L 3 AL 251/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AL 324/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 251/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Hoheitliches Handeln durch Erlass einer Verfügung stellt gegenüber dem Herbeiführen einer Vereinbarung nicht das mildere Mittel dar.

2. Ein Vorrang des Erlasses eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes gegenüber dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung lässt sich nicht begründen.

3. Die Regelungen über die Eingliederungsvereinbarung in § 37 SGB III sind nicht unvereinbar mit dem
Grundgesetz.

4. Aus dem Wortlaut von § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB III geht unzweideutig hervor, dass die Potentialanalyse „unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung“ zu erfolgen hat. Für die Forderung, sie müss vor einzelnen Entscheidungen und insbesondere vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung wiederholt werden, gibt es keine Rechtsgrundlage.

5. Die Androhung von Sanktionen verstößt nicht gegen die guten Sitten. Der Hinweis auf gesetzliche Rechtsfolgen [hier die Einstellung der Arbeitsvermittlung auf der Grundlage von § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III] ist nicht nur rechtlich nicht zu beanstanden, sondern kann als Voraussetzung für eine mögliche spätere Sanktion im Falle eines Pflichtverstoßes sogar erforderlich sein.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 18. November 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten verfügte vorübergehende Einstellung der Arbeitsvermittlung.

Der am 1960 geborene Kläger absolvierte von Oktober 1988 bis September 1992 ein Studium zum Bibliothekar. Von Oktober 1995 bis Juni 1996 war er als Fachberater für Softwaretechniken, von März 1999 bis Juni 1999 als Programmierer tätig. Vom 1. August 2003 bis 31. Juli 2004 arbeitete er als Bibliothekar. Seitdem ist er arbeitslos. Zuletzt nahm er, ohne Leistungen zu beziehen, die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Anspruch.

Am 28. April 2009 schlossen der Kläger und die Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung. Der Kläger verpflichtete sich zur Teilnahme an der Maßnahme "Ganzzeitliche Integrationsleistung (GANZIL)" beim Technologie- und Bildungszentrum (tbz) vom 11. Mai 2009 bis 10. Januar 2010. Die Beklagte verpflichtete sich unter anderem zur Übernahme der Kosten dieser Maßnahme. Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Belehrung dahingehend, dass, werden Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung ohne wichtigen Grund nicht erfüllt, die Arbeitsvermittlung für die Dauer von zwölf Wochen eingestellt werden kann. Die Eingliederungsvereinbarung enthält auch eine Belehrung über die rentenrechtlichen Auswirkungen einer Vermittlungssperre.

Mit am 8. Mai 2009 bei der Agentur für Arbeit L eingegangenem Schreiben vom 6. Mai 2009, das er als "Absage/Kündigung der GANZIL-Maßnahme aus wichtigem Grund" überschrieben hatte, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die Teilnahme an der Maßnahme ablehne. Er verfüge bereits über die entsprechende Qualifikation. Auch sei die Maßnahme auf eine andere Zielgruppe als ihn selbst zugeschnitten. Der Bildungsträger beschäftige sich mit gewerblich-technischen und kaufmännischen Berufen, nicht aber mit akademisch-geisteswissenschaftlichen Berufen. Auch habe der Maßnahmeträger von "unabhängigen Stellen" und von früheren Maßnahmeabsolventen "ganz schlechte Kritik" erhalten. Bei seiner Vorsprache am 28. April 2009 sei er unter "Druck und Nötigung" zum Unterschreiben der Vereinbarung bestimmt worden. Man habe ihm mit Sanktionen gedroht, falls er nicht sofort unterschreibe.

Der Kläger erschien zur Eröffnungsveranstaltung der Maßnahme "GANZIL" am 11. Mai 2009 nicht und nahm auch am weiteren Verlauf der Maßnahme nicht teil. Mit Bescheid vom 18. Mai 2009 stellte die Beklagte die Vermittlung ab dem 21. Mai 2009 ein. Der Kläger sei seinen Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung vom 28. April 2009 nicht nachgekommen. Die von ihm mit Schreiben vom 6. Mai 2009 vorgetragenen Gründe hätten nicht als wichtiger Grund für die Nichterfüllung der aus der Eingliederungsvereinbarung resultierenden Pflichten anerkannt werden können. Nach Ablauf von zwölf Wochen könne die Vermittlung erneut in Anspruch genommen werden.

Den Widerspruch vom 5. Juni 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2009 zurück. Der Kläger habe sich mit der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet, an der Maßnahme "Ganzzeitliche Integrationsleistung" beim Technologie- und Bildungszentrum teilzunehmen. Über die Rechtsfolgen eines Verstoßes sei er belehrt worden. Sein Schreiben vom 6. Mai 2009 lasse einen wichtigen Grund für die Nichterfüllung der Eingliederungsvereinbarung nicht erkennen. Nach Abwägung sei es nicht ermessenfehlerhaft oder gar ermessensmissbräuchlich, die Vermittlung einzustellen.

Die Klage vom 26. August 2009 hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2010 abgewiesen. Neben Ausführungen zum Rechtsschutzinteresse, dessen Vorliegen es bejaht hat, hat das Sozialgericht die Klageabweisung wie folgt begründet:

"2. Einen wichtigen Grund für die Anfechtung der Eingliederungsvereinbarung vom 06.05.2009 - vom Kläger als Absage und/oder Kündigung bezeichnet - und damit also für den Nichtantritt der GANZIL-Maßnahme durch den Kläger vermag das Gericht nicht zu erkennen.

a) Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Eingliederungsvereinbarung vom 28.04.2009 liegen nicht vor, so dass der Kläger an dieselbe gebunden ist. Angefochten werden kann eine Willenserklärung unter den Bestimmungen von §§119 ff. BGB, von denen nach der Erklärung des Klägers vom 06.05.2009 ersichtlich nur die Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung in Betracht kommt. Denn im Übrigen war der Kläger nach seinem Vorbringen durch den "Flyer", welcher ihm am 28.04.2009 übergeben wurde, über den nach seiner Ansicht unzureichenden oder nicht zielgenauen Inhalt der GANZIL-Maßnahme schon informiert.

b) Nach § 123 BGB kann die Erklärung anfechten, wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Diese gesetzlichen Voraussetzungen liegen im Streitfalle zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. Nicht allein deswegen, weil der Maßnahmeträger, wie der Kläger späterhin erfahren haben will, nicht geeignet sei und schlechte Kritiken von Dritten erfahren haben soll, liegt eine Täuschung durch die Beklagte vor. Diese hat dem Kläger vielmehr umfänglich bereits in der Eingliederungsvereinbarung selbst aber auch im Antwortschreiben vom 20.05.2009 auf den besonderen Charakter der GANZIL-Maßnahme hingewiesen, der eben vordergründig gerade nicht darin bestehen soll, bestimmte fachliche Qualifizierungen vorzunehmen sondern ganzheitlich Vermittlungshemmnisse des Arbeitslosen abzubauen, die auch in dessen Person begründet sein können. Insoweit sind die Ausführungen des Klägers zu den zurückgelegten Weiterbildungen bei der Arbeit am PC - zeitlich im Übrigen weit zurückliegend bzw. nur sehr kurzzeitig - schon nicht hinreichend, weil sie die Eingliederungsfähigkeiten des Klägers in den Arbeitsmarkt nicht zum Gegenstande haben. Einzig das Bewerbungscoaching mag insoweit als einschlägig gelten. Das bedeutet aber anders gewendet noch nicht, dass die Beklagte davon überzeugt sein muss, dass der Kläger bereits ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten insoweit erworben hat und in Missachtung derselben den Kläger über den Inhalt der GANZIL-Maßnahme auch noch getäuscht hat. Daneben kann nicht ernstlich die Behauptung einer widerrechtlichen Drohung bei der Unterzeichnung der Eingliederungsvereinbarung erhoben werden. Selbst nach der Schilderung des Gesprächs vom 28.04.2009 durch den Kläger ist die Tatsache, dass ihm mitgeteilt wurde, dass er Sanktionen zu erwarten habe, wenn er die Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichne, keine schlechthin rechtswidrige Drohung. Unter der Voraussetzung des § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III kam die Feststellung der erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt und dem folgend die gleiche Sanktion des § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III in Betracht, wenn der Kläger sich weigerte, eine Eingliederungsvereinbarung zu schließen. Jedenfalls rechtswidrig war eine solche Erklärung durch die Mitarbeiterin der Beklagten also ersichtlich nicht.

c) Aus den vorbezeichneten Gründen ist auch ein wichtiger Grund für den Kläger, die GANZIL-Maßnahme nicht zu anzutreten, nicht feststellbar. War der Kläger nach der wirksam zustande gekommenen Eingliederungsvereinbarung hierzu verpflichtet, durfte allein aus wichtigem Grund dieselbe nicht angetreten werden. Soweit der Kläger diese Maßnahme fachlich für seine einschlägige Qualifizierung nicht geeignet hielt, ergibt sich hieraus kein wichtiger Grund. Demgegenüber wird auf die vorstehenden Feststellungen zur besonderen Zielsetzung der Maßnahme für Langzeitarbeitslose verwiesen, die eben in der ganzheitlichen Förderung und in einer individuellen Integrationsunterstützung liegen. Es war also nicht Anliegen der Eingliederungsvereinbarung, dem Kläger bestimmte fachliche Kenntnisse zu vermitteln, sondern ihn für die berufliche Eingliederung (also auch über ein Bewerbungscoaching hinausgehend) zu befähigen. Dass insoweit der Maßnahmeträger ungeeignet sein soll, wie der Kläger aus Kritiken Dritter erfahren haben will, ist aus Sicht des Gerichtes schon deswegen unbehelflich, weil allein die Wertung eines Dritten, ohne dass diese vom Kläger ohne eigene Erfahrung in der Maßnahme nachprüfbar wäre, für den erforderlichen wichtigen Grund schon deswegen nichts hergibt, weil ihn der Kläger aus eigener Anschauung gar nicht haben kann.

d) Die Anforderungen des wichtigen Grundes, unter den grundsätzlich alle - auch persönlichen - Gründe der Lebensgestaltung fallen können, wenn sie bei der gebotenen Abwägung mit den Interessen der Versichertengemeinschaft überwiegen und die Hintanstellung dieser Gründe unzumutbar ist (BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R = SozR 3-4100 § 119 Nr 26) sind nach den vorstehenden Feststellungen nicht erfüllt. Dies hat die Beklagte, jedenfalls im Widerspruchsbescheid auch mit der erforderlichen Ermessensentscheidung hierzu, zutreffend erkannt.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 16. Dezember 2010. Die Eingliederungsvereinbarung stelle ein "hoheitliches Handeln im pseudokonsensualen Gewand" dar. Mit ihr werde in Rechte des Klägers aus Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eingegriffen. Dieser Eingriff sei nicht verhältnismäßig, weil der mit der Eingliederungsvereinbarung bezweckte Erfolg auch auf andere Weise, nämlich durch Erlass eines Verwaltungsaktes, hätte herbeigeführt werden können. Der Eingliederungsvereinbarung fehle es am "Vertragscharakter", weil der Kläger "nur gezwungenermaßen" unterschrieben habe. Damit fehle es an korrespondierenden Willenserklärungen. Eine Potentialanalyse sei entgegen § 37 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung nicht vorgenommen worden. Auch könne die Eingliederungsvereinbarung deshalb wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein, weil die Beklagte den Kläger durch Drohung mit Sanktionen zur Unterschriftsleistung veranlasst habe. Wegen der Berufungsbegründung im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 9. Februar 2011 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2009 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an den ihre Verwaltungsentscheidungen tragenden Auffassungen fest und erachtet den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 4. August 2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. In nicht zu beanstandender Weise ist die Beklagte zu der Entscheidung gelangt, die Vermittlung des Klägers vorübergehend einzustellen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sieht der Senat – vorbehaltlich der nachfolgenden Ausführung zum Berufungsverfahren – ab und verweist auf die zutreffenden Darstellungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 18. November 2010.

Die Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. Juli 2013 stellen das vom Sozialgericht gefundene Ergebnis nicht in Frage. Soweit er vorgetragen hat, die Arbeitsvermittlerin habe ihm gesagt, er müsse die Eingliederungsvereinbarung sofort unterschreiben, vermag der Senat darin keinen Umstand zu erkennen, der den rechtlichen Bestand der Vereinbarung in Frage stellen könnte. Vor dem Hintergrund, dass sich in der Verwaltungsakte der Entwurf eines Bescheides ("Zuweisung in eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB III des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – SGB III") mit der Datumsangabe 28. April 2009 befindet, mit dem der Kläger offenbar in die Maßnahme "Ganzzeitliche Integrationsleistung" zugewiesen werden sollte, mag es sein, dass auf Seiten der Beklagten ein energisches Bestreben bestand, den Kläger zu aktivieren. Darauf deutet auch ein Vermerk über die persönliche Vorsprache des Klägers am 28. April 2009 hin. Dort ist die Rede von multiplen Integrationshemmnissen, etwa einem eingeschränkten Tätigkeitsfeld, einem schlechten Arbeitsmarkt und einem mangelnden Selbstvermarktungsgeschick des Klägers, aufgrund derer "keine zeitnahen Integrationschancen" zu erwarten seien. Mag das Vor-gehen der Arbeitsvermittlerin auch nachdrücklich gewesen sein, sind doch Umstände, die zu einer Anfechtbarkeit der Willenserklärung des Klägers oder gar der Nichtigkeit der Vereinbarung führen könnten, nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte sich die Vorgehensweise im Hinblick auf die sich dem Senat in der mündlichen Verhandlung offenbarende Persönlichkeitsstruktur des Klägers als erforderlich dargestellt haben. Trotz langjähriger Arbeitslosigkeit sieht sich der Kläger ausschließlich dem "geisteswissenschaftlich-akademischen Bereich" zugehörig und bewirbt sich auf diesem eingeschränkten Arbeitsmarkt. Dies, obwohl er selbst davon ausgeht, dass die Absagen auf die von ihm monatlich gefertigten ca. sieben Bewerbungen darauf beruhen, dass ihm die Berufserfahrung und beispielsweise Kenntnisse in neuen Datenbank- und Katalogisierungssystemen fehlen. Der Kläger hinterließ beim Senat den Eindruck, sich exklusiv in seinem "geisteswissenschaftlich-akademischen Bereich" eingerichtet und mit der Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen um eine Arbeitsstelle abgefunden zu haben. Einem solchen Zustand sollen aber Maßnahmen wie "GANZIL" im Sinne einer Mobilisierung und Aktivierung, nicht zuletzt durch mit der Maßnahme einhergehende Nebeneffekte wie etwa eine Strukturierung des Tagesablaufs, entgegenwirken.

Auch die schriftsätzlich im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente, soweit sie verständlich sind, stellen das vom Sozialgericht gefundene Ergebnis nicht in Frage.

Die Auffassung des Klägers, der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung sei unverhältnismäßig, wenn das verfolgte Ziel auch mit einem Verwaltungsakt erreicht werden könne, teilt der Senat nicht. Hoheitliches Handeln durch Erlass einer Verfügung stellt gegenüber dem Herbeiführen einer Vereinbarung nicht das mildere Mittel dar. Zudem deuten sowohl der Wortlaut von § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III als auch die systematische Stellung von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB III und § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III darauf hin, dass der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung der Normalfall, der Erlass eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes die Ausnahme sein soll. Zwar hat das Bundessozialgericht zu den vergleichbaren Regelungen in § 15 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) die Auffassung vertreten, dass es nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 SGB II zwei grundsätzlich gleichwertige Wege seien (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 13/09 RBSGE 104, 185 ff. = SozR 4-4200 § 15 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 15 ff.). Darüber hinausgehend sogar noch einen Vorrang des Erlasses eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes zu postulieren, lässt sich nicht begründen. Der Senat sieht auch im Übrigen die Regelungen über die Eingliederungsvereinbarung in § 37 SGB III nicht als unvereinbar mit dem Grundgesetz an (vgl. zu § 15 SGB II: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Oktober 2009 – L 12 AS 12/09 –JURIS-Dokument Rdnr. 38; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Mai 2012 – L 7 AS 557/12 B ERNZS 2012, 632 = JURIS-Dokument Rdnr. 7).

Soweit der Kläger das Fehlen einer Potentialanalyse bemängelt, geht dies fehl. Die Potentialanalyse nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist Grundlage aller Bemühungen der Bundesagentur. Aus dem Wortlaut von § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB III geht unzweideutig hervor, dass die Potentialanalyse "unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung" zu erfolgen hat. Für die Forderung, sie müsse vor einzelnen Entscheidungen und insbesondere vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung wiederholt werden, gibt es keine Rechtsgrundlage.

Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, die Androhung von Sanktionen ver-stoße gegen die guten Sitten. Soweit die Beklagte auf den möglichen Eintritt von Sanktionen hingewiesen hat, stützt sie sich gerade auf gesetzliche Regelungen, die diese Sanktionen vorsehen. Der Hinweis auf gesetzliche Rechtsfolgen, hier die Einstellung der Arbeitsvermittlung auf der Grundlage von § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III, ist aber nicht nur rechtlich nicht zu beanstanden, sondern kann als Voraussetzung für eine mögliche spätere Sanktion im Falle eines Pflichtverstoßes sogar erforderlich sein.

Soweit der Klägerbevollmächtigte auf die unlängst bekannt gewordenen Untersuchungsergebnisse des Bundesrechnungshofes verweist, wonach bestimmte Personengruppen von den Agenturen für Arbeit in Beschäftigungsmaßnahmen abgeschoben würden, mithin die Beklagte ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Eingliederung von Arbeitslosen und Arbeitsuchenden in den Arbeitsmarkt nicht in dem gebotenen Maße nachkomme, ist dieser Einwand nicht entscheidungserheblich. Denn maßgebend ist das im konkreten Rechtsstreit angegriffene Verwaltungshandeln und nicht eine allgemeine Verwaltungspraxis. Das Sozialgerichtsgesetz kennt kein Instrument zur allgemeinen Verwaltungskontrolle. Erweist sich aber die angegriffene Verwaltungshandelung als rechtmäßig, muss die Rechtsverfolgung ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Dr. Scheer Guericke Höhl
Rechtskraft
Aus
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