L 11 KA 147/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 213/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 147/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 40/13 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.09.2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des zweiten Rechtszugs. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der als Facharzt für Orthopädie in C niedergelassene und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen einen Regress wegen Überschreitens der Arzneimittelrichtgrößenvolumina in den Quartalen I/2007 bis IV/2007.

Während dieser Zeit, nämlich durch Beschluss des Amtsgerichts (AG) C vom 01.02.2007 - 97 IN 329/06 -, wurde über das Vermögen des auch nachfolgend weiter an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet.

In den Quartalen I/2007 bis IV/2007 behandelte der Kläger zwischen 894 und 948 Patienten und unterschritt damit die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der Orthopäden um 34,85 % bis 38,00 %. Seine Honoraranforderungen überschritten die durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe um 71 % bis 100 %. Beim Sprechstundenbedarf lagen Überschreitungen der durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe um 25,81 % bis 910,31 % vor. Die Heilmittelverordnungen überschritten die Richtgrößensumme um 252,75 %. Bei der Verordnung von Arzneimitteln ergab sich mit einem Verordnungsvolumen von insgesamt 67.863,82 EUR eine Überschreitung der Richtgrößensumme von 38.253,78 EUR um 29.610,04 EUR, entsprechend 77,40 %.

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsstelle) leitete ein Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von Arzneimitteln nach Richtgrößen im Jahr 2007 ein und gewährte dem Kläger im Mai 2009 Gelegenheit zur Stellungnahme und Darlegung von Praxisbesonderheiten. Der Kläger nahm keine Stellung. Die Prüfungsstelle setzte sodann mit Bescheid vom 29.07.2009 gegen den Kläger einen Regress i.H.v. 11.848,28 EUR fest. Dabei brachte sie von Amts wegen nicht zu den Arzneimittelverordnungen gehörende Kosten in Abzug und berücksichtigte zudem Praxisbesonderheiten nach § 5 Abs. 3 und 4 der Vereinbarung über "Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel 2007" (RGV 2007 in Rheinisches Ärzteblatt 1/2007, S. 77 ff) i.H.v. insgesamt 324,85 EUR. Die so auf 66.043,80 EUR reduzierten Arzneiverordnungskosten entsprachen nach der Berechnung der Prüfungsstelle einer Überschreitung der Richtgrößensumme von 72,65 %. Regressiert wurde der über eine 25%ige Überschreitung der Richtgrößensumme hinausgehende Betrag unter Berücksichtigung des Apothekenrabatts und der Patientenzuzahlungen (Nettokostenindex). Von diesem Betrag wurde zu Gunsten des Klägers ein Guthaben abgesetzt.

Der Bescheid der Prüfungsstelle wurde allein dem Kläger per Einschreiben zugesandt. Dieser erhob dagegen ohne Begründung Widerspruch. Mit Schreiben vom 30.11.2009 unterrichtete der Beklagte den Insolvenzverwalter des Klägers u.a. über dieses Verfahren.

Mit Bescheid vom 19.04.2010 (Sitzung vom 24.03.2010) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Er rechnete ebenso wie die Prüfungsstelle Praxisbesonderheiten nach § 5 Abs. 3 und 4 RGV 2007 im Umfang von 324,85 EUR von Amts wegen an. Andere Praxisbesonderheiten berücksichtigte der Beklagte mit der Begründung nicht, der Kläger habe nicht dargelegt bzw. nicht nachgewiesen, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt habe und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden seien.

Der Bescheid wurde sowohl dem Antragsteller als auch dem Insolvenzverwalter zugestellt.

Der Insolvenzverwalter hat am 18.05.2010 Klage erhoben. Nachdem das Insolvenzverfahren durch Beschluss des AG C vom 01.12.2010 aufgehoben worden war, hat der Kläger den Rechtsstreit in eigenem Namen fortgesetzt.

Er hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, der Bescheid des Beklagten sei angesichts des am 01.02.2007 eröffneten Insolvenzverfahrens bereits nichtig. Denn der Beklagte sei im Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht befugt gewesen, die Regressforderung ihm gegenüber durch Verwaltungsakt festzusetzen. Die Befugnisse des Beklagten würden von der Insolvenzordnung (InsO) überlagert. Insolvenzforderungen seien bei dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden. Soweit über eine solche Forderung nicht bereits vor Insolvenzeröffnung ein Verwaltungsakt ergangen sei, dürfe er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Voranmeldung der Forderung zur Tabelle und Prüfung der Forderung nicht ergehen. Darüber hinaus sei der Bescheid auch materiell zu beanstanden, denn der Beklagte habe die ihm seit Jahren aus mehreren Prüfverfahren bekannten Praxisbesonderheiten nicht berücksichtigt. Insbesondere hätte der Beklagte sein umfassendes Vorbringen im ebenfalls am 24.03.2010 von dem Beklagten entschiedenen Verfahren über Heilmittelverordnungsregresse in den Jahren 2006 und 2007 beachten müssen. Seine Praxis sei speziell auf die Behandlung von Schultererkrankungen ausgerichtet. Die meisten Patienten kämen überregional zur ambulanten, operativen Behandlung. Am häufigsten würden Rotatorenmanschettenrupturnahtoperationen durchgeführt. Dies seien überaus aufwendige Operationsverfahren. Die Patienten müssten präoperativ bzw. während der Operation und danach für eine gewisse Zeit verschiedene Medikationen mit antiphlogistischen muskelschmerzhemmenden Medikamenten und Muskelrelaxmitteln erhalten. Diese Medikationsgruppe mache ca. 40 % seiner gesamten Verordnungen aus. Hinzu kämen für die operierten Patienten antikoagulierende Medikamente und in manchen Fällen auch Antibiotika, die nochmal über 10 % des Gesamtverordnungsvolumens ausmachten. Zudem seien im Rahmen der präoperativen Behandlung Infiltrationstherapien mit Scandicain und Celestan mit einem weiteren Anteil von 10% am Verordnungsvolumen erforderlich. Er verweise auf eine beispielhaft erstellte Aufstellung über zehn im Jahr 2007 operierte Patienten. Bei Abzug der sich auf die Schulteroperationen beziehenden Verordnungen von Arzneimitteln werde die Richtgrößensumme sogar unterschritten.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2010 zu verurteilen, über seinen Widerspruch gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 29.07.2009 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, den Insolvenzverwalter über alle Widerspruchsverfahren unterrichtet zu haben, sobald er Kenntnis von dem Insolvenzverfahren erlangte habe. Sein Bescheid vom 19.04.2010 sei sowohl dem Kläger als auch dem Insolvenzverwalter zugestellt worden. Der Bescheid sei weder insolvenzrechtlich noch auch ansonsten materiell-rechtlich zu beanstanden. Das jetzige Vorbringen des Klägers und auch seine eingereichten Stellungnahmen aus anderen Prüfverfahren genügten den Anforderungen an die Darlegung von Praxisbesonderheiten nicht. Ein solcher Vortrag hätte bereits im Widerspruchsverfahren erfolgen müssen. Darüber hinaus sei er im Hinblick auf einen anzuerkennenden Mehrbedarf auch unsubstantiiert. Der Kläger habe im Jahr 2007 zwar 153 Patienten mehr operiert als der Durchschnitt seiner Fachgruppe; Antiphlogistika habe er aber für 868 Patienten verordnet, so dass ein Schluss auf einen durch Praxisbesonderheiten bedingten Mehrbedarf nicht möglich sei. Ein Mehrbedarf für antikoagulierende Medikamente sei im Übrigen bereits von Amts wegen berücksichtigt worden. Auch die auf 10 Patienten gestützte Berechnung des durchschnittlichen Verordnungsvolumens überzeuge nicht. Denn es sei nicht ersichtlich, dass diese 10 Patienten für die 282 Operationspatienten repräsentativ seien. Im Übrigen sei auch nur ein etwaiger Mehrbedarf, aber nicht der Gesamtverordnungsbedarf abzugsfähig.

Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Antrag des Insolvenzverwalters, später des Klägers, hatte keinen Erfolg. Die Beigeladene zu 7) ist jedoch antragsgemäß verpflichtet worden, Honorareinbehalte auf der Grundlage des Bescheides vom 19.04.2010 rückgängig zu machen (Sozialgericht (SG) Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2010 - S 14 KA 410/10 ER - und Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.04.2011 - L 11 K 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -).

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.09.2011 abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig. Dessen Befugnis, einen Regress gegen den Kläger festzusetzen, stünden die Regelungen der InsO nicht entgegen. Der Regress sei auch im Übrigen rechtens; das Vorbringen des Klägers zu Praxisbesonderheiten sei verspätet, aber auch nicht geeignet, Praxisbesonderheiten in der erforderlichen Form darzulegen.

Gegen das am 17.11.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.12.2011 Berufung eingelegt, mit der er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringens vertieft: Der Beklagte sei im Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht berechtigt gewesen, gegen ihn, den Kläger, eine Regressforderung festzustellen. Die Befugnisse des Beklagten seien von der InsO überlagert worden. Insolvenzforderungen hätten beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil er ausschließlich auf ihn, den Kläger, ausgestellt und der Insolvenzverwalter lediglich informiert worden sei. Nach § 35 InsO gehöre zur Insolvenzmasse nicht nur das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zuzuordnen sei, sondern auch das gesamte Vermögen, das er während des Verfahrens erlangt habe. Zur Insolvenzmasse gehörten damit sowohl der Neuerwerb als auch Neuverbindlichkeiten; würden nämlich einerseits die Einkünfte zur Masse gezogen, so gelte dies auch für die Ausgaben. Im Übrigen sei nicht zwischen den zwei unterschiedlichen Zeiträumen, nämlich der Zeit vor und der Zeit nach Insolvenzeröffnung, unterschieden worden. Allein schon aufgrund der sich daraus ergebenden Differenzierungsnotwendigkeit hätten Forderungen für die Zeit vor Insolvenzeröffnung beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen. Im Übrigen habe er wiederholt, so auch in dem Prüfverfahren der Heilmittelverordnungen in den Jahren 2006 und 2007, deutlich auf seine Praxisbesonderheiten und sein besonderes Patientengut hingewiesen. Diese bekannten Praxisbesonderheiten hätte der Beklagte von Amts wegen berücksichtigen müssen. So habe er zwischenzeitlich bei der Prüfungsstelle auch individuelle Richtgrößenvereinbarungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 erreicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.09.2011 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 19.04.2010 zu verurteilen, über den Widerspruch des Kläger gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 29.07.2009 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen.

Er verweist auf die Rechtsprechung des Senats und darauf, dass nicht jedwede Neuverbindlichkeit zur Insolvenzmasse gehöre, sondern nur die zur Erzielung eines vertragsärztlichen Honorars notwendige Ausgabe, wie Miete, Personal u.a ... Das Vorbringen des Klägers zu Praxisbesonderheiten sei verspätet und im Übrigen auch unsubstantiiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten S 14 KA 419/10 ER SG Düsseldorf = L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER LSG Nordrhein-Westfalen, der Insolvenzakten des AG C - 97 IN 329/06 - sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 19.04.2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Beklagte hat gegen den Kläger zutreffend einen Regress i.H.v. 11.848,28 EUR festgesetzt. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:

1.

Gegen die Klagebefugnis des Klägers bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Der Insolvenzverwalter war klagebefugt, weil er geltend machen konnte, durch den Bescheid des Beklagten vom 19.04.2010 (s. dazu 2.) in eigenen Rechten verletzt zu sein. Bei der Prüfung der Frage nach der Klagebefugnis kommt es nicht darauf an, ob die behauptete Rechtsverletzung tatsächlich auch vorliegt. Die Klagebefugnis fehlt nur dann, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann, die Möglichkeit einer Verletzung seiner subjektiven Rechte nicht möglich erscheint (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 11.05.1999 - B 11 AL 45/98 R - und Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 8/06 R -). Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Nach § 80 Abs. 1 InsO verliert der Schuldner, mithin der Kläger, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Dementsprechend kann dem Insolvenzverwalter nicht das Recht abgesprochen werden, sich gegen (auch) ihm zugestellte Bescheide gerichtlich zu Wehr zu setzen, die die Insolvenzmasse zumindest betreffen können. Ob dies letztlich zutrifft, ist allein eine Frage der Begründetheit der Klage. Darüber hinaus wurde zudem offenkundig in die Rechte des Insolvenzverwalters insoweit eingegriffen, als dass die Reglungen des Bescheides des Beklagten unmittelbar durch Verrechnung gegen die zur Insolvenzmasse gehörenden Honorarforderungen aus vertragsärztlicher Tätigkeit des Klägers umgesetzt worden sind (s. das einstweilige Rechtsschutzverfahren S 14 KA 419/10 ER SG Düsseldorf = L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER LSG Nordrhein-Westfalen). Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens stand dem Insolvenzverwalter das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse nicht mehr zu (§ 259 Abs. 1 InsO). Der Kläger wurde damit selbst prozessführungsbefugt (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 07.04.2011 - V ZB 11/10 -). Keine rechtliche Relevanz ist der Überlegung zuzumessen, dass der Kläger bereits selber Klage gegen den Bescheid des Beklagten hätte erheben können.

2.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich der Bescheid des Beklagten vom 19.04.2010, nicht zugleich der Bescheid der Prüfungsstelle. Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfungsstelle (BSG, Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 16/10 R -; Senat, Beschluss vom 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -), so dass es nicht darauf ankommt, ob und ggf. inwieweit der Bescheid der Prüfungsstelle rechtmäßig ist.

3.

Keine durchgreifenden Bedenken gegen die Entscheidung des Beklagten bestehen insoweit, als dass er dahingehend tenoriert hat, dass der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wird. Da der Beschwerdeausschuss mit seiner Anrufung für das streitbefangene Verfahren ausschließlich zuständig wird und seine Entscheidung die der Prüfungsstelle ersetzt (s. 2.), hätte der Beklagte, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, statt den Widerspruch des Klägers zurückzuweisen tenorieren müssen, dass ein Regress gegen den Kläger festgesetzt wird (s. auch Senat, Urteil vom 15.05.2013 - L 11 KA 45/12 -). Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid des Beklagten als rechtmäßig. Ausweislich der Entscheidungsgründe wird hinlänglich deutlich, dass der Beklagte nicht nur den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen, sondern auch einen Regress i.H.v. 11.848,28 EUR festgesetzt hat. Insoweit ist der Bescheidtenor zwar unvollständig. Der Bescheid kann aber nicht aus diesem Grund aufgehoben werden (so schon Senat, Beschluss vom 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER -; Urteil vom 15.05.2013 a.a.O.). Zum Einen ist aus verobjektivierter Adressatensicht ersichtlich, was der Beklagte regeln wollte (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)), nämlich die Zurückweisung des Widerspruchs und die Festsetzung eines Regresses. Zum Anderen ist offensichtlich, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 Satz 1 SGB X).

4.

Der Beklagte war befugt, auch während des noch anhängigen Insolvenzverfahrens dem Kläger persönlich den Bescheid über das Ergebnis der Prüfung seines Verordnungsverhaltens im Jahr 2007 zu erteilen. Die Befugnisse des Beklagten wurden nicht von der InsO überlagert, weil es sich bei dem aus der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2007 resultierenden Regress nicht um eine Insolvenzforderung handelt.

§ 87 InsO schreibt vor, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können. Insolvenzgläubiger sind die persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben; zu deren Befriedigung dient die Insolvenzmasse (§ 38 InsO). Unbeachtlich ist, dass eine solche Forderung ggf. noch nicht fällig ist, denn nach § 41 Abs. 1 InsO gelten nicht fällige Forderungen als fällig. Allerdings muss der Anspruch der Insolvenzgläubiger vor Eröffnung bzw. im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens "begründet" sein (s. § 38 InsO). Das bedeutet nicht, dass die Forderung bereits durchsetzbar gewesen sein muss, wie sich aus §§ 41, 191 InsO ergibt. Erforderlich ist aber, dass vor bzw. im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Grundlage des Schuldverhältnisses besteht, aus dem sich der Anspruch ergibt. Es muss eine etwa einem Anwartschaftsrecht gleichzustellende Rechtsstellung bestehen, die dann anzunehmen ist, "wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag" (BSG, Urteil vom 03.02.2010 - B 6 KA 30/08 R - m.w.N.). Deshalb begründen sog. künftige Ansprüche, bei denen erst ein sog. "Rechtsboden" besteht, keine Insolvenzforderung. Nach Eröffnung "begründete" Ansprüche sind sog. Neuforderungen (Senat, Beschuss vom 13.04.2011 a.a.O.), so dass insoweit auch kein Erfordernis besteht, den Insolvenzverwalter zu beteiligen bzw. Bescheide gegen ihn zu erlassen (so auch Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 01.10.2009 - 15 K 110/09 -).

Um eine solche Neuforderung handelt es sich bei der festgesetzten Regressforderung, denn diese war erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im o.a. Sinn begründet. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dem 01.02.2007, war die Regressforderung in ihrem rechtlichen Kern noch nicht entstanden.

In Präzisierung der Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 13.04.2011 a.a.O. ist bei aus vertragsärztlicher Tätigkeit entstehenden Regressforderungen nach der Rechtsgrundlage der Forderung zu differenzieren. So dürfte z.B. bei unzulässiger Verordnung von von den Krankenkassen bereits vorfinanziertem Sprechstundenbedarf der Regressanspruch bereits mit der unzulässigen Verordnung entstehen, während bei der unzulässigen Verordnung von Arzneimitteln Vieles dafür spricht, die Entstehung des Regressanspruchs auf den Zeitpunkt der Einlösung der Verordnung oder ggf. der Ausgleichung der Apothekenforderung durch die Krankenkassen zu terminieren. Wieder anders ist es bei Regressen, die auf einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten beruhen, weil hier anders als bei unzulässigen Verordnungen nicht eine einzelne konkrete Handlung einen Regressanspruch begründen, sondern Unwirtschaftlichkeit überhaupt erst nach einem längerem Vergleichszeitraum festgestellt werden kann. Gleiches gilt für den vorliegend streitigen Regressanspruch.

Nach § 106 Abs. 2 Satz 5 erster Halbsatz Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind die Prüfungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina für den Zeitraum eines Jahres durchzuführen. Von der Option des § 106 Abs. 2 Satz 5 zweiter Halbsatz SGB V, die Prüfungen unter bestimmten Voraussetzungen für den Zeitraum eines Quartals durchzuführen, haben die Vertragsparteien keinen Gebrauch gemacht. Sie haben in der RGV 2007 einen Prüfzeitraum von einem Kalenderjahr vereinbart und als Vergleichsmaßstab eine auf ein Jahr bezogene Richtgröße zugrunde gelegt. Selbst aber wenn dennoch nur ein Quartal zugrunde zugelegt würde, führte dies vorliegend zu keiner Änderung der Rechtslage, da angesichts des Zeitpunkts der Insolvenzeröffnung ein Regressanspruch auch dann immer erst nach Insolvenzeröffnung entstanden wäre. Angesichts dessen bedarf es vorliegend auch keiner Festlegung des Senats, wann genau nach Insolvenzeröffnung der Regressanspruch entstanden ist. Indes begegnen die Ausführungen des SG keine Bedenken, dass aufgrund des maßgeblichen Anknüpfungspunkts für die Richtgrößenprüfung, nämlich der Festlegung auf ein Kalenderjahr, ein Regressanspruch aufgrund der Verordnungstätigkeit im Jahr 2007 dem Grunde nach frühestens mit Ablauf des 31.12.2007 entstehen konnte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Regelungen des § 35 InsO in der bis zum 31.06.2007 anzuwenden Fassung, nach der das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Zwar fällt danach der Neuerwerb von Vermögen grundsätzlich in die Masse. Bei diesem Neuerwerb handelt es sich aber um Forderungen des Insolvenzschuldners, also des Klägers z.B. gegenüber der Beigeladenen zu 7) auf das nach Insolvenzeröffnung erwirtschaftete vertragsärztliche Honorar, nicht aber um Forderungen von Gläubigern gegen den Insolvenzschuldner. § 35 InsO ist damit nicht einschlägig. Demzufolge richtet sich die Regressfestsetzung nach Insolvenzeröffnung als neue Forderung gegen den Insolvenzschuldner; eine Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle scheidet aus (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Celle, Urteil vom 07.01.2003 - 16 U 156/02 -). Hiervon zu trennen ist die Frage nach der Durchsetzbarkeit der Forderung. Denn die Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse ist für diese Forderungen nicht zulässig, da die Insolvenzmasse dem Zugriff der Neugläubiger entzogen ist. Unberührt bleibt lediglich das vom Insolvenzverfahren nicht erfasste "freie Vermögen" des Schuldners und das Vermögen, das dem Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gehört bzw. welches er erwirbt (vgl. OLG Celle a.a.O.).

Auch das von dem Kläger angeführte Urteil des BGH vom 11.05.2006 - IX ZR 247/03 - führt nicht in seinem Sinne weiter. Aus der Entscheidung ergibt sich entgegen dem Vorbringen des Klägers nämlich nicht der Rechtssatz, dass dann, wenn Einkünfte zur Masse gezogen werden, dies auch für die Ausgaben gilt. Das Urteil des BGH verhält sich vielmehr dazu, dass der in eigener Praxis tätige Vertragsarzt sein Einkommen nicht allein aus der Verwertung seiner Arbeitskraft, sondern aus dem Betrieb der Praxis erzielt und dass aus diesem Grund notwendige Ausgaben entstehen, die vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an von der Masse getragen werden müssen. Diese Auffassung mag zutreffen, ist vorliegend aber ohne Relevanz. Regressverbindlichkeiten aufgrund Überschreitung der Richtgrößenvolumina werden nämlich nicht nur allenfalls - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - gelegentlich der vertragsärztlichen Tätigkeit begründet, sondern sie stellen vor Allem keine notwendigen Ausgaben zur Erzielung von Einnahmen aus dieser Tätigkeit und damit auch keine Masseforderungen bzw. -verbindlichkeiten dar.

5.

Darüber hinaus ist der Bescheid des Beklagten auch materiell nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten, den Kläger auf Grund seiner Arzneiverordnungen wegen Überschreitung der Richtgrößen in Regress zu nehmen, ist § 84 Abs. 6 i.V.m. § 106 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5a Satz 1 SGB V. Nach § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbaren die Gesamtvertragspartner - die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen und die Kassenärztliche Vereinigung (§ 84 Abs. 1 SGB V) - zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach Abs. 1 getroffenen Arzneimittelvereinbarung (Satz 1). Zusätzlich sollen die Vertragspartner die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen (Satz 2). Die Richtgrößen leiten den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Arzneimitteln nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (Satz 3). Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens löst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V unter den dort genannten Voraussetzungen aus (Satz 4). Nach § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 v.H. nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Vertragspartner bestimmen in Vereinbarungen nach Abs. 3 die Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten (§ 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V).

Auf dieser Grundlage haben die Vertragspartner mit Wirkung vom 01.01.2007 die RGV 2007 vereinbart. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RGV 2007 sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Praxisbesonderheiten nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zu berücksichtigen. Abweichend vom üblichen Grundsatz (Absatz 5) obliegt die Beweislast für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten bei den in Absatz 3 und 4 genannten Indikationen nicht dem betreffenden Arzt. § 5 Abs. 5 RGV 2007 enthält schließlich Regelungen zu anderen, nicht von Abs. 3 und 4 erfassten Praxisbesonderheiten. Dabei obliegt dem zu prüfenden Arzt die schlüssige Darlegung dieser Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach (§ 5 Abs. 5 Satz 3 RGV 2007). Schließlich bestimmt § 5 Abs. 6 RGV 2007 u.a., dass der Arzt für Praxisbesonderheiten nach den Absätzen 2, 3 und 4 anzugeben hat, bei welchen Patienten über welche Zeiträume Arzneitherapien aus den betreffenden Indikationsgebieten angewandt wurden. Für vom Arzt gesehene Praxisbesonderheiten im Sinne des Absatzes 5 hat der betreffende Arzt schließlich darzulegen, aufgrund welcher besonderen, der Art und der Anzahl nach von der Typik in der Arztgruppe abweichenden Erkrankungen er welche Arzneitherapien mit welchen (ggf. geschätzten) Mehrkosten je Behandlungsfall veranlasst hat.

Davon ausgehend unterliegt der angefochtene Bescheid des Beklagten keiner Beanstandung. Der Beklagte hat von den Verordnungskosten zunächst nicht zu den Arzneimitteln gehörende Verordnungen (Hilfsmittel und Beschaffungskosten) und sodann, soweit ihm erkenntlich, die Verordnungskosten nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 und 4 RVG 2007 in Abzug gebracht. Weitere Abzüge, insbesondere wegen anderer Praxisbesonderheiten hatte der Beklagte nicht vorzunehmen.

Praxisbesonderheiten sind - ebenso nach den RGV wie nach der Rechtskonkretisierung durch die Rechtsprechung bei Durchschnittsprüfungen (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, 1. Auflage, § 106 SGB V, Rdn. 175) - aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (u.v.a. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn trifft die Darlegungslast (u.v.a. BSG Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -). Es ist also Angelegenheit des Vertragsarztes - und nicht des Beklagten oder des Gerichts -, entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 SGB X allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (u.v.a. BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - m.w.N.).

Die Regelungen des § 5 Abs. 5 und 6 RGV ändern diese von der Rechtsprechung bei Durchschnittsprüfungen entwickelte Rechtskonkretisierung zu Praxisbesonderheiten nicht ab, sondern wiederholen diese nur bzw. erläutern diese (vgl. Clemens a.a.O.; Senat, Urteil vom 09.02.2011 - L 11 KA 38/09 - für RGV 2005), in dem sie u.a. vorgeben:

"Andere Praxisbesonderheiten sind - soweit objektivierbar - zu berücksichtigen, wenn der Arzt nachweist, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt hat und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden. Die Anerkennung als Praxisbesonderheit ist auf die Höhe der hierdurch bedingten Mehrkosten begrenzt. Die schlüssige Darlegung dieser Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach obliegt dem zu prüfenden Arzt." (§ 5 Abs. 5 RGV 2007). "Für vom Arzt gesehene Praxisbesonderheiten im Sinne des Absatzes 5 hat der betreffende Arzt darzulegen, aufgrund welcher besonderen, der Art und der Anzahl nach von der Typik in der Arztgruppe abweichenden Erkrankungen er

- welche Arzneitherapien

- mit welchen (ggf. geschätzten) Mehrkosten je Behandlungsfall veranlasst hat." (§ 5 Abs. 6 Satz 3 RGV 2007).

Diesen Vorgaben genügt das Vorbringen des Klägers nicht einmal ansatzweise. Er ist der ihm obliegenden Darlegungspflicht, der grundsätzlich in dem vor dem Beklagten geführten Verwaltungsverfahren zu genügen ist, überhaupt nicht nachgekommen. Ungeachtet dessen reicht auch sein späteres Vorbringen ebenso wie sein Vorbringen in anderen Prüfverfahren nicht aus.

a)

Die Umstände, die Praxisbesonderheiten begründen sollen, sind im Verfahren vor dem Beklagten vorzutragen. Nachfolgendes Vorbringen im gerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich unerheblich. Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, obwohl es ihm oblegen hätte, diese schon den Prüfgremien gegenüber zu erheben, können unberücksichtigt bleiben, weil der Arzt nicht berechtigt ist, das Prüfverfahren zu unterlaufen und die den Prüfgremien vorbehaltene Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern. Der Arzt ist auf jeden Fall gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R -). Mithin kommt es gerade im Rahmen der Atypik einer Praxisstruktur auf das Vorbringen des Vertragsarztes im Verwaltungsverfahren an. Die vorliegend von dem Kläger im gerichtlichen Verfahren behauptete Praxisbesonderheit der gehäuften Behandlung von Schultererkrankungen und damit verbunden eines erhöhten Arzneimittelverbrauchs ist im Übrigen auch nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung zu erkennen. Ungeachtet, dass das Vorbringen des Klägers weder im gerichtlichen Verfahren noch in dem parallel geführten Verfahren wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Heilmitteln den Vorgaben des bereits o.a. § 5 Abs. 6 Satz 3 RGV 2007 entspricht (s. dazu nachfolgend unter c)), haben der Beklagte und das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass aus der Gegenüberstellung von operierten Patienten und verordneten Antiphlogistika und Antirheumatika bereits wegen inadäquater Zahlen kein Schluss auf einen im Rahmen einer Praxisbesonderheit relevanten Mehrbedarf möglich ist.

b)

Der erst im gerichtlichen Verfahren erfolgte Hinweis des Klägers auf andere Prüfverfahren führt auch nicht weiter. Eine solche Bezugnahme reicht grundsätzlich nicht aus, weil z.B. die für ein Quartal gewonnenen Erkenntnisse für andere Quartale nicht aussagekräftig sind (BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 -). Nichts Anderes gilt auch hinsichtlich des Hinweises des Klägers auf sein Vorbringen in dem auf Heilmittelprüfung im Jahr 2007 geführten Verfahren. Das Verfahren der Heilmittelrichtgröße beruht auf einer eigenständigen Rechtsgrundlage (Vereinbarung über Richtgrößen für Heilmittel 2007, Rheinisches Ärzteblatt 1/2007, S. 86 ff) und bemisst sich anhand anderweitiger Vorgaben. Insofern wäre es Sache des Klägers gewesen, seinen Vortrag entsprechend der Arzneimittelrichtgrößenprüfung zu spezifizieren und im maßgeblichen Verfahren vorzutragen.

c)

Insbesondere aber hat der Kläger hier wie dort ungeachtet des Zeitpunkts seines Vorbringens eine Praxisbesonderheit nicht schlüssig dargelegt.

Wie bereits aufgezeigt, obliegt dem Vertragsarzt die Darlegung, aufgrund welcher besonderen, der Art und der Anzahl nach von der Typik in der Arztgruppe abweichenden Erkrankungen er welche Arzneitherapien mit welchen (ggf. geschätzten) Mehrkosten je Behandlungsfall veranlasst hat.

Das ist dem gesamten Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Sein Vorbringen ist pauschal und lässt sich darauf reduzieren, er habe sich auf die Behandlung von Schultererkrankungen spezialisiert und diese in erhöhtem Umfang durchgeführt. 2007 habe er 282 Operationen, meist Rotatorenmanschettenrupturnahtoperationen, durchgeführt. Präoperativ, während der Operation und postoperativ müsse eine Behandlung mit Arzneimitteln erfolgen, die etwa 60 % seiner Gesamtverordnungskosten ausmachten. Dies beinhaltet aber schon vom Ansatz her nicht die genaue Darlegung, dass und welche besonderen, der Art und der Anzahl nach von der Typik in der Arztgruppe abweichenden Erkrankungen der Kläger behandelt hat, welche Arzneitherapien er im Einzelfall veranlasst hat und insbesondere welche Mehrkosten je Behandlungsfall dadurch entstanden sein sollen. Dementsprechend hat bereits das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass auch der anhand von 10 Patienten angegebene durchschnittliche Bedarf pro Patient während der prä- und postoperativen Behandlung ohne Aussagekraft dafür ist, in welchem Umfang eine Praxisbesonderheit - so sie denn vorläge - überhaupt als Mehrbedarf in Abzug gebracht werden könnte und dass die Anzahl der Verordnungen von Antophlogistika und Antirheumatika nicht mit der Anzahl der Patienten mit endosokopischem Gelenkeingriff in Übereinstimmung zu bringen ist.

d)

Die um Vorabzüge bereinigten Arzneiverordnungskosten für das Jahr 2007 belaufen sich auf insgesamt 66.043,80 EUR und übersteigen somit die Richtgrößensumme um mehr als 25 %. Es errechnet sich ein Bruttoüberschreitungsbetrag von 18.226,57 EUR (66.043,80 - 47.817,23 EUR (Richtgrößensumme + 25% Überschreitung)). Unter Anwendung des günstigsten Nettokostenindexes von 72,48 % ergibt sich ein Regressbetrag von 13.210,62 EUR. Hiervon hat der Beklagte einen weiteren Betrag aus einem Vorverfahren zugunsten des Klägers in Abzug gebracht; dadurch ist der Kläger nicht beschwert. Der Beklagte hat daher mit Bescheid vom 19.04.2010 zutreffend einen Regress i.H.v. 11.848,28 EUR verfügt.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1, 2 VwGO).

Die Revisionszulassung beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Der Senat misst der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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