L 3 R 485/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 1041/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 485/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Oktober 2012 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Mai 2012 angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 135.933,26 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Sache über eine Beitragsnachforderung in Höhe von 543.733,05 EUR für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 unter dem Gesichtspunkt des "equal pay" für Leiharbeitnehmer.

Bei der Antragstellerin, im Folgenden: Ast., handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die zu 100 Prozent ein Tochterunternehmen der H. AG - I. W. ist, deren Aktionäre private Unternehmen sowie mehrere Landkreise des Landes S.-A. sind. Die Ast. wurde im Wesentlichen mit dem Ziel der Integration von Arbeitsuchenden in den Arbeitsmarkt gegründet und verfügt seit Juni 2005 über die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (§§ 1, 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG). Das Unternehmen der Ast. entlieh im Zeitraum Dezember 2005 bis Dezember 2009 an insgesamt 229 Entleiher 1078 Mitarbeiter aus 64 Berufsgruppen. Vor dem hier maßgebenden Verwaltungsverfahren sind für den Prüfzeitraum vom 4. Juni 2005 bis zum 31. Dezember 2007 Betriebsprüfungen mit stichprobenweise durchgeführten Prüfungen und dem Ergebnis geringfügiger Beitragsnachforderungen von der Antragsgegnerin, im Folgenden: Ag., durchgeführt worden; der bestandskräftige Bescheid vom 8. Dezember 2008 enthält Feststellungen für den Zeitraum vom 4. Juni 2005 bis zum 31. Dezember 2007 und ist nicht mit einem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Änderung versehen. Auf Bl. 48 bis 50 und 53 bis 60 Bd. I der Gerichtsakten wird bezüglich der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Unwirksamkeit der mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) geschlossenen Tarifverträge (- 1 ABR 19/10 - BAGE 136, 320ff.) fest, wobei die Ast. dem für die Arbeitgeber an dem Tarifabschluss beteiligten Arbeitgeberverband der Mittelständigen Personaldienstleister nicht angehört. Die Ast. hat mit Schreiben an die Ag. vom 30. Mai 2011 nachfolgend zunächst auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen für Beitrags- bzw. Meldekorrekturen hingewiesen. Dem Wunsch nach einer Fristverlängerung (bis zum 31. Juli 2011) kam die Ag. mit Schreiben vom 15. Juni 2011 nach und erteilte der Ast. gleichzeitig Auflagen in Bezug auf die notwendigen individuell-konkreten bzw. arbeitgeberspezifischen Ermittlungen der für die Beiträge maßgebenden Löhne.

Mit Schreiben vom 30. Juni und 27. September 2011 kündigte die Ag. eine Betriebsprüfung bei der Ast. am 5. Juli 2011 bzw. deren Fortsetzung am 5. Oktober 2011 an. Aufgrund der Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge seien die equal-pay-Ansprüche der betroffenen Beschäftigten aus § 10 Abs. 4 AÜG als Bemessungsgrundlage für die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen. Die Ast. sei verpflichtet, auf der Grundlage der equal-pay-Ansprüche der von ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer Beiträge nachzuzahlen, entsprechende Entgeltmeldungen nach § 28a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) abzugeben und konkrete Lohnnachweise beim Träger der Unfallversicherung einzureichen. Die Prüfung erstrecke sich auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007, da im Rahmen der insoweit vorausgegangenen Betriebsprüfung Sachverhalte unzutreffend beurteilt worden seien. Zur Einsicht sollten im Einzelnen genannte Unterlagen bereit gehalten werden, insbesondere Unterlagen über "Leiharbeitnehmer, über Entsendung und Einstrahlung, Werkverträge". Den aktenkundig gewordenen nachfolgenden Gesprächsvermerken ist zu entnehmen, dass die Ast. den Wunsch nach einer Pauschalregelung ohne Bezugnahme auf die einzelnen Arbeitnehmer äußerte. In den von der Ast. an die Ag. übersandten Abrechnungsübersichten wurden prozentuale Entgeltdifferenzen genannt. Der Ast. wurde aufgegeben, selbst mit den Entleihunternehmen den Gesichtspunkt des equal pay zu klären. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2011 teilte die Ag. der Ast. mit, im Verlauf der bisherigen Betriebsprüfung sei festzustellen, dass für die Kalenderjahre 2008 und 2009 die Ermittlung der Arbeitsentgelte unter dem Gesichtspunkt des equal pay "aus bestimmten Gründen" nur unter Berücksichtigung einer Pauschale (der 24-Prozent- bzw. der 27-Prozent-Methode) durchgeführt werden könne. Demzufolge würden gemäß § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV die Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen eines "Summenbeitragsbescheides" nachgefordert. In Bezug auf arbeitnehmerbezogene Feststellungen sind in der Verwaltungsakte drei Arbeitsverträge der Ast. mit J.H., D.H. und V.B. vom 1. September 2005, 9. Februar und 6. Juni 2006 enthalten. In Bezug auf die Vertragsgrundlagen lautet § 1 in diesen Arbeitsverträgen:

"Die Branchentarifverträge (Manteltarifvertrag, Beschäftigungssicherungstarifvertrag, Entgelt- sowie Entgeltrahmentarifvertrag) zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband der Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) gelten in der jeweils gültigen Fassung für das Arbeitsverhältnis.

Mitarbeitern, welchen die Tarifgebundenheit fehlt, werden den tarifgebundenen Mitarbeitern gleichgestellt. Diese Zusage verliert ihre Wirkung für den Fall des Endes oder einer Änderung der Tarifgebundenheit für die Firma.

Neben den Branchentarifverträgen gelten die gesetzlichen Regelungen sowie die des Arbeitvertrages."

In § 2 der Arbeitsverträge werden jeweils eine Tätigkeit (hier: Fachhelfer für J.H. (Entgeltgruppe E 2), "Maschinenbediener" für D.H. und V.B. (jeweils Entgeltgruppe E 3)) und ein Bruttostundenlohn (6,17 EUR für J.H. und jeweils 6,50 EUR für D.H. und V.B.) genannt. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit ist jeweils auf 35 Stunden festgelegt. Der Lohn wird auf der Basis eines Arbeitszeitkontos verstetigt. Im Übrigen wird auf Bl. 42 bis 47 der Verwaltungsakte zu den Einzelheiten der Arbeitsverträge Bezug genommen. Nach ihren Angaben wandte die Ast. bis zum 31. Dezember 2010 die vorgenannten Bezugnahmeklausel in sämtlichen Arbeitsverträgen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung an, entlohnte die Arbeitnehmer nach Maßgabe dieser arbeitsvertraglichen Regelungen und führte auf der Grundlage dieses Arbeitsentgeltes Beiträge zur Sozialversicherung ab.

Die Ag. erließ nach Anhörung der Ast. mit Schreiben vom 10. Februar 2012 den Nachforderungsbescheid vom 8. Mai 2012, in dem für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 543.733,05 EUR festgestellt wird. Bei der stichprobenweise durchgeführten Prüfung seien Beitragsansprüche auf Grund der Unwirksamkeit des angewandten Tarifvertrages festgestellt worden (§ 10 Abs. 4 AÜG i.V.m. § 22 SGB IV). Aus der Auswertung des Prüfberichtes über die Lohnsteueraußenprüfung durch das Finanzamt W. vom 8. Juli 2010 für den Prüfzeitraum vom 1. Juni 2005 bis zum 30. November 2009 ergäben sich keine Beitragsnachforderungen. Indes könnten die Leiharbeitnehmer hier nach Feststellung der Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte das Entstehungsprinzip, sodass Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt sei. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch nicht durchsetze oder nicht durchsetzen könne - z.B. auf Grund tarifvertraglicher Ausschlussfristen - bleibe der Beitragsanspruch hiervon unberührt. Die Rechtsgrundsätze zum fehlerhaften Arbeits- bzw. Tarifvertrag seien auf den hier streitigen Sachverhalt nicht übertragbar, da die Leiharbeitnehmer schutzwürdig und mit den Beschäftigten des Entleihers gleichzubehandeln seien. Es seien hier Beiträge zur Sozialversicherung auf der Grundlage der Differenz zwischen dem von der Ast. gemeldeten und verbeitragten Arbeitsentgelt und dem vergleichbaren Arbeitsentgelt eines Stammarbeitnehmers in dem jeweiligen Entleihbetrieb und Überlassungszeitraum für jeden Arbeitnehmer individuell nachzuerheben. Die Feststellung der Nachforderung erfolge auf Grund einer Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV im Rahmen des "Summenbeitragsbescheides". Vorliegend seien zwar die Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen, jedoch sei die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Beiträge seien auf der Grundlage der durchschnittlichen Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben in Höhe von 24 Prozent "im Wesentlichen" auf der Grundlage einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 14. April 2011 berechnet worden. Unter Bereinigung und Berücksichtigung von Zulagen sei eine so genannte "27-Prozent-Methode" angewendet worden. Nach der IAB-Studie seien im Ergebnis Lohndifferenzen für Dezember 2005 von 12,33 Prozent sowie für die Jahre 2006 von 13,13 Prozent, 2007 von 19,06 Prozent, 2008 von 19,62 Prozent und 2009 von 20,66 Prozent der Beitragsnachforderung zugrunde gelegt worden. Die Ast. habe bestätigt, dass die pauschalisierte 24-Prozent- bzw. 27-Prozent-Methode in ihrem Fall die einzig vertretbare Berechnungsmethode darstelle. Die Beitragsansprüche verjährten hier erst mit Ablauf von 30 Jahren. Ein Vertrauensschutz der Ast. habe mangels einer Wirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge grundsätzlich nicht begründet werden können. Nach den Anlagen werden alle Beiträge ohne Personenbezug der nach der Betriebsnummer der Ast. für nicht gemeldete Arbeitnehmer zuständigen AOK S.-A. als Einzugstelle zugeordnet.

Zur Begründung ihres am 11. Juni 2012 eingelegten Widerspruchs, mit dem sie gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides beantragte, verwies die Ast. auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage. Ein weiterer Lohnanspruch der betroffenen Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt des equal pay werde grundsätzlich bestritten. Im Übrigen stehe der Beitragsnachforderung der Vertrauensschutz nach bereits für denselben Zeitraum durchgeführten Betriebsprüfungen entgegen. Weitere Beitragsansprüche seien im Übrigen verjährt.

Am 3. Juli 2012 hat die Ast. im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Magdeburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Ag. vom 8. Mai 2012 beantragt. Sie hat in Ergänzung ihres Widerspruchsvorbringens auf die durch die Unzulässigkeit des nachträglichen Abzugs der Beitragsanteile der Beschäftigten (§ 28g SGB IV) [gemeint ist § 28g Satz 3 SGB IV] unverhältnismäßige Belastung vor dem Hintergrund der erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Rechtsprechung des BAG hingewiesen. Die Durchsetzung der Beitragsforderung bedeute für sie eine unbillige Härte. Sie hat hierzu auf eine ihr Unternehmen betreffende Fortbestehensprognose vom 11. Mai 2012 verwiesen; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 85 bis 103 Bd. I der Gerichtsakten verwiesen. Das Unternehmen erfülle nach Feststellung der Bundesagentur für Arbeit die Voraussetzungen der Gewährung von Kurzarbeitergeld für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2012.

Die von der Ag. mit Schreiben vom 10. August 2012 angebotene Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung (mindestens in Höhe der noch nicht beglichenen Beitragsforderungen) ist an der von der Ast. angeführten fehlenden Grundlage für die geforderten Sicherheitsleistungen gescheitert.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 9. Oktober 2012 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lägen nicht vor, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Bezug auf Grund und Höhe der Beitragsnachforderung. Nach den Entscheidungen des BAG vom 22. und 23. Mai 2012 (Entscheidungen vom 23. Mai 2012 - 1 AZB 58/11 - und - 1 AZB 67/11 -, jeweils juris) sei die CGZP auch im zeitlichen Geltungsbereich vor 2009 nicht tariffähig gewesen. Die Ast. könne sich gegen die Beitragsnachforderung nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Tarifunfähigkeit der CGZP seien bereits im Jahr 2009 ergangen. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung werde nach dem Urteil des BAG vom 15. November 2006 (- 10 AZR 665/05 - BAGE 120, 182ff.) im Übrigen grundsätzlich nicht geschützt. Die Beitragsforderungen seien hier nicht verjährt, da die (30-jährige) Verjährung erst mit der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 (a.a.O.) in Lauf gesetzt worden sei. Die für den Vollzug der Beitragsnachforderung - die zum Zeitpunkt der Entscheidung in Höhe von 393.733,05 EUR noch nicht gezahlt worden sei - glaubhaft gemachte drohende Zahlungsunfähigkeit der Ast. sei hier auf Grund eines überwiegenden öffentlichen Interesses hinzunehmen.

Gegen den ihr am 22. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 19. November 2012 die Beschwerde bei dem Sozialgericht eingelegt, die am 11. Dezember 2012 bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingegangen ist. Zur Begründung hat die Ast. im Wesentlichen ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Eine Grundlage für eine Beitragsnachforderung ergebe sich aus der neuen Rechtsprechung des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP nicht, da diese nur eine Wirkung ex nunc entfalte. Eine Rückabwicklung unwirksamer Tarifverträge finde (auch unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes) nicht statt, sodass durch die für die Vergangenheit als wirksam zu behandelnden Tarifverträge der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG, d.h. insbesondere equal-pay-Ansprüche, wirksam verdrängt werde. Die Rechtswidrigkeit beruhe auf den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Rückwirkung von Gesetzen und den Beschränkungen für eine Rücknahme bestandskräftiger Bescheide nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Die Verwaltungsaktqualität der Bescheide über das Ergebnis von Betriebsprüfungen ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Für die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 44 ff. SGB X komme es nicht auf den Schutzzweck der materiellen Regelungen an, die Grundlage des ursprünglichen Verwaltungsaktes gewesen seien. Seit Erteilung der Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung sei die Bezugnahme auf die mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge bekannt gewesen und auch nachfolgend von der Bundesagentur für Arbeit nicht beanstandet worden. Auch die Ag. habe im Rahmen der mit den Bescheiden vom 8. Dezember 2008 abgeschlossenen Betriebsprüfung eine Frage der Beitragspflicht unter dem Gesichtspunkt des equal pay bei einer Unwirksamkeit der Tarifverträge mit der CGZP nicht zum Gegenstand der Schlussbesprechung gemacht. Auf die Frage, ob in den Bescheiden vom 8. Dezember 2008 - die zum einen die Ast. und zum anderen eine andere Tochter der H. AG betreffen - auf eine "stichprobenweise" durchgeführte Prüfung verwiesen werde, komme es hier nicht an, da zumindest ein Arbeitsvertrag bei der Prüfung den maßgebenden Sachverhalt habe erkennen lassen. Auch soweit das Sozialgericht auf die Beanstandung der Tarifverträge durch die Rechtsprechung der Instanzgerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit verwiesen habe, spreche dies vielmehr für ihren Vertrauensschutz, da diese Rechtsprechung von der Ag. nicht im Rahmen eines Vorbehaltes umgesetzt worden sei. Zum maßgebenden Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide vom 8. Dezember 2008 habe sie, die Ast., keine Zweifel an der Wirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge gehabt. Die Frage der Tariffähigkeit bzw. Tarifunfähigkeit der CGZP und deren Folgen seien nach wie vor in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das BAG habe nach eigenem Bekunden mit der Entscheidung vom 14. Dezember 2010 (a.a.O.) nicht an die frühere Rechtsprechung zur Frage der Tariffähigkeit von Spitzenorganisationen angeknüpft. Soweit die Instanzrechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit vom BAG bestätigt worden sei, sei dies nur im Ergebnis, d.h. auf einer anderen rechtlichen Grundlage, erfolgt. Das LSG Schleswig-Holstein habe noch mit Beschluss vom 20. April 2012 (- L 5 KR 9/12 B ER - juris) auf die noch nicht abschließend geklärte Rechtslage verwiesen. Die vom SG in Bezug genommene Entscheidung des BAG vom 15. November 2006 (a.a.O.) über einen nicht geschützten guten Glauben in die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, weil im dortigen Verfahren die Tarifunfähigkeit der Gewerkschaft nicht mehr streitig und eine Rückabwicklung von bereits begründeten Rechtspositionen nicht erforderlich gewesen sei. Einer Zahlungspflicht auf die Beitragsnachforderung stehe hier die erhobene Einrede der Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entgegen. In Bezug auf den Lauf der Verjährung komme es auf ein subjektives Element, insbesondere die Kenntnis des Beschlusses des BAG vom 14. Dezember 2010 (a.a.O.), nicht an. Die vierjährige Verjährung sei zumindest in Bezug auf den Prüfzeitraum bis zum 31. Dezember 2006 zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 8. Mai 2012 abgelaufen gewesen. Für ein Eingreifen der 30-jährigen Verjährung fehle es an der Bedingung des Vorsatzes. Insbesondere habe sie die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen in zutreffender Höhe nicht billigend in Kauf genommen. Die Vollziehung des Bescheides vom 8. Mai 2012 ohne Stundungsmöglichkeiten würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu ihrer, der Ast., Insolvenz als unbillige Härte führen: ihr Aufschubinteresse überwiege gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung, da die wirtschaftliche Lage des eigenen Unternehmens sehr angespannt sei und ein Abbau von Arbeitsplätzen drohe. Ob die im November 2012 mit der AOK S.-A. geschlossene Stundungsvereinbarung ausreichend sie, um ihre, der Ast., Liquidität ausreichend zu sichern, sei äußerst fraglich.

Die Ast. beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Magdeburg vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Ag. vom 8. Mai 2012 anzuordnen.

Die Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Die Ast. könne sich nicht auf beanstandungsfreie frühere Betriebsprüfungen berufen, da die nur stichprobenweise Überprüfung von Betrieben in § 11 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Beitragsverfahrensordnung - BVV) ihre Grundlage finde und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt worden sei (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Die im Rahmen der Betriebsprüfungen erstellten Prüfberichte und erlassenen Bescheide bezweckten keinen Schutz des Arbeitgebers. Vorliegend habe sich der Sachverhalt seit der vorausgegangenen Betriebsprüfung geändert. Einen Vertrauensschutz der Ast. unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben stehe hier die Voraussehbarkeit der höheren Lohnansprüche der Beschäftigten entgegen. Schon seit 2003 sei die Tariffähigkeit der CGZP in der Fachpresse umstritten gewesen. Die Rechtsgrundsätze zum fehlerhaften Arbeits- oder Tarifvertrag seien aufgrund der durch das AÜG gewährleisteten Schutzwürdigkeit der Leiharbeitnehmer hier nicht übertragbar. In Bezug auf die Folgen der Unwirksamkeit der Tarifverträge seien insoweit allein die für den Arbeitnehmer günstigeren höheren Vergütungsansprüche maßgebend. Eine Verjährung der Beitragsansprüche sei hier nicht eingetreten, da zumindest mit der Bekanntgabe der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 (a.a.O.) von einem bedingten Vorsatz der Ast. im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auszugehen sei. Aus der mit der Unwirksamkeit der den equal-pay-Anspruch vermeintlich verdrängenden Tarifverträge entstandenen Kenntnis höherer Lohnansprüche der betroffenen Arbeitgeber folge die Kenntnis höherer Beitragsansprüche. Eine vorgehend fehlerhafte Würdigung der Rechtslage begründe im Übrigen nur einen unbeachtlichen Rechtsirrtum. Soweit der Berichterstatter mit Richterbrief vom 4. April 2013 auf die fragliche Sachverhaltsfeststellung und die Problematik der Beitragsschätzung hingewiesen habe, verbleibe es bei ihrer Rechtsauffassung, dass hier ein Lohnsummenbescheid auch auf der Grundlage der Studien des IAB habe erlassen werden können (Hinweis auf Sächsisches LSG, Beschlüsse vom 22. März 2013 - L 1 KR 14/13 B ER - und - L 1 KR 15/13 B ER -, jeweils juris). Eine unbillige Härte liege hier durch eine Vollziehung der Beitragsnachforderung nicht vor, da der Ast. verschiedene Möglichkeiten offen stünden, die belastende Wirkung abzumildern.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde der Ast. ist zulässig und begründet.

Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen den Bescheid der Ag. vom 8. Mai 2012 zu Unrecht verneint.

Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. liegen hier vor, da sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als derzeit rechtswidrig darstellt.

Im Rahmen der Betriebsprüfung konnte die Ag. gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV über die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung der Arbeitnehmer der Ast. durch Verwaltungsakt entscheiden. Die Ast. steht bei summarischer Prüfung hier in der für die Beitragspflicht maßgebenden Arbeitgeberstellung. Dabei ist Arbeitgeber derjenige, dem der Anspruch auf die von einem Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (so BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 KR 10/09 R - juris, RdNr. 18). Da derzeit keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung durch die Ast. an die Entleiher vorliegen, standen die betroffenen Arbeitsnehmer hier in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Ast. Damit ist diese gleichzeitig Arbeitgeberin im Sinne der Beitragspflicht.

Grundsätzlich bemisst sich das den Beiträgen zur Sozialversicherung zugrunde zu liegenden Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV nach der Vergütung, die dem Arbeitnehmer vertraglich geschuldet ist (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 7/04 R - SozR 4-2400 § 22 Nr. 1). Die Frage einer Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die nachträgliche Feststellung der Unwirksamkeit eines den equal-pay-Anspruch vermeintlich verdrängenden Tarifvertrages ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt und kann im Rahmen der summarischen Prüfung hier nicht abschließend entschieden werden. Insoweit ist bereits die Gesetzeslage komplexer als dies von den Beteiligten dargestellt wird.

Unwirksam sind nach § 9 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 1 AÜG in der vom 1. Januar 2004 bis zum 29. April 2011 geltenden Fassung auch Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen; dies gilt nicht, wenn der Verleiher dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat, gewährt. Bei einem Unternehmen, dessen Zweck im Wesentlichen die Vermittlung von Arbeitslosen ist, würde die Feststellung eines equal-pay-Anspruchs entsprechend insbesondere voraussetzen, dass für die betroffenen Arbeitnehmer kein oder kein im Verhältnis zum Lohn höherer Vorbezug von Arbeitslosengeld bestand. In Bezug auf die Frage der Folgen der Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen Tarifverträge regelt § 10 Abs. 4 AÜG in der vom 1. Januar 2003 bis zum 29. April 2011 geltenden Fassung, dass der Leiharbeitnehmer (nur) im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen kann. Für die weiteren Folgen der Unwirksamkeit des Tarifvertrages mit der CGZP dürfte, entgegen der Auffassung der Ast., nach Maßgabe der Regelungen in § 10 Abs. 1 AÜG über die Arbeitszeit etc. eine Abgrenzung der weitergeltenden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses zu den rückwirkend neu festzustellenden Bedingungen möglich sein. Die nur deklaratorische Wirkung der Feststellung der fehlenden Tariffähigkeit durch die Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2006, a.a.O.) dürfte insoweit auf Grund der spezielleren Regelungen im AÜG nicht ohne Weiteres zu einer vollständigen Neufestlegung der Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers führen.

Grundsätzlich vermittelt der Abschluss einer Betriebsprüfung durch Verwaltungsakt eine geschützte Rechtsposition. Dabei dürfte dieser Verwaltungsakt auch insoweit begünstigend sein, als dem Arbeitgeber testiert wird, dass er keine bzw. keine höheren Beitragsnachforderungen schuldet. Ob der Senat sich im Übrigen der Rechtsauffassung anschließt, dass bestandskräftige nicht mit einem Vorbehalt einer späteren Korrektur versehene Bescheide über das Ergebnis von Betriebsprüfungen nur nach Maßgabe der §§ 45 oder 48 SGB X zu Lasten des Arbeitgebers geändert werden können (vgl. z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Januar 2011 - L 5 R 752/08 - juris; Rittweger, DB 2011, 2147 (2149)), ist im Rahmen der Prüfung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. hier nicht abschließend zu klären. Auch im Rahmen einer Anwendung der strengen Regelungen über die Rücknahme oder Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte bliebe Raum für den Erlass eines Nachforderungsbescheides. Insoweit ist der Ag. Gelegenheit zur Berücksichtigung des Vorbringens der Ast. auch im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens zu geben. Insbesondere die Ermessensentscheidung im Rahmen einer Prüfung der Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 45 SGB X kann der Senat im einstweiligen Rechtsschutz nicht vorwegnehmen. Im Übrigen überschneidet sich der im vorliegenden Verfahren maßgebende Prüfzeitraum nur in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2007 mit dem von dem Bescheid vom 8. Dezember 2008 erfassten Prüfzeitraum.

Zu der Frage einer Verjährung der streitigen Beitragsforderungen kann hier derzeit der konkrete Ablauf des Beitragsverfahrens nicht beurteilt werden, da die Verwaltungsakte in Bezug auf die Einleitung des Verfahrens durch die Ag. nicht vollständig und auch nach dem entsprechenden Hinweis des Berichterstatters mit Richterbrief vom 4. April 2013 nicht vervollständigt worden ist. Damit kann insbesondere eine Hemmung einer Verjährung hier nicht abschließend geprüft werden. Die Ag. selbst hat ihren Feststellungen wohl eine vierjährige Verjährung zugrunde gelegt, ausgehend von der Verlautbarung des Beschlusses des BAG am 14. Dezember 2010 (a.a.O.). In Bezug auf die Veröffentlichung der vorgenannten Entscheidung des BAG besteht hier die Besonderheit, dass der Pressemitteilung Nr. 93/10 des BAG vom 14. Dezember 2010 die vollständige Entscheidung mit Gründen zu entnehmen war (die a.A. zum Ablauf der vierjährigen Verjährung auf die "fehlenden Urteilsgründe" stützend: Lützeler/Bissels, DB 2011, 1636, 1637). Die Frage eines billigenden In-Kauf-Nehmens einer zu niedrigen Entlohnung der betroffenen Arbeitnehmer als Grundlage einer 30-jährigen Verjährung würde zunächst eine vollständige Ermittlung des Sachverhalts voraussetzen.

Ernstliche Zweifel in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des angefochten Bescheides ergeben sich zumindest in Bezug auf die Anwendung des § 28f Abs. 2 SGB IV auf den vorliegenden Sachverhalt. Unabhängig von der zwischen den Beteiligten und in der Rechtsprechung diskutierten Frage der Anwendung von §§ 44 ff. SGB X kann eine mit einer konkreten Beitragsforderung abgeschlossene Betriebsprüfung nur in besonderen Fällen durch eine Schätzung erneut aufgegriffen werden, da eine Abgrenzung zwischen den jeweiligen Feststellungen auf dieser Grundlage nicht möglich ist (vgl. im Ergebnis wie hier LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. November 2012 - L 11 R 3954/12 ER-B - juris). Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Rentenversicherungsträger den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn der Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Soweit der prüfende Träger der Rentenversicherung die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen; dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mitzuberücksichtigen (a.a.O. Satz 3 und 4). Neben der unzureichenden Lage der Unterlagen setzt diese Regelung eine Kausalität dieses Verstoßes gegen die Obliegenheiten des Arbeitgebers mit der nicht geklärten Beitragsgrundlage voraus (vgl. hierzu Brand, NZS 2013, 641, 645). Ungeklärt ist insoweit bisher, auf welchen Zeitpunkt in Bezug auf die unzureichenden Unterlagen abzustellen ist. Bei einer die rechtlichen Rahmenbedingungen später konkretisierenden Rechtsprechung wird insoweit kaum auf die bei der vorausgegangenen Betriebsprüfung unbeanstandet gebliebene Aktenlage abgestellt werden können. Im vorliegenden Fall ist die Ag. von der arbeitnehmerbezogenen Einzelfeststellung selbst abgerückt, sodass sie der Ast. nicht entgegenhalten kann, keine weiteren Unterlagen in Bezug auf die jeweiligen Entleihunternehmen vorgelegt zu haben. Im Übrigen hat nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV der prüfende Träger der Rentenversicherung einen so genannten Summenbeitragsbescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- oder Beitragspflicht oder Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden. Diese Regelung wird einer Beitragsfeststellung entgegen stehen, die die bereits für betroffene Arbeitnehmer vorausgehend gemeldete Beitragsgrundlage vollständig außer Acht lässt. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Zuordnung der geforderten Beiträge zu der für nicht angemeldete Arbeitnehmer zuständigen Einzugstelle erheblichen Bedenken. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen benachteiligen sowohl die von den Arbeitnehmern gewählten Krankenkassen als auch die Arbeitnehmer selbst zumindest in Bezug auf ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der letztgenannte Gesichtspunkt drängt sich insbesondere vor dem Hintergrund auf, dass die Rechtsprechung des BAG gerade einer Schlechterstellung der Leiharbeitnehmer entgegenwirken soll, die durch die nicht arbeitnehmerbezogene Beitragszahlung fortgesetzt würde. Auch die Ag. hat wiederholt diesen Gesichtspunkt als gegenüber dem Vertrauensschutz der Ast. vorrangig hervorgehoben. Der Senat ist der Auffassung, dass die arbeitnehmerbezogene oder bei zumindest auf einer Hochrechnung von Einzelfallfeststellungen beruhende Beitragsfeststellung (vgl. hierzu die Beispiele bei Lützeler/Bissels, a.a.O. S. 1636) der Ag. nach dem aktuellen Sachstand nicht unzumutbar ist und damit unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen diese nicht mit einem "unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand" verbunden sind. Die Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer mit Stammbeschäftigten im Einzelfall bedarf ggf. einer Einschätzung, die hier nicht von der Ast. ersetzt werden könnte und im Übrigen der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Soweit die Ast. auf eine unzureichende Information durch die betroffenen Entleihunternehmen verwiesen hat, dürften entsprechende Hindernisse Ermittlungen durch die Ag. nicht entgegen stehen. Die konkreten individuellen Abweichungen zwischen dem gezahlten und geschuldeten Entgelt sind insbesondere auch von Bedeutung in Bezug auf einen möglichen Vertrauensschutz der Ast., der insbesondere bei einer Sittenwidrigkeit der Lohnhöhe grundsätzlich ausscheiden dürfte (vgl. hierzu die Nachweise bei Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, § 138 RdNr. 79).

Den vorliegenden Akten ist für keinen Arbeitnehmer der Ast. ein Verstoß gegen die Grundsätze des equal pay, d.h. die geringere tatsächliche Entlohnung eines Beschäftigten der Ast. im Vergleich zu der einem Stammbeschäftigten geschuldeten, zu entnehmen. Die von der Ag. derzeit ihrer Schätzung zugrunde gelegten Berechnungselemente können keine tragfähige Grundlage einer Beitragsnachforderung gegenüber der Ast. sein. Dem auf Forschung und Beratung ausgelegten Institut im Rahmen der Beitragsfestsetzung vom Gesetzgeber ist eine Normsetzungskompetenz nicht zugesprochen worden. Studien des IAB sind auch nicht geeignet, eine allgemeine Festlegung verbindlicher Werte, z.B. im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens, zu begründen. Für den vorliegenden Sachverhalt scheidet eine Heranziehung der Feststellungen des IAB, einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, bereits unter dem Gesichtspunkt aus, dass die Bundesagentur für Arbeit hier Beitragsgläubigerin ist. Das IAB führt eigene Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit aus (§§ 280 Nr. 3, 282 Abs. 2 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)). Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Nach § 21 Abs. 3 Satz 3 SGB X gelten insoweit die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) u.a. über die Ablehnung von Sachverständigen entsprechend. Insoweit regelt § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden kann. Ist der "Sachverständige" eine Behörde, gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, § 406 RdNr. 3). Ein Richter ist nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht. Dieser Ablehnungsgrund ist auch ohne Rüge im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. z.B. Zimmermann, a.a.O., RdNr. 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat, abweichend von der Streitwertfestsetzung des SG, ein Viertel der streitigen Beitragsforderung angesetzt (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER - juris, m.w.N.).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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