S 40 U 243/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 243/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 24. November 2011 als Arbeitsunfall im Streit.

Der Kläger ist als Student für die Fachrichtung E.- und U. an der T. Universität H. immatrikuliert.

Im Rahmen eines vom Hochschulsport H. ausgerichteten Volleyballturniers zog sich der Kläger am 24. November 2011 gegen 23.15 Uhr eine Verletzung am linken Kniegelenk zu, indem er nach einem Sprung beim Aufkommen auf dem Hallenboden wegknickte.

Das Volleyballturnier fand als "Mitternachtsturnier" in dem Zeitraum von 23 Uhr bis 4 Uhr morgens des Folgetages in der großen Unihalle statt. Nach Auskunft der Geschäftsstelle des Hochschulsports H. haben an dem Turnier, welches ein- bis zweimal im Jahr veranstaltet werde, zu dem in Rede stehenden Termin insgesamt 16 Mannschaften teilgenommen, wobei das Siegerteam einen Wanderpokal erhalten habe. Weiter wurde mitgeteilt, dass "es sich bei dem Turnier um ein Freizeitvergnügen handelt".

Mit Bescheid vom 16. April 2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 24. November 2011 als Arbeitsunfall ab. Als Begründung gab sie an, allein die Durchführung des Turniers durch den Hochschulsport H. könne den Versicherungsschutz für die sportliche Betätigung nicht begründen. Dazu bedürfe es einer entsprechenden Ausgleichsfunktion, die wegen des vordergründigen Wettkampf-charakters des Turniers und der mangelnden Regelmäßigkeit nicht gegeben sei.

Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 26. April 2012. In seinem Widerspruch gab er an, bis zu seiner Verletzung regelmäßig im Rahmen des Hochschulsportes Volleyball gespielt zu haben. Bei dem Mitternachtsturnier haben der körperliche Ausgleich der Studierenden sowie die Förderung der Gemeinschaft im Vordergrund gestanden, sportliche Höchstleistungen und ernster Wettkampf dagegen nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Das ergebe sich bereits aus der Bezeichnung und der Veranstaltungszeit. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) bestehe seiner Ansicht nach auch Versicherungsschutz für den gelegentlichen Wettkampf - mithin für die jährliche Teilnahme an einem eintägigen Pokalturnier - da dieser die Freude an dem Ausgleichssport fördere.

Die Beklagte wies sein Vorbringen mit ihrem Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 zurück und führte zur Begründung aus, dass das Turnier als Wettkampf außerhalb des regelmäßigen Hochschulsports liege und als Freizeitsport nicht versichert sei. Der Hochschulsport sei zwar grundsätzlich versichert, stelle aber - wie auch der Betriebssport - durch seinen Ausgleichscharakter lediglich eine mittelbar versicherte Tätigkeit dar. Ein sportlicher Wettkampf löse sich zu weit vom örtlichen und zeitlichen Bezug zur versicherten Tätigkeit als Studierender. Außerdem habe das Turnier vorrangig Eventcharakter und sei von der Universität H., Hochschulsport H. auf Nachfrage ausdrücklich als Freizeitvergnügen deklariert worden.

Mit der am 11. Oktober 2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Unter Bezugnahme auf die Beschreibung und Bekanntmachung des Turniers über den Internetauftritt des Hochschulsports H. hält der Kläger sowohl die Regelmäßigkeit, die Zugehörigkeit zum Trainingsbetrieb, als auch die erforderliche Ausgleichsfunktion für gegeben. Der Zusammenhang zum Studium ergebe sich seiner Ansicht nach darüber hinaus auch aus dem Veranstaltungsort und dem ausschließlichen studentischen Teilnehmerkreis der H. Hochschulen. Insbesondere unter Berücksichtigung des gesetzlichen Auftrages in § 3 Abs. 6 Satz 3 des Hamburger Hochschulgesetzes (HbmHG), die sportlichen Interessen der Studierenden zu fördern, sei ein Sachzusammenhang zu bejahen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 festzustellen, dass der Unfall vom 24. November 2011 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist insbesondere auf die Begründungen in den angefochtenen Bescheiden.

Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhalts die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.

Weiter hat das Gericht den Sachverhalt mit den Beteiligten am 16. August 2013 in einem Termin ausführlich erörtert. Hierbei wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Die Beteiligten haben auf eine Frist zur Stellungnahme verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakte des Gerichts und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte über den Rechtsstreit nach § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 16. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei dem zur Verletzung des linken Kniegelenks des Klägers am 24. November 2011 führenden Ereignis handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall. Nach Überzeugung des Gerichts fehlt es an einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Studierender.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Der Kläger ist kraft Gesetzes als Studierender während der Aus- und Fortbildung an der Hochschule gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII versichert.

Ob die konkrete zum Unfall führende Verrichtung auch dem versicherten Tätigkeitsbereich zugerechnet werden kann, hängt davon ab, ob sie dazu in einem inneren sachlichen Zusammenhang steht. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist der innere sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Schaden stiftenden Verrichtung wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz reicht (vgl. etwa BSG Urteil vom 12. April 2005, Az.: B 2 11/04 R, BSGE 94, 262). Maßgeblich für die Zurechnung ist die sogenannte Handlungstendenz, mithin der durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigte und vom Handlungsmotiv getrennte Zweck des Handelns des Versicherten (vgl. etwa BSG Urteil vom 9. Dezember 2003, Az.: B 2 U 23/03 R = BSGE 91, 293; zur Handlungstendenz vgl. auch BSG Urteil vom 15. Mai 2012, Az.: B 2 U 8/11 R in juris).

Der sachliche Zusammenhang zwischen dem Studium und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist gegeben, wenn diese in den unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Organisationsbereich der Hochschule fällt und dem Studium wesentlich zu dienen bestimmt ist. Dies ist bei Vorlesungen, Übungen, Seminaren und anderen Lehrveranstaltungen, die von der Hochschule veranstaltet werden, nach einhelliger Auffassung der Fall (vgl. nur G. Wagner in juris PraxisKommentar - SGB VII, 1. Auflage 2009, Stand: 10. Mai 2010, § 8, Rn. 66, Richter in Becker/Francke/Molkentin, SGB VII-Komm. 3. Auflage 2011 zu § 2 Rn. 80f).

Zwischen dem Studium des Klägers im Bereich der E.- und U. und seiner Teilnahme an dem Volleyballturnier, ausgerichtet vom Hochschulsport H., bestand kein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang.

Das Turnier wurde weder von der T. Universität H. veranstaltet, noch handelte es sich um eine Lehrveranstaltung aus dem Curriculum des von dem Kläger belegten Studienfaches.

Ein den Versicherungsschutz begründender - zumindest mittelbarer - sachlicher Zusammenhang zwischen dem Studium und der Turnierteilnahme liegt nicht vor. Dieser sich ergibt auch nicht unter Berücksichtigung des im Hochschulgesetz verankerten sportlichen Förderungsauftrages (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 3 HmbHG) und dem zur Erfüllung dieser Aufgabe als Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts hochschulübergreifend organisierten Hochschulsport H., zu dessen Mitgliedshochschulen die T. zählt. Neben der Förderung von Sport, Bewegung und Gesundheit von Studierenden und Mitarbeitern aller Mitgliedshochschulen gehören auch Angebote im Breiten- und Wettkampfsport, soziale Integration in das Leben und Arbeiten an den Hochschulen unabhängig von Herkunft, Kultur, Ethnie oder Geschlecht, sowie die Förderung der Kommunikation zwischen den Hochschulangehörigen über Fachbereichs- und Hochschulgrenzen hinweg, zu den wesentlichen Aufgaben des Hochschulsports H. (http://www.hochschulsport-hamburg.de/, zuletzt abgerufen am 18. September 2013). Der entsprechende "gesetzliche Auftrag" zur Förderung des Sportes wird dadurch erfüllt, dass der Hochschulsport H. die regelmäßig stattfindenden Kurse in vielfältiger Art und Weise organisiert und der Studentenschaft zur Verfügung stellt.

Nach allgemeiner Meinung besteht bei sportlichen Aktivitäten, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich des Hochschulsports fallen, grundsätzlich Versicherungsschutz (vgl. Keller in Hauck/Noftz zu § 8 SGB VII Rz. 73a). Dies gilt beispielsweise für das studentische Kursangebot der wöchentlich stattfindenden Volleyballkurse, an denen der Kläger vor dem Unfallereignis regelmäßig teilgenommen hatte. Nach Auffassung des Gerichts sind damit aber nicht sämtliche (sportlichen) Aktivitäten, nur weil sie in irgendeinem organisatorischen Zusammenhang mit dem Hochschulsport stehen, vom Versicherungsschutz umfasst.

Wegen der vergleichbaren Interessenlage sind nach der Überzeugung des Gerichts für die Beurteilung des Versicherungsschutzes bei studentischen Sportveranstaltungen im Rahmen eines Hochschulsports die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für den Betriebssport bzw. für Betriebsgemeinschaftsveranstaltungen grundsätzlich übertragbar und zumindest in ähnlicher Form anzuwenden (A.A. wohl Keller aaO). Ausgehend von dem Grundgedanken der günstigen Einflüsse sportlicher Betätigung auf die Gesundheit der Beschäftigten und der Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft und Förderung der Leistungsfähigkeit, liegt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehender Betriebssport dann vor, wenn der Sport insbesondere Ausgleichs- und nicht vordergründig Wettkampfcharakter hat, regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt ist, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und der Sport unternehmensbezogen organisiert ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, Az.: B 2 U 29/04 R in juris). Mit dieser Entscheidung ist der erkennende Unfallsenat des BSG ausdrücklich von der vorherigen weiten Ausdehnung des versicherten Betriebssports auf Wettkämpfe abgerückt (BSG a.a.O., juris Rn. 15).

Zu beachten ist weiter, dass es nach der neueren BSG-Rechtsprechung auf den konkreten Schutzzweck des Versicherungstatbestandes ankommt, damit entschieden werden kann, wie umfassend der jeweilige Versicherungsschutz nach dem tatsächlichen Schutzbereich ausgestaltet sein soll (vgl. hierzu insbesondere BSG Urteil vom 15. Mai 2012, Az.: B 2 U 16/11 R – Organspender – in juris).

Für das Gericht ergibt sich daher aus den gesamten Umständen des Einzelfalles, dass die Teilnahme an der Veranstaltung am 24. November 2011 nicht im sachlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Studierens nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII stand. Unter Anlehnung und der Anwendung der Grundsätze des Betriebssportes ist es nicht gerechtfertigt, eine Veranstaltung, die nur entfernt und nicht in einem räumlich und zeitlichen Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit steht, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen. Ein wesentlicher Ausgangspunkt zur Auslegung des Schutzzweckes der Norm ist insoweit auch der die Unfallversicherung prägende Grundsatz der Ablösung der Unternehmerhaftung, der die Zurechnung/Haftung einer Tätigkeit begründet. Für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII bedeutet dies, dass eine versicherte Tätigkeit nur vorliegt, wenn ein entsprechend enger Bezug zur Hochschule bzw. zum Studium vorliegt, welche es rechtfertigen, dass die Tätigkeit gerade wegen der organisatorischen Verantwortung der Hochschule Unfallversicherungsschutz begründet.

Eine sportliche Veranstaltung, die bereits wegen der zeitlichen Lage (Mitternacht) nicht geeignet ist, einen echten Ausgleichszweck für die von § 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII umfasste versicherte Tätigkeit zu erreichen, fällt hierbei bereits zeitlich heraus. Ein echter Ausgleichszweck zur überwiegend "geistigen" Tätigkeit des Studierens kann ebenfalls nicht angenommen werden, weil die Veranstaltung nur ein bis zwei Mal im Jahr stattfindet.

Auch aus dem vom Kläger eingereichten "Internetausdruck" über ein Basketball-Mitternachtsturnier, das ebenfalls eine "Kurs-Nummer" des Hochschulsports H., wie das Mitternachtsturnieres am 24. November 2011 ausweist, ergibt sich kein innerer sachlicher Zusammenhang, der den Versicherungsschutz begründen könnte. Eine solche Veranstaltungsnummer des Turniers dient nach Auffassung des Gerichts primär administrativen Zwecken und einer Zuordnungsmöglichkeit im Rahmen des Hochschulsports H ... Der zurechenbare organisatorische Verantwortungsbereich ist durch die bloße "Kurs-Nummer" im "Angebot" des Hochschulsports H. nicht betroffen. Nicht jedwede Tätigkeit, die eine gewisse Sachnähe zum Studium aufweist, ist versichert (vgl. Richter in Becker/Francke/Molkentin, SGB VII-Komm. 3. Auflage 2011 zu § 2 Rn. 80). Insbesondere hat der Hochschulsports H. selbst in einer Anfrage der Beklagten darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Turnier um ein Freizeitvergnügen gehandelt hat (Bl. 74 d. VA). Damit wird die Turnier-Veranstaltung des Hochschulsports H. nicht zu einer versicherten Tätigkeit des Klägers. In zeitlicher Hinsicht fand das Turnier völlig losgelöst von dem regulären Studienbetrieb des Klägers und dem regulären Kursangebot des Hochschulsports H. statt.

Es kann offen bleiben, ob durch die Preisauslobung eines Wanderpokals ein (unversicherter) Wettkampfcharakter für die Teilnahme prägend war, oder ob mit Blick auf das zeitliche Arrangement des Turniers zur Nachtzeit der Unterhaltungscharakter den Versicherungsschutz ausschließt, denn die Teilnahme am Turnier am 24. November 2011 diente bereits nicht dem körperlichen Ausgleich zum Studium.

Eine (versicherte) studentische "Betriebsgemeinschaftsveranstaltung" lag nicht vor. Eine solche wäre ggf. dann möglich, wenn eine Veranstaltung unter der Leitung der T. und insoweit allen dortigen Studenten offen gestanden hätte. Die allgemeine Ausrichtung eines Mitternachtsturnieres erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die "Ausschreibung" im Internet bzw. unter der "Kurs-Nummer" war an Volleyball spielende Studenten gerichtet und mithin nicht an alle Studenten. Sie zielte damit bereits darauf ab, dass nicht alle Studenten teilnehmen. Im Übrigen ist die Teilnahme an einer Freizeit- und Erholungsveranstaltung nicht versichert, auch wenn diese vom Unternehmen organisiert und finanziert wurde (vgl. BSG Urteil vom 22. September 2009 – Az.: B 2 U 27/08 R in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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