Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 1214/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 1025/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2009 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten sind die Aufhebung eines Bescheides über eine Altersrente und eine daraus resultierende Rückforderung wegen der Anrechnung eines Hinzuverdienstes. Der am XX.XX.1943 geborene Kläger beantragte am 24.02.2003 bei der Beklagten eine Altersrente nach § 237 Sozialgesetzbuch 6 (SGB VI). Daraufhin erließ die Beklagte am 24.03.2003 einen Bescheid, der dem Kläger für die Zeit ab 01.06.2003 eine Altersrente von monatlich EUR 1060,95 zusprach. Die Rente war wegen vorzeitiger Inanspruchnahme mit einem Zugangsfaktor 0,913 berechnet. Im Bescheid enthalten war der Hinweis auf eine Hinzuverdienstgrenze von monatlich EUR 340,00 für die Vollrente mit der Erlaubnis, diese im Laufe eines jeden Kalenderjahres zweimal um einen Betrag bis zur Höhe der für einen Monat geltenden Hinzuverdienstgrenze zu überschreiten. Am 26.06.2003 beantragte der Kläger die Umstellung der Rente auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und wies die Anerkennung einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 seit 12.05.2003 nach, verbunden mit der Bescheinigung, ein GdB von 50 habe bereits seit 01.01.2000 vorgelegen. Mit Bescheid vom 10.10.2003 wandelte die Beklagte die Altersrente des Klägers für die Zeit ab 01.06.2003 in eine solche für schwerbehinderte Menschen um. Unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 war der Zahlbetrag nunmehr mit EUR 1307,36 er-rechnet. Die Hinzuverdienstgrenze blieb unverändert. Am 04.04.2008 ersuchte die Beklagte den Kläger um die Mitteilung zwischenzeitlich erzielter Arbeitsentgelte. Am 18.04.2008 teilte der Kläger mit, er habe von Juni 2003 bis De-zember 2004 monatlich EUR 340,00 verdient mit zwei Ausnahmen eines Monatsverdienstes von EUR 680,00. Von Januar 2005 bis Mai 2008 habe sein Verdienst monatlich gleichbleibend EUR 396,67 betragen. Arbeitgeber war durchgängig eine Firma Philotech GmbH. Nach Vornahme der notwendigen Berechnungen hörte die Beklagte den Kläger am 28.07.2008 zu ihrer Absicht an, den Rentenbescheid vom 10.10.2003 wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze und Entfalls des Anspruchs auf eine Vollrente für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.12.2007 aufzuheben, die Rente für diesen Zeitraum nur noch als Zwei-Drittel-Rente zu gewähren und eine Überzahlung von EUR 14.609,56 zurückzufordern. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die Hinzuverdienstgrenze von zwischenzeitlich EUR 345,00 und ab 01.01.2006 EUR 360,00 überschritten. Anwaltliche Gegenvorstellungen bestritten die Richtigkeit des Erstattungsbetrages und wendeten ein, die Beklagte habe die Jahresfrist ab ihrer Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen überschritten. Der Kläger erläuterte zusätzlich, er habe die geltenden Obergrenzen von 345 und später 360 Euro durchaus gekannt. Er habe keine Bedenken gehabt, als seine Firma ihm ab 2005 aus Vereinfachungsgründen gleichbleibende Monatsbezüge überwies, die in der Jahressumme den Betrag aus zehn zulässigen Monatsbeträgen und zwei verdoppelten Monatsbeträgen nicht überschritten hätten. Er werde für die Verletzung einer formalen Regel unverhältnismäßig bestraft, obwohl kein Schaden entstanden sei. Im Übrigen hätten alle Behörden wie Knappschaft, Krankenkasse und Steuerbehörde über seine monatlichen Zusatzbezüge Bescheid gewusst. Am 23.10.2008 erließ die Beklagte einen Bescheid, der den Bescheid vom 10.10.2003 über die Gewährung der vollen Altersrente teilweise aufhob und dem Kläger für die Zeit von 01.03.2005 bis 31.12.2007 nur 2/3 seiner Rente beließ und in der Konsequenz eine Überzahlung von EUR 14.577,55 zurückforderte. Zur Begründung wurde auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2-4 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) verwiesen, wonach bei Verletzung von Mitwir-kungspflichten, nachträglich erzielten Einkünften und Kenntnis von dem teilweisen Wegfall des Anspruchs eine Aufhebung des Leistungsbescheides für die Vergangenheit zulässig ist. Bezüglich der Jahresfrist ab Kenntnis von den zur Aufhebung führenden Gründen wurde argumentiert, diese Frist beginne mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens am 26.09.2008. Die materielle Rechtslage wurde anhand von § 34 Abs. 2 S. 2 SGB VI erläutert. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und rügte eine mangelnde Ermessensausübung. Wegen der Überzahlung lediglich aufgrund der Umstellung des Auszahlungssystems des ehemaligen Arbeitgebers ohne Erzielung höherer Einkünfte sei ein atypischer Fall gegeben, der eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Einzelfall erfordert hätte. Der Kläger habe im Vergleich zu den Vorjahren keinen finanziellen Vorteil gehabt. Der Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erläuterte ausführlich die materielle und verfahrensrechtliche Situation. Dem Kläger wurde neuerlich eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, eine Erzielung schädlicher Einkünfte nach Nr. 3 der Vorschrift und Kenntnis oder mindestens grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von Nr. 4 der Vorschrift vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs vorgehalten. Hinsichtlich der Jahresfrist ab behördlicher Kenntnis wurde nunmehr auf die Kenntnis der zuständigen Sachbearbeitung im März 2008 vom Vorliegen einer Entgeltmeldung und im Mai 2008 von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen Bezug genommen. Ein atypischer Fall, der zur Ausübung von Ermessen Anlass gäbe, sei nicht gegeben. Weder trage die Beklagte oder eine andere Behörde ein Verschulden noch seien spezielle wirtschaftliche Gründe zu Gunsten des Klägers zu beachten. Die Klage hiergegen trägt vor, die Beklagte habe durch den Eingang von Beiträgen bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See Kenntnis von den dem Kläger zugeflossenen Entgelten gehabt. Dadurch sei ihr Rückforderungsanspruch verwirkt. Im Übrigen wurden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Hinzuverdienstgrenzen angemeldet. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.09.2012 wurde dem Kläger aufge-geben, seine gesamten finanziellen Verhältnisse mitzuteilen, "so dass eine gangbare Lösung gefunden kann". Der Rechtsstreit wurde vertagt. Der Kläger teilte sodann mit, er sehe keine Veranlassung, seine finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Ein angekündigter weiterer Schriftsatz traf erst kurz vor dem neuerlichen Termin zur Ver-handlung und Entscheidung ein. Darin wurde vorgetragen, mit den gesetzlichen Melde-pflichten hinsichtlich des erzielten Arbeitsentgelts müssten aus Sicht der Versicherten die Meldepflichten insgesamt als erfüllt gelten. Deshalb sei von einer behördlichen Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen bereits ab Juni 2005 auszugehen. Erneut wurde die Notwendigkeit einer Ermessensausübung behauptet. Hinsichtlich der Kenntnis des Klägers von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen wurde eine Vorwerfbarkeit i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X bestritten. Lediglich durch die Änderung der Auszahlungsmodalitäten des Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien die Hinzuverdienstgrenzen überschritten worden. Eine derartige Differenzierung könne von einem juristischen Laien nicht verlangt werden. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu bedenken, er habe mit einer Beitragszahlung von 700.000 Euro eine Rente von lediglich 1000 Euro erzielt, so dass entspre-chende Nachsicht geboten sei.
Der Kläger beantragt die Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2009.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. § 34 SGB VI lautete zwischen 01.08.2004 und 31.12.2007 auszugsweise:
(1) ...
(2) Anspruch auf eine Rente wegen Alters besteht vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet.
(3) Die Hinzuverdienstgrenze beträgt 1. bei einer Rente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, 2. bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von a) einem Drittel der Vollrente das 23,3fache, b) der Hälfte der Vollrente das 17,5fache, c) zwei Dritteln der Vollrente das 11,7fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.
Die Beklagte hatte einen rechtmäßigen Rentenbescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) wegen einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse aufzuheben. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X erlaubt diese Aufhebung auch rückwirkend für die Zeit ab Änderung der Verhältnisse, vorliegend also vom Übergang der unschädlichen in die schädlichen Einkünfte mit 01.03.2005 und bis zur Beendigung der schädlichen Einkünfte mit Jahresende 2007, wenn Gründe aus den Nummern 1. – 4. der Vorschrift vorliegen. Gegenüber dem Kläger kann sich die Beklagte zunächst darauf berufen, dass er im Sinne der Nr. 2 seine Mitwirkungspflichten verletzt hat. Der Einwand, mit der Anmeldung einer Beschäftigung seien auch alle Mitteilungspflichten gegenüber sämtlichen Sozialbehörden erfüllt, ist abwegig. Die Anmeldung einer Beschäftigung führt bekanntlich zu einer automatisierten Einziehung von Beiträgen ohne jede Notwendigkeit des persönlichen Zugriffs irgendeines Behördenmitarbeiters auf das Konto, in dem dieser Beitragseinzug dokumentiert wird. Krankenkassen, Pflegekassen, Kindergeldstellen oder Sozialhilfeträger haben weder die technische Möglichkeit noch die personellen Kapazitäten noch die rechtlichen Befugnisse zum regelmäßigen Einblick in das Beitragskonto eines Rentners oder in die elektronischen Beitragsunterlagen seines Arbeitgebers. Im einzig relevanten wortgetreuen Sinne hat der Kläger auch im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Einkünfte erzielt, die nach der materiellen Regelung des § 34 SGB VI die Höhe seiner Altersrente tangierten. Diese Vorschrift fragt nicht nach Jahreseinkünften, sondern erlaubt feststehende Monatsbeträge und deren in der sozialen Wirklichkeit typische zweimalige Verdoppelung pro Jahr unter den Aspekten entweder einer saisonabhängigen Steigerung der Arbeit oder einer Zuwendung jeweils für den Urlaub und zu Weihnachten. Im Sinne der zuverlässigen massenhaften bundeseinheitlichen Beachtung und Anwendung solcher Vorschriften durch die zur Lohnabrechnung berufenen Bediensteten der Arbeitgeber und die zur Kontrolle von Hinzuverdiensten berufenen Bediensteten der Sozial-versicherungsträger kann eine eigenmächtige Saldierung nicht toleriert werden. Der gestalterischen Fantasie wären ansonsten Tür und Tor geöffnet. Mit dem Argument, es sei kein Schaden entstanden, könnte man auch sehr geringe Einkünfte in einem Kalenderjahr mit schädlichen hohen Einkünften im nächsten Kalenderjahr saldieren oder dem hohen Hinzuverdienst eines im Betrieb beschäftigten Rentners die bescheidenen Verdienste eines parallel beschäftigten anderen Rentners entgegenhalten. Gleichermaßen kann sich die Beklagte auf Nr. 4 der Vorschrift berufen, weil der Kläger gewusst hat oder nur grob fahrlässig übersehen konnte, dass eine Steigerung seiner Einkünfte Auswirkungen auf seine Rente bis zum Entfall des Anspruchs haben würde. Die Hinweise in beiden Altersrentenbescheiden waren unmissverständlich; außerdem ist heute Alltagswissen über die Problematik von Hinzuverdiensten bei allen Renten unterhalb der Regelaltersrente vorauszusetzen. Nach § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X hatte die Beklagte für ihre Aufhebung eine Frist von einem Jahr ab Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse einzuhalten. Bei Kenntnisnahme zwischen März und Mai 2008 war diese Frist bei Bescheidserteilung gewahrt. Die wie oben dargestellt stumme automatische Verbuchung von Beiträgen in diesem Falle durch die Rentenversicherung Knappschaft Bahn See erzeugt kein Problembewusstsein bei einem Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung Bund. Kenntnis eines solchen Sachbearbeiters ist nicht gleichzusetzen mit einem "Kennenmüssen", das auch nur reichlich lebensfremd als Verpflichtung der Sachbearbeitung definiert werden könnte, in engmaschigen Abständen die Einkommenssituationen aller Bestandsrentner zu überprüfen. Ein öffentlicher Aufschrei gegen Bürokratie und Überwachungsstaat wäre unvermeidlich. Mit der Aufforderung zur Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hat das Gericht das Tor zu der Möglichkeit geöffnet, wegen besonderer sozialer Härten die Ermes-sensausübung in einem atypischen Fall zu diskutieren. Weder vor dieser Aufforderung noch danach hat der Kläger jedoch irgendeinen Hinweis auf eine beispielsweise durch schwere Krankheiten oder Pflegefälle im Familienkreis bedingte besondere Zwangslage gegeben. Weil auch ein behördliches Verschulden nicht zu definieren ist, bleibt die Annahme eines atypischen Falles und eine den Kläger begünstigende Ermessensausübung außer Betracht. Die Rechtsanwendung im Einzelfall kann selbstverständlich keine Rücksicht auf eine vermeintlich negative Gesamtbilanz zwischen Beitragszahlung und Rentenertrag nehmen. Angebracht ist jedoch der Hinweis auf die grundsätzliche Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich nicht auf eine Geldanlage für den Ruhestand beschränkt. Der Kläger genoss ab dem ersten Tage seiner Beitragszahlung im September 1959 mit 16 Jahren einen Versicherungsschutz für Fälle der Erwerbsminderung, hätte also nach Unfällen oder schicksalhaft gesundheitlichen Entwicklungen umfassende Ansprüche auf Leistungen der beruflichen und medizinischen Rehabilitation oder auf Rente gehabt. Von der Eheschließung bzw. dem Beginn der Elternschaft an erweitert sich der Versicherungsschutz auf den Fall des Todes des Familienernährers. Es liegt auf der Hand, dass Beitragszahler, bei denen die Risiken von Erwerbsminderung und frühem Tod glücklicher-weise nicht eintreten, auch die Leistungen der insoweit belasteten Versicherten mit er-bringen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten sind die Aufhebung eines Bescheides über eine Altersrente und eine daraus resultierende Rückforderung wegen der Anrechnung eines Hinzuverdienstes. Der am XX.XX.1943 geborene Kläger beantragte am 24.02.2003 bei der Beklagten eine Altersrente nach § 237 Sozialgesetzbuch 6 (SGB VI). Daraufhin erließ die Beklagte am 24.03.2003 einen Bescheid, der dem Kläger für die Zeit ab 01.06.2003 eine Altersrente von monatlich EUR 1060,95 zusprach. Die Rente war wegen vorzeitiger Inanspruchnahme mit einem Zugangsfaktor 0,913 berechnet. Im Bescheid enthalten war der Hinweis auf eine Hinzuverdienstgrenze von monatlich EUR 340,00 für die Vollrente mit der Erlaubnis, diese im Laufe eines jeden Kalenderjahres zweimal um einen Betrag bis zur Höhe der für einen Monat geltenden Hinzuverdienstgrenze zu überschreiten. Am 26.06.2003 beantragte der Kläger die Umstellung der Rente auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und wies die Anerkennung einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 seit 12.05.2003 nach, verbunden mit der Bescheinigung, ein GdB von 50 habe bereits seit 01.01.2000 vorgelegen. Mit Bescheid vom 10.10.2003 wandelte die Beklagte die Altersrente des Klägers für die Zeit ab 01.06.2003 in eine solche für schwerbehinderte Menschen um. Unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 war der Zahlbetrag nunmehr mit EUR 1307,36 er-rechnet. Die Hinzuverdienstgrenze blieb unverändert. Am 04.04.2008 ersuchte die Beklagte den Kläger um die Mitteilung zwischenzeitlich erzielter Arbeitsentgelte. Am 18.04.2008 teilte der Kläger mit, er habe von Juni 2003 bis De-zember 2004 monatlich EUR 340,00 verdient mit zwei Ausnahmen eines Monatsverdienstes von EUR 680,00. Von Januar 2005 bis Mai 2008 habe sein Verdienst monatlich gleichbleibend EUR 396,67 betragen. Arbeitgeber war durchgängig eine Firma Philotech GmbH. Nach Vornahme der notwendigen Berechnungen hörte die Beklagte den Kläger am 28.07.2008 zu ihrer Absicht an, den Rentenbescheid vom 10.10.2003 wegen Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze und Entfalls des Anspruchs auf eine Vollrente für die Zeit vom 01.03.2005 bis 31.12.2007 aufzuheben, die Rente für diesen Zeitraum nur noch als Zwei-Drittel-Rente zu gewähren und eine Überzahlung von EUR 14.609,56 zurückzufordern. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe die Hinzuverdienstgrenze von zwischenzeitlich EUR 345,00 und ab 01.01.2006 EUR 360,00 überschritten. Anwaltliche Gegenvorstellungen bestritten die Richtigkeit des Erstattungsbetrages und wendeten ein, die Beklagte habe die Jahresfrist ab ihrer Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen überschritten. Der Kläger erläuterte zusätzlich, er habe die geltenden Obergrenzen von 345 und später 360 Euro durchaus gekannt. Er habe keine Bedenken gehabt, als seine Firma ihm ab 2005 aus Vereinfachungsgründen gleichbleibende Monatsbezüge überwies, die in der Jahressumme den Betrag aus zehn zulässigen Monatsbeträgen und zwei verdoppelten Monatsbeträgen nicht überschritten hätten. Er werde für die Verletzung einer formalen Regel unverhältnismäßig bestraft, obwohl kein Schaden entstanden sei. Im Übrigen hätten alle Behörden wie Knappschaft, Krankenkasse und Steuerbehörde über seine monatlichen Zusatzbezüge Bescheid gewusst. Am 23.10.2008 erließ die Beklagte einen Bescheid, der den Bescheid vom 10.10.2003 über die Gewährung der vollen Altersrente teilweise aufhob und dem Kläger für die Zeit von 01.03.2005 bis 31.12.2007 nur 2/3 seiner Rente beließ und in der Konsequenz eine Überzahlung von EUR 14.577,55 zurückforderte. Zur Begründung wurde auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2-4 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) verwiesen, wonach bei Verletzung von Mitwir-kungspflichten, nachträglich erzielten Einkünften und Kenntnis von dem teilweisen Wegfall des Anspruchs eine Aufhebung des Leistungsbescheides für die Vergangenheit zulässig ist. Bezüglich der Jahresfrist ab Kenntnis von den zur Aufhebung führenden Gründen wurde argumentiert, diese Frist beginne mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens am 26.09.2008. Die materielle Rechtslage wurde anhand von § 34 Abs. 2 S. 2 SGB VI erläutert. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und rügte eine mangelnde Ermessensausübung. Wegen der Überzahlung lediglich aufgrund der Umstellung des Auszahlungssystems des ehemaligen Arbeitgebers ohne Erzielung höherer Einkünfte sei ein atypischer Fall gegeben, der eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Einzelfall erfordert hätte. Der Kläger habe im Vergleich zu den Vorjahren keinen finanziellen Vorteil gehabt. Der Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 erläuterte ausführlich die materielle und verfahrensrechtliche Situation. Dem Kläger wurde neuerlich eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, eine Erzielung schädlicher Einkünfte nach Nr. 3 der Vorschrift und Kenntnis oder mindestens grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von Nr. 4 der Vorschrift vom teilweisen Wegfall des Rentenanspruchs vorgehalten. Hinsichtlich der Jahresfrist ab behördlicher Kenntnis wurde nunmehr auf die Kenntnis der zuständigen Sachbearbeitung im März 2008 vom Vorliegen einer Entgeltmeldung und im Mai 2008 von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen Bezug genommen. Ein atypischer Fall, der zur Ausübung von Ermessen Anlass gäbe, sei nicht gegeben. Weder trage die Beklagte oder eine andere Behörde ein Verschulden noch seien spezielle wirtschaftliche Gründe zu Gunsten des Klägers zu beachten. Die Klage hiergegen trägt vor, die Beklagte habe durch den Eingang von Beiträgen bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See Kenntnis von den dem Kläger zugeflossenen Entgelten gehabt. Dadurch sei ihr Rückforderungsanspruch verwirkt. Im Übrigen wurden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Hinzuverdienstgrenzen angemeldet. In einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.09.2012 wurde dem Kläger aufge-geben, seine gesamten finanziellen Verhältnisse mitzuteilen, "so dass eine gangbare Lösung gefunden kann". Der Rechtsstreit wurde vertagt. Der Kläger teilte sodann mit, er sehe keine Veranlassung, seine finanziellen Verhältnisse offenzulegen. Ein angekündigter weiterer Schriftsatz traf erst kurz vor dem neuerlichen Termin zur Ver-handlung und Entscheidung ein. Darin wurde vorgetragen, mit den gesetzlichen Melde-pflichten hinsichtlich des erzielten Arbeitsentgelts müssten aus Sicht der Versicherten die Meldepflichten insgesamt als erfüllt gelten. Deshalb sei von einer behördlichen Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen bereits ab Juni 2005 auszugehen. Erneut wurde die Notwendigkeit einer Ermessensausübung behauptet. Hinsichtlich der Kenntnis des Klägers von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen wurde eine Vorwerfbarkeit i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X bestritten. Lediglich durch die Änderung der Auszahlungsmodalitäten des Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien die Hinzuverdienstgrenzen überschritten worden. Eine derartige Differenzierung könne von einem juristischen Laien nicht verlangt werden. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu bedenken, er habe mit einer Beitragszahlung von 700.000 Euro eine Rente von lediglich 1000 Euro erzielt, so dass entspre-chende Nachsicht geboten sei.
Der Kläger beantragt die Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2009.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. § 34 SGB VI lautete zwischen 01.08.2004 und 31.12.2007 auszugsweise:
(1) ...
(2) Anspruch auf eine Rente wegen Alters besteht vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 3 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 3 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Die in Satz 2 genannten Einkünfte werden zusammengerechnet.
(3) Die Hinzuverdienstgrenze beträgt 1. bei einer Rente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, 2. bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von a) einem Drittel der Vollrente das 23,3fache, b) der Hälfte der Vollrente das 17,5fache, c) zwei Dritteln der Vollrente das 11,7fache des aktuellen Rentenwerts (§ 68), vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.
Die Beklagte hatte einen rechtmäßigen Rentenbescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) wegen einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse aufzuheben. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X erlaubt diese Aufhebung auch rückwirkend für die Zeit ab Änderung der Verhältnisse, vorliegend also vom Übergang der unschädlichen in die schädlichen Einkünfte mit 01.03.2005 und bis zur Beendigung der schädlichen Einkünfte mit Jahresende 2007, wenn Gründe aus den Nummern 1. – 4. der Vorschrift vorliegen. Gegenüber dem Kläger kann sich die Beklagte zunächst darauf berufen, dass er im Sinne der Nr. 2 seine Mitwirkungspflichten verletzt hat. Der Einwand, mit der Anmeldung einer Beschäftigung seien auch alle Mitteilungspflichten gegenüber sämtlichen Sozialbehörden erfüllt, ist abwegig. Die Anmeldung einer Beschäftigung führt bekanntlich zu einer automatisierten Einziehung von Beiträgen ohne jede Notwendigkeit des persönlichen Zugriffs irgendeines Behördenmitarbeiters auf das Konto, in dem dieser Beitragseinzug dokumentiert wird. Krankenkassen, Pflegekassen, Kindergeldstellen oder Sozialhilfeträger haben weder die technische Möglichkeit noch die personellen Kapazitäten noch die rechtlichen Befugnisse zum regelmäßigen Einblick in das Beitragskonto eines Rentners oder in die elektronischen Beitragsunterlagen seines Arbeitgebers. Im einzig relevanten wortgetreuen Sinne hat der Kläger auch im Sinne von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Einkünfte erzielt, die nach der materiellen Regelung des § 34 SGB VI die Höhe seiner Altersrente tangierten. Diese Vorschrift fragt nicht nach Jahreseinkünften, sondern erlaubt feststehende Monatsbeträge und deren in der sozialen Wirklichkeit typische zweimalige Verdoppelung pro Jahr unter den Aspekten entweder einer saisonabhängigen Steigerung der Arbeit oder einer Zuwendung jeweils für den Urlaub und zu Weihnachten. Im Sinne der zuverlässigen massenhaften bundeseinheitlichen Beachtung und Anwendung solcher Vorschriften durch die zur Lohnabrechnung berufenen Bediensteten der Arbeitgeber und die zur Kontrolle von Hinzuverdiensten berufenen Bediensteten der Sozial-versicherungsträger kann eine eigenmächtige Saldierung nicht toleriert werden. Der gestalterischen Fantasie wären ansonsten Tür und Tor geöffnet. Mit dem Argument, es sei kein Schaden entstanden, könnte man auch sehr geringe Einkünfte in einem Kalenderjahr mit schädlichen hohen Einkünften im nächsten Kalenderjahr saldieren oder dem hohen Hinzuverdienst eines im Betrieb beschäftigten Rentners die bescheidenen Verdienste eines parallel beschäftigten anderen Rentners entgegenhalten. Gleichermaßen kann sich die Beklagte auf Nr. 4 der Vorschrift berufen, weil der Kläger gewusst hat oder nur grob fahrlässig übersehen konnte, dass eine Steigerung seiner Einkünfte Auswirkungen auf seine Rente bis zum Entfall des Anspruchs haben würde. Die Hinweise in beiden Altersrentenbescheiden waren unmissverständlich; außerdem ist heute Alltagswissen über die Problematik von Hinzuverdiensten bei allen Renten unterhalb der Regelaltersrente vorauszusetzen. Nach § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X hatte die Beklagte für ihre Aufhebung eine Frist von einem Jahr ab Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse einzuhalten. Bei Kenntnisnahme zwischen März und Mai 2008 war diese Frist bei Bescheidserteilung gewahrt. Die wie oben dargestellt stumme automatische Verbuchung von Beiträgen in diesem Falle durch die Rentenversicherung Knappschaft Bahn See erzeugt kein Problembewusstsein bei einem Sachbearbeiter der Deutschen Rentenversicherung Bund. Kenntnis eines solchen Sachbearbeiters ist nicht gleichzusetzen mit einem "Kennenmüssen", das auch nur reichlich lebensfremd als Verpflichtung der Sachbearbeitung definiert werden könnte, in engmaschigen Abständen die Einkommenssituationen aller Bestandsrentner zu überprüfen. Ein öffentlicher Aufschrei gegen Bürokratie und Überwachungsstaat wäre unvermeidlich. Mit der Aufforderung zur Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hat das Gericht das Tor zu der Möglichkeit geöffnet, wegen besonderer sozialer Härten die Ermes-sensausübung in einem atypischen Fall zu diskutieren. Weder vor dieser Aufforderung noch danach hat der Kläger jedoch irgendeinen Hinweis auf eine beispielsweise durch schwere Krankheiten oder Pflegefälle im Familienkreis bedingte besondere Zwangslage gegeben. Weil auch ein behördliches Verschulden nicht zu definieren ist, bleibt die Annahme eines atypischen Falles und eine den Kläger begünstigende Ermessensausübung außer Betracht. Die Rechtsanwendung im Einzelfall kann selbstverständlich keine Rücksicht auf eine vermeintlich negative Gesamtbilanz zwischen Beitragszahlung und Rentenertrag nehmen. Angebracht ist jedoch der Hinweis auf die grundsätzliche Funktion der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich nicht auf eine Geldanlage für den Ruhestand beschränkt. Der Kläger genoss ab dem ersten Tage seiner Beitragszahlung im September 1959 mit 16 Jahren einen Versicherungsschutz für Fälle der Erwerbsminderung, hätte also nach Unfällen oder schicksalhaft gesundheitlichen Entwicklungen umfassende Ansprüche auf Leistungen der beruflichen und medizinischen Rehabilitation oder auf Rente gehabt. Von der Eheschließung bzw. dem Beginn der Elternschaft an erweitert sich der Versicherungsschutz auf den Fall des Todes des Familienernährers. Es liegt auf der Hand, dass Beitragszahler, bei denen die Risiken von Erwerbsminderung und frühem Tod glücklicher-weise nicht eintreten, auch die Leistungen der insoweit belasteten Versicherten mit er-bringen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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