L 4 R 5809/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 978/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5809/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. November 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005.

Die 1959 geborene Klägerin pflegte zeitweise unterstützt durch ihre Schwester B. H. ihre am 1926 geborene und am 2006 verstorbene Mutter (im folgenden M.) zumindest zwischen dem 1. Oktober 2003 und 19. November 2005 in deren häuslicher Umgebung. Daneben war die Klägerin in dieser Zeit 23 Stunden pro Woche erwerbstätig.

M., die bei der Beigeladenen pflegeversichert war, unterzog sich am 12. September 2003 während eines wegen einer akuten Lumboischialgie erforderlichen stationären Aufenthalts im Rheuma- und Rehabilitationsklinikum B. B. einem psychotherapeutischen-psychosomatischen Konsil, bei dem nach dem vorläufigen vom Untersuchenden nicht unterschriebenen Befund eine leichte depressive Episode und der Verdacht auf eine nicht näher bestimmte Demenz diagnostiziert wurde. Der sie behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-B. nannte in seinem Arztbrief vom 8. Oktober 2003 als Diagnosen ein Parkinsonsyndrom (hyperkinesegeprägt), persistierende Lumboischialgien rechts, eine leichte Wurzelläsion S1 rechts, einen Zustand nach Amaurosis fugax und eine leichte Carotis interna und externa Stenose rechts. Am 4. Dezember 2003 erfolgte bei M. eine Bandscheibenoperation wegen Discushernie L5/S1. Während des stationären Aufenthalts in der Rehaklinik S. M. in B. B. kam es am 29. Dezember 2003 bei M. erstmals zu einem symptomatischen generalisierter Krampfanfall bei subkortikaler arteriosklerotischer Enzephalopathie (Entlassungsbericht des Dr. N., Rehaklinik S. M. B. B., vom 12. Januar 2004). Diagnostiziert wurde anlässlich des wegen des Krampfanfalls erfolgten tagesstationären Aufenthalts der M. in der Universitätsklinik F. am 30. Dezember 2003 weiter ein dementieller Abbau, als Differenzialdiagnose wurde eine vaskuläre Demenz genannt (Arztbrief des Prof. Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik F. vom 30. Dezember 2003). Weitere Vorstellungen der M. in der Universitätsklinik F. am 16. Februar und 26. März 2004 ergaben u.a. eine Demenzerkrankung leichten bis mittleren Schweregrades, klinisch wahrscheinliche Alzheimersche Erkrankung, einen erstmaligen generalisierten Krampfanfall am 29. Dezember 2003, eine subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie und eine rezidivierende Depression, aktuell geringer Ausprägung (Arztbriefe des Prof. Dr. H. vom 15. Februar 2004 und des PD Dr. He. vom 29. März 2004). Am 19. September und 23. Dezember 2004 brach M. erneut zusammen (Vorläufiger Bericht des St. E. Krankenhauses L. vom 23. September 2004 und Arztbericht der Stadtklinik B. T. vom 23. Dezember 2004). Am 19. November 2005 erlitt M. bei einem Sturz ein Schädelhirntrauma mit traumatischer Subarochnoidalblutung, weshalb sie vom 20. November 2005 bis 1. Januar 2006 und vom 12. Januar bis 30. Januar 2006 stationär behandelt wurde, in der Zeit vom 30. Januar bis 29. März 2006 eine Rehabilitationsmaßnahme absolvierte, vom 5. bis 6. April 2006 erneut stationär behandelt wurde, anschließend stationär in einem Pflegeheim untergebracht war und am 7. Mai 2006 verstarb (Arztbriefe des Prof. Dr. Z., Neurochirurgische Universitätsklinik F., vom 1. Dezember 2005, des Prof. Dr. Hü., Neurologische Klinik E., vom 14. März 2006, Entlassungsbericht der Dr. K., S.-klinik-Neurologie B. K., vom 29. März 2006, Kurzarztbrief des Dr. St., Kreiskrankenhaus L., vom 6. April 2006). Der Grad der Behinderung von M. betrug seit 6. Dezember 2002 60 und festgestellt war das Merkzeichen G, seit 21. Dezember 2005 80 mit dem zusätzlich festgestellten Merkzeichen B und seit 11. April 2006 100 mit den zusätzlich festgestellten Merkzeichen H, aG und RF (Bescheide des Versorgungsamts Freiburg bzw. des Landratsamts Lörrach vom 23. Januar 2004, 14. Februar 2006 und 6. Juni 2006).

Ab 1. Oktober 2003 erhielt M. von der Beigeladenen bis zu ihrem Tod Pflegegeld nach Pflegestufe I und Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf (Schreiben der Beigeladenen vom 18. November 2003 und 3. November 2004). Dem zu Grunde lagen bei der MEDICPROOF-GmbH eingeholte Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Gr. vom 6. November 2003 und 6. Oktober 2004, in denen als pflegebegründende Diagnosen ein Morbus Parkinson, eine Polyarthrose, ein hirnorganisches Psychosyndrom, in dem Gutachten vom 6. Oktober 2004 auch ein dementielles Syndrom und als Zusatzdiagnosen jeweils eine Carotisverengung und eine Obstipation unter Valoron genannt wurden. Im Erstgutachten schätzte Dr. Gr. den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf 48 Minuten und im Folgegutachten auf 63 Minuten und für die hauswirtschaftliche Versorgung jeweils auf 45 Minuten, mithin betrug der Pflegebedarf zunächst zehn Stunden 51 Minuten und sodann zwölf Stunden und 36 Minuten im wöchentlichem Durchschnitt. Berücksichtigt wurden hierbei insbesondere Mobilitätseinschränkungen aufgrund des Parkinsonsyndroms und der Polyarthrose sowie wegen des im Dezember 2003 operierten Bandscheibenvorfalls, hinsichtlich dessen zum Zeitpunkt der Begutachtung im Oktober 2004 keine Schmerzmittelgabe mehr notwendig war. In beiden Gutachten wurde darüber hinaus festgestellt, dass bei M. aufgrund einer dementiellen Entwicklung mit hirnorganischem Psychosyndrom und erheblich kognitiven Defiziten eine Anleitung und Unterstützung notwendig sei.

Am 15. Mai 2006 stellte die Klägerin bei der Beigeladenen einen Antrag auf Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, den die Beigeladene mit Schreiben vom 28. Juni 2006 ablehnte. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 2006. Sie trug vor, der Pflege-, Begleitungs-, Anleitungs- und Betreuungsbedarf für M. habe seit Sommer 2003 über 14 Stunden wöchentlich betragen und habe danach aufgrund der Erkrankung weiter zugenommen. Hierauf leitete die Beigeladene den Vorgang an die Beklagte weiter, bei der er im August 2006 einging.

Mit Bescheid vom 18. September 2006 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen nach § 3 Satz 1 Nr. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bei der Klägerin seit dem 1. Oktober 2003 nicht vorlägen, weil nach den Feststellungen der Beigeladenen der von der Klägerin ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Stunden in der Woche liege (§ 19 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)).

Die Klägerin erhob am 12. Oktober 2006 Widerspruch. Sie trug vor, die Pflege, Anleitung, Begleitung, Unterstützung, Beaufsichtigung, Übernahme von Tätigkeiten und Betreuung von M. sei weit über 14 Stunden wöchentlich hinausgegangen. Aus dem - vorgelegten - Pflegetagebogen vom 9. (richtig: 3.) November 2003 gehe hervor, dass die von ihr verrichtete tägliche Pflege bereits über fünf Stunden täglich betragen habe. Aus dem Pflegetagebogen vom 9. November (richtig: September) 2004 ergebe sich, dass der Aufwand auf neun Stunden täglich angewachsen sei. Hierbei seien viele Einzelverrichtungen (wie das Eingehen auf die betreffende Person, Arztbesuche, Förderung wie Gymnastik, Gedächtnistraining, Massagen, Einreibungen, Beschäftigung etc.) und die kontinuierliche Präsenz noch gar nicht berücksichtigt. Im Jahr 2005 habe der zeitliche Aufwand weiter zugenommen. Seit 1999/2000 bis Mai 2006 habe sie sich intensiv um ihre Mutter gekümmert und nur 23,5 Stunden pro Woche gearbeitet. Durch die Pflege zu Hause habe sie dem Gemeinwesen viel Geld erspart.

Die Beklagte bat hierauf die Beigeladene noch einmal um Überprüfung des von der Klägerin erbrachten Pflegeaufwands, worauf die Beigeladene der Beklagten unter dem 6. November 2006 mitteilte, dass die von der Klägerin vorgelegten Pflegetagebücher dem Medizinischen Dienst bei den Begutachtungen vorgelegen hätten und berücksichtigt worden seien, weshalb sie zu keinem anderen Ergebnis komme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2007 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen der Versicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen lägen seit 1. Oktober 2003 nicht vor, weil nach den Feststellungen der Beigeladenen der von der Klägerin ausgeübte Umfang der Pflegetätigkeit unter 14 Stunden in der Woche gelegen habe.

Die Klägerin erhob am 19. Februar 2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Es treffe nicht zu, dass sie M. nicht 14 Stunden in der Woche gepflegt habe. Aus der beigefügten zusammenfassenden Übersicht über die Pflege am 3. November 2003 und vom 9. bis 11. September 2004 ergebe sich, dass sie als Pflegeperson an allen vier Tagen jeweils erheblich über zwei Stunden Grundpflegeleistungen für M. erbracht habe. Nach September 2004 sei der tägliche Aufwand jeden Monat leicht angestiegen. Mit den von der Beigeladenen anerkannten Pflegezeiten sei sie zu keiner Zeit einverstanden gewesen. Sie habe sich nur deshalb nicht dagegen gewandt, weil sie auf höhere Leistungen aus der Pflegeversicherung verzichtet habe. Unabhängig davon richte sich die Einstufung in eine Pflegestufe nach § 15 SGB XI. In § 19 SGB XI werde auf § 14 SGB XI Bezug genommen, sodass eine Einstufung nach § 15 SGB XI nicht relevant sein dürfte.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Feststellungen der Beigeladenen basierten im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung auf den bundeseinheitlichen Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI - Begutachtungs-Richtlinien - (§ 17 SGB XI). Die Feststellungen hätten daher auch für sie, die Beklagte, Tatbestandswirkung und seien dementsprechend zu übernehmen. Nach den Feststellungen der Beigeladenen habe der Pflegeaufwand für M. ab 1. Oktober 2003 unter 14 Stunden pro Woche betragen. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI seien damit nicht erfüllt.

Die mit Beschluss des SG vom 20. April 2007 Beigeladene äußerte sich nicht.

Mit Urteil vom 4. November 2010 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2007 auf und stellte fest, dass die Klägerin vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005 wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege von M. gemäß § 3 Satz 1 Nr.1a SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen einer Pflege im Umfang von mindestens 14 Stunden wöchentlich seien erfüllt. Die von der Beklagten vorgenommene Gleichsetzung von pflegerischem Bedarf des Gepflegten (im Sinne der Einstufung nach § 15 SGB XI) und pflegerischer Tätigkeit der Pflegeperson widerspreche dem Gesetzeswortlaut ("pflegt"), der Gesetzessystematik (Verweis nur auf § 14 SGB XI) und der ratio legis (Verweisungszweck und Perspektive des § 3 SGB VI auf die in Bezug genommene Norm § 14 SGB XI). Es, das SG, sei davon überzeugt, dass die Klägerin M. im streitigen Zeitraum mindestens 14 Stunden wöchentlich aus Gründen gepflegt habe, die krankheits- und behinderungsbedingt gewesen seien. Hinzu kämen weitere, im Umfang und der krankheits- und behinderungsbezogenen Notwendigkeit nicht gleichermaßen detailliert glaubhaft gemachte Tätigkeiten der hauswirtschaftlichen Versorgung, deren Umfang und rechtliche Notwendigkeit hier offenbleiben könne. Die Angaben der Klägerin in den vier Pflegetagebögen seien glaubhaft und stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beschwerden der M. und ihren Beeinträchtigungen in der Alltagsbewältigung. Diese beruhten in erster Linie auf der Alzheimererkrankung. Durch das weitere Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung würden die exemplarischen Angaben der Pflegetagebögen gestützt. Eine abweichende Feststellungswirkung gehe von der Entscheidung der Beigeladenen über die Pflegestufe schon deshalb nicht aus, weil die dabei getroffenen Feststellungen eine andere als die hier maßgebliche Tatsache betreffen würden. Im Übrigen würde eine solche Bindung als Abweichung vom Grundsatz der Amtsermittlung einer ausdrücklichen oder im Wege der Auslegung ermittelbaren gesetzlichen Grundlage bedürfen, die hier fehle. Aus Gründen der Gesetzessystematik könne eine Bindungswirkung auch nicht im Wege der Auslegung in § 3 Satz 1 Nr.1a SGB VI hinein interpretiert werden. Vielmehr wäre vom Gesetzgeber eine in § 62 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ähnliche Regelung zu erwarten, würde er für denselben Sachverhalt (Feststellungen der Pflegekasse) nicht nur den Träger der Sozialhilfe, sondern auch die Rentenversicherung binden wollen. Eine solche Bindung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr.1a SGB VI konstitutiv aus dem Gesetz selbst folge und vom Träger der Rentenversicherung lediglich deklaratorisch nachvollzogen werde. Da die Sachverhalte nicht ausreichend vergleichbar seien, könne § 62 SGB XII auch nicht analog zur Anwendung kommen. Der Einwand der Beklagten, wonach ihr Ermittlungsmöglichkeiten fehlten bzw. nicht in gleichem Maße wie der Beigeladenen zur Verfügung stünden, sodass schon deshalb auf deren Ermittlungen zurückzugreifen sei, gehe aus mehreren Gründen fehl. Zum einen handele es sich bei den Ermittlungen der Beigeladenen um Feststellungen über andere als die hier maßgeblichen Tatsachen. Zum anderen bedürfe es für die relevanten Ermittlungen keiner Expertise, die der Beigeladenen vorbehalten wäre. Die Beklagte habe jedoch gar keine eigenen Ermittlungen angestellt. Außerdem habe sie - ebenso wie die Beigeladene - die tatsächlichen Angaben der Klägerin auf den Pflegetagebögen ohne erkennbaren Grund überhaupt nicht berücksichtigt. Damit habe die Beklagte ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht genügt. Aufgrund der unterschiedlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte stehe das Rechtsinstitut der Tatbestandswirkung eigenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen nicht entgegen. Darüber hinaus könne die Entscheidung der Beigeladenen auch gar keine Tatbestandswirkung entfalten, weil sie nicht gestaltender und konstitutiv feststellender Natur sei. Die Entscheidung der Beigeladenen sei zudem kein Verwaltungsakt, sodass eine Tatbestandswirkung auch deshalb nicht eintreten könne. Denn die Beigeladene habe als private Pflegeversicherung hier nicht hoheitlich handeln können und habe dies vorliegend auch nicht versucht.

Gegen das ihr am 29. November 2010 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 21. Dezember 2010 Berufung eingelegt. Das SG habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei. Soweit sich das SG auf den Wortlaut "pflegt" als Argument für eine weite Auslegung des Pflegebegriffs stütze, könne dem nicht gefolgt werden. Der Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI lasse keinen eindeutigen Schluss zu, ob bei der Feststellung der Mindeststundenzahl der Zeitaufwand für Betreuungsleistungen außerhalb der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen mit zu berücksichtigen sei. Unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Verfasser während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. BT-Drucks. 12/5262 S. 82, 159; BT-Drucks. 12/5952 S. 52 f.) sei der Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI offen. Der Pflegebegriff lasse sich auch grammatikalisch im Kontext des SGB XI nicht klar bestimmen. Mit der Gesetzessystematik lasse sich eine Zugrundelegung der tatsächlich pflegerischen Tätigkeit ebenfalls nicht begründen. Bei einer Ausweitung der im Rahmen von § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI zu berücksichtigenden Pflegetätigkeiten über Hilfeleistungen für die im Katalog des § 14 Abs. 4 SGB XI erfassten Verrichtungen hinaus, fehle es zudem an eindeutigen Kriterien für eine Abgrenzung pflegerischer Leistungen von sonstigen Betreuungsleistungen. Dies gelte vor allem für solche Tätigkeiten, die auf dem reinen Zusammenleben mit dem Pflegebedürftigen beruhten (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R -, in juris).

Die Beteiligten haben nach Hinweis der Berichterstatterin auf ein beim BSG anhängiges Revisionsverfahren (B 12 R 9/10 R) das Ruhen des Verfahrens beantragt, das mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 angeordnet worden ist. Nachdem das BSG dieses Revisionsverfahren mit Urteil vom 28. September 2011 (in juris) entschieden hat, hat die Klägerin am 13. März 2012 das Verfahren wieder angerufen.

Die Beigeladene hat ergänzend vorgetragen, die Behauptung der Klägerin, dass unter Zugrundelegung eines an der Laienpflege orientierten abstrakten objektiven Maßstabs die Voraussetzungen für die Rentenversicherungspflicht wegen Pflege bei ihr vorgelegen hätten, entbehre jeder Grundlage. In den MEDICPROOF-Gutachten sei nur ein Pflegebedarf in Höhe von 93 bzw. 108 Minuten pro Tag dokumentiert. Eine "Zweitbegutachtung" habe nicht mehr durchgeführt werden können, da die Klägerin den ihr bereits am 19. November 2003 übersandten Antrag auf Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen erst nach dem Tod der M. im Mai 2006 zurückgesandt habe. Es sei jedoch zu bezweifeln, dass eine Zweitbegutachtung ein anderes Ergebnis erbracht hätte. In den vorliegenden Gutachten sei dokumentiert, dass "mehrere ausführliche Pflegeprotokolle" vorgelegen hätten.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege hätten vorgelegen. Die Mindestpflegezeit sei bereits durch verrichtungsbezogene Tätigkeiten erfüllt gewesen. Die Pflegetätigkeit gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI sei nicht mit dem Pflegebedarf nach § 15 Abs. 3 SGB XI gleichzusetzen. Gegenstand des Urteils des BSG vom 5. Mai 2010 (B 12 R 6/09 R, a.a.O). sei eine vom hiesigen Sachverhalt abweichende Konstellation gewesen. Im dortigen Fall sei es um die Frage gegangen, ob neben den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen auch ergänzende Pflegeleistungen mit einzubeziehen seien. Hier sei jedoch streitgegenständlich, ob die in dem Pflegegutachten enthaltenen Hilfebedarfe im Rahmen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung oder der tatsächlich von ihr (der Klägerin) in Bezug auf diese Verrichtungen erbrachte Pflegeaufwand zu berücksichtigen sei. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die vom BSG angenommene Kongruenz zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung an den Pflegebedürftigen und den Leistungen an die pflegende Person bezüglich des für die Bemessung des Zeitaufwands im Sinne von § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI heranzuziehenden Maßstabes fehle. Insoweit führe Pfitzner (in BeckOK § 19 SGB XI Edition 21 Rn. 4d) aus, dass für die Pflegestufeneinteilung nach §§ 14, 15 SGB XI nach § 15 Abs. 3 SGB XI ein typisierender Maßstab in Form desjenigen Zeitaufwands heranzuziehen, den "ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson" benötige. Das individuelle Leistungsvermögen der einzelnen Person und ihr persönliches Arbeitstempo sei dafür nicht ausschlaggebend. Die Beitragspflichtigkeit der Pflegetätigkeit hänge hingegen nach §§ 19 SGB XI, 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI von dem Ausmaß ab, in dem die individuelle Pflegeperson den Pflegebedürftigen "pflege". Diesbezüglich stelle das Gesetz auf den individuell erbrachten Zeitaufwand ab, wobei auch keine Bedenken hinsichtlich seiner Notwendigkeit bestünden, wenn ein zusätzlicher Zeitaufwand im Vergleich zu einem durchschnittlich befähigten Laienpfleger auf gesundheitliche Einschränkungen der Pflegeperson zurückzuführen sei. Nach Vorliegen des Urteils des BSG vom 28. September 2011 hat sie des Weiteren vorgetragen, dass auch unter Zugrundelegung eines an der Laienpflege orientierten abstrakten objektiven Maßstabs die Voraussetzungen für ihre Rentenversicherungspflicht wegen Pflege vorlägen. Dies ergäbe sich aus dem MEDICPROOF-Gutachten vom 6. November 2003 sowie aus ihren Angaben im Laufe des Verfahrens. M. habe ab Februar 2003 Probleme wegen des Bandscheibenvorfalls gehabt. Im August/September 2003 sei es dann noch schlimmer geworden. M. habe starke Schmerzmittel genommen und Probleme mit der Orientierung und beim Waschen und Kochen gehabt. Auch nach dem Aufenthalt in der Rheumaklinik in B. B. sei es nicht besser gewesen. M. sei teilweise im Rollstuhl gesessen. Aufgrund der Operation des Bandscheibenvorfalls im Dezember 2003 habe sich dann zwar der körperliche Zustand der M. etwas verbessert, sie sei etwas besser beweglicher gewesen. Sie habe auch wieder selbst gehen können. Beim An- und Ausziehen habe sie aber weiter der Hilfe bedurft. Insbesondere auch ihre dementielle Situation habe sich weiter verschlechtert. Sie habe bei vielen Dingen der Anleitung bedurft. Zwischen Oktober 2004 und November 2005 sei die Gedächtnisleistung insgesamt noch schlechter geworden. Zu beachten sei, dass die Pflege von an Demenz erkrankten Menschen sehr viel zeitaufwändiger und intensiver und nicht vergleichbar mit dem Zeitaufwand für die Pflege von Menschen mit körperlichen Gebrechen sei. Nicht außer Acht gelassen werden dürfe auch, dass sich an Demenz Erkrankte, soweit sie es noch könnten, besser nach außen darstellten, als es real tatsächlich sei. Außerdem gebe es immer wieder Momente, in denen die Erkrankten ganz klar und gegenwärtig seien bzw. lichte Momente hätten. Die Beigeladene habe M. auch Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf bewilligt. Ergänzend hat die Klägerin den Nachweis über einen Beratungseinsatz nach § 4 Abs. 4 in B/PPV 1996 (§ 37 Abs. 3 SGB XI) vom 14. März 2005 (Pflegebedarf nimmt zu), den Brief des Prof. Dr. Hü., Leiter des Zentrums für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums F., vom 8. März 2013, wonach den Berichten eine progrediente Abnahme der Selbstversorgung zu entnehmen sei, korrigierte Pflegebögen und Broschüren über die Alzheimerkrankheit der Alzheimerhilfe vorgelegt.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt und auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beigeladenen, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft. Die Berufung betrifft die Versicherungspflicht der Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005 und damit für mehr als ein Jahr.

Die Berufung der Beigeladenen ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2007 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005 wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege von M. gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI versicherungspflichtig war. Die Klägerin war in dem streitigen Zeitraum nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI. Fehlerhaft ist das SG davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung des Aufwands für Pflege in § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI ein anderer Maßstab als nach dem SGB XI zugrunde zu legen ist und deshalb die zeitlichen Mindestanforderungen des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI erfüllt seien.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 18. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Januar 2007, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass die Klägerin in der Zeit ab 1. Oktober 2003 wegen der Pflege von M. nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag. Nachdem die Klägerin selbst nur die Versicherungspflicht für die Zeit bis 19. November 2005 geltend macht, ist der Gegenstand des Rechtsstreits insoweit befristet.

Nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI, der insoweit seit 1. April 1995 unverändert gilt, sind Personen in der Rentenversicherung in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat. Nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Satz 3 des § 3 SGB VI (zuvor seit 1. April 1995: § 3 Satz 1 Nr. 4 Satz 3 SGB VI) unterliegen solche Personen der Rentenversicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 1a nicht, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Diese Bestimmung übernimmt die bereits in Satz 1 der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 44 Abs. 1 SGB XI enthaltene Formulierung. Die Versicherungspflicht der Pflegepersonen in der Rentenversicherung konkretisiert diese Vorschrift (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 - B 12 P 2/02 R -, in juris). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI genannten Stellen zur Verbesserung der sozialen Sicherung einer Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Näheres hierzu regeln nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XI u.a. §§ 3, 166 und 170 SGB VI. § 166 Abs. 2 SGB VI legt die maßgebenden beitragspflichtigen Einnahmen der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen fest, § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI bestimmt die Beitragstragung. Eine dem § 44 Abs. 1 SGB XI entsprechende Regelung enthielt für die private Pflegeversicherung, die die Beigeladene durchführt (vgl. § 23 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI), § 4 Abschnitt E Nr. 14 der im streitigen Zeitraum noch maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV 1996), jetzt § 4 Abschnitt E Nr. 13 MB/PPV 2012).

Halten Pflegekassen, private Versicherungsunternehmen oder sonstige der in § 170 Abs. 1 Nr. 6 Buchst c) SGB VI genannten Stellen ihre Leistungspflicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI oder nach § 4 Abschnitt E Nr. 14 MB/PPV 1996 für gegeben, haben sie diese ebenso zu erfüllen wie Arbeitgeber, die bei unstreitiger Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für ihre Beschäftigten ohne vorherige Entscheidung der Einzugsstelle zahlen. Besteht aber - wie vorliegend - Streit über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, hat hierüber bei nicht erwerbsmäßigen Pflegepersonen, bei denen das Einzugsstellenverfahren nicht gilt, zunächst der ständige Träger der Rentenversicherung zu entscheiden und nicht die Pflegekasse (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 - B 12 P 2/02 R -, a.a.O.).

Ausgehend hiervon hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005 die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI nicht erfüllt.

Zwar hat die Klägerin im streitigen Zeitraum M. als eine Pflegebedürftige im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 MB/PPV 1996 mit Leistungsanspruch in ihrer häuslichen Umgebung gepflegt. M. war ab 1. Oktober 2003 bis zu ihrem Tode die Pflegestufe I zugebilligt worden. Die Pflege durch die Klägerin geschah auch nicht im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und mehr als geringfügig. Außerdem war die Klägerin neben ihrer Pflegetätigkeit auch nur 23 Stunden wöchentlich beschäftigt.

Die Klägerin hat in der streitigen Zeit jedoch nicht die nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI erforderliche (Mindest-)Pflegezeit von 14 Stunden wöchentlich geleistet.

Wie das BSG bereits mit Urteilen vom 5. Mai 2010 (B 12 R 6/09 R und B 12 R 9/09 R, in juris) und 6. Oktober 2010 (B 12 R 21/09 R, in juris) und erneut mit Urteil vom 28. September 2011 (B 12 R 9/10 R, a.a.O.) entschieden hat, ist bei der Feststellung, ob die nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI notwendige Mindeststundenzahl der Pflege erreicht ist, nur der Hilfebedarf zu berücksichtigen, der für die in § 14 Abs. 4 SGB XI - dem entspricht § 1 Abs. 5 MB/PPV 1996 - genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist. (Weitergehende bzw. andere) Pflegeleistungen bei Tätigkeiten im Ablauf des täglichen Lebens, die nicht im Katalog des § 1 Abs. 5 MB/PPV 1996 und des § 14 Abs. 4 SGB XI enthalten sind, etwa die Zeit, die für Betreuungsleistungen aufgewendet wird, die in § 4 Abs. 2 Satz 1 SGB XI als ergänzende Pflege und Betreuung bezeichnet werden, sind bei der Ermittlung des Umfangs der Mindestpflegezeit nicht mitzurechnen. Dem schließt sich der Senat auch mit Blick auf die Begründung unter Hinweis auf die (Gesetzes)Systematik, teleologische Erwägungen, fehlenden klaren, nachvollziehbaren Kriterien für eine Abgrenzung pflegerischer Leistungen von sonstigen Betreuungsleistungen und auch von auf dem schlichten Zusammenleben mit dem Pflegebedürftigen beruhenden Tätigkeiten sowie der Tatsache, dass dem Wortlaut des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI eine eindeutige Antwort nicht zu entnehmen ist, in vollem Umfang an, weshalb insoweit auf die Urteile des BSG vom 5. Mai und 6. Oktober 2010 sowie 28. September 2011 Bezug genommen wird. Das gilt auch für die private Pflegeversicherung, deren Umfang sich auch nach den Vorschriften des SGB XI bestimmt (vgl. § 1 Abs. 10 Satz 1 MB/PPV 1996).

Der berücksichtigungsfähige Pflegeaufwand im Sinne der § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI, § 19 Satz 2 SGB XI und § 4 Abschnitt E Nr. 14 MB/PPV 1996 kann damit nicht weitergehen, als der für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und ihrer Stufe maßgebliche Bedarf. Es ist damit für die gesetzliche Rentenversicherungspflicht der Pflegeperson eine durchschnittlich mindestens 14 Stunden wöchentlich umfassende Pflegeleistung im Bezug auf die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erforderlich.

Bei Anwendung des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI ist insoweit wie im SGB XI und in den MB/PPV 1996 ein an der Laienpflege orientierter, abstrakter objektiver Maßstab anzulegen und nicht ein auf die Verhältnisse der Klägerin bezogener subjektiver Maßstab anzuwenden. Die objektivierende Betrachtungsweise schließt eine Prüfung der geforderten Mindestpflegezeit in der Weise aus, dass auf diejenigen Zeitwerte abgestellt wird, die die Pflegeperson nach ihren Verhältnissen subjektiv benötigt.

Wie der 3. Senat des BSG (Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R -, in juris) im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung entschieden hat, und worauf auch der 12. Senat des BSG in seinen Urteilen zur Rentenversicherungspflicht der Pflegeperson hingewiesen hat (BSG, Urteile vom 5. Mai 2010 - B 12 R 6/09 R - und vom 28. September 2011 - B 12 R 9/10 R -, jeweils a.a.O.), ist bei der Bemessung des Pflegebedarfs nicht auf den Zeitaufwand "der" Pflegeperson (konkret) abzustellen, sondern auf denjenigen, den "ein" Familienangehöriger oder "ein" sonstiger Pflegender (abstrakt) benötigen würde. Eine Berücksichtigung der (individuellen) Lebensumstände der jeweiligen Pflegeperson (bei ansonsten gleichem Pflegebedarf) würde ansonsten je nach Wahl der Pflegeperson zu unterschiedlichen Leistungen führen. Der bei der Prüfung der Pflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu den Pflegestufen im Leistungsrecht einschlägige, auf nicht professionelle Pflegepersonen im Sinne der Laienpflege bezogene abstrakte objektive Maßstab ist auch bei der Beurteilung der zeitlichen Mindestanforderungen des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI im Recht der Pflichtversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung anzuwenden. Eine entsprechende "Übertragung" des insoweit für das Leistungsrecht entwickelten Grundsatzes ist im Hinblick auf (gesetzes)systematische Erwägungen geboten. Die soziale Sicherung von Pflegepersonen in der Rentenversicherung ist eng mit dem Leistungsrecht der Pflegeversicherung verbunden. Die Anordnung von Versicherungspflicht für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen und die Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen an den Rentenversicherungsträger dienen der gleichen, der Pflegeversicherung übertragenen Aufgabe, die in § 1 Abs. 4 SGB XI u.a. dahin umschrieben wird, dass damit "Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten" sei, die auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Im Hinblick darauf besteht eine Akzessorietät zwischen den Leistungsansprüchen der Pflegebedürftigen aus der Pflegeversicherung einerseits und der Rentenversicherungspflicht von Personen, die eben diese Hilfe leisten, und den Voraussetzungen für diese Versicherungspflicht andererseits. Angesichts dessen wäre es nicht nachvollziehbar, warum Leistungen, die der Pflegeperson zu Gute kommen, an andere Bedingungen geknüpft sein sollten, als Leistungen, die dem Pflegebedürftigen gegenüber zu erbringen sind. Diese Auslegung ist auch im Hinblick auf eine am Gesetzeszweck orientierte Überlegung geboten. Eine Unterschiedlichkeit der Leistungen nach den (individuellen) Verhältnissen der jeweiligen Pflegeperson und zu der im allgemeinen Strukturprinzip der Pflegeversicherung (= keine Vollversicherung) liegenden Begrenzung des mit der sozialen Sicherung von Pflegepersonen verfolgten Zwecks (= Förderung der Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich) rechtfertigen keine unterschiedliche Behandlung.

Entgegen dieser rechtlichen Vorgaben hat das SG letztlich die Prüfung dahingehend vorgenommen, welche Zeit die Klägerin für die Pflege von M. benötigte, und hat auf diese Grundlage die Mindestpflegezeit von zwei Stunden bejaht. Unter Berücksichtigung des nach den obigen Ausführungen zugrundezulegenden objektiven Maßstabes erreichte die Klägerin die geforderte Mindestpflegezeit von zwei Stunden täglich mit dem Zeitaufwand für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung aber nicht.

Im Vordergrund standen bei M. zunächst eine Parkinsonerkrankung, Polyarthrosen und ein Bandscheibenvorfall. Im Verlauf entwickelte sich eine Demenz, die ab März 2005 als mittelgradige Demenzerkrankung eingestuft wurde. Am 6. November 2003 konnte M. auf der Ebene gehen, beim Treppenlauf benötigte sie einen Handlauf und gelegentlich Unterstützung. Der Transfer in und aus dem Bett war ihr selbstständig möglich, in die Badewanne wurde er unterstützt. Die Rumpfbeweglichkeit war erhalten, Nacken- und Schürzengriff möglich. In fremder Umgebung war sie zum Ort und zur Zeit desorientiert, ihre Wünsche und Bedürfnisse konnte sie nicht immer adäquat äußern. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. Gr. vom 6. November 2003. Eine Bestätigung finden diese Befunde auch in der von der Klägerin vorgelegten Pflegedokumentation vom 3. November 2003, wonach M. vorrangig der Anleitung, Aufforderung und Beaufsichtigung bedurfte und eine Übernahme im Rahmen der Grundpflege im Wesentlichen nur mit Blick auf die Ganzkörperwäsche, das Duschen und Baden sowie teilweise beim An- und Ausziehen und beim Treppensteigen erforderlich war. Auch beim Hausbesuch durch Dr. Gr. am 6. Oktober 2004 konnte M. auf der Ebene gehen, bedurfte beim Treppenlaufen gelegentlich der Unterstützung. Die Rumpfbeweglichkeit war weiterhin erhalten, Nacken- und Schürzengriff möglich. Den Transfer in und aus dem Bett konnte sie ebenfalls noch selbstständig bewältigen, in die Badewanne wurde er unterstützt. In fremder Umgebung war sie wie zuvor desorientiert zum Ort und zur Situation, Wünsche und Bedürfnisse konnten nicht immer adäquat geäußert werden (Gutachten des Dr. Gr. vom 6. Oktober 2004). Im Einklang damit stehen die von der Klägerin zwischen dem 9. und 11. September 2004 geführten Pflegebögen, die im Rahmen der Grundpflege nach wie vor hauptsächlich eine Anleitung und Unterstützung der M. und nur bezüglich des Duschens und Kämmens eine volle und bezüglich der mundgerechten Nahrungszubereitung und des An- und Auskleidens eine teilweise Übernahme anführen.

Aufgrund dessen bedurfte M. vom 1. Oktober 2003 bis 19. November 2005 bei der Körperpflege und der Mobilität sowie bei der hauswirtschaftlichen Versorgung der Hilfe und im Verlauf auch bei der Ernährung. Der erforderliche Hilfebedarf betrug aufgrund der bei M. noch vorliegenden Fertigkeiten jedoch weniger als 120 Minuten täglich und damit auch weniger als 14 Stunden wöchentlich. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. Gr. vom 6. November 2003 (93 Minuten täglich) und 6. Oktober 2004 (108 Minuten täglich). An der Richtigkeit der in den Gutachten getroffenen Feststellungen zu zweifeln, sieht der Senat, zumal diese von M. nicht angegriffen wurden, keinen Anlass.

Eine Bestätigung der der M. noch möglichen Fertigkeiten entnimmt der Senat auch dem Schwerbehindertenausweis der M ... Ihr Grad der Behinderung betrug ab Dezember 2002 60 und wurde erst am 21. Dezember 2005 und damit nach der streitgegenständlichen Zeit auf 80 erhöht. Auch war erst ab 21. Dezember 2005 das Merkzeichen B festgestellt.

Ein höherer Grundpflegebedarf lässt sich auch nicht auf die Zusammenbrüche bzw. Krampfanfälle von M., die am 29. Dezember 2003 und 19. September sowie 23. Dezember 2004 auftraten, stützen. Nach der akuten Behandlung waren die diesbezüglichen Folgen behoben.

Die sich bei M. entwickelnde Demenzerkrankung rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Insoweit wurde bei einem psychotherapeutischen-psychosomatischen Konsil am 12. September 2003 nur der Verdacht auf eine Demenzerkrankung geäußert, der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S.-B. erwähnte in seinem Arztbrief vom 8. Oktober 2003 keine Demenzerkrankung und auch aus dem Arztbrief des Prof. Dr. L. vom 30. Dezember 2003 geht nur ein dementieller Abbau hervor. Die Arztbriefe ab Februar 2004 bestätigen lediglich eine Demenzerkrankung leichten bis mittleren Schweregrades. Dies belegt die von Dr. Gr. festgestellte Desorientiertheit in fremder Umgebung und die nachlassende Fähigkeit, Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Weitergehende Fähigkeitseinschränkungen können darauf nicht gestützt werden. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Arztbrief des Prof. Dr. Hü. vom 8. März 2013 entnehmen. Er bestätigt ohne nähere Angaben lediglich, dass den Berichten eine progrediente Abnahme der Selbstversorgung zu entnehmen sei. Gleiches gilt für den Nachweis über einen Beratungseinsatz vom 14. März 2005. Zwar heißt es darin, dass der Pflegebedarf zunehme, nähere Ausführungen hierzu fehlen jedoch. Die Gewährung von Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf steht mit den von Dr. Gr. erstatteten Gutachten ebenfalls in Einklang (Schreiben der Beigeladenen vom 18. November 2003), sie führt nicht zwangsläufig zu einem höheren Grundpflegebedarf. Ebenso verhält es sich mit den von der Klägerin vorgelegten Broschüren, die nur allgemein die Alzheimererkrankung erläutern, sich jedoch nicht speziell auf M. beziehen.

Dass M. wegen der dementiellen Entwicklung und der Zusammenbrüche der Aufsicht und der Betreuung bedurfte, führt nicht dazu, dass ihr täglicher erforderlicher Hilfebedarf bei den in § 1 Abs. 5 Buchst. a) bis c) MB/PPV 1996 ebenso wie in § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege höher als von Dr. Gr. festgestellt gewesen wäre. Ein allgemeiner Aufsichtsbedarf zur Motivation und Kontrolle eines Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kann bei der Bemessung des Pflegebedarfs sowohl im Sinne des § 1 MB/PPV 1996 als auch der §§ 14 und 15 SGB XI nicht berücksichtigt werden. Für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen kommt es allein auf den Hilfebedarf bei den in § 1 Abs. 5 MB/PPV 1996 und § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen an. Die Beaufsichtigung zur Vermeidung einer Selbst- oder Fremdgefährdung kann ebenso wenig in Ansatz gebracht werden (BSG, Urteil vom 26. November 1998 - B 3 P 13/97 R -, in juris) wie eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson (BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 - B 3 P 7/97 R -, in juris). Auch der Aufsichtsbedarf, wie er bei bestimmten Erkrankungen anfällt, darf nach dem Gesetz bei der Bemessung des Grundpflegebedarfs nicht berücksichtigt werden (zum Ganzen auch: BSG, Beschluss vom 24. Oktober 2008 - B 3 P 23/08 B -, m.w.N., in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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