte unter dem 24.01.2007 mit, der Kläger habe erstmalig am 08.11.2005 in seiner ambulanten neurologischen Behandlung gestanden wegen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein sowie Schulterproblemen links. Er habe ein S1-Wurzelsyndrom links sowie eine chronische Nervenschädigung der Wurzel L4/5 links diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeit sei vom 01.12. bis 15.12.2005 bescheinigt worden. Sollte der Kläger bei seiner Tätigkeit schwere Lasten heben müssen, wäre ein Verhebetrauma als Ursache des Bandscheibenvorfalles mit in Betracht zu ziehen. Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, teilte am 09.02.2007 mit, der Kläger habe ihn erstmalig am 09.11.2005 wegen seit 4 Wochen bestehender Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung ins linke Bein und Beschwerden in der Kniekehle aufgesucht. Die Behandlung sei durch Dr. E. durchgeführt worden. Seiner Auffassung nach sei das Leiden durch die berufliche Tätigkeit verursacht. Der Arzt für Orthopädie Dr. K. teilte unter dem 20.02.2007 mit, er habe am 18.10.2005 beim Kläger ein Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit Blockierung C6 diagnostiziert. Arbeitsunfähigkeit sei vom 18.10. - 11.11.2005 bescheinigt worden. Bei der Vorstellung am 31.10.2005 habe der Kläger über Schmerzen im Bereich der LWS geklagt. Eine Röntgenaufnahme der LWS in zwei Ebenen habe keine wesentlichen degenerativen Veränderungen ergeben. Die Beschwerden des Kläger seien nicht beruflich bedingt. Dieser habe sich nicht wie vereinbart am 14.11.2005 nochmals vorgestellt, so dass über den weiteren Verlauf keine Auskunft erteilt werden könne.
Am 17.04.2007 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) eine Erhebung auf dem Hof des Klägers in dessen Betrieb durch. Danach wurde der Hof von 1973 - 1983 vom Kläger zusammen mit seinem Vater und sodann von ihm alleine bewirtschaftet. Sämtliche Arbeiten mit Schleppereinsatz wurden vom Kläger allein ausgeführt. Der TAD gelangte in der Stellungnahme vom 18.04.2007 zu der Beurteilung, die beruflich bedingte Schwingungsbelastung habe 222 (m/s²)² betragen. Bezogen auf den Dosisrichtwert für Ganzkörperschwingungen von 1450 (m/s²)² entspreche dies einem prozentualen Anteil von 15,3 %. Die Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten habe nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) 4,208211 x 106 Nh betragen. Dies entspreche einem prozentualen Anteil von 16,8 % des Dosisrichtwerts von 25 x 106 Nh. Die Gesamtbelastung nach dem MDD von danach 32,1 % sei auf 35 % aufzurunden, um auch die vielseitigen Bauarbeiten in der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Nicht berücksichtigt sei der Transport von Biofleischerzeugnissen, da die erforderliche Mindestbelastung an den Tage, an denen diese Tätigkeit ausgeübt werde, nicht erreicht sei. Nicht berücksichtigt seien auch die Tragebelastungen bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker bei der Fa. W ... Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der BG Metall Nord Süd über die Belastung des Klägers während seiner Beschäftigung bei der Firma W. ein. Der Präventionsdienst der BG Metall Nord Süd teilte unter dem 15.06.2007 mit, eine Besichtigung des Arbeitsplatzes bei der Firma W. und die Befragung von Vorgesetzten und eines früheren Kollegen des Klägers hätten ergeben, dass am früheren Arbeitsplatz des Klägers immer eine Hebehilfe (Kran) zur Verfügung gestanden habe und auch benützt worden sei. Ein Einspannen des Werkstücks in die Maschine ohne Kran sei gar nicht möglich gewesen, weil dazu das Werkstück mit einer Hand hätte gehoben werden müssen. Der frühere Kollege habe erklärt, gelegentlich hätten (unter Zeitdruck) Werkstücke von bis zu 25 Kilogramm vom Boden auf den Arbeitstisch gegenüber der Schleifmaschine gehoben werden müssen (Trageentfernung ca. 3 Meter). Hebe- und Tragehäufigkeiten von 50 Lastenmani-pulationen pro Schicht seien dabei aber nur in Ausnahmefällen erreicht worden. Arbeiten in extremer Rumpfbeuge seien nicht durchgeführt worden. Einer Einwirkung von Ganzkörper-schwingungen im Sitzen sei der Kläger während der dortigen Tätigkeit nicht ausgesetzt gewesen. Der Kläger, der von der geplanten Arbeitsplatzbesichtigung informiert gewesen sei, habe eine Teilnahme hieran abgelehnt. Nachdem der TAD in der Stellungnahme vom 27.06.2007 ausgeführt hatte, an der errechneten Gesamtbelastung von 35 % ändere sich nichts, da die Mindestanforderungen bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker nicht erreicht worden seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2007 die Anerkennung der Wirbelsäulen-beschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. 2110 ab. Die arbeitstechnischen Voraus-setzungen der genannten Berufskrankheiten seien nicht erfüllt.
Am 05.08.2007 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Im Schreiben an seinen Bevollmächtigten vom 25.09.2007 führte er aus, bei ihm bestehe ein Zustand nach Hörsturz, der vom HNO-Arzt falsch behandelt worden sei. Weiter stehe er seit Mai 2007 wegen einer Hauterkrankung der Hände und Füße in ärztlicher Behandlung, weswegen er derzeit dreimal wöchentlich zur Bestrahlung in der Tagesklinik sei. Schließlich bestehe ein Bandscheiben- und Wirbelschaden nach einem Sturz von einer Leiter.
Nachdem der TAD seine Beurteilung bekräftigt hatte (Stellungnahme vom 06.02.2008), wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2008 zurück. Dieser wurde bestandskräftig.
Am 23.03.2009 wandte sich der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.10.2007 (Az.: B 2 U 4/06 R) erneut an die Beklagte und bat diese, "die Angelegenheit nochmals zu überprüfen". Auch hätten sich seine Beschwerden weiter verschlimmert. Die Beklagte wertete dies als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Bescheid vom 20.04.2009 erließ die Beklagte folgende Verfügung: "Die Rücknahme des rechtskräftigen Bescheides vom 18.07.2007 gemäß § 44 SGB X wird abgelehnt." Zur Begründung führte sie aus, auch der neue, auf die Hälfte des bisherigen Grenzwertes herabgesetzte Orientierungs- bzw. Grenzwert des MDD sei nicht erreicht. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien auch weiterhin nicht erfüllt. Den hiergegen am 14.05.2009 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2009, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.11.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, bei der Ermittlung der Tragebelastungen sei nicht berücksichtigt worden, dass er das von ihm produzierte Fleisch selbst vermarkte und bei dieser Tätigkeit regelmäßig Tierhälften heben und tragen müsse, wobei er diese Arbeiten seit Übernahme des Hofes im Jahr 1983 ausführe. Auch die Belastungen während seiner Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Insbesondere sei nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BSG auf eine Mindesttagesdosis zu verzichten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er sich auf dem Hof teilweise nur in gebückter Haltung bewegen könne - der Stall des denkmalgeschützten Hofes habe eine Höhe von maximal 1, 70 m.
Der Kläger hat weiter eine am 23.04.2010 unterzeichnete Erklärung über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen vorgelegt. Danach ist er letztmals am 19.11.2005 wegen Beschwerden auf orthopädischem Gebiet ärztlich durch Dr. O. behandelt worden. Die Anfrage des SG vom 15.12.2010, bei welchen Ärzten er ab Dezember 2009 wegen Rückenbeschwerden in Behandlung gestanden habe, ist vom Kläger nicht beantwortet worden. Auch nach Fristsetzung gemäß § 106a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Schreiben vom 05.04.2011 ist keine Antwort des Klägers erfolgt.
Auf Anregung des SG hat der TAD eine erneute Erhebung durchgeführt. In seiner Stellungnahme vom 22.06.2012 hat er ausgeführt, nach den Angaben des Klägers habe dieser von 1986 bis 2011 an durchschnittlich 25 Tagen im Jahr geschlachtet, wobei jeweils 10 Wannen mit durchschnittlich 27 Kilo Fleisch vom Schlachtraum in den PKW und von diesem zum Kunden zu tragen gewesen seien. Dies bedinge eine Belastung von 4,269200 x 106 Nh. Die Gesamtbelastung für alle Hebe- und Tragetätigkeiten in der Landwirtschaft erhöhe sich somit auf 8,477411 x 106 Nh und ergebe nunmehr 33,9 % des Dosisrichtwerts. Kumulativ mit der bereits ermittelten Belastung durch Ganzkörperschwingungen von 15,3 % ergebe sich ein Gesamtbelastungsgrad von 49,2 %.
Mit Urteil vom 29.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Belastung durch schweres Heben und Tragen sowie die Belastung der Wirbelsäule aufgrund der Schwingungsbelastung seien vom TAD zutreffend ermittelt worden. Die hieraus resultierende Gesamtbelastung erreiche jedoch nicht die Hälfte des Orientierungswerts nach dem MDD. Es seien weiter zutreffend keine Belastungswerte für die Tätigkeit als Schleifer bei der Firma W. berücksichtigt worden, da bei dieser Tätigkeit die Mindestdruckkraft pro zu berücksichtigendem Arbeitsvorgang, der bei Männern mit dem Wert von 2700 N (Druckkraft beim Tragen von 20 kg) pro Arbeitsvorgang betrage, nicht erreicht worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG seien nur die Hebe- und Tragebelastungen, die diese Mindestbelastung erreichten, zu berechnen und aufzuaddieren.
Gegen das am 05.09.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.10.2012 Berufung eingelegt. Er trägt vor, ohne sachverständige Hilfe sei es ihm nicht möglich, die Berechnung der Beklagten zu überprüfen. Der nunmehr ermittelte Wert von 49,2 % sei im Hinblick auf den Grenzwert von 50 % ausreichend Anlass, die tatsächliche Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Ganzkörperschwingungen durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 18. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2008 zurückzunehmen und das Wirbelsäulenleiden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen sowie dem Kläger Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf Hinweis des Senats hat der TAD in der Stellungnahme vom 05.03.2013 ausgeführt, bei einer Berechnung nach dem MDD unter Verwendung geänderter Orientierungswerte (25 kg Gewicht verursache eine Bandscheibendruckkraft von 2,7 kN) sei die rechnerische Größe unter Zugrundelegung von nur geschätzten und nicht gewogenen Gewichten im Rahmen der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker gerade erreicht worden. Die weitere Anforderung des Ärztlichen Merkblattes, wonach gefordert werde, dass die Lastgewichte mit einer gewissen Regelmäßigkeit, d.h. Häufigkeit und Dauer pro Schicht gehandhabt würden, sei jedoch nicht erfüllt. Der Zeuge habe nur von "gelegentlichen" Handhabungen gesprochen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, soweit mit ihr die Aufhebung des Bescheids vom 20.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2009 und die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheids vom 19.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2008 sowie die Anerkennung des Wirbelsäulenleidens des Klägers als Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV geltend gemacht wird.
Soweit die Berufung darauf gerichtet ist, die Beklagte zu verurteilen, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren, ist die Berufung unzulässig. Denn mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte lediglich über den Antrag auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide und die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur BKV entschieden. Eine Entscheidung über einen Leistungsanspruch hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden nicht getroffen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 18.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2008.
Nach § 44 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, stets auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen nicht vor. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 18.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2008 zu Recht die Feststellung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 bzw. Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt.
Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS, die nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung und nach Nr. 2110 durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen verursacht worden sein müssen und die jeweils zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Vorliegend fehlt es hinsichtlich des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X bereits am Tatbestandsmerkmal des Unterlassens aller Tätigkeiten, welche für die Krankheit oder deren Verschlimmerung ursächlich waren. Das auf der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII beruhende Merkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und dass der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat und unterlässt bzw. nicht (wieder ) aufnimmt (BSG, Urteil v. 30.10.2007 - B 2 U 12/06 R - Juris Rn.15). Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Tätigkeit, wegen deren Ausübung er die Feststellung der BK geltend macht, nämlich die Tätigkeit als Landwirt, aufgegeben hat. Am 05.05.2012 hat er zwar angegeben, er habe die Tätigkeit der Fleischvermarktung von 1986 bis 2011 ausgeübt.
Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger seine Tätigkeit als Landwirt insgesamt aufgegeben hat.
Unabhängig hiervon sind darüber hinaus die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 9/05 R - juris) können beim Zusammenwirken von beruflichen Einwirkungen im Sinne der Nrn. 2108 und 2110 BKV beide Berufskrankheiten nebeneinander vorliegen, für die eine einheitliche MdE festzusetzen ist, auch wenn bei gesonderter Betrachtung die Orientierungswerte für die jeweiligen schädigenden Einwirkungen nicht erreicht sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch verschiedene berufliche Einwirkungen verursacht werden kann, die die Voraussetzungen zweier oder mehrerer Berufskrankheiten gleichzeitig erfüllen; diese sind dann nebeneinander anzuerkennen und zu entschädigen. Dabei darf der Umstand, dass bei Berufskrankheiten die im Merkblatt des BMA für die ärztliche Untersuchung festgelegten Richtwerte möglicherweise nicht ganz erreicht worden sind, nicht als Hindernis angesehen werden, weil bei einem Zusammenwirken von Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen auf der einen und Tätigkeiten mit Belastung durch vertikale Ganzkörperschwingungen auf der anderen Seite die letzteren nicht isoliert betrachtet werden dürfen.
Die Belastung des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb mit Ausnahme der Fleischvermarktung hat 4,208211 x 106 Nh betragen. Der Senat stützt sich hierbei auf die Berechnung des TAD vom 16.04.2007, die dieser aufgrund der Angaben des Klägers im Erhebungsbogen getroffen hat. Hierzu sind die Belastungen durch die Fleischvermarktung in Höhe von 4,269200 x 106 Nh zu addieren. Der TAD hat diesen Belastungswert zutreffend aufgrund der Angaben des Klägers vom 05.05.2012 ermittelt. In der Stellungnahme vom 22.06.2012 hat er die Belastung des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit als Landwirt errechnet. Danach hat die Gesamtbelastung für alle Hebe- und Tragetätigkeiten in der Landwirtschaft 8,477411 x 106 Nh betragen. Diese Berechnung ist aufgrund der ausführlichen Erhebung durch den TAD zutreffend.
Der TAD hat hieraus einen Prozentwert von 33,9 des Dosisrichtwertes ermittelt. Der Dosisrichtwert nach dem MDD beträgt 25 x 106 Nh. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.10.2007- B 2 U 4/06 R - juris) ist der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgeschlossen und deshalb auf Einzelfall bezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerts für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh herabzusetzen (BSG, a.a.O., Rn. 25). Als Maßstab ist deshalb dieser Grenzwert von 12,5 x 106 Nh zugrunde zu legen. Die Tragebelastung des Klägers in der Landwirtschaft hat damit 67,8 % des Grenzwerts erreicht.
Entgegen der Stellungnahme des TAD vom 05.03.2013 sind auch die Belastungen des Klägers bei seiner Tätigkeit für die Firma W. zu berücksichtigen. Denn nach dem Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie ist auf eine Mindesttagesdosis zu verzichten, zumal es für die geforderte Mindesttagedosis von 5.500 Nh für Männer keine gesicherte Ableitung ergibt. Danach sind alle Hebe- und Tragebelastungen, welche die Mindestbelastung von 2.700 N bei Männern erreichen, entsprechend dem quadratischen Ansatz (Kraft x Kraft x Zeit) zu berechnen und aufzuaddieren (BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris Rn. 24).
Danach ist davon auszugehen, dass ein Lastgewicht von 20 kg eine Bandscheibendruckkraft in Höhe von 2,7 kN verursacht (vgl. auch BK-Report Wirbelsäulenerkrankung (BK Nrn. 2108 bis 2110), Seite 68). Diese Mindestdruckkraft von 2,7 kN leitet sich unmittelbar aus dem Merkblatt zur BK Nr. 2108 ab, in welchem ein Lastgewicht von 20 kg als Anhaltspunkt für eine schwere Last festgelegt ist. Bei der Angabe von 25 kg in der Stellungnahme des TAD vom 05.03.2013 dürfte es sich insoweit um einen Schreibfehler handeln.
Die Ermittlungen bezüglich des früheren Arbeitsplatzes des Klägers bei der Firma W. haben ergeben, dass eine genaue Ermittlung der dort zu hebenden und zu tragenden Lasten nicht mehr möglich ist. Ein früherer Arbeitskollege des Klägers hatte im Juni 2007 angegeben, Werkstücke bis ca. 20 kg gehoben und getragen zu haben, Teile über 15 kg seien nur gelegentlich gehoben und getragen worden. Weiter zu berücksichtigen ist die bereits früher erhobene Angabe, gelegentlich (unter Zeitdruck) seien Werkstücke von bis zu 25 kg vom Boden auf den Arbeitstisch mit einer Trageentfernung von ca. 3 Meter getragen worden. Hebe- und Tragehäufigkeiten von 50 Lastenmanipulationen pro Schicht seien dabei aber nur in Ausnahmefällen erreicht worden.
Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die angegebene Hebe- und Tragehäufigkeit von 50 Lastenmanipulationen nicht auf Werkstücke von 25 kg bezogen hat, sondern auf alle Lastenmanipulationen während einer Schicht, somit auch auf weitere (leichtere) Werkstücke.
Der TAD hat in der Stellungnahme vom 05.03.2013 unter Zugrundelegung des Hebens und Umsetzens von Werkstücken mit einem Gewicht von 20 kg in einer Anzahl von 50 mal pro Schicht einer Tagesdosis von 2,4 x 10³ Nh errechnet. Im nachfolgenden Berechnungsmodell wird davon ausgegangen, dass diese Tagesdosis an 50 Tagen im Jahr erfüllt worden ist (damit insgesamt 2.500 Hebe- und Tragevorgänge mit einem Lastgewicht von 20 kg, diese entspricht bei ca. 200 Arbeitstagen 12,5 Hebevorgängen mit Gewichten von 20 kg pro Arbeitsschicht). Zur Überzeugung des Senats sind bei der Tätigkeit des Klägers bei der Fa. W. mehr Tragevorgänge mit den genannten Lastgewichten nicht angefallen. Danach errechnet sich für die Tätigkeit bei der Firma W. folgende Teildosis: Tagesdosis: 2,4 Nh Jahresdosis (Tagesdosis x 50): 2,4 Nh x 50 = 0,12 x 106 Nh Teildosis Firma W. (Jahresdosis x 16 Jahre): 1,92 x 106 Nh.
Addiert man diese Belastung von 1,92 x 106 Nh zu der Belastung von 8,477 x 106 Nh aufgrund der Tätigkeit als Landwirt, ergibt sich eine Belastung durch Heben und Tragen schwerer Lasten von 10,4 x 106 Nh. Dies entspricht 83,2 % der Grenzdosis von 12,5 x 106 Nh.
Hierzu ist noch die Belastung durch Ganzkörperschwingungen zu addieren. Insoweit hat die berufliche Belastung des Klägers mit 222 (m/s²)² 15,3 % des Dosisrichtwerts von 1450 (m/s²)² betragen. Der Senat stützt sich hierbei auf die Berechnungen des TAD vom 18.04.2007, in welcher die Belastungen des Klägers bei seiner Tätigkeit als Landwirt vollständig erfasst worden sind. Eine entsprechende Belastung bei der Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker hat nicht bestanden.
Damit werden nur 98,5 % des Grenzwerts erreicht. Danach sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten Nr. 2108 bzw. 2110 nicht erfüllt.
Dahingestellt bleiben kann deshalb insoweit auch, ob beim Kläger das weitere Tatbestandsmerkmal eines typischen Krankheitsbildes der Berufskrankheiten Nr. 2108 bzw. 2110 vorliegt. Ergänzend ist hierzu auf Folgendes hinzuweisen: Zum einen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers nicht primär auf das beruflich bedingte Tragen von Lasten, sondern maßgeblich auch auf einen Sturz von einer Leiter zurückzuführen sind. Dies legt das Schreiben des Klägers vom 25.09.2007 nahe, in welchem er ausgeführt hat, sein Bandscheibenschaden und Wirbelsäulenschaden resultiere aus einem Sturz von einer Leiter. Diesbezügliche Anfragen des Senats zu dem Unfallhergang und daraus resultierenden Körperschäden hat der Kläger nicht beantwortet.
Gegen einen belastungsadäquaten Bandscheibenschaden spricht weiter der Umstand, dass der Kläger offensichtlich zuletzt Ende des Jahres 2005 bzw. Anfang 2006 wegen eines Wirbelsäulenleidens bzw. Bandscheibenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gestanden hat und danach keine Behandlungsbedürftigkeit mehr gegeben war. Dies legen die Angaben des Klägers in der Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 23.04.2010 nahe, in welcher er angegeben hat, zuletzt am 19.11.2005 bei Dr. O. in Behandlung gestanden zu haben. Auch hat der Kläger die Anfrage des SG, von welchen Ärzten er wegen Rückenbeschwerden seit Dezember 2009 behandelt worden sei, nicht beantwortet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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