Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 86/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 67/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Eine Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht ist nicht ersichtlich, da bereits § 95d Abs. 3 SGB V vorgibt, dass nach Ablauf des 5-jährigen Zeitraums für zwei Jahre eine Honorarkürzung erfolgt, wenn die Fortbildungspflicht nicht erfüllt wird. Insofern gibt der Gesetzgeber bereits ein abgestuftes Programm vor, das den Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 27.241,86 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung wegen der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V.
Der 1949 geb. und jetzt 64-jährige Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 08.11.2011 beantragte die zu 1) beigeladene KV Hessen wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht die Entziehung der Zulassung, weil der Kläger den erforderlichen Nachweis bis zum 30.06.2009 und bis zur bis zum 30.06.2011 laufenden Nachfrist nicht erbracht habe. Bereits mit Schreiben vom 18.04.2011 sei er auf den fehlenden Nachweis und den hieraus folgenden Entziehungsantrag hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 08.06.2011 sei er zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden, worauf der Kläger jedoch nicht reagiert habe.
Der Kläger bat den Zulassungsausschuss für Ärzte unter Datum vom 16.01.2012, zunächst nicht zu terminieren, da er sich bemühe, die noch fehlenden Fortbildungspunkte durch Hospitation nachzuholen.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte entzog mit Beschluss vom 13.03.2012 die vertragsärztliche Zulassung des Klägers.
Hiergegen legte der Kläger am 25.04.2013 Widerspruch ein mit der Begründung, er bemühe sich weiterhin, die Fortbildungen nachzuholen. Erschwerend hierfür sei seine wirtschaftliche Lage, da er sich seit 2005 in Insolvenz befinde.
Die Beklagte wies mit Beschluss vom 10.10.2012, ausgefertigt am 04.12.2012 und dem Kläger am 22.01.2013 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V. Die Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung stelle eine gröbliche Pflichtverletzung dar, die im Regelfall zum Zulassungsentzug führe. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor ihm selbst eingeräumt, er habe sich um die Frage der Fortbildung nicht hinreichend gekümmert, weil er sich in erster Linie anderen Problemstellungen wie insb. seiner persönlichen Insolvenz gewidmet habe. Nach eigenen Angaben habe er bislang lediglich 76 Fortbildungspunkte erworben. Schwerwiegende Gründe für die Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung lägen damit nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2013 die Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klagen trägt der Kläger vor, die Zulassungsentziehung bedeute einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. In die Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung seien u. a. Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens sowie das Folgeverhalten des Arztes, insb. nach Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, einzubeziehen. Dies habe der Beklagte nicht ausreichend beachtet. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2013 hat er angekündigt, er werde in Kürze die entsprechenden Nachweise erbringen.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Zulassungsausschuss für Ärzte bei der KVH vom 13.03.2012 und Beschluss des Beklagten vom 10.10.2012 aufzuheben,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Behauptung der Unverhältnismäßigkeit sei nicht substantiiert. Er habe ausführlich im angefochtenen Beschluss auf den Tatbestand der gröblichen Pflichtverletzung hingewiesen und eine Abwägung mit den vom Kläger vorgebrachten Gründen vorgenommen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an. Sie hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen zu 2) bis 8) haben sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.02.2013 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu angehört.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Die Kammer hat den Klageantrag ausschließlich auf den Beschluss des Beklagten bezogen, da nur dieser Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 10.10.2012 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rechtsgrundlage für die Zulassungsentziehung ist § 95 Abs. 6 i. V. m. § 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V.
Die Zulassung ist u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (§ 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V). Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich gegenüber dem Zulassungsausschuss einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). § 95d SGB V sieht eine zwingende Zulassungsentziehung nicht vor. Die Vorschrift schafft keinen eigenständigen Entziehungstatbestand, sondern verweist mit der Antragstellung auf die allgemeinen Zulassungsgründe, insbesondere den Grund der gröblichen Pflichtverletzung und das Entziehungsverfahren vor den Zulassungsgremien (§§ 96, 97 SGB V). Nach der Gesetzesbegründung stellt die Nichterfüllung der Fortbildungspflicht in aller Regel eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten dar, weshalb die Verpflichtung zur Antragstellung für den Regelfall vorgeschrieben werde. Ein Vertragsarzt, der fünf Jahre seiner Fortbildungsverpflichtung nicht oder nur unzureichend nachkomme und sich auch durch empfindliche Honorarkürzungen nicht beeindrucken lasse, verweigere sich hartnäckig der Fortbildungsverpflichtung und verletze seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 110). Lediglich in atypischen Ausnahmefällen kann die Kassenärztliche Vereinigung von einer Antragstellung absehen. Der Gesetzgeber nennt das Fehlen nur weniger Fortbildungsstunden. Hinzu kommen Fälle, in denen ein Genügen der Fortbildungspflicht für den Nachfolgezeitraum bereits absehbar ist. Persönliche Gründe des Vertragsarztes können allenfalls in besonderen Fällen berücksichtigt werden, da nach der Regelungssystematik hierfür das Ruhen der Zulassung in Betracht kommt (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 111; Pawlita in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 95d SGB V, Rdnr. 41 f.). Gleiches gilt für die Zulassungsgremien bzgl. der Zulassungsentziehung. Die Vermutung einer gröblichen Pflichtverletzung entfällt nur in atypischen Ausnahmefällen.
Der Kläger hat innerhalb der bis zum 30.06.2009 laufenden Fünf-Jahres-Frist und der bis zum 30.06.2011 laufenden zweijährigen Nachfrist einen Nachweis über seine Fortbildung nicht erbracht. Die Beklagte hat ihn vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist hierauf nochmals hingewiesen, auch erfolgte innerhalb der Nachfrist und danach die gesetzlich vorgeschriebene Honorarkürzung. Der Kläger hat lediglich wiederholt vorgetragen, er werde demnächst den Nachweis erbringen, was weder bisher im Verwaltungs- noch Gerichtsverfahren geschehen ist. Auch hat er lediglich vor dem Beklagten behauptet, er habe bislang 76 Fortbildungspunkte erworben, ohne wenigsten hierfür einen Nachweis vorzulegen. Nachvollziehbare Gründe, weshalb er seiner Fortbildungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, hat er nicht vorgetragen. Von daher ist der Beklagte zur Recht von einer gröblichen Pflichtverletzung ausgegangen.
Die gesetzliche Regelung stellt eindeutig auf den Nachweis ab. Dies hat die Kammer wiederholt entschieden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2011 - S 12 KA 854/10 -; v. 22.02.2012 - S 12 KA 100/11 -; v. 04.07.2012 - S 12 KA 906/10, S 12 KA 165/11 -). Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass ein Vertragsarzt alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung "den Nachweis zu erbringen" hat, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist (§ 95d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Der "Nachweis", nicht lediglich die Erfüllung der Fortbildungspflicht, ist erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V). Folgerichtig knüpft das Gesetz insbesondere auch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung und die Antragstellung an den fehlenden Nachweis. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung besteht dann, wenn ein Vertragsarzt den "Fortbildungsnachweis" nicht oder nicht vollständig erbringt (§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Erbringung des "vollständigen Fortbildungsnachweises" (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Die Möglichkeit zur Zulassungsentziehung knüpft ebf. an den fehlenden Fortbildungsnachweis an (§ 95d Abs. 3 Satz 7 und 8 SGB V). Entsprechend stellen auch die Regelungen für angestellte Ärzte auf den Fortbildungsnachweis ab (§ 95d Abs. 5 Satz 2 und 6 SGB V).
Die gesetzliche Regelung ist auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber ist befugt, die Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG zu regeln (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 23.03.2011 - S 12 KA 695/10 -; v. 04.07.2012 - a.a.O.).
Der Umfang der Fortbildungsverpflichtung ist nicht unverhältnismäßig. Hierfür sieht das Gesetz einen Fünfjahreszeitraum vor. Nach den auf der Grundlage des § 95d Abs. 6 SGB V ergangenen Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (im Folgenden: KBV-RL) sind im Fünfjahreszeitraum 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen (§ 1 Abs. 3 KBV-RL). Die Fortbildungssatzung der Landesärztekammer Hessen (Stand: 01.06.2008) (zitiert nach: http://www.laekh.de/upload/Rechtsquellen/Fortbildungssatzung.pdf) sieht einen Bewertungskatalog der Fortbildungsmaßnahmen vor, wonach die Fortbildungsmaßnahmen mit Punkten bewertet werden. Grundeinheit ist eine 45-minütige Fortbildungseinheit, die mit einem Punkt bei maximal acht Punkten pro Tag bewertet wird. Selbststudium durch Fachliteratur und bücher sowie Lehrmittel werden mit höchstens 50 Punkten für fünf Jahre anerkannt. Es gibt acht Kategorien von Fortbildungsmaßnahmen, die beliebig kombiniert werden können, wobei für das Selbststudium (Kategorie E) höchstens 50 Punkte für fünf Jahre anerkannt werden (vgl. im Einzelnen § 8 der Fortbildungssatzung). Neben dem Selbststudium müssen damit 40 weitere Punkte durchschnittlich im Jahr erreicht werden, also etwa durch 20 zweistündige Vorträge oder durch den Besuch von fünf Tagesveranstaltungen, mehrtägige Kongressbesuche werden mit sechs Punkten pro Tag angerechnet.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Pflicht zur fachlichen Fortbildung der Vertragsärzte eine Gesetzeslücke schließen, da bisher eine generelle vertragsärztliche Pflicht, den Nachweis über die Übereinstimmung des eigenen Kenntnisstandes mit dem aktuellen medizinischen Wissen zu erbringen, nicht bestanden habe. Sie diene der Absicherung der qualitätsgesicherten ambulanten Behandlung der Versicherten. Der Gesetzgeber beruft sich dabei auf Feststellungen des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in dessen Gutachten 2000/2001. Danach veränderten sich die Auffassungen von und die Anforderungen an die "gute ärztliche Praxis" deutlich innerhalb weniger Jahre. Umso gravierender seien die Mängel im Fortbildungsangebot, in der Inanspruchnahme, in der Förderung und verpflichtenden Regelung der ärztlichen Fortbildung zu betrachten. Zu kritisieren seien eine häufig unzureichende Praxisrelevanz, die Vernachlässigung praktischer und interpersoneller Kompetenzen sowie eine eingeschränkte Glaubwürdigkeit vieler Angebote durch mangelnde Neutralität oder Transparentmachung der Qualität der angeführten Evidenz. Darüber hinaus sei zu bemängeln, dass die Fortbildung ihre Funktion des Forschungstransfers zu langsam und zu unkritisch erfüllt habe. Als Maßnahme der Qualitätssicherung sei die Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegeben (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 109).
Der Gesetzgeber kann auch die Honorarkürzung an den Nachweis der Fortbildung knüpfen. Dies ist gleichfalls nicht unverhältnismäßig. Letztlich handelt es sich um eine bloße Fristenregelung. Die Fortbildung und der Nachweis darüber liegen allein in der Sphäre des Vertragsarztes. Er allein weiß, welche Fortbildungen er absolviert hat und wer ihm hierüber einen Nachweis ausstellen kann. Mit der Stichtagsregelung nach einem Zeitraum von fünf Jahren weiß der Vertragsarzt, wann der Nachweis erbracht sein muss. Hat er die Fortbildung absolviert, so ist es kein wesentlich erhöhter Aufwand, die Nachweise rechtzeitig einzureichen. Dies entspricht auch allgemeinen vertragsarztrechtlichen Grundsätzen, wonach vor Behandlungsbeginn nicht nur die Voraussetzungen zur vertragsärztlichen Behandlung erfüllt sein müssen, sondern auch eine Zulassung oder Genehmigung aufgrund der nachgewiesenen Qualifikation vorliegen müssen. Zulassungen und Genehmigungen können als Status- bzw. statusähnliche Verwaltungsakte nicht rückwirkend erteilt werden.
Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie auch für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten und ebenso für weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen. Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 11.03.2009 B 6 KA 15/08 – SozR 4-2500 § 96 Nr. 11 = GesR 2009, 534 = MedR 2010, 128 = ZMGR 2009, 303 = KHR 2009, 172 = USK 2009-38 = Breith 2010, 21 = PFB 2009, 144, juris Rdnr. 15 f.).
Soweit der Gesetzgeber für die Erfüllung der Fortbildungspflicht auf einen förmlichen feststellenden – Verwaltungsakt verzichtet, sondern es bei einem bloßen Nachweis belässt, kommt es aber auf den Nachweis bis zum Stichtag entscheidend an. Systematisch handelt es sich bei der Fortbildungspflicht um eine Qualitätssicherungsmaßnahme. Die Qualitätssicherung wird aber nach der gesetzlichen Regelung erst durch den Nachweis erfüllt. Hierfür gibt es weder eine rückwirkende Wirkung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insofern handelt es sich bei der Stichtagsregelung in § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V um eine gesetzliche Ausschlussfrist.
Hinzu kommt, dass die von der KBV erlassenen Verfahrensregelungen eine Hinweispflicht beinhalten. Die Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V vom 16.09.2004, DÄ 2005, A 306 f. (im Folgenden: FortbRL-Ä) sieht vor, dass mindestens drei Monate vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums ein Hinweis erfolgen muss, dass die Versäumnis der Frist mit einer Honorarkürzung verbunden ist. Das weitere Verfahren soll die Kassenärztliche Vereinigung regeln (§ 4 FortbRL-Ä). Ferner soll der Arzt bei fehlendem Nachweis auf die Möglichkeit der Nachholung und das drohende Entziehungsverfahren hingewiesen werden (§ 5 FortbRL-Ä). Daneben soll auf freiwilliger Grundlage der Landeskammern bei ihnen ein Fortbildungskonto geführt und eine Übermittlung der Daten an die Kassenärztliche Vereinigung vereinbart werden (vgl. Mitteilungen, DÄ 2005, A 306).
Die Beklagte hat ihre Mitglieder wiederholt auf die Nachweispflicht hingewiesen, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist.
Eine Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung ist nicht ersichtlich, da bereits § 95d Abs. 3 SGB V vorgibt, dass nach Ablauf des 5-jährigen Zeitraums für zwei Jahre eine Honorarkürzung erfolgt, wenn die Fortbildungspflicht nicht erfüllt wird. Ein Vertragsarzt erhält damit acht Honorarbescheide, in denen eine Kürzung vorgenommen wurde. Erst dann erfolgt im Regelfall die Antragsstellung seitens der Beigeladenen zu 1) auf Entziehung der Zulassung. Insofern gibt der Gesetzgeber bereits ein abgestuftes Programm vor, das den Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Eine weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung kann nur in atypischen Ausnahmefällen erfolgen. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass allein das Insolvenzverfahren hierfür nicht ausreichend ist. Soweit der Kläger nach dem angefochtenen Beschluss des Beklagten angegeben hat, die Honorarkürzungen hätten ihn nicht getroffen, weil seine Einkünfte ohnehin an den Insolvenzverwalter gegangen seien, so räumt er nicht nur die Pflichtverletzung ein, sondern gibt zum Ausdruck, dass ihn die vom Gesetz vorgesehenen Sanktionen nicht berühren. Der Kläger hat ferner bereits mit Schreiben vom 16.01.2012 an den Zulassungsausschuss angegeben, er bemühe sich, die noch fehlenden Fortbildungspunkte durch Hospitationen nachzuholen. Gegenüber dem Beklagten hat er dann nach dessen Beschlussgründen angegeben, er habe bisher erst 76 Fortbildungspunkte angesammelt. Der Kläger hat auch im Klageverfahren weder dargelegt, nunmehr der Fortbildungspflicht genüge getan zu haben, noch sich hierum bemüht zu haben. Auch fehlt jeglicher Nachweis für den Umfang der bisher absolvierten Fortbildung, insbesondere liegt keine entsprechende Bescheinigung seitens der Ärztekammer vor.
Im Ergebnis waren die Klagen daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Abkehr zur früheren Rechtsprechung der Gegenstandswert in der Regel in Höhe der dreifachen Jahreseinnahmen abzüglich der durchschnittlichen Praxiskosten in der jeweiligen Behandlergruppe festzusetzen (vgl. BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R – juris = SozR 4-1920 § 52 Nr. 1 = www.sozialgerichtsbarkeit.de, BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B – und BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B – juris = MedR 2006, 236 = ZMGR 2005, 324). Bei einer Zulassungsentziehung ist auf den durchschnittlichen Umsatz der Praxis abzustellen. Die Honorarumsätze des Klägers stellen sich wie folgt dar:
Quartal Honorar in EUR
III/09 6.122,31
IV/09 7.890,41
I/10 6.667,96
II/10 5.626,23
III/10 4.046,53
IV/10 5.584,10
I/11 5.207,61
II/11 4.232,19
III/11 3.774,16
IV/11 4.585,83
I/12 3.825,15
II/11 2.208,12
III/12 2.232,36
IV/12 3.158,67
I/13 2.943,03
Gesamt 68.104,66
Quartalsdurchschnitt (./. 15) 4.540,31
Für drei Jahre (x 12) 54.483,72
Abzüglich 50 % Unkosten (1/2) 27.241,86
Hieraus folgt auf der Grundlage des durchschnittlichen Umsatzes pro Quartal in Höhe von 4.540,31 EUR und einer Kostenquote von 50 % für drei Jahre ein Überschuss von 27.241,86 EUR. Dies ergab den festgesetzten Streitwert.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird auf 27.241,86 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Entziehung der Zulassung wegen der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V.
Der 1949 geb. und jetzt 64-jährige Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 08.11.2011 beantragte die zu 1) beigeladene KV Hessen wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht die Entziehung der Zulassung, weil der Kläger den erforderlichen Nachweis bis zum 30.06.2009 und bis zur bis zum 30.06.2011 laufenden Nachfrist nicht erbracht habe. Bereits mit Schreiben vom 18.04.2011 sei er auf den fehlenden Nachweis und den hieraus folgenden Entziehungsantrag hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 08.06.2011 sei er zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden, worauf der Kläger jedoch nicht reagiert habe.
Der Kläger bat den Zulassungsausschuss für Ärzte unter Datum vom 16.01.2012, zunächst nicht zu terminieren, da er sich bemühe, die noch fehlenden Fortbildungspunkte durch Hospitation nachzuholen.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte entzog mit Beschluss vom 13.03.2012 die vertragsärztliche Zulassung des Klägers.
Hiergegen legte der Kläger am 25.04.2013 Widerspruch ein mit der Begründung, er bemühe sich weiterhin, die Fortbildungen nachzuholen. Erschwerend hierfür sei seine wirtschaftliche Lage, da er sich seit 2005 in Insolvenz befinde.
Die Beklagte wies mit Beschluss vom 10.10.2012, ausgefertigt am 04.12.2012 und dem Kläger am 22.01.2013 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er auf die Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V. Die Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung stelle eine gröbliche Pflichtverletzung dar, die im Regelfall zum Zulassungsentzug führe. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung vor ihm selbst eingeräumt, er habe sich um die Frage der Fortbildung nicht hinreichend gekümmert, weil er sich in erster Linie anderen Problemstellungen wie insb. seiner persönlichen Insolvenz gewidmet habe. Nach eigenen Angaben habe er bislang lediglich 76 Fortbildungspunkte erworben. Schwerwiegende Gründe für die Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung lägen damit nicht vor.
Hiergegen hat der Kläger am 19.02.2013 die Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klagen trägt der Kläger vor, die Zulassungsentziehung bedeute einen Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. In die Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung seien u. a. Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens sowie das Folgeverhalten des Arztes, insb. nach Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, einzubeziehen. Dies habe der Beklagte nicht ausreichend beachtet. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2013 hat er angekündigt, er werde in Kürze die entsprechenden Nachweise erbringen.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Zulassungsausschuss für Ärzte bei der KVH vom 13.03.2012 und Beschluss des Beklagten vom 10.10.2012 aufzuheben,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Behauptung der Unverhältnismäßigkeit sei nicht substantiiert. Er habe ausführlich im angefochtenen Beschluss auf den Tatbestand der gröblichen Pflichtverletzung hingewiesen und eine Abwägung mit den vom Kläger vorgebrachten Gründen vorgenommen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an. Sie hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen zu 2) bis 8) haben sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.02.2013 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu angehört.
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Die Kammer hat den Klageantrag ausschließlich auf den Beschluss des Beklagten bezogen, da nur dieser Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 10.10.2012 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, ihn über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Rechtsgrundlage für die Zulassungsentziehung ist § 95 Abs. 6 i. V. m. § 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V.
Die Zulassung ist u. a. zu entziehen, wenn der Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt (§ 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V). Erbringt ein Vertragsarzt den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums, soll die Kassenärztliche Vereinigung unverzüglich gegenüber dem Zulassungsausschuss einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). § 95d SGB V sieht eine zwingende Zulassungsentziehung nicht vor. Die Vorschrift schafft keinen eigenständigen Entziehungstatbestand, sondern verweist mit der Antragstellung auf die allgemeinen Zulassungsgründe, insbesondere den Grund der gröblichen Pflichtverletzung und das Entziehungsverfahren vor den Zulassungsgremien (§§ 96, 97 SGB V). Nach der Gesetzesbegründung stellt die Nichterfüllung der Fortbildungspflicht in aller Regel eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten dar, weshalb die Verpflichtung zur Antragstellung für den Regelfall vorgeschrieben werde. Ein Vertragsarzt, der fünf Jahre seiner Fortbildungsverpflichtung nicht oder nur unzureichend nachkomme und sich auch durch empfindliche Honorarkürzungen nicht beeindrucken lasse, verweigere sich hartnäckig der Fortbildungsverpflichtung und verletze seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 110). Lediglich in atypischen Ausnahmefällen kann die Kassenärztliche Vereinigung von einer Antragstellung absehen. Der Gesetzgeber nennt das Fehlen nur weniger Fortbildungsstunden. Hinzu kommen Fälle, in denen ein Genügen der Fortbildungspflicht für den Nachfolgezeitraum bereits absehbar ist. Persönliche Gründe des Vertragsarztes können allenfalls in besonderen Fällen berücksichtigt werden, da nach der Regelungssystematik hierfür das Ruhen der Zulassung in Betracht kommt (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 111; Pawlita in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 95d SGB V, Rdnr. 41 f.). Gleiches gilt für die Zulassungsgremien bzgl. der Zulassungsentziehung. Die Vermutung einer gröblichen Pflichtverletzung entfällt nur in atypischen Ausnahmefällen.
Der Kläger hat innerhalb der bis zum 30.06.2009 laufenden Fünf-Jahres-Frist und der bis zum 30.06.2011 laufenden zweijährigen Nachfrist einen Nachweis über seine Fortbildung nicht erbracht. Die Beklagte hat ihn vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist hierauf nochmals hingewiesen, auch erfolgte innerhalb der Nachfrist und danach die gesetzlich vorgeschriebene Honorarkürzung. Der Kläger hat lediglich wiederholt vorgetragen, er werde demnächst den Nachweis erbringen, was weder bisher im Verwaltungs- noch Gerichtsverfahren geschehen ist. Auch hat er lediglich vor dem Beklagten behauptet, er habe bislang 76 Fortbildungspunkte erworben, ohne wenigsten hierfür einen Nachweis vorzulegen. Nachvollziehbare Gründe, weshalb er seiner Fortbildungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, hat er nicht vorgetragen. Von daher ist der Beklagte zur Recht von einer gröblichen Pflichtverletzung ausgegangen.
Die gesetzliche Regelung stellt eindeutig auf den Nachweis ab. Dies hat die Kammer wiederholt entschieden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.12.2011 - S 12 KA 854/10 -; v. 22.02.2012 - S 12 KA 100/11 -; v. 04.07.2012 - S 12 KA 906/10, S 12 KA 165/11 -). Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass ein Vertragsarzt alle fünf Jahre gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung "den Nachweis zu erbringen" hat, dass er in dem zurückliegenden Fünfjahreszeitraum seiner Fortbildungspflicht nach Absatz 1 nachgekommen ist (§ 95d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V). Der "Nachweis", nicht lediglich die Erfüllung der Fortbildungspflicht, ist erstmals bis zum 30. Juni 2009 zu erbringen (§ 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V). Folgerichtig knüpft das Gesetz insbesondere auch die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung und die Antragstellung an den fehlenden Nachweis. Die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung besteht dann, wenn ein Vertragsarzt den "Fortbildungsnachweis" nicht oder nicht vollständig erbringt (§ 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V). Die Honorarkürzung endet erst nach Erbringung des "vollständigen Fortbildungsnachweises" (§ 95d Abs. 3 Satz 6 SGB V). Die Möglichkeit zur Zulassungsentziehung knüpft ebf. an den fehlenden Fortbildungsnachweis an (§ 95d Abs. 3 Satz 7 und 8 SGB V). Entsprechend stellen auch die Regelungen für angestellte Ärzte auf den Fortbildungsnachweis ab (§ 95d Abs. 5 Satz 2 und 6 SGB V).
Die gesetzliche Regelung ist auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber ist befugt, die Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG zu regeln (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 23.03.2011 - S 12 KA 695/10 -; v. 04.07.2012 - a.a.O.).
Der Umfang der Fortbildungsverpflichtung ist nicht unverhältnismäßig. Hierfür sieht das Gesetz einen Fünfjahreszeitraum vor. Nach den auf der Grundlage des § 95d Abs. 6 SGB V ergangenen Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (im Folgenden: KBV-RL) sind im Fünfjahreszeitraum 250 Fortbildungspunkte nachzuweisen (§ 1 Abs. 3 KBV-RL). Die Fortbildungssatzung der Landesärztekammer Hessen (Stand: 01.06.2008) (zitiert nach: http://www.laekh.de/upload/Rechtsquellen/Fortbildungssatzung.pdf) sieht einen Bewertungskatalog der Fortbildungsmaßnahmen vor, wonach die Fortbildungsmaßnahmen mit Punkten bewertet werden. Grundeinheit ist eine 45-minütige Fortbildungseinheit, die mit einem Punkt bei maximal acht Punkten pro Tag bewertet wird. Selbststudium durch Fachliteratur und bücher sowie Lehrmittel werden mit höchstens 50 Punkten für fünf Jahre anerkannt. Es gibt acht Kategorien von Fortbildungsmaßnahmen, die beliebig kombiniert werden können, wobei für das Selbststudium (Kategorie E) höchstens 50 Punkte für fünf Jahre anerkannt werden (vgl. im Einzelnen § 8 der Fortbildungssatzung). Neben dem Selbststudium müssen damit 40 weitere Punkte durchschnittlich im Jahr erreicht werden, also etwa durch 20 zweistündige Vorträge oder durch den Besuch von fünf Tagesveranstaltungen, mehrtägige Kongressbesuche werden mit sechs Punkten pro Tag angerechnet.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Pflicht zur fachlichen Fortbildung der Vertragsärzte eine Gesetzeslücke schließen, da bisher eine generelle vertragsärztliche Pflicht, den Nachweis über die Übereinstimmung des eigenen Kenntnisstandes mit dem aktuellen medizinischen Wissen zu erbringen, nicht bestanden habe. Sie diene der Absicherung der qualitätsgesicherten ambulanten Behandlung der Versicherten. Der Gesetzgeber beruft sich dabei auf Feststellungen des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in dessen Gutachten 2000/2001. Danach veränderten sich die Auffassungen von und die Anforderungen an die "gute ärztliche Praxis" deutlich innerhalb weniger Jahre. Umso gravierender seien die Mängel im Fortbildungsangebot, in der Inanspruchnahme, in der Förderung und verpflichtenden Regelung der ärztlichen Fortbildung zu betrachten. Zu kritisieren seien eine häufig unzureichende Praxisrelevanz, die Vernachlässigung praktischer und interpersoneller Kompetenzen sowie eine eingeschränkte Glaubwürdigkeit vieler Angebote durch mangelnde Neutralität oder Transparentmachung der Qualität der angeführten Evidenz. Darüber hinaus sei zu bemängeln, dass die Fortbildung ihre Funktion des Forschungstransfers zu langsam und zu unkritisch erfüllt habe. Als Maßnahme der Qualitätssicherung sei die Kompetenz des Bundesgesetzgebers nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegeben (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 109).
Der Gesetzgeber kann auch die Honorarkürzung an den Nachweis der Fortbildung knüpfen. Dies ist gleichfalls nicht unverhältnismäßig. Letztlich handelt es sich um eine bloße Fristenregelung. Die Fortbildung und der Nachweis darüber liegen allein in der Sphäre des Vertragsarztes. Er allein weiß, welche Fortbildungen er absolviert hat und wer ihm hierüber einen Nachweis ausstellen kann. Mit der Stichtagsregelung nach einem Zeitraum von fünf Jahren weiß der Vertragsarzt, wann der Nachweis erbracht sein muss. Hat er die Fortbildung absolviert, so ist es kein wesentlich erhöhter Aufwand, die Nachweise rechtzeitig einzureichen. Dies entspricht auch allgemeinen vertragsarztrechtlichen Grundsätzen, wonach vor Behandlungsbeginn nicht nur die Voraussetzungen zur vertragsärztlichen Behandlung erfüllt sein müssen, sondern auch eine Zulassung oder Genehmigung aufgrund der nachgewiesenen Qualifikation vorliegen müssen. Zulassungen und Genehmigungen können als Status- bzw. statusähnliche Verwaltungsakte nicht rückwirkend erteilt werden.
Die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung kann, auch soweit sie sich nur auf bestimmte Bereiche oder Leistungen der ambulanten Versorgung erstreckt, nicht rückwirkend zuerkannt bzw. in Kraft gesetzt werden. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen - abgesehen von Notfällen - förmlich zuerkannt worden sein muss. Dies gilt für alle Arten der Statusbegründung im Vertragsarztrecht, also für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten wie auch für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten und ebenso für weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen. Denn zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten muss zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 11.03.2009 B 6 KA 15/08 – SozR 4-2500 § 96 Nr. 11 = GesR 2009, 534 = MedR 2010, 128 = ZMGR 2009, 303 = KHR 2009, 172 = USK 2009-38 = Breith 2010, 21 = PFB 2009, 144, juris Rdnr. 15 f.).
Soweit der Gesetzgeber für die Erfüllung der Fortbildungspflicht auf einen förmlichen feststellenden – Verwaltungsakt verzichtet, sondern es bei einem bloßen Nachweis belässt, kommt es aber auf den Nachweis bis zum Stichtag entscheidend an. Systematisch handelt es sich bei der Fortbildungspflicht um eine Qualitätssicherungsmaßnahme. Die Qualitätssicherung wird aber nach der gesetzlichen Regelung erst durch den Nachweis erfüllt. Hierfür gibt es weder eine rückwirkende Wirkung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insofern handelt es sich bei der Stichtagsregelung in § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V um eine gesetzliche Ausschlussfrist.
Hinzu kommt, dass die von der KBV erlassenen Verfahrensregelungen eine Hinweispflicht beinhalten. Die Fortbildungsverpflichtung für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V vom 16.09.2004, DÄ 2005, A 306 f. (im Folgenden: FortbRL-Ä) sieht vor, dass mindestens drei Monate vor Ablauf des Fünfjahreszeitraums ein Hinweis erfolgen muss, dass die Versäumnis der Frist mit einer Honorarkürzung verbunden ist. Das weitere Verfahren soll die Kassenärztliche Vereinigung regeln (§ 4 FortbRL-Ä). Ferner soll der Arzt bei fehlendem Nachweis auf die Möglichkeit der Nachholung und das drohende Entziehungsverfahren hingewiesen werden (§ 5 FortbRL-Ä). Daneben soll auf freiwilliger Grundlage der Landeskammern bei ihnen ein Fortbildungskonto geführt und eine Übermittlung der Daten an die Kassenärztliche Vereinigung vereinbart werden (vgl. Mitteilungen, DÄ 2005, A 306).
Die Beklagte hat ihre Mitglieder wiederholt auf die Nachweispflicht hingewiesen, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist.
Eine Unverhältnismäßigkeit der Zulassungsentziehung ist nicht ersichtlich, da bereits § 95d Abs. 3 SGB V vorgibt, dass nach Ablauf des 5-jährigen Zeitraums für zwei Jahre eine Honorarkürzung erfolgt, wenn die Fortbildungspflicht nicht erfüllt wird. Ein Vertragsarzt erhält damit acht Honorarbescheide, in denen eine Kürzung vorgenommen wurde. Erst dann erfolgt im Regelfall die Antragsstellung seitens der Beigeladenen zu 1) auf Entziehung der Zulassung. Insofern gibt der Gesetzgeber bereits ein abgestuftes Programm vor, das den Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Eine weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung kann nur in atypischen Ausnahmefällen erfolgen. Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass allein das Insolvenzverfahren hierfür nicht ausreichend ist. Soweit der Kläger nach dem angefochtenen Beschluss des Beklagten angegeben hat, die Honorarkürzungen hätten ihn nicht getroffen, weil seine Einkünfte ohnehin an den Insolvenzverwalter gegangen seien, so räumt er nicht nur die Pflichtverletzung ein, sondern gibt zum Ausdruck, dass ihn die vom Gesetz vorgesehenen Sanktionen nicht berühren. Der Kläger hat ferner bereits mit Schreiben vom 16.01.2012 an den Zulassungsausschuss angegeben, er bemühe sich, die noch fehlenden Fortbildungspunkte durch Hospitationen nachzuholen. Gegenüber dem Beklagten hat er dann nach dessen Beschlussgründen angegeben, er habe bisher erst 76 Fortbildungspunkte angesammelt. Der Kläger hat auch im Klageverfahren weder dargelegt, nunmehr der Fortbildungspflicht genüge getan zu haben, noch sich hierum bemüht zu haben. Auch fehlt jeglicher Nachweis für den Umfang der bisher absolvierten Fortbildung, insbesondere liegt keine entsprechende Bescheinigung seitens der Ärztekammer vor.
Im Ergebnis waren die Klagen daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Zulassungsangelegenheiten ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in Abkehr zur früheren Rechtsprechung der Gegenstandswert in der Regel in Höhe der dreifachen Jahreseinnahmen abzüglich der durchschnittlichen Praxiskosten in der jeweiligen Behandlergruppe festzusetzen (vgl. BSG, Beschl. v. 01.09.2005 - B 6 KA 41/04 R – juris = SozR 4-1920 § 52 Nr. 1 = www.sozialgerichtsbarkeit.de, BSG, Beschl. v. 26.09.2005 - B 6 KA 69/04 B – und BSG, Beschl. v. 12.10.2005 - B 6 KA 47/04 B – juris = MedR 2006, 236 = ZMGR 2005, 324). Bei einer Zulassungsentziehung ist auf den durchschnittlichen Umsatz der Praxis abzustellen. Die Honorarumsätze des Klägers stellen sich wie folgt dar:
Quartal Honorar in EUR
III/09 6.122,31
IV/09 7.890,41
I/10 6.667,96
II/10 5.626,23
III/10 4.046,53
IV/10 5.584,10
I/11 5.207,61
II/11 4.232,19
III/11 3.774,16
IV/11 4.585,83
I/12 3.825,15
II/11 2.208,12
III/12 2.232,36
IV/12 3.158,67
I/13 2.943,03
Gesamt 68.104,66
Quartalsdurchschnitt (./. 15) 4.540,31
Für drei Jahre (x 12) 54.483,72
Abzüglich 50 % Unkosten (1/2) 27.241,86
Hieraus folgt auf der Grundlage des durchschnittlichen Umsatzes pro Quartal in Höhe von 4.540,31 EUR und einer Kostenquote von 50 % für drei Jahre ein Überschuss von 27.241,86 EUR. Dies ergab den festgesetzten Streitwert.
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