L 27 P 18/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 P 532/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 18/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in Form eines Pflegegeldes der Pflegestufe I von der Beklagten.

Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegepflichtversichert. Er beantragte unter Berufung auf eine dialysepflichtige Nierenerkrankung am 23. März 2010 bei der Beklagten die Gewährung eines Pflegegeldes. Er sei im Laufe der Jahre kraftloser geworden, habe keinen Appetit und benötige beim abendlichen Waschen die Hilfe seiner Mutter. Die Beklagte ließ den Umfang der Pflegebedürftigkeit des Klägers daraufhin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Pflegefachkraft K stellte in ihrem Gutachten vom 13. April 2010 nach einem Hausbesuch bei dem Kläger am 6. April 2010 einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 14 Minuten (12 Minuten Duschen inkl. Haareswaschen, 2 Minuten Transfer in die und aus der Dusche) am Tag fest sowie bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 26 Minuten am Tag im Wochendurchschnitt. Unter Bezugnahme auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 15. April 2010 mit der Begründung ab, der Kläger erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht, da bei ihm kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich bestehe. Den
dagegen am 12. Mai 2010 einlegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 zurück.

Der Kläger hat am 8. Oktober 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Gewährung eines Pflegegeldes der Pflegestufe I mit der Begründung geltend gemacht hat, die Feststellungen des MDK seien in fast allem inakzeptabel, der Ablauf der Begutachtung sei verwirrend gewesen. Für die Körperpflege morgens und abends sei er auf die Hilfe seiner Mutter angewiesen. Für den Weg zur Dialysebehandlung und für den Weg nach Hause sei eine Begleitung notwendig. Die Hauswirtschaft benötige viel mehr Zeit. Das Sozialgericht hat am 13. August 2011 einen Befundbericht bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. S von der Dialysepraxis B eingeholt.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger nach der durchgeführten medizinischen Sachaufklärung die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Pflegegeldes der
Pflegestufe I nicht erfülle. Der Kläger hat gegen den ihm am 18. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 1. März 2012 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Der Dialysearzt habe ein mangelhaftes Attest ausgestellt. Er habe keine Information über den Gesundheitszustand nach der Dialyse.

Der Senat hat Beweis erhoben über den Umfang der Pflegebedürftigkeit des Klägers durch Einholung eines Gutachtens der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B Die Sachverständige beschreibt in ihrem Gutachten vom 24. Oktober 2012 nach einem Hausbesuch am 23. Oktober 2012, dass Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 9 Minuten und im Bereich der Hauswirtschaft von 20 Minuten bestehe. Es gebe keinen Anhalt, dass sich der Pflegebedarf seit dem Jahre 2010 pflegestufenrelevant geändert habe.

Der Kläger erachtet die Zeiten, die durch Dr. B festgestellt wurden, als unrealistisch und willkürlich. Die Angaben stimmten nicht im Entferntesten mit der Realität überein. Die Dialyse sei anstrengend, so dass er danach zunächst schlafen müsse. Seine Eltern seien schon da, wenn er von der Dialyse komme. Er benötige auch Hilfe beim Rasieren, auch wenn er sich nicht täglich rasiere und auch beim Anziehen der Socken und der Hose.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 zu verurteilen, ihm ab dem 23. März 2010 Pflegegeld der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zur Recht hat das Sozialgerichts Berlin die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Form eines Pflegegeldes unter Zugrundelegung der Pflegestufe I ab dem 1. März 2010. Denn der Kläger ist nicht erheblich pflegebedürftig.

Der geltend gemachte Anspruch nach § 37 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) setzt u. a. voraus, dass der jeweilige Anspruchsteller pflegebedürftig ist und mindestens der Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Entgegen seiner Auffassung lässt sich nicht feststellen, dass sein Grundpflegebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45 Minuten seit dem 1. März 2010 beträgt.

Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. B, die unter Berücksichtigung der von ihr getroffenen Feststellungen nach Befragung und Begutachtung des Klägers nachvollziehbar dargelegt hat, dass wegen der weitgehend bestehenden Selbständigkeit des Klägers bei den grundpflegerischen Verrichtungen lediglich Teilhilfen im Bereich der Körperpflege und im Bereich der Mobilität erforderlich sind. So bedarf es wegen der
allgemeinen Schwäche aufgrund der dialysepflichtigen Nierenerkrankung insbesondere an den Tagen nach den nachts durchgeführten Dialysebehandlungen im Bereich der Körperpflege geringer Teilhilfen beim Duschen und Rasieren. Geringe Teilhilfen sind ebenfalls beim An- und Ausziehen erforderlich. Die Feststellungen und Einschätzungen der Sachverständigen bestätigen im Ergebnis die bisherigen medizinischen Ermittlungen durch die Beklagte und das Sozialgericht Berlin. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt das Vorbringen des Klägers eine andere Einschätzung seines grundpflegerischen Bedarfes nicht. Der Bedarf für das Rasieren und An- und Ausziehen der Socken und Hose wurde durch die Gutachterin bereits berücksichtigt. Darüber hinaus bedarf es auch nach den übereinstimmenden und nachvollziehbaren Äußerungen der Gutachter und des behandelnden Dialysearztes keiner Begleitung zu den dreimal wöchentlich stattfindenden Dialyseterminen. Der Kläger sucht die Dialysepraxis mit einem Taxi auf, das ihn auch nach Hause fährt. Kostenträger für die Taxifahrten ist die Krankenkasse.

Die von dem Kläger begehrten höheren Zeitwerte beruhen allein auf einer subjektiven Einschätzung. Sie können durch medizinische Feststellungen indes nicht belegt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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