Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 4059/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 5680/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 08. November 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mehr als 30 v. H.
Am 19.11.1968 erlitt der 1953 geborene Kläger als Maurerlehrling einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine schwere Kreissägenverletzung im Bereich der rechten Hand mit Beteiligung aller fünf Finger zuzog. Im Einzelnen lagen am Daumen eine Weichteilwunde ohne Sehnenbeteiligung, am Zeige- und Mittelfinger jeweils breitklaffende Wunden mit Knochenbrüchen und Durchtrennung der Sehnen und Gefäße sowie am Kleinfinger eine querverlaufende Sägeverletzung in der Beugefalte des Grundgliedes mit Durchtrennung der Beugesehne vor. Der Zeigefinder wurde im Mittelglied, der Mittelfinger im Grundglied amputiert. Wegen der Beugesehnenverletzung im Bereich des Kleinfingers erfolgte am 14.01.1970 eine Beugesehnenplastik mit nachfolgender Teilamputation des Endgliedes.
Die Beklagte bewilligte nach dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit eine vorläufige Rente vom 13.01.1969 bis 30.04.1969 nach einer MdE von 30 v. H. und ab 01.05.1969 nach einer MdE um 20 v. H. (Bescheid vom 26.09.1969). Hierbei stützte sie sich auf das Gutachten des Dr. G. vom 06.06.1969. Während des dagegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) angestrengten Klageverfahrens (S 2 Uc 1733/69) erfolgte eine Begutachtung zur Rentennachprüfung. Prof. Dr. K. schätzte die MdE mit 35 v. H. ein (Gutachten vom 23.06.1970), während der Beratungsarzt Dr. F. eine MdE von 30 v. H. für angemessen erachtete (Stellungnahme vom 10.07.1970). Die Beklagte erklärte sich daraufhin unter dem 23.07.1970 bereit, die Verletztenrente bis auf Weiteres nach einer MdE von 30. v. H. zu gewähren. Der Kläger nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 12.08.1970 zur Erledigung des Rechtsstreits an. Auf Anforderung der Beklagten erstattete Prof. Dr. K. am 16.09.1970 ein Gutachten zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente. Darin kam er zu dem Ergebnis, die MdE sei für die Kreissägenverletzung mit Schädigung aller fünf Finger mit 30 v. H. einzuschätzen. Es bestünden am rechten Daumen eine Einschränkung der Beweglichkeit im Zwischengelenk, am Zeige- und Mittelfinger jeweils eine reizlose Stumpfdeckung bei einer Stumpflänge von 35 bzw. 14 mm auf der Beugeseite; ferner fehle am Ringfinger die aktive Beugung im Endgelenk und am Kleinfinger das Endglied (Stumpflänge 37 mm) bei atrophischem distalem Teil, steifem Mittelgelenk und Gefühllosigkeit. Die Beklagte gewährte die Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. weiter.
Wegen zunehmender Beschwerden bei seiner Tätigkeit als Maurermeister stellte sich der Kläger am 26.02.1997 beim Durchgangsarzt Dr. F. vor. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung des Klägers. Dr. G. führte unter dem 22.05.1997 aus, es bestehe im Bereich der Fingergelenke rechts eine deutliche Arthrose. Die MdE betrage nunmehr 35 v. H. Mit Bescheid vom 12.08.1997 lehnte die Beklagte eine Rentenerhöhung mit der Begründung ab, die Begutachtung habe eine die Rentenerhöhung rechtfertigende Verschlimmerung um mehr als 5 v.H. nicht ergeben, eine Rente nach einer MdE von 40 v.H. sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger erhob nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 04.11.1997) Klage zum SG (S 10 U 3658/97). Dr. L. gelangte in dem von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 04.06.1998 zu dem Ergebnis, dass die MdE weiterhin mit 30 v. H. einzuschätzen sei. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zum Gutachten des Prof. Dr. K. vom 23.06.1970 sei nicht zu erkennen. Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Dr. F. verneinte unter dem 24.02.1999 eine Verschlimmerung in den Unfallfolgen auf 40 v. H ... Die MdE betrage maximal 35 v. H. Begründend führte er aus, bei einer vollständigen Amputation des Zeige-, Mittel- und Kleinfingers in Höhe des Grundgelenkes bei bestehendem Daumen- und Ringfinger sei die MdE mit 35 v. H. einzustufen. Die Situation bei dem Kläger erscheine jedoch deutlich besser, da im Bereich des Zeigefingers noch ein ausreichend langer Stumpf vorhanden sei, sodass ein Schlüsselgriff als Funktion durchgeführt werden könne. Ferner bestehe ein noch im Grundgelenk des Kleinfingers gut beweglicher Kleinfinger, der die ulnare Handfunktion des vierten Fingers unterstütze und somit die Situation deutlich verbessere. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.
Am 11.09.2007 stellte der Kläger den hier streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrag. Er machte geltend, er könne das Werkzeug nicht genügend festhalten, da ihm die Kraft fehle. Das Gelenk des Ringfingers rechts sei auf das Doppelte angeschwollen und behindere ihn in der Beweglichkeit der Hand. Der mit einer Begutachtung beauftragte Dr. G. führte unter dem 09.04.2008 aus, die vom Kläger vorgebrachte Verschlechterung der rechten Hand beruhe nicht auf dem Unfallereignis, sondern auf einer unfallunabhängigen schicksalhaften Polyarthrose. Die MdE betrage weiterhin 30 v. H.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.04.2008 eine Rentenerhöhung ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2008 zurück.
Der Kläger hat am 13.12.2010 Klage zum SG erhoben. Das SG hat ein Gutachten bei Dr. Renner eingeholt. Dieser hat unter dem 03.02.2010 ausgeführt, es bestehe keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen im Vergleich zum Vorgutachten. Die vom Kläger angegebene Verschlechterung beruhe auf unfallunabhängigen, degenerativen arthrotischen Veränderungen im Sinne einer Polyarthrose, welche im Bereich beider Hände vorhanden seien. Dieses Geschehen sei als schicksalhaft ablaufender Prozess zu werten, der mit dem Unfallereignis nicht ursächlich in Zusammenhang stehe. Die MdE betrage 30 v. H. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach der Unfallliteratur der Gesamtverlust der Langfinger D2 und 3 eine MdE von 30 verursache. Im Vergleich hierzu sei der Kläger, der noch funktionsfähige Stümpfe habe, deutlich besser gestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe sich keine wesentliche Änderung hinsichtlich der Unfallfolgen ergeben. Die arthrotischen Veränderungen im Bereich der Fingergelenke der rechten Hand seien bis auf die Arthrose im Bereich des Kleinfingermittelgelenks nicht den Unfallfolgen zuzuordnen. Beim Kläger bestünden an den Fingergelenken beider Hände arthrotische Veränderungen. Besonders betroffen seien die Grundgelenke der Langfinger der linken Hand und des rechten Ringfingers sowie die Grund- und Endgelenke beider Daumen, insbesondere des Endgelenks des rechten Daumens. Angesichts dieser Feststellungen erscheine die übereinstimmende Beurteilung von Dr. G. und Dr. R. nachvollziehbar, dass es sich um die Folgen einer unfallunabhängigen schicksalhaften Polyarthrose handele. Die MdE sei zutreffend mit 30 v. H. bewertet. Eine MdE um 40 v. H. komme bei einer Drei-Finger-Verletzung nur beim Totalverlust des Daumens und zweier weiterer Finger in Betracht. Im Vergleich hierzu sei der Kläger auch unter Berücksichtigung einer Kraftminderung im Seitenvergleich und gewisser Durchblutungs-störungen besser gestellt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Unfallfolgen am Kleinfinger. Die Tatsache, dass der Kläger bei seiner schweren körperlichen Arbeit im Baugewerbe überdurchschnittlich stark beeinträchtigt sei, führe nicht zur Erhöhung der MdE.
Gegen den am 11.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.12.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, aus der Tatsache, dass an den Fingergelenken beider Hände arthrotische Veränderungen vorlägen, könne nicht auf schicksalhafte Veränderungen geschlossen werden. Aus der Laiensicht lasse sich die sichtbare Arthrose an der verletzten rechten Hand auf den Unfall zurückführen, während die unscheinbarere Arthrose an der linken Hand durch ihre unfallbedingte Überlastung gefördert worden sei. Ferner hat er unter Vorlage von Lichtbildern der verletzten Hand eine Verschlimmerung im Unfallfolgenzustand geltend gemacht.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines handchirurgischen Gutachtens bei Dr. L ... Dr. L. hat unter dem 01.04.2012 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine erhebliche Minderung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand durch die Amputation des rechten Zeigefingers im körpernahen Mittelgliedbereich, des rechten Mittelfingers im mittleren Grundgliedbereich und des rechten Kleinfingers im Endgelenkbereich; ferner bestünden eine erhebliche Bewegungseinschränkung und eine erhebliche Kraftminderung der rechten Hand sowie eine Sensibilitätsminderung im Stumpf- und Narbenbereich. Die radiologischen Veränderungen hat er wie folgt beschrieben: leichte bis mittelgradige Heberden-Bouchard-Arthrosen der Langfingerend- und mittelgelenke links, eine Heberden-Bouchard-Arthrose im Bereich des Ringfingerendgelenkes rechts, leichte Arthrosen der Langfinger-grundgelenke beidseits, sehr stark im Bereich des Ringfingergrundgelenks rechts, deutliche Arthrose der Daumenendgelenke beidseits, leichte Arthrose der Daumengrundgelenke beidseits, schwere Rhizarthrose beidseits. Diese Veränderungen seien nicht auf das Unfallereignis vom 19.11.1968 zurückzuführen. Die MdE sei aufgrund der erhobenen Befunde mit 30 v. H. korrekt bewertet.
Auf Antrag des Klägers hat der Sachverständige Dr. L. zu dem vom Kläger eingereichten Fragekatalog mit Schreiben vom "25.11.2008", beim Senat eingegangen am 29.06.2012, Stellung genommen. Hierauf wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2010 sowie den Bescheid vom 21. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 19.06.2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Berücksichtigung von § 64 Abs. 3 SGG fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 21.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2008 abgewiesen; der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 30 v.H. gewährt wird.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einer höheren Rente, § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 73 Abs. 3 SGB Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (VII), zu treffend benannt und ausführlich sowie zutreffend dargelegt, dass eine Verschlimmerung in den Unfallfolgen seit Erlass des Bescheides vom 27.10.1970 (Vergleichsgutachten Prof. Dr. K. vom 16.09.1970) von mehr als 5 v.H. nicht eingetreten ist. Schließlich ist das SG anhand der medizinischen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. G. und des Sachverständigen Dr. R. sowie unter Berücksichtigung der im unfallmedizinischen Schrifttum zur Höhe der MdE herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu der nicht zu beanstandenden Entscheidung gelangt, dass die Unfallfolgen angemessen und ausreichend mit einer MdE von 30 v.H. bewertet sind. Dabei ist das SG den Gutachten gefolgt, die die beim Kläger bestehende Polyarthrose an der rechten Hand als unfallunabhängig erachteten. Der Senat schließt sich der Entscheidung des SG nach eigener Prüfung an und sieht von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass auch die im Berufungsverfahren durchgeführte medizinische Beweiserhebung keine anders lautende Einschätzung gebracht hat. Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Dr. L. hat die MdE für die Unfallfolgen ebenfalls mit 30 v.H. eingeschätzt und darauf hingewiesen, dass nach der einschlägigen Gutachtenliteratur der Verlust von Zeige-, Mittel- und Kleinfinger im Mittelgelenk mit 25 v.H. eingeschätzt wird (Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, Zwölfte Auflage, S. 263, Abbildung 63). Da der Mittelfinger zwar etwas weiter körpernah amputiert, dafür der Kleinfinger etwas weiter körperfern und der Mittelfinger etwas höherwertig eingeschätzt werden kann als der Kleinfinger sowie gleichzeitig noch eine Aufhebung der Beweglichkeit des rechten Ringfingerendgelenkes besteht, ist nach der überzeugenden Beurteilung von Dr. L. die MdE mit 30 v.H. zutreffend bemessen. Auch Dr. L. ist - wie die Vorgutachter - mit Blick auf die Polyarthrose an beiden Händen zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um ein anlagebedingtes Leiden handelt. Der vom Kläger "aus der Laiensicht" vertretenen Auffassung, dass die Arthrose an der rechten Hand auf den Unfall zurückzuführen sei und die Arthrose an der linken Hand ihre Ursache in der unfallbedingten Überlastung habe, hat sich der Sachverständige Dr. L. nicht angeschlossen.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 08.11.2010 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mehr als 30 v. H.
Am 19.11.1968 erlitt der 1953 geborene Kläger als Maurerlehrling einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine schwere Kreissägenverletzung im Bereich der rechten Hand mit Beteiligung aller fünf Finger zuzog. Im Einzelnen lagen am Daumen eine Weichteilwunde ohne Sehnenbeteiligung, am Zeige- und Mittelfinger jeweils breitklaffende Wunden mit Knochenbrüchen und Durchtrennung der Sehnen und Gefäße sowie am Kleinfinger eine querverlaufende Sägeverletzung in der Beugefalte des Grundgliedes mit Durchtrennung der Beugesehne vor. Der Zeigefinder wurde im Mittelglied, der Mittelfinger im Grundglied amputiert. Wegen der Beugesehnenverletzung im Bereich des Kleinfingers erfolgte am 14.01.1970 eine Beugesehnenplastik mit nachfolgender Teilamputation des Endgliedes.
Die Beklagte bewilligte nach dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit eine vorläufige Rente vom 13.01.1969 bis 30.04.1969 nach einer MdE von 30 v. H. und ab 01.05.1969 nach einer MdE um 20 v. H. (Bescheid vom 26.09.1969). Hierbei stützte sie sich auf das Gutachten des Dr. G. vom 06.06.1969. Während des dagegen vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) angestrengten Klageverfahrens (S 2 Uc 1733/69) erfolgte eine Begutachtung zur Rentennachprüfung. Prof. Dr. K. schätzte die MdE mit 35 v. H. ein (Gutachten vom 23.06.1970), während der Beratungsarzt Dr. F. eine MdE von 30 v. H. für angemessen erachtete (Stellungnahme vom 10.07.1970). Die Beklagte erklärte sich daraufhin unter dem 23.07.1970 bereit, die Verletztenrente bis auf Weiteres nach einer MdE von 30. v. H. zu gewähren. Der Kläger nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 12.08.1970 zur Erledigung des Rechtsstreits an. Auf Anforderung der Beklagten erstattete Prof. Dr. K. am 16.09.1970 ein Gutachten zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente. Darin kam er zu dem Ergebnis, die MdE sei für die Kreissägenverletzung mit Schädigung aller fünf Finger mit 30 v. H. einzuschätzen. Es bestünden am rechten Daumen eine Einschränkung der Beweglichkeit im Zwischengelenk, am Zeige- und Mittelfinger jeweils eine reizlose Stumpfdeckung bei einer Stumpflänge von 35 bzw. 14 mm auf der Beugeseite; ferner fehle am Ringfinger die aktive Beugung im Endgelenk und am Kleinfinger das Endglied (Stumpflänge 37 mm) bei atrophischem distalem Teil, steifem Mittelgelenk und Gefühllosigkeit. Die Beklagte gewährte die Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. weiter.
Wegen zunehmender Beschwerden bei seiner Tätigkeit als Maurermeister stellte sich der Kläger am 26.02.1997 beim Durchgangsarzt Dr. F. vor. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung des Klägers. Dr. G. führte unter dem 22.05.1997 aus, es bestehe im Bereich der Fingergelenke rechts eine deutliche Arthrose. Die MdE betrage nunmehr 35 v. H. Mit Bescheid vom 12.08.1997 lehnte die Beklagte eine Rentenerhöhung mit der Begründung ab, die Begutachtung habe eine die Rentenerhöhung rechtfertigende Verschlimmerung um mehr als 5 v.H. nicht ergeben, eine Rente nach einer MdE von 40 v.H. sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger erhob nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 04.11.1997) Klage zum SG (S 10 U 3658/97). Dr. L. gelangte in dem von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 04.06.1998 zu dem Ergebnis, dass die MdE weiterhin mit 30 v. H. einzuschätzen sei. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zum Gutachten des Prof. Dr. K. vom 23.06.1970 sei nicht zu erkennen. Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Dr. F. verneinte unter dem 24.02.1999 eine Verschlimmerung in den Unfallfolgen auf 40 v. H ... Die MdE betrage maximal 35 v. H. Begründend führte er aus, bei einer vollständigen Amputation des Zeige-, Mittel- und Kleinfingers in Höhe des Grundgelenkes bei bestehendem Daumen- und Ringfinger sei die MdE mit 35 v. H. einzustufen. Die Situation bei dem Kläger erscheine jedoch deutlich besser, da im Bereich des Zeigefingers noch ein ausreichend langer Stumpf vorhanden sei, sodass ein Schlüsselgriff als Funktion durchgeführt werden könne. Ferner bestehe ein noch im Grundgelenk des Kleinfingers gut beweglicher Kleinfinger, der die ulnare Handfunktion des vierten Fingers unterstütze und somit die Situation deutlich verbessere. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.
Am 11.09.2007 stellte der Kläger den hier streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrag. Er machte geltend, er könne das Werkzeug nicht genügend festhalten, da ihm die Kraft fehle. Das Gelenk des Ringfingers rechts sei auf das Doppelte angeschwollen und behindere ihn in der Beweglichkeit der Hand. Der mit einer Begutachtung beauftragte Dr. G. führte unter dem 09.04.2008 aus, die vom Kläger vorgebrachte Verschlechterung der rechten Hand beruhe nicht auf dem Unfallereignis, sondern auf einer unfallunabhängigen schicksalhaften Polyarthrose. Die MdE betrage weiterhin 30 v. H.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.04.2008 eine Rentenerhöhung ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2008 zurück.
Der Kläger hat am 13.12.2010 Klage zum SG erhoben. Das SG hat ein Gutachten bei Dr. Renner eingeholt. Dieser hat unter dem 03.02.2010 ausgeführt, es bestehe keine wesentliche Verschlechterung der Unfallfolgen im Vergleich zum Vorgutachten. Die vom Kläger angegebene Verschlechterung beruhe auf unfallunabhängigen, degenerativen arthrotischen Veränderungen im Sinne einer Polyarthrose, welche im Bereich beider Hände vorhanden seien. Dieses Geschehen sei als schicksalhaft ablaufender Prozess zu werten, der mit dem Unfallereignis nicht ursächlich in Zusammenhang stehe. Die MdE betrage 30 v. H. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach der Unfallliteratur der Gesamtverlust der Langfinger D2 und 3 eine MdE von 30 verursache. Im Vergleich hierzu sei der Kläger, der noch funktionsfähige Stümpfe habe, deutlich besser gestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe sich keine wesentliche Änderung hinsichtlich der Unfallfolgen ergeben. Die arthrotischen Veränderungen im Bereich der Fingergelenke der rechten Hand seien bis auf die Arthrose im Bereich des Kleinfingermittelgelenks nicht den Unfallfolgen zuzuordnen. Beim Kläger bestünden an den Fingergelenken beider Hände arthrotische Veränderungen. Besonders betroffen seien die Grundgelenke der Langfinger der linken Hand und des rechten Ringfingers sowie die Grund- und Endgelenke beider Daumen, insbesondere des Endgelenks des rechten Daumens. Angesichts dieser Feststellungen erscheine die übereinstimmende Beurteilung von Dr. G. und Dr. R. nachvollziehbar, dass es sich um die Folgen einer unfallunabhängigen schicksalhaften Polyarthrose handele. Die MdE sei zutreffend mit 30 v. H. bewertet. Eine MdE um 40 v. H. komme bei einer Drei-Finger-Verletzung nur beim Totalverlust des Daumens und zweier weiterer Finger in Betracht. Im Vergleich hierzu sei der Kläger auch unter Berücksichtigung einer Kraftminderung im Seitenvergleich und gewisser Durchblutungs-störungen besser gestellt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Unfallfolgen am Kleinfinger. Die Tatsache, dass der Kläger bei seiner schweren körperlichen Arbeit im Baugewerbe überdurchschnittlich stark beeinträchtigt sei, führe nicht zur Erhöhung der MdE.
Gegen den am 11.11.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.12.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, aus der Tatsache, dass an den Fingergelenken beider Hände arthrotische Veränderungen vorlägen, könne nicht auf schicksalhafte Veränderungen geschlossen werden. Aus der Laiensicht lasse sich die sichtbare Arthrose an der verletzten rechten Hand auf den Unfall zurückführen, während die unscheinbarere Arthrose an der linken Hand durch ihre unfallbedingte Überlastung gefördert worden sei. Ferner hat er unter Vorlage von Lichtbildern der verletzten Hand eine Verschlimmerung im Unfallfolgenzustand geltend gemacht.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines handchirurgischen Gutachtens bei Dr. L ... Dr. L. hat unter dem 01.04.2012 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine erhebliche Minderung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand durch die Amputation des rechten Zeigefingers im körpernahen Mittelgliedbereich, des rechten Mittelfingers im mittleren Grundgliedbereich und des rechten Kleinfingers im Endgelenkbereich; ferner bestünden eine erhebliche Bewegungseinschränkung und eine erhebliche Kraftminderung der rechten Hand sowie eine Sensibilitätsminderung im Stumpf- und Narbenbereich. Die radiologischen Veränderungen hat er wie folgt beschrieben: leichte bis mittelgradige Heberden-Bouchard-Arthrosen der Langfingerend- und mittelgelenke links, eine Heberden-Bouchard-Arthrose im Bereich des Ringfingerendgelenkes rechts, leichte Arthrosen der Langfinger-grundgelenke beidseits, sehr stark im Bereich des Ringfingergrundgelenks rechts, deutliche Arthrose der Daumenendgelenke beidseits, leichte Arthrose der Daumengrundgelenke beidseits, schwere Rhizarthrose beidseits. Diese Veränderungen seien nicht auf das Unfallereignis vom 19.11.1968 zurückzuführen. Die MdE sei aufgrund der erhobenen Befunde mit 30 v. H. korrekt bewertet.
Auf Antrag des Klägers hat der Sachverständige Dr. L. zu dem vom Kläger eingereichten Fragekatalog mit Schreiben vom "25.11.2008", beim Senat eingegangen am 29.06.2012, Stellung genommen. Hierauf wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. November 2010 sowie den Bescheid vom 21. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 19.06.2013 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Berücksichtigung von § 64 Abs. 3 SGG fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist auch im Übrigen zulässig, sachlich aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 21.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2008 abgewiesen; der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 30 v.H. gewährt wird.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einer höheren Rente, § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 73 Abs. 3 SGB Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (VII), zu treffend benannt und ausführlich sowie zutreffend dargelegt, dass eine Verschlimmerung in den Unfallfolgen seit Erlass des Bescheides vom 27.10.1970 (Vergleichsgutachten Prof. Dr. K. vom 16.09.1970) von mehr als 5 v.H. nicht eingetreten ist. Schließlich ist das SG anhand der medizinischen Unterlagen, insbesondere der Gutachten von Dr. G. und des Sachverständigen Dr. R. sowie unter Berücksichtigung der im unfallmedizinischen Schrifttum zur Höhe der MdE herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu der nicht zu beanstandenden Entscheidung gelangt, dass die Unfallfolgen angemessen und ausreichend mit einer MdE von 30 v.H. bewertet sind. Dabei ist das SG den Gutachten gefolgt, die die beim Kläger bestehende Polyarthrose an der rechten Hand als unfallunabhängig erachteten. Der Senat schließt sich der Entscheidung des SG nach eigener Prüfung an und sieht von einer (weiteren) Begründung seiner Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG ab.
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass auch die im Berufungsverfahren durchgeführte medizinische Beweiserhebung keine anders lautende Einschätzung gebracht hat. Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Dr. L. hat die MdE für die Unfallfolgen ebenfalls mit 30 v.H. eingeschätzt und darauf hingewiesen, dass nach der einschlägigen Gutachtenliteratur der Verlust von Zeige-, Mittel- und Kleinfinger im Mittelgelenk mit 25 v.H. eingeschätzt wird (Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, Zwölfte Auflage, S. 263, Abbildung 63). Da der Mittelfinger zwar etwas weiter körpernah amputiert, dafür der Kleinfinger etwas weiter körperfern und der Mittelfinger etwas höherwertig eingeschätzt werden kann als der Kleinfinger sowie gleichzeitig noch eine Aufhebung der Beweglichkeit des rechten Ringfingerendgelenkes besteht, ist nach der überzeugenden Beurteilung von Dr. L. die MdE mit 30 v.H. zutreffend bemessen. Auch Dr. L. ist - wie die Vorgutachter - mit Blick auf die Polyarthrose an beiden Händen zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um ein anlagebedingtes Leiden handelt. Der vom Kläger "aus der Laiensicht" vertretenen Auffassung, dass die Arthrose an der rechten Hand auf den Unfall zurückzuführen sei und die Arthrose an der linken Hand ihre Ursache in der unfallbedingten Überlastung habe, hat sich der Sachverständige Dr. L. nicht angeschlossen.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 08.11.2010 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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