L 10 U 4406/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 2032/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4406/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.11.2011 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 15.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2010 verurteilt, den Sturz vom 10.11.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des von der Klägerin am 10.11.2009 erlittenen Sturzes als Arbeitsunfall streitig.

Die am 1942 geborene Klägerin ist die Ehefrau des Beigeladenen, der in der S. Altstadt im Ge-bäude H. 24 in einem sog. Ackerbürger-Haus aus dem 17. Jahrhundert das "Rahmen- und Bilder-lädle" betreibt. Die Klägerin ist dort als mithelfende Ehefrau an ca. 100 Tagen jährlich zu je 8 Stunden täglich tätig und - wie der Beigeladene mit gemeldeten 300 Stunden jährlich - bei der Beklagten versichert.

In dem Gebäude befindet sich neben den Geschäftsräumen des Beigeladenen auch die Wohnung der Eheleute. Vom Ladengeschäft im Erdgeschoss ausgehend führt eine Treppe ins 1. Obergeschoss, wo sich eine Werkstatt sowie ein Lager befindet. Über die von hier aus ins 2. Obergeschoss führende Treppe gelangt man zunächst in einen Vorraum (Foyer), an den sich, mit einem Vorhang abgetrennt, die private Wohnung der Eheleute mit Schlafzimmer, kombinier-tem Küchen-, Ess- und Wohnbereich, wo sich in einer Nische auch ein Schreibtisch befindet, an dem geschäftliche Angelegenheiten erledigt werden, sowie der einzigen Toilette (mit Bad) des Hauses anschließt. Über dem 2. Obergeschoss befindet sich die über eine kleine Treppe erreich-bare Bühne, die als Lagerraum für betriebliche, aber auch private Gegenstände dient. Hier befin-det sich auch ein kleiner Dachgarten. Über den unteren Teil der Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss gelangt man darüber hinaus in den sog. "Barn", einen umschlossenen und durch eine Holztüre begehbaren Zwischenstock zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss, der ebenfalls als Lagerraum (Akten, Reinigungsmittel und -geräte, Ersatzteile und Werkzeuge, Dekorations-material für das Geschäft, Staffeleien) genutzt wird und der für einen Teil der Beleuchtungsin-stallation des Ladens (Kabel, Leuchtmittel) den Zugang gewährleistet. Unmittelbar neben der Tür zum "Barn" befindet sich ein im "Barn" auf einem Regalboden nebst Zusatzgerät stehender Monitor, dessen Bildschirm über eine Wandöffnung im Treppenhaus sichtbar ist. Hier werden die Bilder der im Ladenbereich installierten drei Überwachungskameras gezeigt, deren Steue-rungseinrichtung nur nach Betreten des "Barn" zugänglich ist. Diese Einrichtung ermöglicht es, die Verkaufsräume vom 1. Obergeschoss aus, in dem sich die Klägerin überwiegend aufhält, zu überwachen. Der Monitor wird von der Treppe aus täglich ein- bzw. ausgeschaltet. Im gesamten Geschäftsbereich einschließlich des Treppenbereichs bis zum 1. Obergeschoss sowie im Foyer und bis in die Privaträume hinein sind Bilder aufgehängt. Im Bereich des Foyers werden Bilder verschiedener Künstler ausgestellt, die in Kommission verkauft werden. Die Ausstellung bein-haltet jeweils eine Gruppe von mehreren Bildern eines Künstlers, wobei jährlich Bilder von ca. vier Künstlern ausgestellt werden. Kunden, die sich für Werke dieser Künstler interessieren oder auch sonst Interesse an der gesamten Ausstellung bzw. an der Gesamtpräsentation des Hauses zeigen, können bis in das Foyer gelangen, ausgewählte Kunden auch in die Wohnräume. In Aus-nahmefällen steht Kunden auch die in den Privaträumen befindliche Toilette zur Verfügung. Einmal jährlich wird das Haus im Rahmen einer "Kunstnacht" vom Keller bis zum Speicher für alle Besucher geöffnet.

Allabendlich findet ein Kontrollgang statt, bei dem die Geschäftsbeleuchtung ausgeschaltet, die Ladentür kontrolliert, die Heizung reguliert, der Monitor abgeschaltet und kontrolliert wird, ob in der Werkstatt und im "Barn" das Licht gelöscht ist.

Am 10.11.2009 gegen 22:15 Uhr verließ die Klägerin die im 2. Obergeschoss gelegenen Privat-räume mit dem Ziel, in den Geschäftsräumlichkeiten den täglichen Kontrollrundgang, bei dem u.a. die Lichter gelöscht werden, durchzuführen. Dabei stürzte sie auf einer der beiden untersten Stufen der Treppe zwischen dem 2. und 1. Obergeschoss und zog sich eine LWK 1-Fraktur zu.

In seiner Unfallmeldung vom 23.11.2009 gab der Beigeladene an, die Klägerin sei "Beim abend-lichen Kontrollgang aus Privaträumlichkeit kommend, in die Geschäftsräumlichkeiten gehend um dort auch die Lichter zu löschen, von der Treppe gestürzt". In einem Unfallfragebogen der Beklagten gab er darüber hinaus zur Lage der Betriebs- und Wohnräume an, die Betriebsräume befänden sich im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss und die Wohnräume im 2. Obergeschoss. Ausschließlich betrieblich genutzte Räume fänden sich im Wohnbereich nicht. Wohnräume wür-den nicht für betriebliche Zwecke mitverwendet. Im Treppenhaus, Flur oder Hausgang würden Waren oder betrieblichen Zwecken dienende Gegenstände regelmäßig nicht gelagert. Die Treppe würde aus privaten Gründen täglich häufig genutzt und aus betrieblichen Gründen mehrmals täglich.

Mit Bescheid vom 15.12.2009 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Unfalls vom 10.11.2009 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Versicherungsschutz dann, wenn sich Wohnung und Betrieb im selben Gebäude befänden, erst mit dem Betreten der Geschäftsräume beginne. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Klägerin auf der nicht wesentlich betrieblich genutzten und somit zum häuslichen Wirkungskreis gehörenden Treppe zwischen dem 1. und dem 2. Obergeschoss befunden, sodass kein Versicherungsschutz bestehe.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, in ihrem Hause sei eine Trennung von Wohn- und Geschäftsräumen auf Grund der räumlichen Bedingungen nicht möglich. Sowohl in der Wohnetage im 2. Obergeschoss als auch auf der darüber liegenden Bühne befänden sich ge-schäftlich genutzte Räume, die mehrmals am Tag aufgesucht werden müssten (Büro, Lagerräu-me, Ausstellung von Bildern). Auch der sog. Barn, der nur von der Treppe zum 2. Obergeschoss zugänglich sei, werde geschäftlich genutzt (Lagerung von Akten, Reinigungsmitteln und -geräten, Ersatzteilen und Werkzeugen sowie Dekorationsmitteln für das Geschäft). Nur über diesen seien Teile der Ladenbeleuchtung zugänglich, so dass Reparaturen, Leitungsüberprüfun-gen und das Auswechseln von Beleuchtungsmitteln nur über den Barn erfolgen könnten. Auch der Monitor, an dem die Kameras zur Überwachung des Geschäftes angeschlossen seien, sei nur über diese Treppe erreichbar; dieser werde täglich an- und ausgeschaltet. Die Treppe vom 1. zum 2. Obergeschoss werde daher überwiegend geschäftlich genutzt. Die Klägerin legte eine Skizze über die Lage des Barns und des Überwachungsmonitors sowie eine Fotodokumentation über diesen Bereich vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wurde der Widerspruch mit der weiteren Begründung zurückgewiesen, es ergäben sich keine hinreichenden Hinweise, dass der Barn und somit die Treppe wesentlich betrieblichen Zwecken diene. Auch der Umstand, dass sich an der Wand zur Wohnung im 2. Obergeschoss ein Monitor befinde, stütze in einer Gesamt-schau die Annahme nicht, dass der Treppe der Charakter einer wesentlich betrieblich genutzten Räumlichkeit beigemessen werden könne.

Am 01.04.2010 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben und eine wesentliche Nutzung der Treppe zum 2. Obergeschoss zu betrieblichen Zwecken geltend ge-macht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.11.2011 im Wesentlichen mit der Begründung abgewie-sen, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Foyer des 2. Obergeschosses bei einem Tag der offenen Tür Bilder ausgestellt werden bzw. Ausstellungen von Einzelexponaten erfolgten und Kunden bzw. Gäste die Treppe zum 2. Obergeschoss zur Toilettenbenutzung zeit-weise nutzten, liege nur eine gelegentliche und damit nicht wesentliche Nutzung der Treppe für betriebliche Zwecke vor. Auch im Hinblick auf den Barn ergebe sich nichts anderes. Insoweit sei nicht erkennbar, dass dieser verstärkt betrieblich genutzt werde. Entsprechendes ergebe sich bei lebensnaher Betrachtung der Unfallanzeige auch aus der Eigenwahrnehmung des Beigeladenen. Denn insbesondere aus der Formulierung (in die Geschäftsräume gehend) werde das eigene Empfingen deutlich, dass die Treppe zum 2. Obergeschoss gerade kein Teil der Geschäftsräum-lichkeiten darstelle.

Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin am 01.10.2012 zugestellt Urteil hat die Klägerin am 22.10.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Ihres Erachtens habe das SG verkannt, dass bei seiner Wertung in lediglich teilweise genutzten betrieblichen Räumlich-keiten im Ergebnis kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe. Bei einem Wegeunfall sei maßgeblich auf die Zwecksetzung abzustellen. Sie habe ihre Privatwohnung bereits verlassen gehabt und sich zumindest auf dem Weg zu einer betrieblichen Tätigkeit befunden. Ihres Erach-tens habe sie sich jedoch bereits in den Betriebsräumlichkeiten befunden, da sie den rein persön-liche Lebensbereich bereits verlassen gehabt habe. Ungeachtet dessen werde die Treppe zum 2. Obergeschoss auch nur selten für private Zwecke genutzt, denn würde man das Ladengeschäft hinweg denken, würde man üblicherweise in die Wohnung gehen und dort nicht unerhebliche Zeit verbringen, bevor man die Wohnung wieder verlasse. Der häufige Wechsel erfolge gerade auf Grund der besonderen Verbindung der Geschäfts- und Privaträumlichkeiten. Diese Benut-zungsfrequenz verdeutliche, dass die überwiegende Nutzung der Treppe gerade wegen des da-runterliegenden Betriebes erfolge. Ohnehin befänden sich die Privaträumlichkeiten erst hinter dem Foyer, das als permanente Ausstellungsfläche für 10 bis 15 Bilder genutzt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.11.2011 aufzuheben und die Be-klagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.12.2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 18.03.2010 zu verurteilen, den Sturz vom 10.11.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Beigeladene hat keinen Antrag getsellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genom-men.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist in Form der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig.

Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, weil diese im Grunde das Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalles regeln und bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Be-klagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).

Die zulässige Berufung der Klägerin ist auch begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2010 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte es ablehnte, das Ereignis vom 10.11.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Denn bei dem in Rede stehenden Sturz, der bei der Klägerin zu einer LWK-1-Fraktur führte, erlitt sie ei-nen Arbeitsunfall. Das Urteil des SG ist daher ebenso wie die angefochtenen Bescheide aufzuhe-ben; gleichzeitig ist die Beklagte antragsgemäß zu verpflichten, das Vorliegen eines Arbeitsun-falls anzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsun-falls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper ein-wirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist erforderlich (hier-zu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N.), dass das Verhalten des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zu-zurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tä-tigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicher-ten.

Bei dem am Abend des 10.11.2009 auf der Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoß im Ge-bäude H. 24 erlittenen Sturz stand die Klägerin als mitarbeitende Ehegattin (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) im Unternehmen des Beigeladenen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversiche-rung. Die Klägerin befand sich zu diesem Zeitpunkt von den im 2. Obergeschoß des Hauses ge-legenen privaten Wohnräumen kommend auf dem Weg in die im Erdgeschoss und im 1. Oberge-schoß gelegenen Betriebsräume, um dort die allabendliche Kontrolle durchzuführen und u.a. die Lichter zu löschen.

Zweifellos handelt es sich bei den von der Klägerin in den Geschäftsräumen im Erdgeschoß und 1. Obergeschoß beabsichtigten Kontrolltätigkeiten, die die Klägerin im Laufe des Verfahrens dahingehend konkretisiert hat, dass hierzu die Kontrolle der Ladentür, die Regulierung der Hei-zung sowie das Ausschalten des Monitors gehören, um Verrichtungen, die der versicherten Tä-tigkeit der Klägerin als mitarbeitende Ehefrau im "Rahmen- und Bilderlädle" des Beigeladenen zuzurechnen sind. Allerdings verletzte sich die Klägerin nicht bei der unmittelbaren Verrichtung dieser Tätigkeiten. Auch ist nicht festzustellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Sturzes mit der Durchführung der eigentlich beabsichtigten Handlungen bereits begonnen hatte. Denn dass sie vor dem erlittenen Sturz bereits den Monitor ausgeschaltet hatte, hat die Klägerin im Laufe des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zweifelsfrei bestätigt, sondern nur angesichts der Handbewegung, die beim Runtergehen "passe" vermutet. Der Senat geht daher davon aus, dass sich die Klägerin nach dem Verlassen ihrer privaten Wohnräume mit dem Ziel die Betriebsräume im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss aufzusuchen, bei ihrem Sturz auf der Treppe, die das 2. Obergeschoss mit dem 1. Obergeschoss verbindet, erst auf dem Weg zur Ausübung der versicherten Tätigkeiten befand.

Ausgehend davon, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der ver-sicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern eine der versicherten Tätigkeit vor- oder nachgelager-te Tätigkeit ist, hat das Bundessozialgericht (BSG) für die Bestimmung des Beginns und des Endes des Versicherungsschutzes in Abgrenzung zum unversicherten privaten Lebensbereich Wege in dem vom Versicherten bewohnten Haus als nicht vom Versicherungsschutz mitumfasst angesehen und als Grenze die "Außentür des Gebäudes" angesehen. Damit wird der unversicher-te private Bereich sowohl für Wege zu und von der Arbeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als auch für Betriebswege, die Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind, klar von dem von der Unternehmerhaftung erfassten öffentlichen Verkehrsraum abgrenzt (vgl. Urteil vom 12.12.2006, B 2 U 28/05 R).

Allerdings ist diese Grenze in Fallgestaltungen, bei denen sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Gebäude befinden, in dieser Form nicht anwendbar. Denn bei Unfällen auf der versicherten Tätigkeit dienenden Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen rechtfertigt es keinen Unterschied, ob sich die Betriebsstätte in demselben Gebäude wie die Wohnung des Versicherten befindet oder nicht. Für solche Fallgestaltungen, bei denen die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Gebäude liegen, hat das BSG (a.a.O.) Unfälle auf Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen daher als unproblematisch beurteilt und Versicherungsschutz bejaht, wenn diese der versicherten Tätigkeit dienen sollen.

Problematisch stellen sich demgegenüber Konstellationen dar, bei denen sich der Unfall in Räu-men oder auf Treppen ereignet, die weder eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden können. In diesen Fällen setzt die Bejahung von Unfallversicherungsschutz voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles der Teil des Ge-bäudes, in dem sich der Unfall ereignete, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Dabei ist Kriterium für die Wesentlichkeit eine ständige und nicht nur gelegentliche Nut-zung des Unfallorts für betriebliche Zwecke (BSG a.a.O.).

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass dem vorliegenden Sachverhalt eine Fallgestaltung der zuletzt beschriebenen Art zu Grunde liegt. Denn die Treppe, auf der sich der in Rede stehende Sturz ereignete, verbindet im Wohn- und Geschäftshaus des Beigeladenen das 1. Obergeschoss, in dem sich ausschließlich dem Betrieb zuzuordnende Räumlichkeiten (Werk-statt, Lager) befinden, mit dem 2. Obergeschoss, das sein Gepräge zwar durch die dort befindli-chen Privaträumlichkeiten der Eheleute hat, in dem, nämlich im Foyer vor den privaten Wohn-räumen, jedoch auch Bilder verschiedener Künstler ausgestellt werden, so dass diese Etage nicht ausschließlich privat, sondern auch zu betrieblichen Zwecken genutzt wird. Mithin ist der Zugang zum 2. Obergeschoß und damit die Treppe, auf der sich der Unfall ereignete weder eindeutig allein der Privatwohnung der Eheleute noch eindeutig der Betriebsstätte zuzuordnen.

Entsprechend den obigen Darlegungen setzt die Bejahung von Versicherungsschutz daher vo-raus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles der Gebäudeteil, in dem sich der Unfall ereignete, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient, d.h. ständig und nicht nur gelegentlich für betriebliche Zwecke genutzt wird.

Der Senat bejaht dies für die Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss, auf deren unteren beiden Stufen die Klägerin stürzte. Denn angesichts der ständig vorgehaltenen Ausstellung im Foyer des 2. Obergeschosses liegt für diesen räumlichen Bereich eine permanente betriebliche Nutzung vor, so dass auch die Treppe zu diesem Obergeschoss wesentlich für betriebliche Zwe-cke genutzt wird. In diesem Foyer hängt ständig eine Auswahl verschiedener Bilder einzelner Künstler, die interessierten Kunden gezeigt, zum Kauf angeboten und vom Beigeladenen im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts auch verkauft werden. Darüber hinaus dienen die dort ausgestellten und gerahmten Bilder - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar dargelegt hat - auch als Anschauungsmaterial für Kunden, die im Rahmen des Hauptgeschäfts des Beigeladenen insbesondere eine Rahmung von Bildern oder Spiegel wünschen. Da dieses Foyer ausschließlich über die Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss erreichbar ist, dient diese Treppe ständig und damit wesentlich auch betrieblichen Zwecken.

Aus dem Umstand, dass diese Treppe nicht täglich und insbesondere auch nicht mehrfach täglich von Kunden begangen wird, um die Ausstellung im Foyer in Augenschein zu nehmen, sondern - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat - nur zwischen ca. ein- und zehnmal wöchentlich, lässt sich nicht ableiten, dass nur eine gelegentliche Nutzung dieser Treppe zu betrieblichen Zwecken vorliegt. Denn soweit ein Unternehmer im Rahmen des Unternehmenszwecks Räumlichkeiten zu betrieblichen Zwecken nutzt und diese potentiellen Kunden öffnet, kann für die Beurteilung, ob ein Gebäudeteil rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient, nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob der Unternehmer eine hohe oder nur eine geringe Kundenfrequenz erreicht. Denn die Kundenfrequenz hängt neben dem Erfolg des Unternehmers nicht zuletzt auch von Art und Wert der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen ab, so dass aus einer zahlenmäßig geringen Nutzung der den Kunden eines Unternehmens eröffneten Räumlichkeiten nicht auf eine betrieblichen Zwecken nur gelegentlich dienende Nutzung geschlossen werden kann. Entsprechend lässt sich angesichts der Besonder-heit, dass im Foyer Kunstwerke gezeigt und zum Verkauf angebotenen werden, wovon im Re-gelfall nicht breite Bevölkerungskreise, sondern von vornherein nur ein ausgewählter Interessen-tenkreis angesprochen wird, aus der Anzahl der wöchentlichen Begehungen der Treppe durch Kunden nicht auf eine nur gelegentliche Nutzung der Treppe zu betrieblichen Zwecken schließen.

Ob eine wesentliche Nutzung der Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoss zu betrieblichen Zwecken darüber hinaus auch aus der Nutzung des nur über diese Treppe erreichbaren Barns bzw. des sich ebenfalls im Treppenbereich befindlichen Monitors abgeleitet werden kann, kann bei dieser Sachlage hingestellt bleiben.

Angesichts der somit zu bejahenden wesentlichen Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwe-cke, stand die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Sturzes unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall-versicherung, weshalb sie einen Arbeitsunfall erlitt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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