Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 141/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4718/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 2009.
Der am 1953 geborene Kläger erlernte vom 1. September 1968 bis 31. August 1971 den Beruf des Druckers und war als solcher bis zur Insolvenz des letzten Arbeitgebers unterbrochen durch den Wehrdienst und Zeiten der Krankheit und sich anschließender Arbeitslosigkeit zwischen dem 29. November 1983 und 22. Januar 1985 sowie im Mai 1994 und August 2003 bis 1. August 2006 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 2. August 2006 bis 2. August 2009 bezog er Arbeitslosengeld und Krankengeld. Seit 3. August 2009 erhält er Arbeitslosengeld II.
Vom 13. März bis 11. April 2007 führte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der W.-Klinik in B. H. durch, aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde. Internist und Rheumatologe Dr. L.-Le. diagnostizierte im Entlassungsbericht vom 15. Mai 2007 ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L4/5 mit Einengung der Neuroforamina, eine Trigeminusneuralgie und eine arterielle Hypertonie. Es bestehe ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden als Drucker und von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Bewegungswechsel ohne länger andauernde Zwangshaltung für die Wirbelsäule, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel und häufige Überkopfarbeit.
Am 19. Mai 2009 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 2006 wegen einer Trigeminusneuralgie, eines Bandscheibenvorfalls, Bluthochdrucks und Depressionen für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Sc ... Dieser nannte im Gutachten vom 22. Juli 2009 als Diagnosen eine langjährig bestehende Trigeminusneuralgie rechts, rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien (rechts mehr als links) bei früherem Bandscheibenvorfall LWK4/5 (2006), eine reaktive depressive Verstimmung (Dysthymia), einen neu entdeckten, medikamentös eingestellten Bluthochdruck und eine Alopecia areata mit kompletter Glatzenbildung. Er kam zu dem Ergebnis, die letzte berufliche Tätigkeit als Drucker sei dem Kläger nur noch drei Stunden täglich zuzumuten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschichtarbeiten und ständig erhöhtem Zeitdruck, besondere Beanspruchung des Reaktionsvermögens und der Reaktion, vermehrte Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, Zugluftexposition und extrem schwankende Temperaturen sowie vermehrte Kälteexposition seien dem Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Mit Bescheid vom 9. September 2009 gewährte die Beklagte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis längstens 31. März 2019. Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie ab.
Wegen der Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er unter Vorlage eines Arztbriefes des Anästhesiologen Dr. Be. vom 29. September 2009 (Diagnosen: Trigeminusneuralgie, chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen, neuropathische Schmerzen, depressives Syndrom; schmerztherapeutische Behandlung seit 9. Januar 2002) mit Laufzetteln und Dosierungsplan vor, dass aufgrund der bestehenden Schmerzerkrankung und der orthopädischen Beschwerden sein Leistungsvermögen für eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts auf unter sechsstündig herabgesunken sei. Die Beklagte hörte hierzu Arzt für Neurologie und Psychiatrie Sc., der an seiner bisherigen Leistungsbeurteilung festhielt (Stellungnahme vom 17. November 2009).
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der Sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme nach Würdigung aller Umstände - insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren - zu dem Ergebnis, dass dem Kläger, auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, vermehrte Zwangshaltung (z.B. Überkopf, Knien) und häufiges Bücken sowie ohne Belastung durch Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und Kälteexpositionen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Die Beurteilung dieses Leistungsvermögens durch den Sozialmedizinischen Dienst sei für ihn, den Widerspruchsausschuss, schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er sich dieser anschließe. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Der Kläger erhob unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 13. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Ergänzend trug er unter dem 29. Juli 2010 vor, die ihn behandelnden und vom SG gehörten Ärzte (hierzu im Folgenden) kämen einstimmig zum Ergebnis, dass er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts von täglich sechs Stunden nicht mehr verrichten könne. Die Begutachtungssituation mit Dr. Br. (hierzu im Folgenden) habe er mehr als unbefriedigend empfunden. Der vom Sachverständigen geschilderte Tagesablauf sei zum Teil noch erheblich mehr eingeschränkt, da wegen der Schmerzen nach kurzer Wegstrecke ein Kribbeln in der Fußsohle etc. bestehe. Der Trigeminusschmerz trete entgegen den Ausführungen des Sachverständigen ca. zwei- bis dreimal pro Tag auf. Durch Spritzen mit Morphinen könne dies zum Teil etwas unterdrückt werden. Wenn er den Schmerz spüre, dann dauere dies mindestens drei bis vier Minuten und bessere sich dann etwas. Dann müsse er allerdings für ca. zwei bis drei Stunden regungslos verharren. Durch Stress und Aufregung, unter Umständen auch durch Wind oder Kälte würden die Trigeminusneuralgien ausgelöst werden. Eine neurologische Behandlung sei bisher nicht erforderlich gewesen, da durch die Spritzen und die Behandlung bei Dr. Be. die Therapie für ihn einigermaßen zufriedenstellend gewesen sei, sodass kein Grund bestanden habe, sich noch anderweitig behandeln zu lassen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. führte aus (Auskunft vom 24. März 2010), dass er keine Zweifel an einer beim Kläger bestehenden Trigeminusneuralgie und einem chronischen Schmerzsyndrom habe. Es bestehe eine entsprechende Schmerzmedikation, die von dem entsprechenden Schmerztherapeuten verordnet werde. Zu Bandscheibenschäden lägen ihm keine Berichte oder Befunde vor. Aufgrund der kurzen Kenntnis des Klägers (Erstvorstellung Oktober 2008) habe er keine Zweifel an einer Einschränkung des Leistungsvermögens. Aufgrund der anamnestischen Daten und der Schilderungen des Klägers gehe er nicht davon aus, dass er eine leichte Tätigkeit von täglich sechs Stunden verrichten könne. Eine weitere und genauere Einschätzung sei ihm nicht möglich. Fachärztin für Anästhesiologie Dr. Kö. gab unter dem 12. April 2010 an, dass der Kläger seit 2002 bei dem im Jahr 2009 verstorbenen Dr. Be. in Behandlung gewesen sei. Er sei von Dr. Be. medikamentös eingestellt und mit verschiedensten Schmerztherapien behandelt worden. Er habe über Kribbelparästhesien im Ausbreitungsgebiet des Trigeminus rechts berichtet. Im Januar 2010 habe der Kläger ihr berichtet, dass inzwischen alle drei Trigeminusäste betroffen seien und eine deutliche Verschlechterung eingetreten sei. Die Schmerzen seien dauerhaft vorhanden und wechselten in ihrer Stärke nur wenig. Als weitere Diagnosen neben der Trigeminusneuralgie bestünden seit Januar 2002 ein chronisches Schmerzsyndrom, ein depressives Syndrom und neuropathische Schmerzen. Wegen der dauerhaften Medikamenteneinnahme sei der Kläger in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, da alle Medikamente in der Regel zu Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führen könnten. Seit 2006 bestünden zusätzlich radikuläre Schmerzen im linken Bein, diese würden ebenfalls mit Medikamenten und Periduralanästhesie behandelt und würden intermittierend immer wieder auftreten. Der Kläger sei sicher nicht in der Lage, leichte Arbeit im Umfang von täglich sechs Stunden auszuführen. Arzt für Allgemeinmedizin Z., der den Kläger bis Juli 2008 betreute, bekundete unter dem 1. Juli 2010, dass beim Kläger seit ca. 1997 eine Trigeminusneuralgie und gesichert seit Oktober 2006 ein Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule mit Einengung der Foramina vertebralia mit ins Jahr 2000 zurückreichenden Beschwerden vorliege. Bis Juli 2008 wäre mit Blick auf die Trigeminusneuralgie eine Arbeit im Umfang von über sechs Stunden möglich gewesen. Ab September 2006 hätten die Wirbelsäulenbeschwerden beim Kläger begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, voll- oder teilschichtig zu arbeiten. Er fügte seine Karteikarte, Arztbriefe aus den Jahren 2003 bis 2007 und eine Sozialmedizinische Beratung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 19. Juni 2007, wonach nach gutachterlicher Einschätzung eine ausreichende Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich bestehe, bei.
Das SG erhob von Amts wegen das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. vom 11. Juni 2010. Der Sachverständige, demgegenüber der Kläger bei der Untersuchung am 27. Mai 2010 angab, dass er den kompletten Haushalt mache, abends fernsehe, bis vor fünf Jahren einschließlich Wettkämpfen Schach gespielt habe, soziale Kontakte zu Eltern, Geschwistern, seiner Tochter und zu einem Angelkollegen habe und im Sommer vier Wochen mit seinem achtjährigen Enkel verbringe, diagnostizierte eine Trigeminusneuralgie rechts seit 1990 mit durchschnittlich vier Attacken pro Woche à zwei bis drei Minuten Dauer, Lendenwirbelsäulenbeschwerden ohne Anhalt für Wurzelkompression und eine dysphorisch-missmutige Entwicklung im Sinne einer Anpassungsstörung. Bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten könne der Kläger auch weiterhin acht Stunden täglich verrichten. Dies schließe aus nervenärztlicher Sicht auch die Tätigkeit als Drucker nicht aus.
Mit Urteil vom 22. September 2010 wies das SG die Klage ab. Das SG führte aus, beim Kläger bestehe keine volle Erwerbsminderung, denn er sei noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar zu verrichten, wenn Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten ausgeschlossen seien. Mit dieser Einschätzung folge es, das SG, den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Br ... Dagegen, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen der anfallsartig auftretenden Trigeminusneuralgien im zeitlichen Längsschnitt nicht doch beeinträchtigt sei, spreche, dass diese Erkrankung den Kläger bis zum Jahr 2006 nicht gehindert habe, als Drucker berufstätig zu sein, obwohl nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. Br. die Trigeminusneuralgie seit etwa zwölf Jahren in gleichem Ausmaß bestehe. Soweit die behandelnden Ärzte Dr. Sch. und Dr. Kö. die Auffassung vertreten hätten, der Kläger könne inzwischen nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, so sei dies nicht überzeugend. Der Kläger beabsichtige derzeit nicht, eine Operation, bei der der Trigeminusnerv stillgelegt werde, durchführen zu lassen, woraus zu schließen sei, dass sich sein Zustand auch nicht wesentlich verschlimmert habe. Dies stehe in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass er sich nach seinen Angaben von Dr. Be. früher lokale Injektionen habe verabreichen lassen, wenn die Schmerzzustände unbeherrschbar schlimm gewesen seien. Eine solche Injektionsbehandlung habe der Kläger bislang nach dem Wechsel zu Dr. Kö. nicht vornehmen lassen, woraus eher auf eine Besserung seines Zustandes zu schließen sei.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 29. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er wegen seiner Krankheiten auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das (zwischenzeitlich veraltete) Gutachten des Dr. Br. könne Bezug nehmend auf den erstinstanzlichen Vortrag nicht als Grundlage der Entscheidung dienen. Dr. Br. sei von einer unzutreffenden Attackenhäufigkeit ausgegangen. Der Trigeminusschmerz trete ca. zwei bis dreimal pro Tag auf. Im Anschluss an die Schmerzattacke müsse er sich ausruhen. Dies deute darauf hin, dass er Pausen in einem Umfang benötige, die nicht mehr im Rahmen der persönlichen Verteilzeit genommen werden könnten. Somit sei davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt aufgrund einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung verschlossen sei. Ergänzend hat er vorgetragen, nach der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Kö. (hierzu im Folgenden) bestehe bei ihm nunmehr nicht mehr nur eine Trigeminusneuralgie, sondern eine Trigeminusneuropathie. Diese sei durch einen dauerhaften Schmerz mit attackenförmiger Verstärkung und nicht mehr lediglich attackenförmigen Schmerzen gekennzeichnet. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden befinde er sich nicht in Behandlung, da ihm von Ärzten gesagt worden sei, er müsse mit den Wirbelsäulenproblemen leben. Er suche jedoch seit vier Jahren dreimal pro Woche ein medizinisches Sportstudio auf und mache dort entsprechende Rücken- und Bauchübungen. In psychiatrischer oder neurologischer Behandlung befinde er sich weiterhin nicht. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat er eine Gutachterliche Äußerung von Fachärztin für Arbeitsmedizin A., Ärztin der Agentur für Arbeit Mannheim, vom 16. Dezember 2011 (Leistungsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zu sechs Monaten weiter) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und das Urteil des SG und hat eine Stellungnahme des Beratenden Arztes L. vom 20. Juni 2013 vorgelegt, der die Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. Br. auch retrospektiv für gut nachvollziehbar hält.
Der Senat hat Dr. Kö. und den Anästhesiologen U. als sachverständige Zeugen gehört. Unter dem 18. Januar 2011 hat Dr. Kö. mitgeteilt, dass der Kläger seit Januar 2010 unter einer Trigeminusneuropathie aller drei Äste leide. Außerdem bestünden seit Januar 2002 ein chronisches Schmerzsyndrom, ein depressives Syndrom und neuropathische Schmerzen. Signifikante Veränderungen habe es im Behandlungsverlauf nicht gegeben. Eine Reduktion der Schmerzmittel sei nur mit Schmerzverstärkung möglich. Die eingenommenen Medikamente führten zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Nach wie vor sei ein Dauerschmerz mit nur wenig Schwankung vorhanden. Anästhesiologe U. hat unter dem 17. Mai 2013 ausgeführt, dass er am 23. August 2011 die Diagnosen einer rechtsseitigen Trigeminusneuralgie und einer chronischen Schmerzerkrankung mit psychischen und somatischen Faktoren im Chronifizierungsstadium II nach Gerbershagen diagnostiziert habe. Er habe den Kläger im Jahr 2011 zweimal, im Jahr 2012 viermal und im Jahr 2013 bisher einmal behandelt. Er habe im Laufe der Behandlung die Medikamentengabe verändert. Am 17. Januar 2013 habe er bei Restsymptomatik einen Versuch mit zusätzlich Lamotrigin unternommen. Ein weiterer Arzt-Patienten-Kontakt habe bisher nicht stattgefunden. In seiner Praxis habe der Kläger zu keiner Zeit einen Anfall erhalten. Eine Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers sei ihm, da er selbst nicht gutachterlich tätig sei, nicht möglich.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 22. September 2010 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenständlich ist hier lediglich ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2009 anstelle der ihm bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch den Bescheid vom 9. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Senat verwertet auch das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. Br ... Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen dieses Gutachten stehen einer Verwertung dieses Gutachtens nicht entgegen. Wenn der Kläger die Begutachtungssituation mit Dr. Br. mehr als unbefriedigend empfunden hat, hätte er ihn spätestens binnen zwei Wochen nach der Untersuchung wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen müssen (§§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dies erfolgte nicht. Die Untersuchung fand am 27. Mai 2010 statt, der Einwand wurde mit Schriftsatz vom 29. Juli 2010 vorgetragen. Im Übrigen greift der Einwand nicht durch. Aus der von Dr. Br. mitgeteilten Erhebung der Anamnese ergeben sich keine Anhaltspunkte für diese Behauptung des Klägers. Der Kläger hat die Fragen des Sachverständigen umfassend beantwortet.
Der Kläger ist seit 1. Mai 2009 nicht voll erwerbsgemindert. Er kann Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Gutachten des Arztes Sc. vom 22. Juli 2009 sowie des Dr. Br. vom 11. Juni 2010, des Entlassungsberichts des Dr. L.-Le. vom 15. Mai 2007 und aufgrund der nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Arztes U. vom 17. Mai 2013 erhobenen Befunde fest.
Der Kläger leidet seit zumindest den 1990-Jahren unter einer Trigeminusneuralgie, seit Herbst 2006 unter einem chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L4/5 mit Einengung der Neuroforamina und unter einer reaktiven depressiven Verstimmung. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Arztes Sc. und des Dr. Br ... Das Vorliegen einer Trigeminusneuralgie stützt der Senat auch auf die sachverständigen Zeugenauskünfte des Arztes Z. sowie des Arztes U. und den Entlassungsbericht des Dr. L.-Le.; von Arzt Z. und Dr. L.-Le. wird darüber hinaus auch das Vorliegen von Lendenwirbelsäulenbeschwerden bestätigt. Zudem leidet der Kläger an einem Bluthochdruck. Dies geht aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sch., dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le. und dem Gutachten des Arztes Sc. hervor. Dass sich die Trigeminusneuralgie mittlerweile zu einer Trigeminusneuropathie verschlechtert hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar führt Dr. Kö. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. Januar 2011 aus, dass der Kläger seit Januar 2010 unter einer Trigeminusneuropathie leide. Von ihr erhobene Befunde teilt sie insoweit jedoch nicht mit. In ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 12. April 2010 gab sie insoweit auch noch an, dass sie im Januar 2010 eine Trigeminusneuralgie diagnostiziert habe. Im Übrigen wird die Diagnose einer Trigeminusneuropathie ansonsten von keinem der Ärzte, auch nicht von Dr. Br., der den Kläger am 27. Mai 2010 untersuchte und des Weiteren auch nicht von Arzt U., der den Kläger seit 23. August 2011 behandelt, gestellt. Auch das Vorliegen eines über die Trigeminusneuralgie und das Lendenwirbelsäulensyndrom hinausgehenden chronischen Schmerzsyndroms erachtet der Senat als nicht erwiesen. Über diese beiden Erkrankungsbilder hinaus liegen beim Kläger keine Schmerzen vor. Die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie und das Lendenwirbelsäulensyndrom beinhalten auch das von Dr. Be., Dr. Kö. und Arzt U. zusätzlich aufgeführte Schmerzsyndrom.
Aus den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Überzeugung des Senats Leistungseinschränkungen qualitativer Art. Der Kläger kann aufgrund der auf orthopädischem Gebiet erhobenen Befunde nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne länger andauernde Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel und häufige Überkopfarbeit und wegen der Trigeminusneuralgie, der depressiven Stimmungslage und des Bluthochdrucks keine Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, mit Nachtschichtarbeit und ständig erhöhtem Zeitdruck, besonderer Beanspruchung des Konzentrationsvermögens und der Reaktion, mit Zugluftexposition und extrem schwankenden Temperaturen sowie mit vermehrter Kälteexposition verrichten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Arztes Sc. vom 22. Juli 2009 und teilweise aus dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le. vom 15. Mai 2007 sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Br. vom 11. Juni 2010.
Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nach Überzeugung des Senats jedoch nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch dies folgt aus den Gutachten des Arztes Sc. und des Dr. Br. und dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le ...
Widerlegt wird diese Einschätzung insbesondere nicht durch die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie. Die Erkrankung besteht beim Kläger schon seit mindestens den 1990-Jahren und hinderte ihn bis August 2006 nicht, eine berufliche Tätigkeit als Drucker in einem Umfang von über sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Aufgabe dieser Tätigkeit als Drucker erfolgte auch nicht wegen der Erkrankung, sondern wegen Insolvenz des Arbeitgebers. Bereits während der Berufstätigkeit befand sich der Kläger wegen der Trigeminusneuralgie in schmerztherapeutischer Behandlung, zunächst bei Dr. Be. in seiner Zeit als Leiter der Schmerzambulanz im Universitätsklinikum Mannheim und sodann von Januar 2002 bis September 2009 in der Praxis des Dr. Be ... Dr. Be. behandelte den Kläger nach den Laufzetteln vom 29. September 2009 im Jahr 2002 elfmal, im Jahr 2003 dreimal, 2005 viermal, 2006 achtmal, 2007 elfmal, 2008 siebenmal und 2009 dreimal. Im Jahr 2002 führte er kleine Serien von Blockaden am Ganglion cervikale superior durch und optimierte die medikamentöse Behandlung mit Gabapentin, Carbamazepin und Baclofen. Im September 2009 behandelte Dr. Be. den Kläger mit Baclofen, Gabapentin und Amitriptylin. Arzt U. behandelte den Kläger 2011 zweimal, 2012 viermal und 2013 unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers bisher zweimal. Bis Januar 2012 verordnete er ihm Carbemazepin, Gabapentin, Baclofen und Amitriptiylin. Im August 2012 setzte er Baclofen ab und unternahm einen Versuch mit Cymbalta und bei Restsymptomatik ab Januar 2013 zusätzlich mit Lamotrigin. Hieraus ergibt sich, dass sich die Erkrankung des Klägers von Seiten der Trigeminusneuralgie seit dem Jahr 2002 angesichts der - teilweise gleichbleibenden - Medikation, der sporadischen Behandlungen des Klägers bei Arzt U. im Gegensatz zur intensiveren Behandlung bei Dr. Be. sowie der Tatsachen, dass nach Angaben des Klägers letztmals im Jahr 2009 bei Dr. Be. eine Morphiumbehandlung erfolgte und der Kläger bei der letzten Untersuchung bei Arzt U. im Januar 2013 auch nur über eine Restsymptomatik klagte, zumindest nicht verschlechtert hat. Damit steht die Trigeminusneuralgie, die bis August 2006 einer Tätigkeit des Klägers als Drucker nicht entgegenstand, ab Mai 2009 zumindest einer mindestens sechsstündigen leichten Tätigkeit des Klägers mit den genannten Funktionseinschränkungen nicht entgegen. Im Übrigen tritt die Trigeminusneuralgie nach den Angaben des Klägers insbesondere bei Kälteexposition, wenn er Wind ausgesetzt ist, oder unter Stress auf. Tätigkeiten, bei denen der Kläger der Witterung ausgesetzt ist und die mit Stress verbunden sind, werden ihm jedoch nicht mehr zugemutet.
Das Lumbalsyndrom des Klägers kann, nachdem die Wirbelsäule bei der Untersuchung durch Arzt Sc. frei beweglich war, weder Arzt Sc. noch der Sachverständige Dr. Br. über von der Wirbelsäule ausstrahlende Beschwerden oder Paresen berichten und sich der Kläger auch nicht in fachärztlicher Behandlung befindet, ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung bedingen.
Ebenso verhält es sich mit Blick auf die depressive Stimmungslage, die ebenfalls nicht fachärztlich behandelt wird, der Aufrechterhaltung von Sozialkontakten nicht entgegensteht und auch nicht zu gravierenden Einschränkungen in der Tagesstruktur führt.
Der Bluthochdruck wird medikamentös behandelt, ist hierdurch gut eingestellt und steht damit auch nicht einer täglich mindestens sechsstündigen Tätigkeit entgegen.
Die Einschätzung von Dr. Kö. und des Arztes Z. dem SG gegenüber, wonach der Kläger keine sechs Stunden bzw. nicht mehr voll- oder teilschichtig arbeiten könne, vermag die übereinstimmende Leistungseinschätzung des Arztes Sc., des Dr. Br. und des Dr. L.-Le. nicht zu widerlegen. Dr. Kö. und Arzt Z. haben in ihren sachverständigen Zeugenauskünften vom 12. April und 1. Juli 2010 keine Befunde mitgeteilt. Über Bewegungseinschränkungen oder die Notwendigkeit einer längeren Ruhephase nach den Trigeminusanfällen haben sie nicht berichtet. In dieser Auskunft dem SG gegenüber diagnostizierte Dr. Kö. auch "nur" eine Trigeminusneuralgie und der Arzt Z. hatte den Kläger letztmals im Juli 2008 behandelt, weshalb diese Einschätzungen den Senat nicht überzeugen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sch. vom 24. März 2010, der nur davon ausgeht, dass der Kläger keine sechs Stunden täglich mehr arbeiten könne. Abgesehen davon, dass er von dieser Formulierung ausgehend nicht davon überzeugt zu sein scheint, hat auch er keine abweichenden Befunde erhoben und im Übrigen den Kläger wegen der Bandscheibenprobleme und der Schmerzerkrankung auch überhaupt nicht behandelt, sondern ihn an die Fachärzte überwiesen. Auch die Stellungnahme von Ärztin A. vom 16. Dezember 2011, wonach die Leistungsunfähigkeit des Klägers voraussichtlich bis zu sechs Monaten weiter anhalte, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn auch aus dieser Stellungnahme gehen keine weiteren Befunde hervor, eine neue Untersuchung des Klägers durch sie ist nicht erfolgt.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat zu weiteren Ermittlungen zum medizinischen Sachverhalt nicht gedrängt, so dass ein weiteres medizinischen Sachverständigengutachten nicht einzuholen war. Der Sachverhalt ist insbesondere auf der Grundlage der bei Arzt U. eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft vom 17. Mai 2013 und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger nicht in neurologischer und psychiatrischer Behandlung befindet, auch mit Blick auf die neurologisch-psychiatrische Situation des Klägers geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 2009.
Der am 1953 geborene Kläger erlernte vom 1. September 1968 bis 31. August 1971 den Beruf des Druckers und war als solcher bis zur Insolvenz des letzten Arbeitgebers unterbrochen durch den Wehrdienst und Zeiten der Krankheit und sich anschließender Arbeitslosigkeit zwischen dem 29. November 1983 und 22. Januar 1985 sowie im Mai 1994 und August 2003 bis 1. August 2006 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 2. August 2006 bis 2. August 2009 bezog er Arbeitslosengeld und Krankengeld. Seit 3. August 2009 erhält er Arbeitslosengeld II.
Vom 13. März bis 11. April 2007 führte der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der W.-Klinik in B. H. durch, aus der er als arbeitsunfähig entlassen wurde. Internist und Rheumatologe Dr. L.-Le. diagnostizierte im Entlassungsbericht vom 15. Mai 2007 ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L4/5 mit Einengung der Neuroforamina, eine Trigeminusneuralgie und eine arterielle Hypertonie. Es bestehe ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden als Drucker und von sechs Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Bewegungswechsel ohne länger andauernde Zwangshaltung für die Wirbelsäule, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel und häufige Überkopfarbeit.
Am 19. Mai 2009 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit 2006 wegen einer Trigeminusneuralgie, eines Bandscheibenvorfalls, Bluthochdrucks und Depressionen für erwerbsgemindert zu halten. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Sc ... Dieser nannte im Gutachten vom 22. Juli 2009 als Diagnosen eine langjährig bestehende Trigeminusneuralgie rechts, rezidivierende Lumbalgien und Lumboischialgien (rechts mehr als links) bei früherem Bandscheibenvorfall LWK4/5 (2006), eine reaktive depressive Verstimmung (Dysthymia), einen neu entdeckten, medikamentös eingestellten Bluthochdruck und eine Alopecia areata mit kompletter Glatzenbildung. Er kam zu dem Ergebnis, die letzte berufliche Tätigkeit als Drucker sei dem Kläger nur noch drei Stunden täglich zuzumuten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschichtarbeiten und ständig erhöhtem Zeitdruck, besondere Beanspruchung des Reaktionsvermögens und der Reaktion, vermehrte Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken, Zugluftexposition und extrem schwankende Temperaturen sowie vermehrte Kälteexposition seien dem Kläger noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Mit Bescheid vom 9. September 2009 gewährte die Beklagte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis längstens 31. März 2019. Rente wegen voller Erwerbsminderung lehnte sie ab.
Wegen der Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er unter Vorlage eines Arztbriefes des Anästhesiologen Dr. Be. vom 29. September 2009 (Diagnosen: Trigeminusneuralgie, chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen, neuropathische Schmerzen, depressives Syndrom; schmerztherapeutische Behandlung seit 9. Januar 2002) mit Laufzetteln und Dosierungsplan vor, dass aufgrund der bestehenden Schmerzerkrankung und der orthopädischen Beschwerden sein Leistungsvermögen für eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts auf unter sechsstündig herabgesunken sei. Die Beklagte hörte hierzu Arzt für Neurologie und Psychiatrie Sc., der an seiner bisherigen Leistungsbeurteilung festhielt (Stellungnahme vom 17. November 2009).
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der Sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme nach Würdigung aller Umstände - insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren - zu dem Ergebnis, dass dem Kläger, auch unter Berücksichtigung der festgestellten Erkrankungen oder Behinderungen, leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, vermehrte Zwangshaltung (z.B. Überkopf, Knien) und häufiges Bücken sowie ohne Belastung durch Zugluft, extrem schwankende Temperaturen und Kälteexpositionen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Die Beurteilung dieses Leistungsvermögens durch den Sozialmedizinischen Dienst sei für ihn, den Widerspruchsausschuss, schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er sich dieser anschließe. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Der Kläger erhob unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 13. Januar 2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Ergänzend trug er unter dem 29. Juli 2010 vor, die ihn behandelnden und vom SG gehörten Ärzte (hierzu im Folgenden) kämen einstimmig zum Ergebnis, dass er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts von täglich sechs Stunden nicht mehr verrichten könne. Die Begutachtungssituation mit Dr. Br. (hierzu im Folgenden) habe er mehr als unbefriedigend empfunden. Der vom Sachverständigen geschilderte Tagesablauf sei zum Teil noch erheblich mehr eingeschränkt, da wegen der Schmerzen nach kurzer Wegstrecke ein Kribbeln in der Fußsohle etc. bestehe. Der Trigeminusschmerz trete entgegen den Ausführungen des Sachverständigen ca. zwei- bis dreimal pro Tag auf. Durch Spritzen mit Morphinen könne dies zum Teil etwas unterdrückt werden. Wenn er den Schmerz spüre, dann dauere dies mindestens drei bis vier Minuten und bessere sich dann etwas. Dann müsse er allerdings für ca. zwei bis drei Stunden regungslos verharren. Durch Stress und Aufregung, unter Umständen auch durch Wind oder Kälte würden die Trigeminusneuralgien ausgelöst werden. Eine neurologische Behandlung sei bisher nicht erforderlich gewesen, da durch die Spritzen und die Behandlung bei Dr. Be. die Therapie für ihn einigermaßen zufriedenstellend gewesen sei, sodass kein Grund bestanden habe, sich noch anderweitig behandeln zu lassen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Sch. führte aus (Auskunft vom 24. März 2010), dass er keine Zweifel an einer beim Kläger bestehenden Trigeminusneuralgie und einem chronischen Schmerzsyndrom habe. Es bestehe eine entsprechende Schmerzmedikation, die von dem entsprechenden Schmerztherapeuten verordnet werde. Zu Bandscheibenschäden lägen ihm keine Berichte oder Befunde vor. Aufgrund der kurzen Kenntnis des Klägers (Erstvorstellung Oktober 2008) habe er keine Zweifel an einer Einschränkung des Leistungsvermögens. Aufgrund der anamnestischen Daten und der Schilderungen des Klägers gehe er nicht davon aus, dass er eine leichte Tätigkeit von täglich sechs Stunden verrichten könne. Eine weitere und genauere Einschätzung sei ihm nicht möglich. Fachärztin für Anästhesiologie Dr. Kö. gab unter dem 12. April 2010 an, dass der Kläger seit 2002 bei dem im Jahr 2009 verstorbenen Dr. Be. in Behandlung gewesen sei. Er sei von Dr. Be. medikamentös eingestellt und mit verschiedensten Schmerztherapien behandelt worden. Er habe über Kribbelparästhesien im Ausbreitungsgebiet des Trigeminus rechts berichtet. Im Januar 2010 habe der Kläger ihr berichtet, dass inzwischen alle drei Trigeminusäste betroffen seien und eine deutliche Verschlechterung eingetreten sei. Die Schmerzen seien dauerhaft vorhanden und wechselten in ihrer Stärke nur wenig. Als weitere Diagnosen neben der Trigeminusneuralgie bestünden seit Januar 2002 ein chronisches Schmerzsyndrom, ein depressives Syndrom und neuropathische Schmerzen. Wegen der dauerhaften Medikamenteneinnahme sei der Kläger in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, da alle Medikamente in der Regel zu Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führen könnten. Seit 2006 bestünden zusätzlich radikuläre Schmerzen im linken Bein, diese würden ebenfalls mit Medikamenten und Periduralanästhesie behandelt und würden intermittierend immer wieder auftreten. Der Kläger sei sicher nicht in der Lage, leichte Arbeit im Umfang von täglich sechs Stunden auszuführen. Arzt für Allgemeinmedizin Z., der den Kläger bis Juli 2008 betreute, bekundete unter dem 1. Juli 2010, dass beim Kläger seit ca. 1997 eine Trigeminusneuralgie und gesichert seit Oktober 2006 ein Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule mit Einengung der Foramina vertebralia mit ins Jahr 2000 zurückreichenden Beschwerden vorliege. Bis Juli 2008 wäre mit Blick auf die Trigeminusneuralgie eine Arbeit im Umfang von über sechs Stunden möglich gewesen. Ab September 2006 hätten die Wirbelsäulenbeschwerden beim Kläger begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, voll- oder teilschichtig zu arbeiten. Er fügte seine Karteikarte, Arztbriefe aus den Jahren 2003 bis 2007 und eine Sozialmedizinische Beratung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 19. Juni 2007, wonach nach gutachterlicher Einschätzung eine ausreichende Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich bestehe, bei.
Das SG erhob von Amts wegen das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. vom 11. Juni 2010. Der Sachverständige, demgegenüber der Kläger bei der Untersuchung am 27. Mai 2010 angab, dass er den kompletten Haushalt mache, abends fernsehe, bis vor fünf Jahren einschließlich Wettkämpfen Schach gespielt habe, soziale Kontakte zu Eltern, Geschwistern, seiner Tochter und zu einem Angelkollegen habe und im Sommer vier Wochen mit seinem achtjährigen Enkel verbringe, diagnostizierte eine Trigeminusneuralgie rechts seit 1990 mit durchschnittlich vier Attacken pro Woche à zwei bis drei Minuten Dauer, Lendenwirbelsäulenbeschwerden ohne Anhalt für Wurzelkompression und eine dysphorisch-missmutige Entwicklung im Sinne einer Anpassungsstörung. Bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten könne der Kläger auch weiterhin acht Stunden täglich verrichten. Dies schließe aus nervenärztlicher Sicht auch die Tätigkeit als Drucker nicht aus.
Mit Urteil vom 22. September 2010 wies das SG die Klage ab. Das SG führte aus, beim Kläger bestehe keine volle Erwerbsminderung, denn er sei noch in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar zu verrichten, wenn Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten ausgeschlossen seien. Mit dieser Einschätzung folge es, das SG, den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Br ... Dagegen, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen der anfallsartig auftretenden Trigeminusneuralgien im zeitlichen Längsschnitt nicht doch beeinträchtigt sei, spreche, dass diese Erkrankung den Kläger bis zum Jahr 2006 nicht gehindert habe, als Drucker berufstätig zu sein, obwohl nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. Br. die Trigeminusneuralgie seit etwa zwölf Jahren in gleichem Ausmaß bestehe. Soweit die behandelnden Ärzte Dr. Sch. und Dr. Kö. die Auffassung vertreten hätten, der Kläger könne inzwischen nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, so sei dies nicht überzeugend. Der Kläger beabsichtige derzeit nicht, eine Operation, bei der der Trigeminusnerv stillgelegt werde, durchführen zu lassen, woraus zu schließen sei, dass sich sein Zustand auch nicht wesentlich verschlimmert habe. Dies stehe in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass er sich nach seinen Angaben von Dr. Be. früher lokale Injektionen habe verabreichen lassen, wenn die Schmerzzustände unbeherrschbar schlimm gewesen seien. Eine solche Injektionsbehandlung habe der Kläger bislang nach dem Wechsel zu Dr. Kö. nicht vornehmen lassen, woraus eher auf eine Besserung seines Zustandes zu schließen sei.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 29. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er wegen seiner Krankheiten auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das (zwischenzeitlich veraltete) Gutachten des Dr. Br. könne Bezug nehmend auf den erstinstanzlichen Vortrag nicht als Grundlage der Entscheidung dienen. Dr. Br. sei von einer unzutreffenden Attackenhäufigkeit ausgegangen. Der Trigeminusschmerz trete ca. zwei bis dreimal pro Tag auf. Im Anschluss an die Schmerzattacke müsse er sich ausruhen. Dies deute darauf hin, dass er Pausen in einem Umfang benötige, die nicht mehr im Rahmen der persönlichen Verteilzeit genommen werden könnten. Somit sei davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt aufgrund einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung verschlossen sei. Ergänzend hat er vorgetragen, nach der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. Kö. (hierzu im Folgenden) bestehe bei ihm nunmehr nicht mehr nur eine Trigeminusneuralgie, sondern eine Trigeminusneuropathie. Diese sei durch einen dauerhaften Schmerz mit attackenförmiger Verstärkung und nicht mehr lediglich attackenförmigen Schmerzen gekennzeichnet. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden befinde er sich nicht in Behandlung, da ihm von Ärzten gesagt worden sei, er müsse mit den Wirbelsäulenproblemen leben. Er suche jedoch seit vier Jahren dreimal pro Woche ein medizinisches Sportstudio auf und mache dort entsprechende Rücken- und Bauchübungen. In psychiatrischer oder neurologischer Behandlung befinde er sich weiterhin nicht. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat er eine Gutachterliche Äußerung von Fachärztin für Arbeitsmedizin A., Ärztin der Agentur für Arbeit Mannheim, vom 16. Dezember 2011 (Leistungsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis zu sechs Monaten weiter) vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und das Urteil des SG und hat eine Stellungnahme des Beratenden Arztes L. vom 20. Juni 2013 vorgelegt, der die Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. Br. auch retrospektiv für gut nachvollziehbar hält.
Der Senat hat Dr. Kö. und den Anästhesiologen U. als sachverständige Zeugen gehört. Unter dem 18. Januar 2011 hat Dr. Kö. mitgeteilt, dass der Kläger seit Januar 2010 unter einer Trigeminusneuropathie aller drei Äste leide. Außerdem bestünden seit Januar 2002 ein chronisches Schmerzsyndrom, ein depressives Syndrom und neuropathische Schmerzen. Signifikante Veränderungen habe es im Behandlungsverlauf nicht gegeben. Eine Reduktion der Schmerzmittel sei nur mit Schmerzverstärkung möglich. Die eingenommenen Medikamente führten zu Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Nach wie vor sei ein Dauerschmerz mit nur wenig Schwankung vorhanden. Anästhesiologe U. hat unter dem 17. Mai 2013 ausgeführt, dass er am 23. August 2011 die Diagnosen einer rechtsseitigen Trigeminusneuralgie und einer chronischen Schmerzerkrankung mit psychischen und somatischen Faktoren im Chronifizierungsstadium II nach Gerbershagen diagnostiziert habe. Er habe den Kläger im Jahr 2011 zweimal, im Jahr 2012 viermal und im Jahr 2013 bisher einmal behandelt. Er habe im Laufe der Behandlung die Medikamentengabe verändert. Am 17. Januar 2013 habe er bei Restsymptomatik einen Versuch mit zusätzlich Lamotrigin unternommen. Ein weiterer Arzt-Patienten-Kontakt habe bisher nicht stattgefunden. In seiner Praxis habe der Kläger zu keiner Zeit einen Anfall erhalten. Eine Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers sei ihm, da er selbst nicht gutachterlich tätig sei, nicht möglich.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis beider Beteiligter durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Urteil vom 22. September 2010 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenständlich ist hier lediglich ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2009 anstelle der ihm bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch den Bescheid vom 9. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Dezember 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen-anpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Senat verwertet auch das vom SG eingeholte Gutachten des Dr. Br ... Die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen dieses Gutachten stehen einer Verwertung dieses Gutachtens nicht entgegen. Wenn der Kläger die Begutachtungssituation mit Dr. Br. mehr als unbefriedigend empfunden hat, hätte er ihn spätestens binnen zwei Wochen nach der Untersuchung wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen müssen (§§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, 406 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dies erfolgte nicht. Die Untersuchung fand am 27. Mai 2010 statt, der Einwand wurde mit Schriftsatz vom 29. Juli 2010 vorgetragen. Im Übrigen greift der Einwand nicht durch. Aus der von Dr. Br. mitgeteilten Erhebung der Anamnese ergeben sich keine Anhaltspunkte für diese Behauptung des Klägers. Der Kläger hat die Fragen des Sachverständigen umfassend beantwortet.
Der Kläger ist seit 1. Mai 2009 nicht voll erwerbsgemindert. Er kann Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen noch in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Gutachten des Arztes Sc. vom 22. Juli 2009 sowie des Dr. Br. vom 11. Juni 2010, des Entlassungsberichts des Dr. L.-Le. vom 15. Mai 2007 und aufgrund der nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Arztes U. vom 17. Mai 2013 erhobenen Befunde fest.
Der Kläger leidet seit zumindest den 1990-Jahren unter einer Trigeminusneuralgie, seit Herbst 2006 unter einem chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndrom bei Bandscheibenprotrusionen L4/5 mit Einengung der Neuroforamina und unter einer reaktiven depressiven Verstimmung. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Arztes Sc. und des Dr. Br ... Das Vorliegen einer Trigeminusneuralgie stützt der Senat auch auf die sachverständigen Zeugenauskünfte des Arztes Z. sowie des Arztes U. und den Entlassungsbericht des Dr. L.-Le.; von Arzt Z. und Dr. L.-Le. wird darüber hinaus auch das Vorliegen von Lendenwirbelsäulenbeschwerden bestätigt. Zudem leidet der Kläger an einem Bluthochdruck. Dies geht aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sch., dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le. und dem Gutachten des Arztes Sc. hervor. Dass sich die Trigeminusneuralgie mittlerweile zu einer Trigeminusneuropathie verschlechtert hat, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar führt Dr. Kö. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. Januar 2011 aus, dass der Kläger seit Januar 2010 unter einer Trigeminusneuropathie leide. Von ihr erhobene Befunde teilt sie insoweit jedoch nicht mit. In ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 12. April 2010 gab sie insoweit auch noch an, dass sie im Januar 2010 eine Trigeminusneuralgie diagnostiziert habe. Im Übrigen wird die Diagnose einer Trigeminusneuropathie ansonsten von keinem der Ärzte, auch nicht von Dr. Br., der den Kläger am 27. Mai 2010 untersuchte und des Weiteren auch nicht von Arzt U., der den Kläger seit 23. August 2011 behandelt, gestellt. Auch das Vorliegen eines über die Trigeminusneuralgie und das Lendenwirbelsäulensyndrom hinausgehenden chronischen Schmerzsyndroms erachtet der Senat als nicht erwiesen. Über diese beiden Erkrankungsbilder hinaus liegen beim Kläger keine Schmerzen vor. Die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie und das Lendenwirbelsäulensyndrom beinhalten auch das von Dr. Be., Dr. Kö. und Arzt U. zusätzlich aufgeführte Schmerzsyndrom.
Aus den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Überzeugung des Senats Leistungseinschränkungen qualitativer Art. Der Kläger kann aufgrund der auf orthopädischem Gebiet erhobenen Befunde nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne länger andauernde Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel und häufige Überkopfarbeit und wegen der Trigeminusneuralgie, der depressiven Stimmungslage und des Bluthochdrucks keine Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen, mit Nachtschichtarbeit und ständig erhöhtem Zeitdruck, besonderer Beanspruchung des Konzentrationsvermögens und der Reaktion, mit Zugluftexposition und extrem schwankenden Temperaturen sowie mit vermehrter Kälteexposition verrichten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Arztes Sc. vom 22. Juli 2009 und teilweise aus dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le. vom 15. Mai 2007 sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Br. vom 11. Juni 2010.
Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen nach Überzeugung des Senats jedoch nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Kläger ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auch dies folgt aus den Gutachten des Arztes Sc. und des Dr. Br. und dem Entlassungsbericht des Dr. L.-Le ...
Widerlegt wird diese Einschätzung insbesondere nicht durch die beim Kläger vorliegende Trigeminusneuralgie. Die Erkrankung besteht beim Kläger schon seit mindestens den 1990-Jahren und hinderte ihn bis August 2006 nicht, eine berufliche Tätigkeit als Drucker in einem Umfang von über sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Aufgabe dieser Tätigkeit als Drucker erfolgte auch nicht wegen der Erkrankung, sondern wegen Insolvenz des Arbeitgebers. Bereits während der Berufstätigkeit befand sich der Kläger wegen der Trigeminusneuralgie in schmerztherapeutischer Behandlung, zunächst bei Dr. Be. in seiner Zeit als Leiter der Schmerzambulanz im Universitätsklinikum Mannheim und sodann von Januar 2002 bis September 2009 in der Praxis des Dr. Be ... Dr. Be. behandelte den Kläger nach den Laufzetteln vom 29. September 2009 im Jahr 2002 elfmal, im Jahr 2003 dreimal, 2005 viermal, 2006 achtmal, 2007 elfmal, 2008 siebenmal und 2009 dreimal. Im Jahr 2002 führte er kleine Serien von Blockaden am Ganglion cervikale superior durch und optimierte die medikamentöse Behandlung mit Gabapentin, Carbamazepin und Baclofen. Im September 2009 behandelte Dr. Be. den Kläger mit Baclofen, Gabapentin und Amitriptylin. Arzt U. behandelte den Kläger 2011 zweimal, 2012 viermal und 2013 unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers bisher zweimal. Bis Januar 2012 verordnete er ihm Carbemazepin, Gabapentin, Baclofen und Amitriptiylin. Im August 2012 setzte er Baclofen ab und unternahm einen Versuch mit Cymbalta und bei Restsymptomatik ab Januar 2013 zusätzlich mit Lamotrigin. Hieraus ergibt sich, dass sich die Erkrankung des Klägers von Seiten der Trigeminusneuralgie seit dem Jahr 2002 angesichts der - teilweise gleichbleibenden - Medikation, der sporadischen Behandlungen des Klägers bei Arzt U. im Gegensatz zur intensiveren Behandlung bei Dr. Be. sowie der Tatsachen, dass nach Angaben des Klägers letztmals im Jahr 2009 bei Dr. Be. eine Morphiumbehandlung erfolgte und der Kläger bei der letzten Untersuchung bei Arzt U. im Januar 2013 auch nur über eine Restsymptomatik klagte, zumindest nicht verschlechtert hat. Damit steht die Trigeminusneuralgie, die bis August 2006 einer Tätigkeit des Klägers als Drucker nicht entgegenstand, ab Mai 2009 zumindest einer mindestens sechsstündigen leichten Tätigkeit des Klägers mit den genannten Funktionseinschränkungen nicht entgegen. Im Übrigen tritt die Trigeminusneuralgie nach den Angaben des Klägers insbesondere bei Kälteexposition, wenn er Wind ausgesetzt ist, oder unter Stress auf. Tätigkeiten, bei denen der Kläger der Witterung ausgesetzt ist und die mit Stress verbunden sind, werden ihm jedoch nicht mehr zugemutet.
Das Lumbalsyndrom des Klägers kann, nachdem die Wirbelsäule bei der Untersuchung durch Arzt Sc. frei beweglich war, weder Arzt Sc. noch der Sachverständige Dr. Br. über von der Wirbelsäule ausstrahlende Beschwerden oder Paresen berichten und sich der Kläger auch nicht in fachärztlicher Behandlung befindet, ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung bedingen.
Ebenso verhält es sich mit Blick auf die depressive Stimmungslage, die ebenfalls nicht fachärztlich behandelt wird, der Aufrechterhaltung von Sozialkontakten nicht entgegensteht und auch nicht zu gravierenden Einschränkungen in der Tagesstruktur führt.
Der Bluthochdruck wird medikamentös behandelt, ist hierdurch gut eingestellt und steht damit auch nicht einer täglich mindestens sechsstündigen Tätigkeit entgegen.
Die Einschätzung von Dr. Kö. und des Arztes Z. dem SG gegenüber, wonach der Kläger keine sechs Stunden bzw. nicht mehr voll- oder teilschichtig arbeiten könne, vermag die übereinstimmende Leistungseinschätzung des Arztes Sc., des Dr. Br. und des Dr. L.-Le. nicht zu widerlegen. Dr. Kö. und Arzt Z. haben in ihren sachverständigen Zeugenauskünften vom 12. April und 1. Juli 2010 keine Befunde mitgeteilt. Über Bewegungseinschränkungen oder die Notwendigkeit einer längeren Ruhephase nach den Trigeminusanfällen haben sie nicht berichtet. In dieser Auskunft dem SG gegenüber diagnostizierte Dr. Kö. auch "nur" eine Trigeminusneuralgie und der Arzt Z. hatte den Kläger letztmals im Juli 2008 behandelt, weshalb diese Einschätzungen den Senat nicht überzeugen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. Sch. vom 24. März 2010, der nur davon ausgeht, dass der Kläger keine sechs Stunden täglich mehr arbeiten könne. Abgesehen davon, dass er von dieser Formulierung ausgehend nicht davon überzeugt zu sein scheint, hat auch er keine abweichenden Befunde erhoben und im Übrigen den Kläger wegen der Bandscheibenprobleme und der Schmerzerkrankung auch überhaupt nicht behandelt, sondern ihn an die Fachärzte überwiesen. Auch die Stellungnahme von Ärztin A. vom 16. Dezember 2011, wonach die Leistungsunfähigkeit des Klägers voraussichtlich bis zu sechs Monaten weiter anhalte, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn auch aus dieser Stellungnahme gehen keine weiteren Befunde hervor, eine neue Untersuchung des Klägers durch sie ist nicht erfolgt.
Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat zu weiteren Ermittlungen zum medizinischen Sachverhalt nicht gedrängt, so dass ein weiteres medizinischen Sachverständigengutachten nicht einzuholen war. Der Sachverhalt ist insbesondere auf der Grundlage der bei Arzt U. eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft vom 17. Mai 2013 und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Kläger nicht in neurologischer und psychiatrischer Behandlung befindet, auch mit Blick auf die neurologisch-psychiatrische Situation des Klägers geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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