Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 22 KR 191/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 95/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 84/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 11.600,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für das während eines stationären Krankenhausaufenthalts im Jahr 2005 lokal implantierte Chemotherapeutikum "Gliadel".
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Der am ... 1950 geborene K. war bei der Beklagten krankenversichert und befand sich wegen eines rezidivierenden malignen hirneigenen Tumors (Gliaoblastomrezidiv) vom 27. bis 29. September 2005 und vom 3. bis 17. Oktober 2005 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung. Hierfür erteilte die Beklagte eine Kostenzusage.
Am 14. September 2005 stellte die Klägerin über den Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie Dr. B. in zwei Schreiben jeweils einen "Eilantrag auf Kostenübernahme" bei der Beklagten und bat um die Zustimmung für die Therapie mit "Gliadel". Sie gab an, es handele es sich um ein Import-Arzneimittel, das als Chemotherapeutikum direkt in die Tumorhöhle eingebracht werde. Über kleine sich nach und nach auflösende Plättchen werde dabei der Wirkstoff Carmustin langsam freigesetzt. Mit dieser Behandlung werde eine Lebensverlängerung ohne die belastenden Nebenwirkungen einer klassischen Chemotherapie erreicht. Bei Einsatz des Medikaments sei mit Kosten von mehr als 13.000 EUR zu rechnen. Wegen der Einfuhrnotwendigkeit und der OP-Planung werde um rasche Bearbeitung gebeten. In dem weiteren Schreiben vom selben Tage führte der Chefarzt weiter aus: Der Versicherte leide an einem rezidivierenden malignen hirneigenen Tumor. Für ihn bestehe "eine weitere Behandlungsoption mittels einer Tumoroperation mit anschließender intraoperativer Chemotherapie sowie paralleler Chemosensitivtestung. Patienten mit Tumorerkrankungen des gleichen histologischen Typs können erhebliche Unterschiede im Ansprechen auf eine Therapie zeigen. Die Wirksamkeit der Medikamente lässt sich in dem Chemosensitivitätstest vorhersagen. Tumorzellen des Patienten werden intraoperativ entnommen, im Reagenzglas mit mehreren Medikamenten behandelt. Nach einigen Tagen wird ermittelt, wie viel Tumorzellen jeweils überlebt haben. Das Medikament, bei dem die wenigsten Tumorzellen überlebt haben, ist das wirksamste Medikament. Damit ist eine optimale Behandlung von Anfang an möglich. Resistenzen lassen sich mit annähernd 100%-iger Sicherheit voraussagen, so dass die Therapie individuell optimiert werden und ineffektive Therapien werden vermieden, ebenso unnötige Nebenwirkungen, die den Patienten zusätzlich belasten könnten."
In einem Aktenvermerk vom 5. Oktober 2005 führte ein Sachbearbeiter der Beklagten aus, die Klägerin habe nach Absprache mit der Vertragsabteilung Krankenhäuser lediglich Verträge über teilstationäre onkologische Leistungen, jedoch keine Sondervereinbarungen geschlossen.
Am 26. September 2005 unterzeichnete der Versicherte folgende Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klägerin:
"Hiermit erkläre ich die Kostenübernahme in Höhe von ca. 11.000 EUR für das lokale Chemotherapeutikum Gliadel für den Fall, dass meine gesetzliche Krankenkasse/mein privater Krankenversicherer die Kosten nicht übernimmt.
Ich bin darüber aufgeklärt, dass ein lokales Chemotherapeutikum nicht Bestandteil des vereinbarten Krankenhausbudgets ist."
In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 17. Oktober 2005 finden sich folgende Hinweise:
"- für Erstoperationen am Gliaoblastom läuft in M. eine Studie
- Patient hat aber eine Folge OP
- Gliadel ist seit 2004 für den deutschen Markt zugelassen
- Nutzen dieser Behandlungsform ist nicht höher anzusehen als herkömmliche Chemotherapie
- keine zusätzliche Leistung."
Dr. B. berichtete in einem beigefügten Arztbrief vom 19. Oktober 2005, der Kläger sei bereits im Mai 2005 wegen eines Hirntumors in F. operiert worden. Trotz dieser Behandlungsbemühungen sei es bereits nach wenigen Monaten zu einem schnellen und großen Tumorrezidiv gekommen.
Die Firma C. GmbH stellte dem Versicherten 757,43 EUR für vier Einzelsubstanztestungen in Rechnung, die von ihm bezahlt wurde. Die Klägerin verlangte vom Versicherten mit der Rechnungsnummer 84310 vom 24. Oktober 2005 die Zahlung von 11.600,00 EUR. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten wegen des stationären Aufenthalts sowie der Operation eine Multi-DRG B 02G am 18. Oktober 2005 in Höhe von 9.633,36 EUR ab, was diese am 8. November 2005 bezahlte.
Am 24. Oktober 2005 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin geltend, ein Kostenanspruch bestehe nicht, da mit der Zahlung der DRG alle für den Versicherten entstandenen Kosten (einschließlich aller erforderlicher Untersuchungen und der Versorgung mit Chemotherapeutika) abgegolten seien.
Am 3. November 2005 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Behandlung mit "Gliadel" in Höhe von 12.157,43 EUR. Diese beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-B. e.V (MDK) mit der Prüfung. Nach der Stellungnahme der MDK-Gutachterin Dr. H. vom 16. Januar 2006 habe "Gliadel" die Zulassung der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Es lägen Studien der Phase III vor, die eine signifikante Wirksamkeit des Medikaments bei Tumoren nachgewiesen hätten. Der Einsatz des Präparats im vorliegenden Falle sei bei Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie daher medizinisch nachvollziehbar. Die MDK-Gutachterin Dr. S. führte in einer weiteren Stellungnahme aus, dass die stationäre Behandlungsnotwendigkeit im vorliegenden Fall für die gesamte Behandlungszeit gegeben sei. Der Auffassung von Dr. H. sei bei Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie zuzustimmen.
Am 27. Januar 2006 vertrat die Beklagte gegenüber dem Versicherten die Ansicht, der Klägerin stünden keine Ansprüche gegen ihn zu. Die Klägerin mahnte am 12. Dezember 2005 und 15. Januar 2006 nochmals die Zahlung beim Versicherten an. Dieser Verfahrensweise trat die Beklagte am 8. Februar 2006 entgegen und machte geltend: Aus § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) ergebe sich, dass alle zur Behandlung medizinisch erforderlichen Maßnahmen durch die vereinbarten Entgelte für die allgemeinen Krankenhausleistungen abgegolten seien. Wegen medizinisch notwendiger Maßnahmen dürfe der Versicherte nicht auf Wahlleistungen oder eine gesonderte Vergütungsvereinbarung verwiesen werden. Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei der Versicherte, was unstrittig sei, auf das Medikament dringend angewiesen gewesen und daher die Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen. Die Klägerin sei jedoch verpflichtet, alle medizinisch notwendigen Leistungen gegenüber dem Versicherten zu erbringen und hierfür nur die gesetzlich vorgesehene Vergütung zu berechnen. Daher sei die Klägerin nicht berechtigt, vom Versicherten eine gesonderte Vergütung zu verlangen. Daraufhin stellte die Klägerin den Zahlungseinzug bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts mit der Beklagten ruhend.
Am 17. August 2006 machte die nun anwaltlich vertretene Klägerin gegenüber der Beklagten geltend: Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Medikament "Gliadel" nicht in den bestehenden DRGs enthalten. In diesem Zusammenhang sei auf § 6 Abs. 2 KGEntgG zu verweisen, der folgenden Inhalt habe:
"Für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137 c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen worden sind, sollen die Vertragsparteien nach § 11 erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren. Die Entgelte sind sachgerecht zu kalkulieren; ( )".
Von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus gGmbH (InEK) zu den NUB 2006 sei unter der laufenden Nummer 12 "Gliadel" als angefragte Methode/Leistung aufgeführt. Für "Gliadel" bestehe daher ein Bedürfnis, von der Öffnungsklausel des § 6 Abs. 2 KHEntgG Gebrauch zu machen.
Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 29. August 2006 seien für das Jahr 2005 mit dem Städtischen Klinikum M. keine NUB-Entgelt-Vereinbarungen geschlossen worden. Diese seien erst im Jahr 2006 durch die AOK ... getroffen worden. Eine separate Vergütung komme daher nicht in Betracht. Am 1. September 2006 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme mangels Rechtsgrundlage ab.
Die Klägerin hat am 21. September 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und eine Zahlung von 11.600,00 EUR nebst Zinsen verlangt. Ergänzend hat sie ausgeführt: Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BVR 347/98) sei die Beklagte verpflichtet gewesen, "Gliadel" ihrem Versicherten zur Verfügung zu stellen, da eine entsprechende medizinische Indikation hierfür vorgelegen habe. Dies entspreche auch der Praxis anderer gesetzlicher Krankenversicherungen gegenüber der Klägerin. Der Einsatz von "Gliadel" könne wegen der hohen Kosten nicht in der Multi-DRG B02G enthalten sein.
Die Beklagte hat dagegen geltend gemacht: Es bestehe bereits keine fällige Forderung in geltend gemachter Höhe. Schließlich habe die Beklagte von der Klägerin keine an sie gerichtete Rechnung erhalten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei eine Vergütung außerhalb des abschließend geregelten Vergütungssystems unzulässig. Die Beklagte habe die von der Klägerin geltend gemachte Multi-DRG B 02G bezahlt, was weitergehende Entgelte ausschließe. Ohne eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 6 Abs. 2 KHEntgG lasse sich ein Anspruch der Klägerin daher nicht rechtfertigen. Diese existiere aber nicht für den fraglichen Behandlungszeitraum. § 6 Abs. 2 KHEntgG sehe ein detailliertes Verfahren vor, wie mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsverfahren vergütungstechnisch zu verfahren sei. Das Krankenhaus müsse spätestens zum 31. Oktober des Jahres von den Vertragsparteien auf Bundesebene eine Information einholen, ob die neue Methode mit den vereinbarten Fallpauschalen und dem Zusatzentgelt sachgerecht abgerechnet werden könne. Nur nach positiver Beantwortung bzw. wenn nach fristgerecht erfolgter Anfrage eine Beantwortung nicht vorliege, könne die Vereinbarung geschlossen werden. Werde eine Entgeltvereinbarung getroffen, so sei dies auf Bundesebene zu melden. Diese Vereinbarung habe die Klägerin weder behauptet noch bewiesen. Im Übrigen berufe sich die Klägerin zu Unrecht auf die Rechtsprechung zum sog. Off-Label-Use. Die Klägerin habe weder behauptet noch dargelegt, dass es im vorliegenden Fall keine Behandlungsalternativen gegeben habe. Auch die behaupteten Vorteile des Medikaments seien zu bestreiten.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt: Durch den Einsatz von "Gliadel" habe beim Versicherten eine mehr als zwölfmonatige Überlebenszeit erreicht werden können. Dies könne durch den behandelnden Arzt sowie weitere sachverständige Zeugen belegt werden. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nunmehr eine fehlende Fälligkeit der Vergütungsforderung rüge.
Die Klägerin hat Vereinbarungen zu § 6 Abs. 2 KHEntgG zur Gerichtakte gereicht. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die vorgelegten Unterlagen lediglich die Zeit ab dem 1. November 2006 beträfen.
Das SG hat mit Urteil vom 31. August 2011 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 11.600,00 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 21. September 2006 zu zahlen und zur Begründung ausgeführt: Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie der Einschätzung des MDK und des Schreibens der Beklagten vom 27. Januar 2006 bestehe kein Zweifel daran, dass die medizinische Versorgung mit "Gliadel" im vorliegenden Fall notwendig gewesen sei und daher der Versicherte einen Sachleistungsanspruch gegenüber dem behandelnden Krankenhaus gehabt habe. Hieran müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Die Kosten für das Medikament "Gliadel" seien nicht bereits mit der abgerechneten Multi-DRG B02G abgegolten. Dies zeige die zum 1. November 2006 abgeschlossene Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG. Unabhängig von § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG bestehe der Vergütungsanspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Aus der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung folge spiegelbildlich der Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. November 2011 zugestellte Urteil am 9. Dezember 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs sei § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne eine Vergütungspflicht nur dann angenommen werden, wenn unter Beachtung des Rechts der Krankenhausfinanzierung sowie unter Berücksichtigung der Entgelt- und Budgetvereinbarung eine Vereinbarung getroffen sei. Die Klägerin habe den Behandlungsfall mit der DRG B02G abgerechnet, was die Beklagte auch bezahlt habe. Die Systematik des Krankenhausfinanzierungsrechtes sei abschließend. Gemäß § 1 Abs. 1 KHEntgG werde die vollstationäre Leistung der "DRG-Krankenhäuser" nach dem KHEntgG vergütet. Nach § 7 KHEntgG seien die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten und ihren Kostenträgern mit nachfolgenden Entgelten abzurechnen. Diese Aufstellung sei abschließend und lasse keinen weiteren Spielraum zu. Darüber hinausgehende Entgelte dürfe das Krankenhaus weder dem Versicherten noch der Krankenkasse in Rechnung stellen. Zur Ermittlung der in § 7 aufgezählten Entgeltarten sei zu klären, ob die Leistung im Rahmen der vereinbarten Entgelte sachgerecht abgerechnet werden könne oder es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele. Letzteres sei anzunehmen, wenn das Verfahren in die Liste zur Information nach § 6 Abs. 2 KHEntgG: "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" des InEK für den hier streitigen Zeitraum 2005 aufgenommen worden sei. Das Verfahren "Carmustin-Implantat, intrathekal" sei auf der Liste des InEK im Jahr 2005 nicht enthalten und erst für das Jahr 2006 aufgenommen worden. Die Voraussetzungen für eine Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG hätten daher nicht vorgelegen. Auch habe es keine darauf bezogene Vereinbarung der Beteiligten gegeben. Auf die medizinische Notwendigkeit des Behandlungsfalls komme es daher nicht an. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des Off-Label-Use auch nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die strenge Wortlautauslegung des BSG in den DRG-Fällen hingewiesen. Mangels Vergütungsregelung spreche daher einiges gegen eine Abrechnungsmöglichkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten. Dies habe die Klägerin nach der Kostenübernahmeerklärung vom 26. September 2005 zunächst auch so gesehen. Da ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten aus § 13 Abs. 3 SGB V nicht vorliegen dürfte, bestehe keine Möglichkeit der Klägerin, nach entsprechender Abtretungserklärung des Versicherten, dessen vermeintliche Ansprüche geltend zu machen. Eine Rechtsgrundlage für den Anspruch sei daher nicht erkennbar.
Die Klägerin hat hierzu ergänzend ausgeführt: Zunächst sei danach zu fragen, ob die streitgegenständliche Leistung nicht ausnahmsweise ohne Vereinbarung abgerechnet werden durfte. So sei die Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten erst am 10. Oktober 2005 geschlossen worden. Auch seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 4 KHEntgG auf Bundesebene nicht geschaffen worden, so dass eine Vereinbarung zum 1. Januar 2005 über Zusatzentgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch kein deutsches Krankenhaus im Kalenderjahr 2004 getroffen worden sei. Schließlich datiere der Genehmigungsbescheid für die Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten erst vom 25. Oktober 2005. Erst nach Zugang des Bescheides hätten die Regelungen der Budget- und Entgeltvereinbarung 2005 gegolten. Für den vorliegenden Behandlungsfall sei daher auf die vorhergehende Vereinbarung des Jahres 2004 zurückzugreifen. Für diese Vereinbarung des Jahres 2004 sei eine Vereinbarung von Zusatzentgelten für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Abs. 2 KHEntgG noch nicht möglich gewesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143,144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte zu. Sie macht den Anspruch auf Zahlung für erbrachte Krankenhausleistungen gegen die Beklagte zutreffend mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Bei der Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Kosten für die Behandlung eines Versicherten handelt es sich um einen sog. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R, zitiert nach juris).
Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 KHEntgG und § 17 b KHG.
§ 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG bestimmt: "Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit folgenden Entgelten abgerechnet: 1. Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9 KHEntgG, ( ). Mit diesen Entgelten werden alle für die Vergütung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 7 Satz 2 KHEntgG).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Behandlungsfall mit der Multi-DRG B02G in Höhe von 9.633,36 EUR abgerechnet, was die Beklagte auch bezahlt hat. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt auch keinen Zweifeln des Senats. Streitig ist dagegen die zusätzliche Kostenerstattung für das Medikament "Gliadel" in Höhe von 11.600,00 EUR, für die es im Jahr 2005 weder eine gesonderte DRG noch eine Sondervereinbarung der Beteiligten gab. Die von der Klägerin vorgelegten Vereinbarungen betrafen nicht den hier streitigen Zeitraum zwischen September bis Oktober 2005 und können daher bereits nach dem Wortlaut nicht rückwirkend für das Jahr 2005 angewandt werden. Auch nach der Budget- und Entgeltvereinbarung des Jahres 2004 oder 2005 oder dem DRG-System besteht kein solcher Anspruch auf Kostenerstattung. Der Klägerin ist dabei jedoch einzuräumen, dass die Multi-DRG B02G in keiner Weise wirtschaftlich geeignet ist, die erheblichen Mehrkosten für das Medikament "Gliadel" abzudecken. Schließlich überschreiten bereits die reinen Beschaffungskosten für das Medikament "Gliadel" (ohne Personal- und weitere Sachkosten) die abgerechnete DRG um weit über 100 %, was für die Klägerin angesichts der Kostenerstattung von 9.633, 36 EUR zu einem wirtschaftlichen Verlust geführt hatte.
Solche Probleme sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich im Rahmen der zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkasse vereinbarten Abrechnungsverfahren zu lösen. Keinesfalls dürfen die Gerichte über ergänzende Vertragsauslegungen, Analogien oder andere Auslegungsmethoden bestehende Vergütungslücken schließen. Vielmehr sind DRGs nach der ständigen BSG-Rechtsprechung allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwenderregeln zu handhaben. Dagegen bleibt für Bewertungen und Bewertungsrelationen kein Raum (stRspr, vgl. z.B. BSGE 109, 236; zuletzt Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 6/12 R, zitiert nach juris). Bestehen auf Seiten eines Krankenhauses dennoch Unsicherheiten bei der Anwendung von Abrechnungsbestimmungen oder – wie hier – sogar größere Vergütungslücken, ist es auf der Ebene der generellen vertraglichen Regelung Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, diese durch Weiterentwicklung z.B. der Fallpauschalen- oder Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben. Denn das DRG-basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17 b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz ([KHG]) "lernendes" System angelegt. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind daher in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG a.a.O.). Die Gerichte können und dürfen in diese Vereinbarungsregelungen der Beteiligten nicht eingreifen, um vermeintliche Ungerechtigkeiten in den jeweiligen Regelungen zu beseitigen. Vielmehr müssen die auf der Vergütungsebene maßgeblich Beteiligten diese Lösung selbst herbeiführen. So haben die Beteiligten für das Medikament "Gliadel" für das Jahr 2006 eine Vereinbarung geschlossen und die Vergütungslücke damit geschlossen. Diese Vereinbarung galt jedoch erst ab dem Jahr 2006 und ist daher nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Im September 2005 bestand zwischen den Beteiligten auf der Vergütungsebene noch nicht die Möglichkeit, die Beklagte zu einer entsprechenden Vereinbarung zu veranlassen, da das hierfür vorgesehene Verfahren beim INEK für den streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht eingeleitet worden war. Das damit verbundene Vergütungsrisiko des Krankenhauses war der Klägerin auch bekannt. Schließlich hat sie deswegen mit dem Versicherten eine gesonderte private Kostenübernahmeerklärung geschlossen und zusätzlich versucht, mit der Beklagten eine Sondervereinbarung abzuschließen. Nachdem es hierzu aber nicht gekommen war, blieb es bei der vom BSG auf der Vergütungsebene vorgezeichneten Rechtslage. Danach trägt grundsätzlich das Krankenhaus das Kostenrisiko in Fällen, in denen eine bisherige DRG-Regelung oder Zusatzvereinbarung den dem Krankenhaus tatsächlich entstandenen Kostenanteil deutlich verfehlt. § 6 Abs. 2 KHEntGG sieht hierfür ein klares Verfahren zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vor, um derartige Problemfälle zu vermeiden. Allein über Sondervereinbarungen bzw. ein Verfahren über die INEK kann das Krankenhaus für die Zukunft das entstandene Kostenrisiko abdecken.
Für die Zeit bis zum Abschluss einer zukünftigen Vergütungsregelung bleiben den Krankenhäusern folglich wenige Möglichkeiten, drohenden Kostenrisiken auszuweichen. Der sicherste Weg wäre, wenn das Krankenhaus die Behandlung wegen der ungeklärten Vergütungsfrage einfach ablehnen würde. Dies kann jedoch schwierige Haftungsfragen im Verhältnis zum Versicherten auslösen. Das Krankenhaus kann aber auch den Versicherten als privaten Kostenschuldner heranziehen, wie es die Klägerin hier zunächst versucht hat. Dies dürfte jedoch – wenn der Versicherte einen Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse hat – wegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil (SGB I) rechtlich zweifelhaft und gerichtlich kaum durchsetzbar sein. Damit bleibt dem Krankenhaus nur die Möglichkeit, auf den Versicherten selbst einzuwirken, um ihn als konkret Betroffenen zu veranlassen, seinen u. U. bestehenden Versorgungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse notfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung gerichtlich klären zu lassen oder zumindest vor der Behandlung gegenüber der Krankenkasse einen Kostenantrag nach § 13 Abs. 3 SGB V zu stellen. Steht dem Versicherten auf der Sachleistungsebene ein Anspruch auf das vergütungsunfähige Medikament "Gliadel" im Krankenhaus zu, muss dies spiegelbildlich zu einem "faktischen" Vergütungsanspruch des Krankenhauses führen. Schließlich kann dem Krankenhaus eine kostenfreie Behandlung zu Gunsten der Versichertengemeinschaft, die in einem derartigen Ausnahmefall allein einstandspflichtig wäre, nicht zugemutet werden. Damit kann nur der Versicherte die Vergütungslücke im Sinne des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse schließen. Wegen des seines grundrechtlich besonders gesicherten Behandlungsanspruchs (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, 1 BVR 347/98) sind daher Fälle denkbar, in denen ihm gegen die Krankenkasse weitergehende Ansprüche zustehen, als dies auf der Vergütungsebene zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zum Behandlungszeitpunkt geregelt worden ist.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach die Vergütungsregelungen der Beteiligten, auch wenn sie lückenhaft und fehlerhaft erscheinen, grundsätzlich abschließend sind. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls ist jedoch mit Rücksicht auf die besondere Leistungsbeziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ausnahmsweise ein Aufwendungserstattungsanspruch des Krankenhauses anzuerkennen. Diesem Aufwendungserstattungsanspruch stehen das KHEntGG oder die DRG sowie die Budget- und Entgeltvereinbarungen nicht entgegen. Es geht nur um die Erstattung von Aufwendungen, nicht um ein Leistungsentgelt im eigentlichen Sinne. Daher weicht der Senat auch von der vorgenannten Rechtsprechung des BSG nicht ab.
Der Aufwendungserstattungsanspruch in Höhe von 11.600,00 EUR ergibt sich aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen eines erheblichen Verstoßes der Beklagten gegen das gegenseitige Rücksichtnahmegebot. § 242 BGB ist in den Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten dabei prinzipiell anwendbar. Im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse bestehen dauerhafte rechtliche Beziehungen, die im Interesse der Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen eine fortlaufende professionelle und reibungslose Zusammenarbeit der Beteiligten voraussetzen. Wegen dieser Interessen- und Aufgabenkonstellation muss bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen von den Beteiligten die Beachtung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme erwartet werden (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 11/09 R, zitiert nach juris). Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dient dabei auch dem Schutz des Integritätsinteresses des jeweils anderen Beteiligten. Das Gebot der Rücksichtnahme ist dann verletzt, wenn ein Beteiligter eigene Rechte oder Rechtspositionen begründet hat, die bei einem redlichen Verhalten unabhängig von einem eventuellen Verschulden nicht entstanden wären (Staudinger-Olzen, Kommentar zum BGB, Bd. 2, 2009, zu § 242 Rdn. 242). Unredlichkeit kann dabei beispielsweise dann vorliegen, wenn die Gegenpartei das Entstehen einer günstigen Rechtsposition für den Vertragspartner zum eigenen Vorteil vereitelt hat. Dieser allgemeine Rechtsgedanke, der auch in §§ 162 Abs. 1, 815 BGB bestätigt wird, kann dabei einen eigenen Anspruch begründen (Staudinger-Olzen a.a.O., Rdn. 246).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte treuwidrig nur ihre Interessen verfolgt und dadurch die Rechtsposition der Klägerin pflichtwidrig beeinträchtigt. Außerdem hat sie sich widersprüchlich verhalten. Aufgrund der offenkundigen Zwangslage der Klägerin, deren Ärzte aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten zu kurzfristigem Handeln gezwungen waren, musste sich auch die Beklagte entsprechend gedrängt sehen, unverzüglich und nicht erst nach ca. sechs Wochen über den als Eilantrag bezeichneten Kostenerstattungsantrag zu entscheiden. Nur so hätte das Krankenhaus vor möglichen Rechtsnachteilen bewahrt werden können. Auch das weitere Verhalten der Beklagten war widersprüchlich und verletzt ebenfalls das Gebot der Rücksichtnahme, was ausnahmsweise einen Aufwendungserstattungsanspruch gemäß § 242 BGB rechtfertigt.
Nach den überzeugenden Ausführungen des verantwortlichen Klinikchefs der Klägerin Dr. B., denen der MDK in den später von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen nicht entgegengetreten ist, war der Einsatz von "Gliadel" nach Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie wenige Monate zuvor, die das schnelle Wachstum des Tumors offenbar nicht verzögen konnte, beim Versicherten wegen der verbesserten Wirksamkeit und auch der geringen Nebenwirkungen und der besonderen Eilbedürftigkeit im Einzelfall das Medikament der Wahl und damit unbedingt notwendig. Dies hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 8. Februar 2006 zunächst auch so eingeschätzt. Schließlich hat sie es gegenüber der Klägerin als unstreitig angesehen, dass der Versicherte dringend auf das Medikament angewiesen war und die Klägerin mit dem Einsatz von "Gliadel" auch das medizinische Notwendige veranlasst hatte. Angesichts der Kosten allein für die Beschaffung des Medikaments, die im DRG-System zu diesem Zeitpunkt erkennbar nicht kostentragend und damit unter keinen Umständen wirtschaftlich sinnvoll vergütet werden konnte, bestand auf Seiten der Klägerin ein erkennbar hohes Kostenrisiko. Denn einerseits bestand beim Versicherten wegen eines Tumorrezidivs im Hirnbereich bei einem schnell wachsenden Tumor ein sofortiger ärztlicher Handlungsbedarf, der eine unverzügliche Reaktion der Klägerin erforderte, um das Leben des Versicherten zu retten bzw. zumindest zu verlängern. Andererseits war der als medizinisch notwendig angesehene Einsatz von "Gliadel" für das Krankenhaus mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden, da es noch keine Vergütungsvereinbarung gab und für ein vertragliches Anpassungsverfahren nach dem KHEntGG keine Zeit mehr blieb. Eine Ablehnung der Behandlung wegen der unklaren Vergütungsfrage wäre kaum in Frage gekommen, da sich das Krankenhaus dann ggf. berechtigte Haftungsansprüchen des Versicherten bzw. sogar einem strafrechtlichen Vorwurfs ausgesetzt hätte.
Anstatt in dieser Situation mit einer unverzüglichen Entscheidung über den Kostenerstattungsantrag eine Klärung herbeizuführen, hat die Beklagte wochenlang nicht reagiert und ihren Vertragspartner damit im Ergebnis "im Stich gelassen". Mit diesem Befolgen der eigenen Interessen hat sie in Kauf genommen, dass sich die Rechtssituation der Klägerin durch das zögerliche Verhalten immer weiter verschlechtert.
Aufgrund des eiligen Kostenantrages vom 14. September 2005 hat die Klägerin die Beklagte rechtzeitig vor Behandlungsbeginn umfassend über den vollständigen Sachverhalt informiert und dabei auf die besondere Dringlichkeit hingewiesen. Allein die anstehende OP und das Lieferungsproblem eines Importmedikaments bei einer infausten Prognose des Versicherten hätte Anlass genug gegeben, umgehend den MDK sowie die Vertragsabteilung einzuschalten. Der Beklagten war es daher zeitlich problemlos möglich, diesen Antrag noch vor der eigentlichen Behandlung zu bearbeiten. Stattdessen hat die Beklagte erst mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 reagiert, d.h. nach Abschluss der Behandlung am 17. Oktober 2005 und dabei lediglich auf die fehlende Vergütungsregelung hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich jedoch das Kostenrisiko der Klägerin bereits vollständig realisiert, ohne dass ihr auf dem Weg dahin noch die Möglichkeit geblieben wäre, den erheblichen finanziellen Schaden abzuwenden. Eine Bearbeitungszeit von ca. sechs Wochen ist bei einer solchen Eilbedürftigkeit des Kostenerstattungsantrags unvertretbar lang und bedeutet einen klaren Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Mit dieser pflichtwidrig langen Bearbeitungszeit hat sich die Beklagte treuwidrig durch ein eigenes Fehlverhalten eine für sie günstige Rechtsposition zu Lasten der Klägerin verschafft. Hätte nämlich die Beklagte umgehend den eiligen Kostenantrag entschieden, hätte die Klägerin die eigenen Haftungs- und Kostenrisiken nochmals genau überprüfen können und den Versicherten ggf. auch auf seine Rechte im Verhältnis zur Beklagten hinweisen können. Aus Sicht des Versicherten bestand wegen seiner grundrechtlich geschützten Position die durchaus erfolgversprechende Möglichkeit, noch vor Behandlungsbeginn im Wege einstweiligen Rechtsschutzes seine Rechte gegenüber der Beklagten rechtzeitig geltend zu machen. Ein solcher Geschehensablauf, der die Klägerin vom Kostenrisiko hätte entlasten können, wurde durch die zögerliche Reaktion der Beklagten pflichtwidrig vereitelt.
Zudem hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auch widersprüchlich verhalten, was mit den Grundpflichten aus einer ständigen Leistungsbeziehung wiederum unvereinbar ist. Auf der einen Seite hat sie die Behandlung mit "Gliadel" als medizinisch notwendig bezeichnet und sich damit die Bewertung der Klägerin vollständig zu Eigen macht. Mit dieser Bewertung hat sie im Ergebnis selbst eine Kostentragungspflicht der Versichertengemeinschaft prinzipiell einräumt. Auf der anderen Seite lehnte sie jedoch auf der Vergütungsebene der Beteiligten – wegen der unzureichenden Regelungen – jedes Entgegenkommen zu Gunsten der Klägerin ab, obwohl die nicht vergüteten Kosten für die Behandlung mit "Gliadel" mehr als 100 % der eigentlichen DRG ausgemacht haben und die Vergütung nach der DRG für die Behandlung des Versicherten nicht angemessen sein konnte. Auch in die Rechtsbeziehungen zwischen Klägerin und Versicherten hat die Beklagte eingegriffen, in dem sie die Klägerin wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit ihrer Ansprüche gegen den Versicherten veranlasst hat, von der Verfolgung des durch private Kostenübernahmeerklärung gesicherten Zahlungsanspruchs abzusehen. Mit diesem Forderungsverzicht gegenüber dem Versicherten hat die Beklagte der Klägerin endgültig "eine Pflicht zur Selbstschädigung" auferlegt. Dies hatte für die Beklagte zugleich die positive Nebenfolge, von einem etwaigen Kostenerstattungsantrag des Versicherten verschont zu bleiben.
Die Beklagte ging mit dieser sehr einseitigen Wahrnehmung der eigenen Interessen zu Lasten der Klägerin selbst im prozessualen Vorbringen noch weiter, indem sie von ihrer Bewertung im Schreiben vom 8. Februar 2006 abgerückt ist und ohne medizinischen Anknüpfungspunkt behauptet hat, es habe für die Klägerin die Möglichkeit gegeben, eine alternative Behandlung des Versicherten durchzuführen. Dies steht im Gegensatz zu den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B., dem die MDK-Gutachter damals wohl mit guten Gründen nicht entgegengetreten sind. Angesichts der Substanzlosigkeit dieser Behauptung sah sich der Senat nicht veranlasst, weitere medizinische Ermittlungen vorzunehmen.
Insgesamt muss der Beklagten vorgeworfen werden, dass sie sich durch pflichtwidriges Verhalten und fehlende Rücksichtnahme alle Vorteile zu Lasten der Klägerin gesichert hat. Demgegenüber kann der Klägerin keine eigenständige Pflichtverletzung vorgeworfen haben. Sie hat im wohlverstandenen Interesse für den schwersterkrankten Versicherten ohne Rücksicht auf das eigene finanzielle Risiko gehandelt. Mit dem geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch verlangt sie auch nur Ersatz der ihr unmittelbar entstandenen Kosten, so dass ihr aus der Behandlung mit "Gliadel" keinerlei zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteile erwachsen.
Betrachtet man diese Besonderheiten des Einzelfalls, die insgesamt ein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten der Beklagten aufzeigen, muss von einer gravierenden Störung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte ausgegangen werden. Ihr formal zutreffender Hinweis auf eine lückenhafte Vergütungsregelung der Beteiligten führt angesichts dieser erheblichen Pflichtverletzungen nicht zu dem sonst unausweichlichen Ergebnis, dass das Kostenrisiko von der Klägerin zu tragen ist. Durch ihre einseitige Wahrnehmung der eigenen Interessen hat die Beklagte das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Klägerin verletzt und damit einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in erkannter Höhe begründet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005. Der Anspruch rechtfertigt sich zudem aus den gesetzlichen Vorschriften des §§ 291, 288 BGB, nachdem die Beklagte nach einer Mahnung der Klägerin vom 22. August 2006 (Schreiben vom 17. August 2006) jegliche Zahlung am 1. September 2006 verweigert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Nach Angaben beider Beteiligter handelt es sich um einen speziellen Einzelfall, der in der bisherigen Praxis der Beteiligten noch nie vorgekommen ist. Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits liegt daher nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung die Rechtssprechung des BSG beachtet. Der aus den Besonderheiten des Einzelfalls geprüfte und im Ergebnis bejahte Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 242 BGB steht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 11.600,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für das während eines stationären Krankenhausaufenthalts im Jahr 2005 lokal implantierte Chemotherapeutikum "Gliadel".
Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Der am ... 1950 geborene K. war bei der Beklagten krankenversichert und befand sich wegen eines rezidivierenden malignen hirneigenen Tumors (Gliaoblastomrezidiv) vom 27. bis 29. September 2005 und vom 3. bis 17. Oktober 2005 im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung. Hierfür erteilte die Beklagte eine Kostenzusage.
Am 14. September 2005 stellte die Klägerin über den Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie Dr. B. in zwei Schreiben jeweils einen "Eilantrag auf Kostenübernahme" bei der Beklagten und bat um die Zustimmung für die Therapie mit "Gliadel". Sie gab an, es handele es sich um ein Import-Arzneimittel, das als Chemotherapeutikum direkt in die Tumorhöhle eingebracht werde. Über kleine sich nach und nach auflösende Plättchen werde dabei der Wirkstoff Carmustin langsam freigesetzt. Mit dieser Behandlung werde eine Lebensverlängerung ohne die belastenden Nebenwirkungen einer klassischen Chemotherapie erreicht. Bei Einsatz des Medikaments sei mit Kosten von mehr als 13.000 EUR zu rechnen. Wegen der Einfuhrnotwendigkeit und der OP-Planung werde um rasche Bearbeitung gebeten. In dem weiteren Schreiben vom selben Tage führte der Chefarzt weiter aus: Der Versicherte leide an einem rezidivierenden malignen hirneigenen Tumor. Für ihn bestehe "eine weitere Behandlungsoption mittels einer Tumoroperation mit anschließender intraoperativer Chemotherapie sowie paralleler Chemosensitivtestung. Patienten mit Tumorerkrankungen des gleichen histologischen Typs können erhebliche Unterschiede im Ansprechen auf eine Therapie zeigen. Die Wirksamkeit der Medikamente lässt sich in dem Chemosensitivitätstest vorhersagen. Tumorzellen des Patienten werden intraoperativ entnommen, im Reagenzglas mit mehreren Medikamenten behandelt. Nach einigen Tagen wird ermittelt, wie viel Tumorzellen jeweils überlebt haben. Das Medikament, bei dem die wenigsten Tumorzellen überlebt haben, ist das wirksamste Medikament. Damit ist eine optimale Behandlung von Anfang an möglich. Resistenzen lassen sich mit annähernd 100%-iger Sicherheit voraussagen, so dass die Therapie individuell optimiert werden und ineffektive Therapien werden vermieden, ebenso unnötige Nebenwirkungen, die den Patienten zusätzlich belasten könnten."
In einem Aktenvermerk vom 5. Oktober 2005 führte ein Sachbearbeiter der Beklagten aus, die Klägerin habe nach Absprache mit der Vertragsabteilung Krankenhäuser lediglich Verträge über teilstationäre onkologische Leistungen, jedoch keine Sondervereinbarungen geschlossen.
Am 26. September 2005 unterzeichnete der Versicherte folgende Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klägerin:
"Hiermit erkläre ich die Kostenübernahme in Höhe von ca. 11.000 EUR für das lokale Chemotherapeutikum Gliadel für den Fall, dass meine gesetzliche Krankenkasse/mein privater Krankenversicherer die Kosten nicht übernimmt.
Ich bin darüber aufgeklärt, dass ein lokales Chemotherapeutikum nicht Bestandteil des vereinbarten Krankenhausbudgets ist."
In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 17. Oktober 2005 finden sich folgende Hinweise:
"- für Erstoperationen am Gliaoblastom läuft in M. eine Studie
- Patient hat aber eine Folge OP
- Gliadel ist seit 2004 für den deutschen Markt zugelassen
- Nutzen dieser Behandlungsform ist nicht höher anzusehen als herkömmliche Chemotherapie
- keine zusätzliche Leistung."
Dr. B. berichtete in einem beigefügten Arztbrief vom 19. Oktober 2005, der Kläger sei bereits im Mai 2005 wegen eines Hirntumors in F. operiert worden. Trotz dieser Behandlungsbemühungen sei es bereits nach wenigen Monaten zu einem schnellen und großen Tumorrezidiv gekommen.
Die Firma C. GmbH stellte dem Versicherten 757,43 EUR für vier Einzelsubstanztestungen in Rechnung, die von ihm bezahlt wurde. Die Klägerin verlangte vom Versicherten mit der Rechnungsnummer 84310 vom 24. Oktober 2005 die Zahlung von 11.600,00 EUR. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten wegen des stationären Aufenthalts sowie der Operation eine Multi-DRG B 02G am 18. Oktober 2005 in Höhe von 9.633,36 EUR ab, was diese am 8. November 2005 bezahlte.
Am 24. Oktober 2005 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin geltend, ein Kostenanspruch bestehe nicht, da mit der Zahlung der DRG alle für den Versicherten entstandenen Kosten (einschließlich aller erforderlicher Untersuchungen und der Versorgung mit Chemotherapeutika) abgegolten seien.
Am 3. November 2005 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Behandlung mit "Gliadel" in Höhe von 12.157,43 EUR. Diese beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-B. e.V (MDK) mit der Prüfung. Nach der Stellungnahme der MDK-Gutachterin Dr. H. vom 16. Januar 2006 habe "Gliadel" die Zulassung der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Es lägen Studien der Phase III vor, die eine signifikante Wirksamkeit des Medikaments bei Tumoren nachgewiesen hätten. Der Einsatz des Präparats im vorliegenden Falle sei bei Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie daher medizinisch nachvollziehbar. Die MDK-Gutachterin Dr. S. führte in einer weiteren Stellungnahme aus, dass die stationäre Behandlungsnotwendigkeit im vorliegenden Fall für die gesamte Behandlungszeit gegeben sei. Der Auffassung von Dr. H. sei bei Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie zuzustimmen.
Am 27. Januar 2006 vertrat die Beklagte gegenüber dem Versicherten die Ansicht, der Klägerin stünden keine Ansprüche gegen ihn zu. Die Klägerin mahnte am 12. Dezember 2005 und 15. Januar 2006 nochmals die Zahlung beim Versicherten an. Dieser Verfahrensweise trat die Beklagte am 8. Februar 2006 entgegen und machte geltend: Aus § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) ergebe sich, dass alle zur Behandlung medizinisch erforderlichen Maßnahmen durch die vereinbarten Entgelte für die allgemeinen Krankenhausleistungen abgegolten seien. Wegen medizinisch notwendiger Maßnahmen dürfe der Versicherte nicht auf Wahlleistungen oder eine gesonderte Vergütungsvereinbarung verwiesen werden. Aufgrund seines Gesundheitszustandes sei der Versicherte, was unstrittig sei, auf das Medikament dringend angewiesen gewesen und daher die Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen. Die Klägerin sei jedoch verpflichtet, alle medizinisch notwendigen Leistungen gegenüber dem Versicherten zu erbringen und hierfür nur die gesetzlich vorgesehene Vergütung zu berechnen. Daher sei die Klägerin nicht berechtigt, vom Versicherten eine gesonderte Vergütung zu verlangen. Daraufhin stellte die Klägerin den Zahlungseinzug bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts mit der Beklagten ruhend.
Am 17. August 2006 machte die nun anwaltlich vertretene Klägerin gegenüber der Beklagten geltend: Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Medikament "Gliadel" nicht in den bestehenden DRGs enthalten. In diesem Zusammenhang sei auf § 6 Abs. 2 KGEntgG zu verweisen, der folgenden Inhalt habe:
"Für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137 c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen worden sind, sollen die Vertragsparteien nach § 11 erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren. Die Entgelte sind sachgerecht zu kalkulieren; ( )".
Von dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus gGmbH (InEK) zu den NUB 2006 sei unter der laufenden Nummer 12 "Gliadel" als angefragte Methode/Leistung aufgeführt. Für "Gliadel" bestehe daher ein Bedürfnis, von der Öffnungsklausel des § 6 Abs. 2 KHEntgG Gebrauch zu machen.
Nach einem Aktenvermerk der Beklagten vom 29. August 2006 seien für das Jahr 2005 mit dem Städtischen Klinikum M. keine NUB-Entgelt-Vereinbarungen geschlossen worden. Diese seien erst im Jahr 2006 durch die AOK ... getroffen worden. Eine separate Vergütung komme daher nicht in Betracht. Am 1. September 2006 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme mangels Rechtsgrundlage ab.
Die Klägerin hat am 21. September 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und eine Zahlung von 11.600,00 EUR nebst Zinsen verlangt. Ergänzend hat sie ausgeführt: Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BVR 347/98) sei die Beklagte verpflichtet gewesen, "Gliadel" ihrem Versicherten zur Verfügung zu stellen, da eine entsprechende medizinische Indikation hierfür vorgelegen habe. Dies entspreche auch der Praxis anderer gesetzlicher Krankenversicherungen gegenüber der Klägerin. Der Einsatz von "Gliadel" könne wegen der hohen Kosten nicht in der Multi-DRG B02G enthalten sein.
Die Beklagte hat dagegen geltend gemacht: Es bestehe bereits keine fällige Forderung in geltend gemachter Höhe. Schließlich habe die Beklagte von der Klägerin keine an sie gerichtete Rechnung erhalten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei eine Vergütung außerhalb des abschließend geregelten Vergütungssystems unzulässig. Die Beklagte habe die von der Klägerin geltend gemachte Multi-DRG B 02G bezahlt, was weitergehende Entgelte ausschließe. Ohne eine Vergütungsvereinbarung gemäß § 6 Abs. 2 KHEntgG lasse sich ein Anspruch der Klägerin daher nicht rechtfertigen. Diese existiere aber nicht für den fraglichen Behandlungszeitraum. § 6 Abs. 2 KHEntgG sehe ein detailliertes Verfahren vor, wie mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsverfahren vergütungstechnisch zu verfahren sei. Das Krankenhaus müsse spätestens zum 31. Oktober des Jahres von den Vertragsparteien auf Bundesebene eine Information einholen, ob die neue Methode mit den vereinbarten Fallpauschalen und dem Zusatzentgelt sachgerecht abgerechnet werden könne. Nur nach positiver Beantwortung bzw. wenn nach fristgerecht erfolgter Anfrage eine Beantwortung nicht vorliege, könne die Vereinbarung geschlossen werden. Werde eine Entgeltvereinbarung getroffen, so sei dies auf Bundesebene zu melden. Diese Vereinbarung habe die Klägerin weder behauptet noch bewiesen. Im Übrigen berufe sich die Klägerin zu Unrecht auf die Rechtsprechung zum sog. Off-Label-Use. Die Klägerin habe weder behauptet noch dargelegt, dass es im vorliegenden Fall keine Behandlungsalternativen gegeben habe. Auch die behaupteten Vorteile des Medikaments seien zu bestreiten.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt: Durch den Einsatz von "Gliadel" habe beim Versicherten eine mehr als zwölfmonatige Überlebenszeit erreicht werden können. Dies könne durch den behandelnden Arzt sowie weitere sachverständige Zeugen belegt werden. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nunmehr eine fehlende Fälligkeit der Vergütungsforderung rüge.
Die Klägerin hat Vereinbarungen zu § 6 Abs. 2 KHEntgG zur Gerichtakte gereicht. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die vorgelegten Unterlagen lediglich die Zeit ab dem 1. November 2006 beträfen.
Das SG hat mit Urteil vom 31. August 2011 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 11.600,00 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 21. September 2006 zu zahlen und zur Begründung ausgeführt: Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sowie der Einschätzung des MDK und des Schreibens der Beklagten vom 27. Januar 2006 bestehe kein Zweifel daran, dass die medizinische Versorgung mit "Gliadel" im vorliegenden Fall notwendig gewesen sei und daher der Versicherte einen Sachleistungsanspruch gegenüber dem behandelnden Krankenhaus gehabt habe. Hieran müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Die Kosten für das Medikament "Gliadel" seien nicht bereits mit der abgerechneten Multi-DRG B02G abgegolten. Dies zeige die zum 1. November 2006 abgeschlossene Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG. Unabhängig von § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG bestehe der Vergütungsanspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Aus der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung folge spiegelbildlich der Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. November 2011 zugestellte Urteil am 9. Dezember 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und geltend gemacht: Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs sei § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne eine Vergütungspflicht nur dann angenommen werden, wenn unter Beachtung des Rechts der Krankenhausfinanzierung sowie unter Berücksichtigung der Entgelt- und Budgetvereinbarung eine Vereinbarung getroffen sei. Die Klägerin habe den Behandlungsfall mit der DRG B02G abgerechnet, was die Beklagte auch bezahlt habe. Die Systematik des Krankenhausfinanzierungsrechtes sei abschließend. Gemäß § 1 Abs. 1 KHEntgG werde die vollstationäre Leistung der "DRG-Krankenhäuser" nach dem KHEntgG vergütet. Nach § 7 KHEntgG seien die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten und ihren Kostenträgern mit nachfolgenden Entgelten abzurechnen. Diese Aufstellung sei abschließend und lasse keinen weiteren Spielraum zu. Darüber hinausgehende Entgelte dürfe das Krankenhaus weder dem Versicherten noch der Krankenkasse in Rechnung stellen. Zur Ermittlung der in § 7 aufgezählten Entgeltarten sei zu klären, ob die Leistung im Rahmen der vereinbarten Entgelte sachgerecht abgerechnet werden könne oder es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele. Letzteres sei anzunehmen, wenn das Verfahren in die Liste zur Information nach § 6 Abs. 2 KHEntgG: "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" des InEK für den hier streitigen Zeitraum 2005 aufgenommen worden sei. Das Verfahren "Carmustin-Implantat, intrathekal" sei auf der Liste des InEK im Jahr 2005 nicht enthalten und erst für das Jahr 2006 aufgenommen worden. Die Voraussetzungen für eine Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG hätten daher nicht vorgelegen. Auch habe es keine darauf bezogene Vereinbarung der Beteiligten gegeben. Auf die medizinische Notwendigkeit des Behandlungsfalls komme es daher nicht an. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des Off-Label-Use auch nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die strenge Wortlautauslegung des BSG in den DRG-Fällen hingewiesen. Mangels Vergütungsregelung spreche daher einiges gegen eine Abrechnungsmöglichkeit der Klägerin gegenüber der Beklagten. Dies habe die Klägerin nach der Kostenübernahmeerklärung vom 26. September 2005 zunächst auch so gesehen. Da ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten aus § 13 Abs. 3 SGB V nicht vorliegen dürfte, bestehe keine Möglichkeit der Klägerin, nach entsprechender Abtretungserklärung des Versicherten, dessen vermeintliche Ansprüche geltend zu machen. Eine Rechtsgrundlage für den Anspruch sei daher nicht erkennbar.
Die Klägerin hat hierzu ergänzend ausgeführt: Zunächst sei danach zu fragen, ob die streitgegenständliche Leistung nicht ausnahmsweise ohne Vereinbarung abgerechnet werden durfte. So sei die Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten erst am 10. Oktober 2005 geschlossen worden. Auch seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 4 KHEntgG auf Bundesebene nicht geschaffen worden, so dass eine Vereinbarung zum 1. Januar 2005 über Zusatzentgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden durch kein deutsches Krankenhaus im Kalenderjahr 2004 getroffen worden sei. Schließlich datiere der Genehmigungsbescheid für die Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten erst vom 25. Oktober 2005. Erst nach Zugang des Bescheides hätten die Regelungen der Budget- und Entgeltvereinbarung 2005 gegolten. Für den vorliegenden Behandlungsfall sei daher auf die vorhergehende Vereinbarung des Jahres 2004 zurückzugreifen. Für diese Vereinbarung des Jahres 2004 sei eine Vereinbarung von Zusatzentgelten für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Abs. 2 KHEntgG noch nicht möglich gewesen.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143,144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte zu. Sie macht den Anspruch auf Zahlung für erbrachte Krankenhausleistungen gegen die Beklagte zutreffend mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Bei der Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Kosten für die Behandlung eines Versicherten handelt es sich um einen sog. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05 R, zitiert nach juris).
Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 KHEntgG und § 17 b KHG.
§ 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG bestimmt: "Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit folgenden Entgelten abgerechnet: 1. Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9 KHEntgG, ( ). Mit diesen Entgelten werden alle für die Vergütung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 7 Satz 2 KHEntgG).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Behandlungsfall mit der Multi-DRG B02G in Höhe von 9.633,36 EUR abgerechnet, was die Beklagte auch bezahlt hat. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt auch keinen Zweifeln des Senats. Streitig ist dagegen die zusätzliche Kostenerstattung für das Medikament "Gliadel" in Höhe von 11.600,00 EUR, für die es im Jahr 2005 weder eine gesonderte DRG noch eine Sondervereinbarung der Beteiligten gab. Die von der Klägerin vorgelegten Vereinbarungen betrafen nicht den hier streitigen Zeitraum zwischen September bis Oktober 2005 und können daher bereits nach dem Wortlaut nicht rückwirkend für das Jahr 2005 angewandt werden. Auch nach der Budget- und Entgeltvereinbarung des Jahres 2004 oder 2005 oder dem DRG-System besteht kein solcher Anspruch auf Kostenerstattung. Der Klägerin ist dabei jedoch einzuräumen, dass die Multi-DRG B02G in keiner Weise wirtschaftlich geeignet ist, die erheblichen Mehrkosten für das Medikament "Gliadel" abzudecken. Schließlich überschreiten bereits die reinen Beschaffungskosten für das Medikament "Gliadel" (ohne Personal- und weitere Sachkosten) die abgerechnete DRG um weit über 100 %, was für die Klägerin angesichts der Kostenerstattung von 9.633, 36 EUR zu einem wirtschaftlichen Verlust geführt hatte.
Solche Probleme sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich im Rahmen der zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkasse vereinbarten Abrechnungsverfahren zu lösen. Keinesfalls dürfen die Gerichte über ergänzende Vertragsauslegungen, Analogien oder andere Auslegungsmethoden bestehende Vergütungslücken schließen. Vielmehr sind DRGs nach der ständigen BSG-Rechtsprechung allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwenderregeln zu handhaben. Dagegen bleibt für Bewertungen und Bewertungsrelationen kein Raum (stRspr, vgl. z.B. BSGE 109, 236; zuletzt Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 6/12 R, zitiert nach juris). Bestehen auf Seiten eines Krankenhauses dennoch Unsicherheiten bei der Anwendung von Abrechnungsbestimmungen oder – wie hier – sogar größere Vergütungslücken, ist es auf der Ebene der generellen vertraglichen Regelung Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, diese durch Weiterentwicklung z.B. der Fallpauschalen- oder Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben. Denn das DRG-basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17 b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz ([KHG]) "lernendes" System angelegt. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind daher in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BSG a.a.O.). Die Gerichte können und dürfen in diese Vereinbarungsregelungen der Beteiligten nicht eingreifen, um vermeintliche Ungerechtigkeiten in den jeweiligen Regelungen zu beseitigen. Vielmehr müssen die auf der Vergütungsebene maßgeblich Beteiligten diese Lösung selbst herbeiführen. So haben die Beteiligten für das Medikament "Gliadel" für das Jahr 2006 eine Vereinbarung geschlossen und die Vergütungslücke damit geschlossen. Diese Vereinbarung galt jedoch erst ab dem Jahr 2006 und ist daher nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Im September 2005 bestand zwischen den Beteiligten auf der Vergütungsebene noch nicht die Möglichkeit, die Beklagte zu einer entsprechenden Vereinbarung zu veranlassen, da das hierfür vorgesehene Verfahren beim INEK für den streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht eingeleitet worden war. Das damit verbundene Vergütungsrisiko des Krankenhauses war der Klägerin auch bekannt. Schließlich hat sie deswegen mit dem Versicherten eine gesonderte private Kostenübernahmeerklärung geschlossen und zusätzlich versucht, mit der Beklagten eine Sondervereinbarung abzuschließen. Nachdem es hierzu aber nicht gekommen war, blieb es bei der vom BSG auf der Vergütungsebene vorgezeichneten Rechtslage. Danach trägt grundsätzlich das Krankenhaus das Kostenrisiko in Fällen, in denen eine bisherige DRG-Regelung oder Zusatzvereinbarung den dem Krankenhaus tatsächlich entstandenen Kostenanteil deutlich verfehlt. § 6 Abs. 2 KHEntGG sieht hierfür ein klares Verfahren zwischen Krankenhaus und Krankenkasse vor, um derartige Problemfälle zu vermeiden. Allein über Sondervereinbarungen bzw. ein Verfahren über die INEK kann das Krankenhaus für die Zukunft das entstandene Kostenrisiko abdecken.
Für die Zeit bis zum Abschluss einer zukünftigen Vergütungsregelung bleiben den Krankenhäusern folglich wenige Möglichkeiten, drohenden Kostenrisiken auszuweichen. Der sicherste Weg wäre, wenn das Krankenhaus die Behandlung wegen der ungeklärten Vergütungsfrage einfach ablehnen würde. Dies kann jedoch schwierige Haftungsfragen im Verhältnis zum Versicherten auslösen. Das Krankenhaus kann aber auch den Versicherten als privaten Kostenschuldner heranziehen, wie es die Klägerin hier zunächst versucht hat. Dies dürfte jedoch – wenn der Versicherte einen Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse hat – wegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil (SGB I) rechtlich zweifelhaft und gerichtlich kaum durchsetzbar sein. Damit bleibt dem Krankenhaus nur die Möglichkeit, auf den Versicherten selbst einzuwirken, um ihn als konkret Betroffenen zu veranlassen, seinen u. U. bestehenden Versorgungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse notfalls im Wege einer einstweiligen Anordnung gerichtlich klären zu lassen oder zumindest vor der Behandlung gegenüber der Krankenkasse einen Kostenantrag nach § 13 Abs. 3 SGB V zu stellen. Steht dem Versicherten auf der Sachleistungsebene ein Anspruch auf das vergütungsunfähige Medikament "Gliadel" im Krankenhaus zu, muss dies spiegelbildlich zu einem "faktischen" Vergütungsanspruch des Krankenhauses führen. Schließlich kann dem Krankenhaus eine kostenfreie Behandlung zu Gunsten der Versichertengemeinschaft, die in einem derartigen Ausnahmefall allein einstandspflichtig wäre, nicht zugemutet werden. Damit kann nur der Versicherte die Vergütungslücke im Sinne des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse schließen. Wegen des seines grundrechtlich besonders gesicherten Behandlungsanspruchs (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, 1 BVR 347/98) sind daher Fälle denkbar, in denen ihm gegen die Krankenkasse weitergehende Ansprüche zustehen, als dies auf der Vergütungsebene zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zum Behandlungszeitpunkt geregelt worden ist.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach die Vergütungsregelungen der Beteiligten, auch wenn sie lückenhaft und fehlerhaft erscheinen, grundsätzlich abschließend sind. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls ist jedoch mit Rücksicht auf die besondere Leistungsbeziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ausnahmsweise ein Aufwendungserstattungsanspruch des Krankenhauses anzuerkennen. Diesem Aufwendungserstattungsanspruch stehen das KHEntGG oder die DRG sowie die Budget- und Entgeltvereinbarungen nicht entgegen. Es geht nur um die Erstattung von Aufwendungen, nicht um ein Leistungsentgelt im eigentlichen Sinne. Daher weicht der Senat auch von der vorgenannten Rechtsprechung des BSG nicht ab.
Der Aufwendungserstattungsanspruch in Höhe von 11.600,00 EUR ergibt sich aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen eines erheblichen Verstoßes der Beklagten gegen das gegenseitige Rücksichtnahmegebot. § 242 BGB ist in den Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten dabei prinzipiell anwendbar. Im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse bestehen dauerhafte rechtliche Beziehungen, die im Interesse der Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen eine fortlaufende professionelle und reibungslose Zusammenarbeit der Beteiligten voraussetzen. Wegen dieser Interessen- und Aufgabenkonstellation muss bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen von den Beteiligten die Beachtung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme erwartet werden (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2009 – B 1 KR 11/09 R, zitiert nach juris). Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dient dabei auch dem Schutz des Integritätsinteresses des jeweils anderen Beteiligten. Das Gebot der Rücksichtnahme ist dann verletzt, wenn ein Beteiligter eigene Rechte oder Rechtspositionen begründet hat, die bei einem redlichen Verhalten unabhängig von einem eventuellen Verschulden nicht entstanden wären (Staudinger-Olzen, Kommentar zum BGB, Bd. 2, 2009, zu § 242 Rdn. 242). Unredlichkeit kann dabei beispielsweise dann vorliegen, wenn die Gegenpartei das Entstehen einer günstigen Rechtsposition für den Vertragspartner zum eigenen Vorteil vereitelt hat. Dieser allgemeine Rechtsgedanke, der auch in §§ 162 Abs. 1, 815 BGB bestätigt wird, kann dabei einen eigenen Anspruch begründen (Staudinger-Olzen a.a.O., Rdn. 246).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte treuwidrig nur ihre Interessen verfolgt und dadurch die Rechtsposition der Klägerin pflichtwidrig beeinträchtigt. Außerdem hat sie sich widersprüchlich verhalten. Aufgrund der offenkundigen Zwangslage der Klägerin, deren Ärzte aufgrund der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten zu kurzfristigem Handeln gezwungen waren, musste sich auch die Beklagte entsprechend gedrängt sehen, unverzüglich und nicht erst nach ca. sechs Wochen über den als Eilantrag bezeichneten Kostenerstattungsantrag zu entscheiden. Nur so hätte das Krankenhaus vor möglichen Rechtsnachteilen bewahrt werden können. Auch das weitere Verhalten der Beklagten war widersprüchlich und verletzt ebenfalls das Gebot der Rücksichtnahme, was ausnahmsweise einen Aufwendungserstattungsanspruch gemäß § 242 BGB rechtfertigt.
Nach den überzeugenden Ausführungen des verantwortlichen Klinikchefs der Klägerin Dr. B., denen der MDK in den später von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen nicht entgegengetreten ist, war der Einsatz von "Gliadel" nach Ausschöpfung der herkömmlichen Therapie wenige Monate zuvor, die das schnelle Wachstum des Tumors offenbar nicht verzögen konnte, beim Versicherten wegen der verbesserten Wirksamkeit und auch der geringen Nebenwirkungen und der besonderen Eilbedürftigkeit im Einzelfall das Medikament der Wahl und damit unbedingt notwendig. Dies hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 8. Februar 2006 zunächst auch so eingeschätzt. Schließlich hat sie es gegenüber der Klägerin als unstreitig angesehen, dass der Versicherte dringend auf das Medikament angewiesen war und die Klägerin mit dem Einsatz von "Gliadel" auch das medizinische Notwendige veranlasst hatte. Angesichts der Kosten allein für die Beschaffung des Medikaments, die im DRG-System zu diesem Zeitpunkt erkennbar nicht kostentragend und damit unter keinen Umständen wirtschaftlich sinnvoll vergütet werden konnte, bestand auf Seiten der Klägerin ein erkennbar hohes Kostenrisiko. Denn einerseits bestand beim Versicherten wegen eines Tumorrezidivs im Hirnbereich bei einem schnell wachsenden Tumor ein sofortiger ärztlicher Handlungsbedarf, der eine unverzügliche Reaktion der Klägerin erforderte, um das Leben des Versicherten zu retten bzw. zumindest zu verlängern. Andererseits war der als medizinisch notwendig angesehene Einsatz von "Gliadel" für das Krankenhaus mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden, da es noch keine Vergütungsvereinbarung gab und für ein vertragliches Anpassungsverfahren nach dem KHEntGG keine Zeit mehr blieb. Eine Ablehnung der Behandlung wegen der unklaren Vergütungsfrage wäre kaum in Frage gekommen, da sich das Krankenhaus dann ggf. berechtigte Haftungsansprüchen des Versicherten bzw. sogar einem strafrechtlichen Vorwurfs ausgesetzt hätte.
Anstatt in dieser Situation mit einer unverzüglichen Entscheidung über den Kostenerstattungsantrag eine Klärung herbeizuführen, hat die Beklagte wochenlang nicht reagiert und ihren Vertragspartner damit im Ergebnis "im Stich gelassen". Mit diesem Befolgen der eigenen Interessen hat sie in Kauf genommen, dass sich die Rechtssituation der Klägerin durch das zögerliche Verhalten immer weiter verschlechtert.
Aufgrund des eiligen Kostenantrages vom 14. September 2005 hat die Klägerin die Beklagte rechtzeitig vor Behandlungsbeginn umfassend über den vollständigen Sachverhalt informiert und dabei auf die besondere Dringlichkeit hingewiesen. Allein die anstehende OP und das Lieferungsproblem eines Importmedikaments bei einer infausten Prognose des Versicherten hätte Anlass genug gegeben, umgehend den MDK sowie die Vertragsabteilung einzuschalten. Der Beklagten war es daher zeitlich problemlos möglich, diesen Antrag noch vor der eigentlichen Behandlung zu bearbeiten. Stattdessen hat die Beklagte erst mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 reagiert, d.h. nach Abschluss der Behandlung am 17. Oktober 2005 und dabei lediglich auf die fehlende Vergütungsregelung hingewiesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich jedoch das Kostenrisiko der Klägerin bereits vollständig realisiert, ohne dass ihr auf dem Weg dahin noch die Möglichkeit geblieben wäre, den erheblichen finanziellen Schaden abzuwenden. Eine Bearbeitungszeit von ca. sechs Wochen ist bei einer solchen Eilbedürftigkeit des Kostenerstattungsantrags unvertretbar lang und bedeutet einen klaren Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Mit dieser pflichtwidrig langen Bearbeitungszeit hat sich die Beklagte treuwidrig durch ein eigenes Fehlverhalten eine für sie günstige Rechtsposition zu Lasten der Klägerin verschafft. Hätte nämlich die Beklagte umgehend den eiligen Kostenantrag entschieden, hätte die Klägerin die eigenen Haftungs- und Kostenrisiken nochmals genau überprüfen können und den Versicherten ggf. auch auf seine Rechte im Verhältnis zur Beklagten hinweisen können. Aus Sicht des Versicherten bestand wegen seiner grundrechtlich geschützten Position die durchaus erfolgversprechende Möglichkeit, noch vor Behandlungsbeginn im Wege einstweiligen Rechtsschutzes seine Rechte gegenüber der Beklagten rechtzeitig geltend zu machen. Ein solcher Geschehensablauf, der die Klägerin vom Kostenrisiko hätte entlasten können, wurde durch die zögerliche Reaktion der Beklagten pflichtwidrig vereitelt.
Zudem hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin auch widersprüchlich verhalten, was mit den Grundpflichten aus einer ständigen Leistungsbeziehung wiederum unvereinbar ist. Auf der einen Seite hat sie die Behandlung mit "Gliadel" als medizinisch notwendig bezeichnet und sich damit die Bewertung der Klägerin vollständig zu Eigen macht. Mit dieser Bewertung hat sie im Ergebnis selbst eine Kostentragungspflicht der Versichertengemeinschaft prinzipiell einräumt. Auf der anderen Seite lehnte sie jedoch auf der Vergütungsebene der Beteiligten – wegen der unzureichenden Regelungen – jedes Entgegenkommen zu Gunsten der Klägerin ab, obwohl die nicht vergüteten Kosten für die Behandlung mit "Gliadel" mehr als 100 % der eigentlichen DRG ausgemacht haben und die Vergütung nach der DRG für die Behandlung des Versicherten nicht angemessen sein konnte. Auch in die Rechtsbeziehungen zwischen Klägerin und Versicherten hat die Beklagte eingegriffen, in dem sie die Klägerin wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit ihrer Ansprüche gegen den Versicherten veranlasst hat, von der Verfolgung des durch private Kostenübernahmeerklärung gesicherten Zahlungsanspruchs abzusehen. Mit diesem Forderungsverzicht gegenüber dem Versicherten hat die Beklagte der Klägerin endgültig "eine Pflicht zur Selbstschädigung" auferlegt. Dies hatte für die Beklagte zugleich die positive Nebenfolge, von einem etwaigen Kostenerstattungsantrag des Versicherten verschont zu bleiben.
Die Beklagte ging mit dieser sehr einseitigen Wahrnehmung der eigenen Interessen zu Lasten der Klägerin selbst im prozessualen Vorbringen noch weiter, indem sie von ihrer Bewertung im Schreiben vom 8. Februar 2006 abgerückt ist und ohne medizinischen Anknüpfungspunkt behauptet hat, es habe für die Klägerin die Möglichkeit gegeben, eine alternative Behandlung des Versicherten durchzuführen. Dies steht im Gegensatz zu den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B., dem die MDK-Gutachter damals wohl mit guten Gründen nicht entgegengetreten sind. Angesichts der Substanzlosigkeit dieser Behauptung sah sich der Senat nicht veranlasst, weitere medizinische Ermittlungen vorzunehmen.
Insgesamt muss der Beklagten vorgeworfen werden, dass sie sich durch pflichtwidriges Verhalten und fehlende Rücksichtnahme alle Vorteile zu Lasten der Klägerin gesichert hat. Demgegenüber kann der Klägerin keine eigenständige Pflichtverletzung vorgeworfen haben. Sie hat im wohlverstandenen Interesse für den schwersterkrankten Versicherten ohne Rücksicht auf das eigene finanzielle Risiko gehandelt. Mit dem geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch verlangt sie auch nur Ersatz der ihr unmittelbar entstandenen Kosten, so dass ihr aus der Behandlung mit "Gliadel" keinerlei zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteile erwachsen.
Betrachtet man diese Besonderheiten des Einzelfalls, die insgesamt ein treuwidriges und widersprüchliches Verhalten der Beklagten aufzeigen, muss von einer gravierenden Störung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte ausgegangen werden. Ihr formal zutreffender Hinweis auf eine lückenhafte Vergütungsregelung der Beteiligten führt angesichts dieser erheblichen Pflichtverletzungen nicht zu dem sonst unausweichlichen Ergebnis, dass das Kostenrisiko von der Klägerin zu tragen ist. Durch ihre einseitige Wahrnehmung der eigenen Interessen hat die Beklagte das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Klägerin verletzt und damit einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in erkannter Höhe begründet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2005. Der Anspruch rechtfertigt sich zudem aus den gesetzlichen Vorschriften des §§ 291, 288 BGB, nachdem die Beklagte nach einer Mahnung der Klägerin vom 22. August 2006 (Schreiben vom 17. August 2006) jegliche Zahlung am 1. September 2006 verweigert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Nach Angaben beider Beteiligter handelt es sich um einen speziellen Einzelfall, der in der bisherigen Praxis der Beteiligten noch nie vorgekommen ist. Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits liegt daher nicht vor. Der Senat hat bei seiner Entscheidung die Rechtssprechung des BSG beachtet. Der aus den Besonderheiten des Einzelfalls geprüfte und im Ergebnis bejahte Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 242 BGB steht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang.
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