L 2 R 97/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 534/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 97/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 48 SGB X ist für bereits anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte nur dann anwendbar, wenn sich die nachträgliche Änderung der Verhältnisse auf Umstände bezieht, auf denen die anfängliche Rechtswidrigkeit nicht beruht.

2. Aufgrund des einkommensteuerrechtlichen Jahresprinzips kann Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nicht vor Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres festgestellt werden und gilt deshalb auch nicht vorher als im Sinne des § 96a SGB VI erzielt (Anschluss an BSG vom 9. Oktober 2012 - B 5 R 8/12 R - Juris-Rn. 23). Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X tritt mit diesem Zeitpunkt ein.
I. Die Berufung der Beklagten vom 7. März 2012 gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. September 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme seiner Erwerbsminderungsrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen nach § 96a des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI).

Nach einem vorangegangenen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation vom 26. Juli 2001 beantragte der Kläger am 13. Dezember 2001 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der Beklagten. In dem Antragsformular beantwortete der Kläger die Frage, ob er in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, durch Ankreuzen mit "ja" und gab an, dass die Beschäftigung ab Rentenbeginn ende. Gleichzeitig kreuzte er an, nicht selbstständig tätig zu sein. In der Anlage zu diesem Antrag gab der Kläger unter dem Punkt "Beschäftigungsübersicht" u.a. an, seit 1996 bis laufend als Kaufmann, Lagerverwalter, Packer etc. beschäftigt zu sein und im Zeitraum davor von 1984 bis 1996 selbstständig tätig gewesen zu sein.

Dr. C. vom Sozialmedizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) teilte der Kläger anlässlich einer Begutachtung am 14. November 2001 mit, seit dem 13. Oktober 2000 als Teilhaber eines Haushaltswarenbedarfsgeschäfts selbstständig tätig zu sein. Bei einer weiteren Begutachtung am 16. Juli 2001 (Gutachten vom 17. Juli 2001) beim MDK wurde als Anforderungsprofil "Geschäftsführer einer Firma, an der der Versicherte selbst beteiligt ist. ( ) Die Ehefrau habe eine Eisdiele." aufgeführt. Beide Gutachten legte der MDK der Beklagten auf deren Anforderung am 17. Januar 2002 vor.

Im durch die Beklagte veranlassten Gutachten vom 18. Februar 2002 gab der Kläger gegenüber dem Gutachter Dr. med. D. an, zuletzt als Kaufmann im Lagerbereich tätig gewesen zu sein.

Mit Rentenbescheid vom 15. Mai 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2001 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 158 EUR monatlich. Dabei ging sie von einem Rentenantrag vom 26. Juli 2001 aus. Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" auf der dritten Seite folgenden Passus:

"Liegt bei Aufnahme bzw. Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit weiterhin teilweise Erwerbsminderung vor, wird die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht oder in verminderter Höhe geleistet, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit) die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenze bei Beginn der laufenden Zahlung beträgt bei Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit in einem der alten Bundesländer oder im Ausland monatlich 802,95 EUR ( ).

Die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen ergibt sich aus Anlage 19."

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 21. Mai 2002 gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 28. Juni 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2001, befristet bis zum 30. Juni 2004, in Höhe von 315,98 EUR.

Unter der Überschrift "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" enthielt der Bescheid auf der vierten Seite folgenden Passus:

"Liegt bei Aufnahme bzw. Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit weiterhin volle Erwerbsminderung vor, wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht oder in verminderter Höhe geleistet, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbstständigen Tätigkeit) die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt monatlich 325 EUR. ( ...)

Die Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen ergibt sich aus Anlage 19."

In seinem Antrag auf Weiterzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 19. Februar 2004 beantwortete der Kläger die Frage "Sind oder waren sie selbstständig erwerbstätig?" durch Ankreuzen mit "ja". Das Kreuz bei "nein" ist durchgestrichen.

Gegenüber der durch die Beklagte beauftragte Gutachterin Dr. med. E. gab der Kläger an, bis zum 12. Oktober 2000 als selbstständiger Kaufmann (Direktvertrieb von Kochtöpfen) tätig gewesen zu sein (Gutachten vom 1. April 2004).

Mit Schreiben vom 28. April 2004 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, ob er tatsächlich selbstständig erwerbstätig gewesen sei. Wenn dies der Fall sei, so werde um Angabe der täglichen Arbeitszeit sowie des derzeitigen Einkommens und um Einsendung von entsprechenden Nachweisen über die Höhe des Einkommens (z.B. Einkommensteuerbescheid, Bescheinigung vom Steuerberater) gebeten.

Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 12. Mai 2004, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, selbstständig tätig zu sein. Er habe die Frage nur bejaht, da er eine langjährig bestehende Konzession auf seinen Namen habe. Eine Änderung der Konzession auf einen anderen Namen sei aufgrund von Umbauauflagen finanziell und baulich nicht durchzuführen. Der Familienbetrieb werde von seiner Frau und Familienangehörigen geführt und abgewickelt.

Die Beklagte ging daraufhin intern davon aus, dass der Kläger keine selbstständige Erwerbstätigkeit mehr ausübe und bewilligte ihm mit Bescheid vom 26. Mai 2004 die Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung bis einschließlich Juni 2007.

In seinem Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 26. März 2007 kreuzte der Kläger auf die Frage "Sind oder waren sie selbstständig erwerbstätig?" "ja" an und setzte den Zusatz "bis 2001" hinzu.

Mit Schreiben vom 17. April 2007 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Einkommen-steuerbescheide ab dem Jahr 2001 vorzulegen.

Mit Bescheid vom 9. Mai 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2007 bis einschließlich Juni 2010. Unter der Überschrift "Ergänzende Begründung und Hinweise" teilte die Beklagte mit, dass die Weiterzahlung unter dem Vorbehalt der Prüfung der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen erfolge und erinnerte an die Einsendung der Einkommensteuerbescheide ab dem Jahr 2001.

Am 10. Mai 2007 legte der Kläger die Einkommensteuerbescheide für 2001 (vom 18. September 2003), für 2002 (vom 4. Dezember 2003), für 2003 (vom 13. Januar 2005), für 2004 (vom 11. Oktober 2005) und für 2005 (vom 23. April 2007) vor.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2007 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Kürzung der Rente wegen voller Erwerbsminderung von Juli 2001 bis Dezember 2002 auf die Hälfte der Rente, für das Jahr 2003 auf drei Viertel der Rente, für das Jahr 2004 auf die Hälfte der Rente und für Januar 2005 bis laufend zu einem vollständigen Ruhen an. Auch hinsichtlich des parallelen Rentenanspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seien sämtliche Hinzuverdienstgrenzen ab dem 1. Januar 2005 überschritten worden. Die Beklagte beabsichtige, die Bescheide vom 15. Mai 2002 und 28. Juni 2002 sowie alle Folgebescheide mit Wirkung ab dem 1. Juli 2001 nach § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, die laufende Rentenzahlung ab 1. Juli 2007 einzustellen und die Überzahlung für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2007 in Höhe von 17.462,29 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern.

Der Kläger äußerte sich dazu nicht.

Mit Rentenbescheid vom 21. Juni 2007 berechnete die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2001 neu. Die Rente beginne am 1. Juli 2001. Sie sei seit dem 1. Januar 2005 nicht zu zahlen. Sie sei befristet und ende mit dem 30. Juni 2010. Für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 31. Juli 2007 ergebe sich eine Überzahlung von 17.836,72 EUR. Unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen stehe die Rente dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis Dezember 2002 nur in Höhe der Hälfte, für das Jahr 2003 nur in Höhe von drei Vierteln und für das Jahr 2004 nur in Höhe der Hälfte zu. Die Rentenbescheide vom 15. Mai 2002 und 28. Juni 2002 sowie alle Folgebescheide würden hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Juli 2001 nach § 45 SGB X zurückgenommen. Die entstandene Überzahlung sei nach § 50 SGB X zu erstatten. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er bereits im Antragsverfahren falsche Angaben gemacht habe. Die vorzunehmende Ermessensausübung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die ihm gesetzte Frist ohne Reaktion verstreichen lassen. Bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens seien sämtliche bekannte Umstände beachtet worden, um eine Bescheidrücknahme zu vermeiden. Eine finanzielle Härte läge nach Aktenlage nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 5. Juli 2007 Widerspruch. Dort und in der nachfolgenden Widerspruchsbegründung machte er geltend, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, selbstständig tätig zu sein und verwies dazu auf sein Schreiben vom 12. Mai 2004. Er habe in seinen früheren Anträgen stets angegeben, als Geschäftsführer oder Kaufmann selbstständig zu sein. Im Schreiben vom 12. Mai 2004 habe er auch Angaben zu seiner selbstständigen Tätigkeit gemacht und ausgeführt, dass er selbst nicht mehr im Betrieb arbeite, dass der Gewerbebetrieb Eisdiele jedoch wegen der Konzession weiter über ihn laufe. Der Beklagten sei seit dem 30. Juli 2001 bekannt gewesen, dass eine selbstständige Tätigkeit bzw. ein Gewerbe vorläge, welche auf den Kläger gemeldet sei. Da die Eheleute gemeinsam veranlagt seien, spiele es keine Rolle, dass in den Steuerbescheiden die Einkünfte aus der Eisdiele dem Kläger zugeordnet würden, obwohl dieser selber dort aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden nicht mehr gearbeitet habe. Bezüglich der Angaben im ersten Antrag handele es sich um ein Verschulden des zuständigen Krankenkassenmitarbeiters. Der Rentenberater der Barmer Ersatzkasse habe für den Kläger den Rentenantrag ausgefüllt. Dem Mitarbeiter der Krankenkasse sei bekannt gewesen, dass die Eisdiele auf den Kläger angemeldet sei und entsprechende Einkünfte erzielt würden.

Mit Schreiben vom 27. November 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Juni 2007 teilweise abgeholfen werde. Die geltend gemachte Forderung werde im Wege des Ermessens auf den Betrag von 13.620,86 EUR reduziert. Der Kläger habe erstmalig anlässlich des Antrags auf Weitergewährung der Rente vom Februar 2004 die Frage nach einer selbstständigen Tätigkeit bejaht. Das Schreiben vom 28. April 2004 sei am 15. Mai 2004 beantwortet, die Frage nach dem Einkommen aus dieser Tätigkeit nicht beantwortet worden. Steuerbescheide seien nicht eingesandt worden. Da eine Änderung nicht erfolgt sei, laste sich die Beklagte ein Mitverschulden am Entstehen der Überzahlung der Rente zum 1. Juli 2004 an. Dies führe dazu, dass die für die Zeit ab dem 1. Juli 2004 entstandene Forderung auf zwei Drittel der tatsächlichen Forderung reduziert werde. Da der Kläger das Einkommen aus Gewerbebetrieb nicht nachgewiesen habe, trage er das überwiegende Verschulden am Entstehen der Überzahlung. Aufgrund der aktenkundigen wirtschaftlichen Verhältnisse sei davon auszugehen, dass eine Tilgung der Forderung in Höhe von noch 13.620,86 EUR in angemessenen Raten möglich sei, da der Kläger nach dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid des Jahres 2005 einen erheblichen Gewinn erziele.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2008 überreichte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 3. Januar 2008. Aus diesem ergaben sich Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 8.921 EUR jährlich.

Mit Rentenbescheid vom 19. März 2008 berechnete die Beklagte die Rente des Klägers unter Berücksichtigung des Einkommens aus dem Jahr 2006 neu. Ab dem 1. Mai 2008 würden laufend 187,22 EUR gezahlt. Die Überzahlung für den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. April 2008 betrage 12.620,36 EUR. Die Rente werde für Juli 2001 bis Dezember 2002 in Höhe der Hälfte, 2003 in Höhe von drei Vierteln, 2004 in Höhe der Hälfte, 2005 nicht, ab 2006 in Höhe der Hälfte gezahlt. Aus der Anlage 10 des Bescheids ergab sich eine Gesamtforderung für den Zeitraum 1. Juli 2001 bis zum 31. Juli 2007 in Höhe von 11.266,61 EUR und unter Berücksichtigung einer Nachzahlung vom 1. August 2007 bis zum 30. April 2008 noch eine Restforderung von in Höhe von 9.581,63 EUR.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2008 zurück. Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X lägen vor. Die noch bestehende Forderung in Höhe von 9.581,63 EUR sei auch nicht im Rahmen des Ermessens über die bereits erfolgte Reduzierung hinaus zu verringern.

Am 21. Oktober 2008 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt. Dazu verwies er unter Vorlage von Forderungsaufstellungen der Krankenversicherung und seiner Vermieterin auf seine desolate wirtschaftliche Situation.

Die Beklagte vertrat dazu die Auffassung, dass die vorgetragenen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht vorrangig auf der Ebene der Bescheidkorrektur, sondern bei Durchsetzung des Rückforderungsanspruches zu berücksichtigen seien. Hier sei nach § 76 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV) zu prüfen, ob und inwieweit wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Stundung, eine Niederschlagung oder ein Erlass der Forderung möglich sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2011 schilderte der Kläger den Betrieb der Eisdiele durch seine Familie und seine wirtschaftliche Situation. Auf die mündliche Verhandlung hob das Sozialgericht mit Urteil vom selben Tag die Bescheide vom 21. Juni 2007, 27. November 2007 und 19. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 insoweit auf, als mit ihnen nicht eine laufende Rentenzahlung bewilligt wurde und ordnete die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers durch die Beklagte an. Die Voraussetzungen von § 45 SGB X seien nicht erfüllt. Der Kläger genieße Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X. Die Überzahlung sei zu Stande gekommen, weil der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht angegeben habe. Der Verwaltungsakt beruhe insoweit auf den Angaben des Klägers, die in wesentlicher Hinsicht unvollständig gewesen seien. Dies sei aber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen. Dies ergebe sich aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Der Kläger habe glaubhaft dargelegt, dass er selbst seit etwa 2001 nicht mehr in der Eisdiele mitarbeite. Diese sei nach seinem Verständnis – vielmehr von seiner Familie für ihn und seine Ehefrau geführt worden. Die Familienangehörigen hätten nach den glaubhaften Angaben des Klägers unentgeltlich gearbeitet. In dieser Situation sei es für die Kammer nachvollziehbar, dass der Kläger sich der Bedeutung seiner Rechtsposition als Inhaber der Eisdiele nicht bewusst gewesen sei und im Hinblick auf die aus seiner Sicht formale Konzessionsträgerschaft einerseits und die geringen Erträge der Eisdiele andererseits die Angabe der selbstständigen Tätigkeit als nicht relevant angesehen habe. Die Kammer habe dies im Hinblick auf die persönliche und wirtschaftliche Situation des Klägers nicht als grob fahrlässig würdigen können.

Gegen das der Beklagten am 15. Februar 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts seien die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X gegeben. Der Kläger habe in dem Rentenantrag vom 31. Dezember 2001 die Frage, ob er eine selbstständige Tätigkeit ausübe, verneint. Im Antrag auf Weiterzahlung der Rente vom 19. Februar 2004 sei die Frage zunächst verneint, dann aber korrigiert und bejaht worden. Wenn der Kläger im Jahr 2004 das Bewusstsein gehabt habe, eine selbstständige Tätigkeit auszuüben, müsse er dieses Bewusstsein auch im Jahr 2001 gehabt haben. Die maßgebliche Korrekturnorm sei allerdings nicht § 45 SGB X, sondern § 48 SGB X. Dies ergebe sich daraus, dass mit Bescheid vom 28. Juni 2002 der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Juli 2001 anerkannt worden sei. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der Bescheid bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen. Denn das anzurechnende Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2001 habe erstmalig nach Kenntnis des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2001 vom 18. September 2003 festgestellt werden können. Dabei handele es sich um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Das Gleiche gelte für das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2002. Kenntnis von der Höhe dieses Einkommens habe die Beklagte erst mit Eingang des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2002 vom 4. Dezember 2003 am 10. Mai 2007 gehabt. Für die weiteren Jahre gelte dies entsprechend. Bei dem Wechsel von § 45 SGB X auf § 48 SGB X handele es sich nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung. Auf die wirtschaftliche Lage des Klägers komme es für das vorliegende Verfahren nicht an.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass allein § 45 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht komme. Ein Austausch zu § 48 SGB X sei nicht möglich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. September 2011 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid vom 21. Juni 2007 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 27. November 2007 und vom 19. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen einer Rücknahme oder Aufhebung der Bescheide über die volle Erwerbsminderungsrente hinsichtlich der Höhe des Rentenauszahlungsanspruchs des Klägers lagen nicht vor. Die Rücknahme des Rentenzahlungsanspruchs aus dem Rentenbescheid vom 15. Mai 2002 ist bereits unbestimmt, hinsichtlich der Rücknahme oder Aufhebung der Zahlbeträge aus den Rentenbescheiden vom 28. Juni 2002, 26. Mai 2004 und 28. Juni 2007 fehlt es an den Voraussetzungen der §§ 45 bzw. 48 SGB X.

1. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21. Juni 2007 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 27. November 2007 und vom 19. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 die Rentenbescheide des Klägers vom 28. Juni 2002 (Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2004), 26. Mai 2004 (Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2007) und 28. Juni 2007 (Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010) hinsichtlich der Höhe des monatlichen Auszahlungsbetrags bis zur Höhe der Hälfte der Rente für Juli 2001 bis Dezember 2002, bis zur Höhe von drei Vierteln der Rente für 2003, bis zur Höhe der Hälfte für 2004, 2005 in voller Höhe und bis zur Höhe der Hälfte ab 2006 zurückgenommen. Mit der Formulierung im Bescheid vom 21. Juni 2007 "Der Rentenbescheid vom 15. Mai 2002 und 28. Juni 2002 sowie alle Folgebescheide" waren bei sachgerechter Auslegung die beiden Bescheide über die weitere befristete Bewilligung der vollen Erwerbminderungsrente vom 26. Mai 2004 und 28. Juni 2007 gemeint. Aus der Begründung lässt sich ebenfalls erkennen, dass die Beklagte nicht in das Stammrecht der bewilligten Erwerbsminderungsrente eingreifen wollte, sondern nur den Verwaltungsakt über den monatlichen Rentenzahlbetrag für die jeweiligen Jahre teilweise zurücknehmen wollte. Ebenso ist der Zeitraum der Rücknahme erkennbar. Die Beklagte wollte den Rentenauszahlungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zu 30. Juni 2010 teilweise zurücknehmen. Auch die Rücknahmehöhe ergibt sich aus den genannten Bescheiden. Die Anlage 10 des Bescheids vom 21. Juni 2007 enthält zwar keine Einschränkung der Rücknahme, doch lässt sich aus den Ausführungen unter dem Punkt "Berechnung der Rente" auf der Seite 2 des Bescheides und aus der Berechnung in der Anlage 1 entnehmen, in welcher Höhe der Auszahlungsanspruch des Klägers jeweils erhalten bleiben sollte.

2. Hinsichtlich der Rücknahme des Rentenzahlbetrags aus dem Bescheid vom 15. Mai 2002 (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2001 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres) genügt der Bescheid vom 21. Juni 2007 in der Fassung der Teilabhilfebescheide vom 27. November 2007 und vom 19. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2008 nicht den Anforderungen an das Bestimmheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X und ist deswegen rechtswidrig. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –) in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Aus dem Verfügungssatz muss für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Unschädlich ist es, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG vom 20. März 2013 – B 5 R 16/12 R – Juris-Rn. 15 ff; BSG vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 20/09 – Juris-Rn. 13 = BSGE 105, 194).

Es ist nicht erkennbar, in welcher Höhe der Auszahlungsanspruch hinsichtlich der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zurückgenommen werden sollte. Der Bescheid vom 21. Juni 2007 enthält in der Anlage 10, die die Rücknahme regelt, keine Ausführungen dazu. Dies spricht zunächst für eine vollständige Rücknahme. Auch die Formulierung in der Anhörung, dass die Hinzuverdienstgrenzen für die teilweise Erwerbsminderungsrente vollständig überschritten werden, deutet auf eine vollständige Rücknahme hin. Allerdings differenziert die Anlage 10 nicht zwischen der vollen Erwerbsminderungsrente und der teilweisen Erwerbsminderungsrente. Da für die volle Erwerbsminderungsrente, wie aus den Gründen des Bescheids ersichtlich, die gleichlautende Formulierung nicht als vollständige Rücknahme verstanden werden kann, kann sie auch hinsichtlich der teilweisen Erwerbsminderungsrente nicht mit ausreichender Sicherheit so verstanden werden. Eine Berechnung der Auszahlungsbeträge der teilweisen Erwerbsminderungsrente fehlt vollständig, obwohl dies zumindest für das Jahr 2005, für das kein Auszahlungsanspruch vorgesehen war, erforderlich gewesen wäre, da nach § 89 Abs. 1 S. 1 SGB VI die niedrigere teilweise Erwerbsminderungsrente zu leisten gewesen wäre. Auch eine Nennung der Hinzuverdienstgrenzen, aus denen auf die Höhe der Rücknahme geschlossen werden könnte, fehlt. Ebenso fehlt eine Angabe dazu, für welchen Zeitraum die Zahlbeträge der teilweisen Erwerbsminderungsrente zurückgenommen werden sollen. Die Teilabhilfebescheide vom 27. November 2007 und vom 19. März 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 26. September 2008 treffen zu diesen Punkten ebenfalls keine Aussagen.

3. Die teilweise Rücknahme des Zahlungsanspruchs aus dem Bescheid vom 28. Juni 2002 nach § 45 SGB X ist rechtswidrig, da der Kläger sich auf sein Vertrauen auf den Bestand dieses Bescheids berufen kann (a.). Eine Aufhebung nach § 48 SGB X kommt ebenfalls nicht in Betracht (b.).

a. Die Voraussetzungen von § 45 SGB X liegen nicht vor. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden, § 45 Abs. 1 SGB X. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 1 S. 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, § 45 Abs. 3 S. 1 SGB X. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
1. die Voraussetzungen des Absatz 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.

Der Rentenbescheid vom 28. Juni 2002 ist ein den Kläger begünstigender Verwaltungsakt. Er war auch hinsichtlich der Höhe des Auszahlungsanspruchs für den Zeitraum 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2004 anfänglich rechtswidrig.

Der monatliche Zahlbetrag der Rente des Klägers aus dem Rentenbescheid vom 28. Juni 2002 ist teilweise rechtswidrig, weil der Kläger Einkommen erzielt hat, welches die Hinzuverdienstgrenzen überschritten hat. Nach § 96a SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in Absatz 2 genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Nach § 96a Abs. 1a SGB VI wird abhängig vom erzielten Hinzuverdienst eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, in Höhe von drei Vierteln, der Hälfte oder einem Viertel bewilligt (§ 96a Abs. 1a Nr. 2 SGB VI).

Das Einkommen des Klägers stellt sich für die Jahre 2001 bis 2004 ausweislich der Einkommensteuerbescheide vom 18. September 2003, 4. Dezember 2004, 13. Januar 2005 und 11. Oktober 2005 wie folgt dar:

Jahreseinkommen Monatseinkommen

2001 15.746 DM 1.312,17 DM
2002 9.249 EUR 770,75 EUR
2003 4.948 EUR 412,33 EUR
2004 8.127 EUR 677,25 EUR

Die Einkünfte aus der Eisdiele sind Einkommen des Klägers. Weder der Ehefrau des Klägers noch den weiteren mithelfenden Familienangehörigen ist das Einkommen ganz oder teilweise zuzuordnen. Wie die Ermittlung der Höhe des Gewinns hat auch die Zuordnung des Gewinns zu der jeweiligen Person nach steuerrechtlichen Maßstäben zu erfolgen (BSG vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 56/02 R – Juris-Rn. 23 = SozR 4-2400 § 15 Nr. 1). Bei Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb kommt es darauf an, wer Unternehmer bzw. Mitunternehmer ist. Unternehmer ist die Person, die selbstständig und nachhaltig in der Absicht der Gewinnerzielung tätig wird, § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei kommt es weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen noch auf den nach außen durch Handelsregistereintragung oder gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein an. (Mit-)Unternehmer i.S. des § 15 EStG ist vielmehr, wer (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und ein (Mit-)Unternehmerrisiko trägt, also die Person, nach deren Willen und auf deren Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in ihrem Vermögen unmittelbar niederschlägt (vgl. BFH vom 17. Mai 2006 – VIII R 21/04 – Juris-Rn. 24). Unternehmerinitiative ergibt sich vor allem aus der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Unternehmerrisiko trägt, wer am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens Teil hat. Wer nicht am laufenden Gewinn oder am Gesamtgewinn der Gesellschaft beteiligt ist, ist danach regelmäßig nicht Mitunternehmer. Die Merkmale der Unternehmerinitiative und des Unternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (BFH vom 17. Mai 2006 – VIII R 21/04 – Juris-Rn. 25 f).

Als Unternehmer kommen nur der Kläger und seine Ehefrau in Betracht. Die weiteren mitarbeitenden Familienangehörigen waren weder am Gewinn beteiligt noch verfügten sie über relevante Entscheidungsbefugnisse über das Tagesgeschäft hinaus. Aber auch die Ehefrau des Klägers war keine Mitunternehmerin. Sie profitiert zwar von dem Gewinn dahingehend, dass der Kläger und sie davon einen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten konnten. Dies bedeutet aber nicht, dass sie an Gewinn und Verlust beteiligt war. Die Formulierung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht spricht eher dafür, dass er seinen Gewinn selbstverständlich für den Lebensunterhalt beider Eheleute verwendet hat. Die Ausführungen des Klägers zeigen auch, dass er weiterhin obwohl er nicht mehr aktiv mitarbeitete – für die grundlegenden Unternehmensentscheidungen allein verantwortlich war. So traf er die Entscheidung über die Beendigung oder Weiterführung des Gewerbes offensichtlich selbst, wie seine Überlegungen zu der Möglichkeit der Schließung der Eisdiele bereits im Jahr 2001 zeigen. Auch dass der Kläger ab und an in der Eisdiele nach dem Rechten sah, spricht dafür, dass er die Aufsicht über das Geschäft nicht aufgegeben hatte.

Die Zuordnung des Einkommens zum Kläger lässt sich auch aus der Zuordnung der Einkünfte zum Kläger in den Einkommensteuerbescheiden entnehmen. Auf die Feststellungen der Finanzverwaltung kann im Rahmen der Gewinnermittlung aufgrund der Vorschriften des Einkommensteuerrechts nach § 15 SGB IV zurückgegriffen werden, wenn der Betroffene gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder steuerrechtlichen Bewertungen des Finanzamts keine schlüssigen und erheblichen Einwendungen erhebt (BSG vom 30. März 2006 – B 10 KR 2/04 R – Juris-Rn. 30 m.w.N. = SozR 4-5420 § 2 Nr. 1). Das gilt auch für die Frage der Zuordnung der Einkünfte zu einer Person nach § 15 EStG, da diese Prüfung ein Bestandteil der Gewinnermittlung ist. Der Kläger hat keine Einwendungen gegen die Steuerbescheide vorgebracht. Hinzu kommt, dass der Kläger gegenüber der Finanzverwaltung Angaben gemacht haben muss, die diese zu einer Zuordnung der Einkünfte zu ihm gebracht haben.

Die Hinzuverdienstgrenze für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2001 betrug für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln 1.158,53 DM und für eine Rente in Höhe der Hälfte 1.537,29 DM, so dass dem Kläger bei einem monatlichen Einkommen von 1.312,17 DM nur eine Rente in Höhe der Hälfte zustand. Für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31.06.2002 betrugen diese Hinzuverdienstgrenzen 592,35 EUR und 786 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2003 605,12 EUR und 802,95 EUR. Mit einem monatlichen Einkommen von 770,75 EUR im Jahr 2002 stand dem Kläger im Jahr 2002 ebenfalls nur eine halbe Rente zu. Im Jahr 2003 überschritt der Kläger mit einem monatlichen Einkommen von 412,33 EUR nur noch die Hinzuverdienstgrenzen für eine volle Rente (340 EUR) und nicht mehr die für eine Rente in Höhe von drei Vierteln (bis 30. Juni 2003 605,12 EUR, dann 611,44 EUR), so dass er einen Anspruch auf eine Rente in Höhe von drei Vierteln gehabt hätte. Im Jahr 2004 stand dem Kläger eine Rente in Höhe der Hälfte einer vollen Rente zu, da er mit einem monatlichen Einkommen von 677,25 EUR die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente in Höhe von drei Vierteln (611,44 EUR) überschritt, die für eine halbe Rente (811,34 EUR) hingegen nicht.

Die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen war beim Kläger auch für das jeweilige gesamte Kalenderjahr zu berücksichtigen. Da das monatliche Einkommen des Klägers nur durch Teilung des Jahreseinkommens durch zwölf Monate errechnet werden kann, besteht kein monatlich schwankendes Einkommen und damit auch nicht die Möglichkeit, beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente die monatliche Hinzuverdienstgrenze ohne Rentennachteile zweimal im Kalenderjahr überschreiten zu können (vgl. BSG vom 3. Mai 2005 – B 13 RJ 8/04 – Juris-Rn. 30 f = BSGE 94, 286).

Hinsichtlich der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen ist der Bescheid vom 28. Juni 2002 nur für den Zeitraum 1. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2001 anfänglich rechtswidrig. Im Übrigen ist die Rechtswidrigkeit aber erst nach Erlass des Bescheides eingetreten. Rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X ist ein Bescheid immer nur dann, wenn bei seinem Erlass entweder das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Tritt hingegen die Rechtswidrigkeit erst nach Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes ein, liegt ein Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit vor, für die § 48 SGB anwendbar ist. Bei der Erzielung von rentenschädlichen Einkünften ist zwischen anfänglicher und nachträglicher Rechtswidrigkeit wie folgt zu differenzieren: Ein Fall des § 48 SGB X liegt vor, wenn erst nach Erlass des ursprünglichen Rentenbescheides Einkünfte erzielt werden, die auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen sind (z.B. Nachzahlung, rückwirkende Lohnerhöhung). Das ergibt sich aus der Fiktion des § 48 Abs. 1 S. 3 SGB X, wonach als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums gilt. Eine anfängliche Rechtswidrigkeit liegt hingegen vor, wenn bereits bei Erlass des Bescheides anzurechnende Einkünfte erzielt wurden, der Sozialleistungsträger hiervon allerdings erst nach Erlass des Bescheides Kenntnis erlangt. Denn bei Kenntnis der wahren Umstände hätte bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des ursprünglichen Bescheides eine andere Entscheidung als die getroffene ergehen müssen (vgl. Hessisches LSG vom 27. Januar 2012 – L 5 R 395/10 – Juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenzen stand zum Zeitpunkt des Rentenbescheids vom 28. Juni 2002 nur das Einkommen des Klägers für das Jahr 2001 fest. Für diesen Zeitraum waren zum Zeitpunkt des Zugangs des Bescheids vom 28. Juni 2002 alle Tatsachen gegeben, die für eine Berücksichtigung des Erwerbseinkommens nach § 96a SGB VI notwendig waren, sie waren der Beklagten nur nicht bekannt. Aufgrund des einkommensteuerrechtlichen Jahresprinzips (§§ 4 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 1 EStG) kann selbstständiges Einkommen nicht vor Ablauf eines Kalenderjahres festgestellt werden und gilt auch nicht im Sinne von § 96a SGB VI als erzielt (BSG vom 9. Oktober 2012 B 5 R 8/12 R – Juris-Rn. 23 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10).

Der Einkommenssteuerbescheid bewirkt keine nachträgliche Änderung. Da § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV nur auf die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts Bezug nimmt, den Einkommenssteuerbescheiden aber keine eigenständige Bedeutung zumisst, entfalten diese keine rechtliche Wirkung im Sinne einer Bindung für das sozialrechtliche Verfahren (vgl. BSG vom 9. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R – Juris-Rn. 30 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10), auch wenn tatsächlich regelmäßig auf die Feststellung der Finanzverwaltung zurückgegriffen werden kann.

Für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2004 haben sich die Verhältnisse mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres geändert, da dann jeweils die Höhe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit hätte ermittelt werden können.

Allerdings war der Bescheid vom 28. Juni 2002 aus anderen Gründen hinsichtlich der Festsetzung der monatlichen Rentenzahlbeträge für den gesamten Zeitraum anfänglich rechtswidrig. Wäre der Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit zu erwarten hatte, hätte sie keine abschließende Entscheidung über den Rentenzahlbetrag treffen dürfen. Es stellt einen Verstoß gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses dar, entgegen den Anforderungen des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X trotz der Einkommensabhängigkeit einer Rente über den Zahlbetrag abschließend zu entscheiden (BSG vom 9. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R – Juris-Rn. 20 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10; BSG vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – Juris-Rn. 17). Ein tatsächlicher Verstoß gegen die Ermittlungspflicht liegt hier zwar hinsichtlich des Einkommens des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit nicht vor, da die Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 28. Juni 2002 keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür hatte, dass der Kläger ein solches Einkommen erzielen werde. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Die Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Rechtswidrigkeit erfolgt allein auf Grundlage der objektiven Verhältnisse. Ob diese der Behörde bekannt waren oder nicht, spielt keine Rolle (vgl. Hessisches LSG vom 27. Januar 2012 – L 5 R 395/10 – Juris-Rn. 43). Selbst wenn angenommen wird, dass für einen Verstoß gegen die Ermittlungspflicht ein nicht endgültig geklärter Sachverhalt vorgelegen haben muss, damit überhaupt noch Anlass zu Ermittlungen für die Beklagte bestand, wäre ein solcher Fall vorliegend gegeben, da der Kläger angegeben hatte, Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit zu erzielen. Dies hätte für die Beklagte Anlass sein müssen, die Höhe dieses Einkommens festzustellen.

Der Kläger kann sich aber auf schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Rentenbescheids vom 28. Juni 2002 berufen. Sein Vertrauen ist schutzwürdig, weil angesichts der geringen Einkünfte des Klägers davon auszugehen ist, dass er sich auf die monatlichen Rentenzahlungen eingestellt hat, diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts benötigt und die erhaltenen Zahlungen verbraucht hat. Der Kläger kann sich auch auf dieses Vertrauen berufen, denn die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X enthaltenen Legaldefinition vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BSG vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 105/85 – Juris-Rn. 18 = BSGE 62, 32).

Der Kläger hat im Antragsformular vom 13. Dezember 2001 angekreuzt, nicht selbstständig tätig zu sein. Es kann dahinstehen, ob diese Angabe tatsächlich unrichtig ist. Unter selbstständiger Tätigkeit kann neben der rechtlichen Zuordnung des Einkommens auch die tatsächliche Arbeit im Betrieb verstanden werden. In dieser Hinsicht wäre die Angabe des Klägers, nicht selbstständig tätig zu sein, sogar richtig, da er selbst nicht mehr in der Eisdiele gearbeitet hat.

Jedenfalls vermochte sich der Senat nach dem Eindruck des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2013 nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger mit der Nichtangabe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit seine Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger nach seiner selbstständigen Tätigkeit im Rentenantragsverfahren nie im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen gefragt worden war, ist es nachvollziehbar, dass er davon ausgegangen ist, dass sich die Frage nach der selbstständigen Tätigkeit auf seine Arbeitsleistung und sein gesundheitliches Leistungsvermögen bezog. Bei diesem Verständnis war es konsequent, die Einnahmen aus der Eisdiele nicht anzugeben, zumal die Antragsformulare der Beklagten auch ansonsten keinerlei Hinweis darauf enthielten, dass Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit rentenschädlich sein kann. Dagegen spricht auch nicht, dass der Kläger im Antrag vom 19. Februar 2004 die Frage nach der selbstständigen Tätigkeit mit "ja" beantwortet hat. Dies deutet zwar darauf hin, dass ihm zu diesem Zeitpunkt deutlich gewesen sein muss, dass es sich bei der Eisdiele um eine selbstständige Tätigkeit im abgefragten Sinn handelt, doch bedeutet dies nicht, dass ihm dieser Gedanke bereits zum Zeitpunkt des ersten Rentenantrags hätte kommen müssen. Erst nach Erhalt des Bescheids vom 28. Juni 2002 ist der Kläger durch die Beklagte das erste Mal darauf hingewiesen worden, dass sein Einkommen Einfluss auf die Höhe seiner Rente hat. Es ist nicht auszuschließen, dass ihm erst aufgrund dieser Information deutlich geworden ist, dass die Einnahmen relevant sind. Jedenfalls schließt diese Angabe aus, dass es dem Kläger darum ging, die Einnahmen aus der Eisdiele vorsätzlich zu verschweigen. Auf die Frage, ob der Kläger hätte erkennen müssen, dass ihm die Einnahmen steuerrechtlich und damit auch sozialrechtlich zuzurechnen sind, kam es nicht mehr an.

b. Die Beklagte kann die Aufhebung auch nicht auf § 48 SGB X stützen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB X hinaus bedürfte es dazu einer Umdeutung (so BSG vom 9. September 1998 – B 13 RJ 41/97 R – Juris-Rn. 30 = SozSich 1999, 137) bzw. eines Austausches der Rechtsgrundlage (so BSG vom 21. Juni 2011 – B 4 AS 21/10 R – Juris-Rn. 34 = BSGE 108, 258 m.w.N.), da die Beklagte die Aufhebung weder in den Bescheiden vom 21. Juni 2007, vom 27. November 2007 und vom 19. März 2008 noch im Widerspruchsbescheid auf § 48 SGB X gestützt hat.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Die notwendige nach Erlass des Bescheides eingetretene wesentliche Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse liegt für den Zeitraum 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001 bereits nicht vor.

Für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2004 haben sich die Verhältnisse mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres und damit auch nach Erlass des Bescheids vom 28. Juni 2002 aber geändert, da dann jeweils die Höhe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit feststand. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X vorliegen, da § 48 Abs. 1 SGB X in einem Fall der bereits bestehenden anfänglichen Rechtswidrigkeit ohnehin nicht anwendbar ist. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine Aufhebung nach § 48 SGB X dann ausscheidet, wenn die Rücknahme nach § 45 SGB X am Vertrauensschutz scheitert (Hessisches Landessozialgericht vom 17. Januar 2012 – L 2 R 524/10 – Juris-Rn. 53 f). § 48 SGB X ist nämlich für bereits anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte nur dann anwendbar, wenn sich die nachträgliche Änderung auf Umstände bezieht, auf denen die anfängliche Rechtswidrigkeit nicht beruht (BSG vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R – Juris-Rn. 18; BSG vom 11. April 2002 – B 3 P 8/01 – Juris-Rn. 18; Waschull in: LPK-SGB, § 48, Rn. 13 ff), der Vertrauensschutz des § 45 SGB X also nicht unterlaufen wird. Die Gegenansicht (z.B. BSG vom 17. Juni 2008 – B 8 AY 9/07 – Juris-Rn. 13) vermag nicht zu überzeugen. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 48 SGB X tatsächlich nicht entnehmen, dass eine Aufhebung nur bei zunächst rechtmäßigen Verwaltungsakten erfolgen kann, doch zeigt sich aus den speziell für anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbaren §§ 44 und 45 SGB X, dass der Gesetzgeber bei einer anfänglichen Rechtswidrigkeit dem Vertrauensschutz größeres Gewicht zugemessen hat, als er dies insbesondere bei einer nachträglichen Rechtswidrigkeit aufgrund der Erzielung von Einkommen getan hat. Bei Anwendbarkeit des § 48 SGB X in den Fällen eines aus den gleichen Gründen anfänglich und nachträglich rechtswidrigen Verwaltungsakts würde der durch § 45 SGB X gesetzte Vertrauensschutz aufgrund der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X bei Anrechnung von Einkommen vollständig unterlaufen. Dies zeigt sich auch in diesem Fall. Der Kläger durfte auf den Bestand des Bescheids vom 28. Juni 2002 nach § 45 SGB X vertrauen. Er durfte konkret darauf vertrauen, dass die Beklagte zu Recht eine abschließende Entscheidung über die Rentenzahlanspruch für den gesamten Bewilligungszeitraum getroffen hat. Wenn sich nachträglich die Rechtswidrigkeit aus demselben Grund – nämlich aufgrund der Anrechnung von Einkommen nach § 96a SGB VI – weitere Male durch die Erzielung des Einkommens manifestiert, kann dies nicht dazu führen, das der Kläger seinen Vertrauensschutz verliert. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Situation eines anfänglich rechtswidrigen, aber nicht nach § 45 SGB X zurücknehmbaren Verwaltungsakts erkannt und in § 48 Abs. 3 SGB X dazu eine eigenständige Regelung geschaffen.

4. Die Voraussetzungen der Rücknahme bzw. Aufhebung des Rentenbescheids vom 26. Mai 2004 (Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2007) liegen nicht vor.

Eine Rücknahme nach § 45 SGB X scheitert daran, dass der Kläger sich auf sein schutzwürdiges Vertrauen berufen kann.

Der Rentenbescheid vom 26. Mai 2004 war zum Zeitpunkt seines Erlasses anfänglich rechtswidrig, weil die Beklagte gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen hat (vgl. dazu BSG vom 9. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R – Juris-Rn. 20 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10). Die Beklagte ist den Anforderungen des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X nicht gerecht geworden. Obwohl aus den Angaben des Klägers ersichtlich war, dass dieser möglicherweise Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielt hat, hat die Beklagte trotz der Einkommensabhängigkeit der Rente des Klägers über den Zahlbetrag der Rente für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007 abschließend entschieden, ohne zur Zuordnung und zur Höhe des Einkommens Ermittlungen anzustellen.

Der Kläger kann sich aber mit schutzwürdigem Vertrauen auf den Bescheid vom 26. Mai 2004 berufen. Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB X liegen offensichtlich nicht vor. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X sind ebenfalls nicht gegeben. Anfänglich rechtswidrig war der Rentenbescheid vom 26. Mai 2004 nur deshalb, weil die Beklagte zu Unrecht abschließend über den Rentenauszahlungsanspruch des Klägers entschieden hat, obwohl keine Ermittlungen zum Einkommen des Klägers durchgeführt wurden. Die Notwendigkeit des Abwartens der Feststellbarkeit des steuerrechtlichen Gewinns und die damit verbundene Unzulässigkeit der abschließenden Entscheidung vor diesem Zeitpunkt waren der Beklagten selbst nicht bekannt. Diese Kenntnis kann von dem Kläger erst recht nicht erwartet werden.

Der Verwaltungsakt beruht auch nicht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X. Angaben in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn es sich um die Angabe von Tatsachen handelt, da ein Antragsteller auch nur zur Angabe von Tatsachen nach § 21 Abs. 2 S. 3 SGB X und § 60 SGB I verpflichtet ist (BSG vom 9. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R – Juris-Rn. 27 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10). Die Subsumtion des Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale obliegt hingegen der Beklagten. In wesentlicher Beziehung unrichtig bedeutet, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben für die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts ursächlich sein müssen. An der Ursächlichkeit fehlt es, wenn die Behörde auch ohne unrichtige Angaben dieselbe Entscheidung getroffen hätte (Padé in: jurisPK-SGB X, Stand: 17. Juni 2013, § 45, Rn. 82) oder die Angaben des Betroffenen offensichtlich widersprüchlich oder unvollständig waren, so dass die Behörde die Ergänzung der Angaben nach § 16 Abs. 3 SGB I hätte veranlassen müssen (Schütze in: von Wulffen, SGB X, Auflage, § 45 Rn. 50).

Der Kläger hat in dem Rentenantrag vom 19. Februar 2004 angegeben, selbstständig tätig gewesen zu sein. Auf die Nachfrage der Beklagten gab er hingegen an, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in Lage zu sein, selbstständig tätig zu sein. Trotz des vordergründigen Widerspruchs sind beide Angaben richtig. Wie oben dargestellt, ist der Kläger tatsächlich Unternehmer im steuerrechtlichen Sinn. Dass er selbst aber aufgrund der durch die Beklagte festgestellten Leistungsfähigkeit nicht mehr aktiv in der Eisdiele mitarbeitete, trifft ebenfalls zu. Bei richtigem Verständnis seiner Ausführungen ist also auch die Aussage, der Familienbetrieb werde von seiner Frau und Familienangehörigen geführt, richtig. Zwar handelt es sich bei seiner Frau, die zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch in dem Betrieb mitarbeitete, und den Familienangehörigen nicht um Unternehmer bzw. Mitunternehmer im steuerrechtlichen Sinn, allerdings lässt sich diese Aussage gerade angesichts der zuvor geäußerten eigenen gesundheitlichen Einschränkungen auch so verstehen, dass die Frau des Klägers und die Familienangehörigen die eigentliche Arbeit in der Eisdiele verrichteten. Eine exakte Differenzierung zwischen der körperlichen Tätigkeit und der steuerrechtlichen Zuordnung der Einkünfte war dem Kläger nicht abzuverlangen. Diese obliegt vielmehr der Beklagten. Sie hätte sich aufgrund dieser Angaben zu Nachfragen und weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müssen. Die Angaben des Klägers sind auch nicht deshalb unrichtig, weil der Kläger die von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 28. April 2004 geforderten Angaben zum Einkommen nicht beantwortet hat. Da der Kläger nach seinem Verständnis, bestärkt durch die Frage der Beklagten nach seiner täglichen Arbeitszeit, davon ausging, dass Angaben zu dem Einkommen nicht mehr erforderlich sind, durfte bei der Beklagten nicht der Eindruck entstehen, dass der Kläger kein Einkommen erzielt. Ausweislich des internen Vermerks ist dies zwar geschehen, doch zeigt die weitere Behandlung nach dem folgenden Rentenantrag vom 26. März 2007, dass die Beklagte bei einem weitgehend unveränderten Kenntnisstand erkennen konnte, dass die Steuerbescheide des Klägers anzufordern waren. Nachdem die Beklagte nicht weiter auf die Vorlage der Steuerbescheide bestand, durfte der Kläger darauf vertrauen, dass eine Vorlage nicht mehr erforderlich war.

Die Beklagte kann die Aufhebung des Bescheids vom 26. Mai 2004 auch nicht auf § 48 Abs. 1 SGB X stützen. In Betracht kommt dabei insbesondere § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Der Bescheid vom 26. Mai 2004 war nicht nur wegen der verfrühten abschließenden Entscheidung anfänglich, sondern auch jeweils zum Ablauf des Kalenderjahrs nachträglich aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a SGB VI rechtswidrig. § 48 SGB X ist aber – wie bereits oben dargestellt – nicht auf einen bereits aus dem gleichen Grund anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsakt anwendbar.

5. Die Voraussetzungen einer Rücknahme bzw. einer Aufhebung des Bescheids vom 9. Mai 2007 (Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010) hinsichtlich des monatlichen Rentenzahlbetrags liegen ebenfalls nicht vor. Der Bescheid vom 9. Mai 2007 ist zwar ebenso anfänglich rechtswidrig, da die Beklagte auch mit diesem Bescheid, ohne die Höhe des Einkommens des Klägers zu ermitteln, abschließend über die Rente des Klägers vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2010 entschieden hat. Der Kläger ist aber ebenso gutgläubig wie er dies hinsichtlich des Bescheids vom 26. Mai 2004 war. Eine Umdeutung in eine Aufhebung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Bescheid ist auch nicht aufgrund des Zusatzes "Die Weiterzahlung erfolgt unter Vorbehalt der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen." vorläufig oder mit einem wirksamen Vorbehalt versehen. Dieser Hinweis lässt sich aus Sicht des Klägers nicht dahingehend verstehen, dass der Rentenzahlungsanspruch nur vorläufig bewilligt werden sollte (vgl. dazu ausführlich BSG vom 9. Oktober 2012 – B 5 R 8/12 R – Juris Rn. 16 = SozR 4-1300 § 45 Nr. 10). Dies wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

6. Da die Voraussetzungen einer Aufhebung der Rentenbescheide des Klägers nicht vorliegen, kommt eine Erstattungsforderung gegen ihn nicht in Betracht, § 50 Abs. 1 SGB X.

7. Das Urteil des Sozialgerichts ist auch nicht wegen der Überschreitung der Fünf-Monats-Frist zur Absetzung eines Urteils (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – Juris-Rn. 18 = BVerwGE 92, 367) aufzuheben. Die Urteil wurde zwar am 13. und 15. Februar 2012 und damit mehr als fünf Monate nach der Verkündung am 8. September 2011 zugestellt. Für die Einhaltung der Fünf-Monats-Frist ist es jedoch ausreichend, wenn der Zeitpunkt der Übergabe des Urteils an die Geschäftsstelle innerhalb der Frist erfolgt. Diese fand – ausweislich des Vermerks auf Bl. 51 der Gerichtsakte ("gef. 31.1.12") – spätestens am 31. Januar 2012 und damit innerhalb der Frist statt.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2010 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen Divergenz (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG) zugelassen. Das Urteil weicht hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 48 SGB X auf bereits anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakte von der dort zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts ab.
Rechtskraft
Aus
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