Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AL 59/13 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 102/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Bereich der betrieblichen Berufsausbildung in § 73 SGB III (i.d.F. v. 20.12.2011 (BGBl I 2854) ist eng auszulegen. Hiervon werden nur Betriebe der Wirtschaft, die auf Gewinnerzielung gerichtet sind sowie vergleichbare Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, umfasst. Hierzu zählt ein eingetragener Verein, dessen Zweck darin besteht, mittels Spendenaufkommen und freiwilliger ehrenamtlicher Mitarbeit dabei zu helfen, dass durch sozialpädagogische Maßnahmen arbeitslose Jugendliche, Erwachsene sowie Schwerbehinderten eine angemessene Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten, nicht.
2. Das Bestehen eines Anordnungsgrundes nach § 86b Abs. 2 SGG richtet sich unabhängig von der Frage, ob § 73 SGB III drittschützende Wirkung zukommt, nur nach den geschützten subjektiven Rechten der Streitbeteiligten.
3. Die Frage des Zuschusses betrifft lediglich eine Vorfrage für den Ausbildungsbeginn und damit das Verhältnis zwischen Antragsteller und Dritten. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG liegen damit nicht vor.
2. Das Bestehen eines Anordnungsgrundes nach § 86b Abs. 2 SGG richtet sich unabhängig von der Frage, ob § 73 SGB III drittschützende Wirkung zukommt, nur nach den geschützten subjektiven Rechten der Streitbeteiligten.
3. Die Frage des Zuschusses betrifft lediglich eine Vorfrage für den Ausbildungsbeginn und damit das Verhältnis zwischen Antragsteller und Dritten. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG liegen damit nicht vor.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 2013 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragssteller vom 29. April 2013 mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Arbeitgeberzuschüsse zur Ausbildungsvergütung in Höhe von 100 % zuzüglich der Arbeitgeberanteile für die Ausbildung der Auszubildenden C. zu gewähren
ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Beschwerde gegen die vorläufige Verpflichtung zur Zahlung von ALG-II-Leistungen ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden maßgeblichen Fassung statthaft, form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Das Sozialgericht hat zu Recht den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dabei soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 sowie Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02). Zum Gewicht von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist zu berücksichtigen, dass diese nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches Landessozialgericht - LSG -, Beschluss vom 29. Juni 2005, Az.: L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Mai 2004 - L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - L 18 B 237/01 V ER).
Die Entscheidung des Landessozialgerichts hat wie bei in solchen Fällen in der Hauptsache statthaften Leistungs- bzw. Verpflichtungsklagen nach dem Rechtssach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu erfolgen (LSG, Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2008 - L 9 B 600/07 KR ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 42).
Im vorliegenden Rechtsstreit vermochte sich der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs überzeugen. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 73 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl I 2854). Der Wortlaut der Norm verlangt ausdrücklich, dass es sich um eine "betriebliche Ausbildung" handelt. Die Voraussetzungen der Berufsbildung in örtlicher Hinsicht werden mangels Legaldefinition im SGB III im Wesentlichen in § 2 Bundesbildungsgesetz (BBiG) näher definiert, wonach Berufsausbildung durchgeführt wird (1.) in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und den Haushalten (betriebliche Berufsbildung) (2.) in berufsbildenden Schulen (schulische Berufsbildung) und (3.) in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung (außerbetriebliche Berufsbildung). Ausdrücklich stellt das - BBiG – soweit es den Betriebsbegriff betrifft - somit auf Betriebe der Wirtschaft ab, die demnach auf Gewinnerzielung gerichtet sind sowie auf vergleichbare Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft. Dies korrespondiert mit der Maßgabe des § 1 Abs. 3 BBiG, demzufolge die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln hat. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (vgl. Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, § 235a, Stand 2/2012, Rn 24). Unter einem Betrieb ist eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 18 I m.w.N.).
Zu unterscheiden ist demnach einerseits zwischen betrieblicher Ausbildung, die in Betrieben der Wirtschaft, vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, der Angehörigen der freien Berufe sowie in Haushalten absolviert wird, einerseits (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BBiG) und der außerbetrieblichen Ausbildung, die ganz oder teilweise außerhalb des Einzelbetriebs erbracht wird und die tragende Einrichtung als sonstige Berufsausbildungseinrichtung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BBiG anzusehen ist, andererseits (BSG Urt. v. 21.6.1977 – 7/12/7 Rar 72/75 = SozR 4100 § 40 Nr. 13).
Vorliegend kann dem Vortrag des Antragstellers nicht entnommen werden, dass dieser eine auf Gewinnerzielung gerichtete Institution darstellt und somit als eine zumindest einem Betrieb der Wirtschaft vergleichbare Einrichtung außerhalb der Wirtschaft angesehen werden kann. Beim Antragsteller handelt es sich vielmehr um einen eingetragenen Verein, dessen Zweck laut Eigendarstellung auf der Homepage darin besteht, mittels Spendenaufkommen und freiwilliger ehrenamtlicher Mitarbeit dabei zu helfen, dass durch sozialpädagogische Maßnahmen arbeitslose Jugendliche, Erwachsene sowie Schwerbehinderten eine angemessene Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten (http://www.a-bis-ev.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=30). Damit liegen aber die Voraussetzungen einer betrieblichen Ausbildung nicht vor, die alleine von § 73 SGB III erfasst wird; zudem mangelt es an einem Arbeitgeber i. S. des § 73 SGB III (Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, § 235a, Stand 2/2012, Rn 16).
Bei § 73 SGB III handelt es sich um die Nachfolgenorm zu § 235 a SGB III in der Fassung vom 29. September 2000 (BGBl. I 1394) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2917). Auch dort wurde wortgleich alleine auf die betriebliche Aus- oder Weiterbildung von schwerbehinderten Menschen abgestellt. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um die Übernahme der bis zum Jahre 2000 geltenden Förderregelungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 bis 6 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) in Verbindung mit §§ 5 Nrn. 2 und 3, 6 Nrn. 2 bis 4 Schwerbehindertenausgleichsverordnung (SchwbAV), die man zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung und besseren Transparenz für alle beteiligten Stellen nunmehr ins SGB III überführt hat (siehe BT-Drucks. 14/3372 S. 25 zu § 235a). Der Wortlaut der SchwbAV differenzierte jedoch ebenfalls stets zwischen betrieblichen und überbetrieblichen Einrichtungen (vgl. § 13 SchwbAV i.d.F. v. 8.8.1978). Somit ist auch nach historischer Auslegung davon auszugehen, dass die gleichen Grundsätze, die für die Fördermöglichkeiten des Schwerbehindertengesetzes galten, nun auch im Bereich des SGB III Anwendung finden sollen.
Auch eine systematische Auslegung spricht dafür, den Bereich der betrieblichen Berufsausbildung in § 73 SGB III eng auszulegen, da an anderer Stelle des SGB III das Gesetz ausdrücklich von der betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung spricht (siehe z. B. § 57 SGB III), so dass davon auszugehen ist, dass die Förderung gemäß § 73 SGB III alleine auf die betriebliche Förderung beschränkt ist.
Dies stellt keine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber Betrieben der Wirtschaft dar, da Sinn und Zweck der Fördermöglichkeiten nach der Überführung in das SGB III nicht alleine die Ausbildung von behinderten Menschen, sondern gerade die Förderung von deren Ausbildung und Übernahme in der freien Wirtschaft ist, womit Arbeitgebern in Wirtschaftsbetrieben oder vergleichbaren Unternehmen ein Anreiz geschaffen werden sollte. Dieser Aspekt fehlt bei einem Verein wie dem Antragsteller. Der Senat hat nicht zu prüfen, ob es sozialpolitisch sinnvoll ist, dass dadurch in den vorliegenden Fällen dem Antragsteller kein Anspruch auf eine Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 73 SGB III zur Seite steht.
Der Senat hat darüber hinaus erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats - vgl. Beschlüsse vom 22. September 2005 - L 9 AS 47/05 ER , vom 7. Juni 2006 - L 9 AS 85/06 ER - und vom 30. August 2006 - L 9 AS 115/06 ER -; zuletzt Beschluss vom 10. Juni 2013 - L 9 AS 362/13 B ER -; Conradis in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Entscheidend ist, ob es dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 28). Hierbei handelt es sich um eine einfachrechtliche Konkretisierung der allgemeinen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG Beschl. v. 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - NJW 1991,1878 f m.w.N. ).
Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass die Ausbildung von Frau C. bereits begonnen wurde. Trotz der in zwei Parallelverfahren bereits erfolgten Beschlüsse des erkennenden Senats vom 18.September 2013 (9 AL 100/13 B ER und 9 AL 101/13 B ER) erfolgte keine weitere Beschwerdebegründung. Unabhängig davon, ob es sich bei § 73 SGB III um eine so genannte drittschützende Norm handelt, auf die sich obwohl nach dem Wortlaut lediglich Arbeitgeber Zuschüsse zur Ausbildung verlangen können und dementsprechend aktivlegitimiert sind - auch die davon profitierenden Auszubildenden auf diese Norm einen Anspruch stützen könnten (vgl. aber § 3 SGB III), besteht vorliegend das prozessuale Streitverhältnis allein zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung der Frau C. gemäß § 75 Abs. 2 SGG, die allein eine Beiladung auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen könnte (s. Keller in: Meyer/Ladewig SGG, § 86 b, Rdnr. 16 sowie Rdnr. 38), liegen nicht vor. Die Frage des Zuschusses betrifft lediglich eine Vorfrage für den Ausbildungsbeginn und damit das Verhältnis zwischen Antragsteller und Drittem (vgl. BSG v. 25.2.2010 – B 10 LW 2/09 R – SozR 4-5868 § 1 Nr. 8). Allenfalls käme im Hauptsacheverfahren eine Beiladung gem. § 75 Abs. 1 SGG in Betracht, weil die Interessen der Frau C. durch die Gewährung von Arbeitgeberzuschüssen für ihre Ausbildung berührt werden. Die Frage des Bestehens eines Anordnungsgrundes, kann sich jedoch nur nach den geschützten subjektiven Rechten der Streitbeteiligten richten. Dies folgt aus dem allgemeinen Gedanken des öffentlichen Rechts, dass nur subjektive Rechte eine Befugnis zur Rechtsverfolgung vermitteln, nicht aber Interessen Dritter ohne besondere Zurechnungsnorm geltend gemacht werden können. Dafür spricht auch die Formulierung des § 86b Abs. 2 SGG, in dem ausdrücklich auf die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers abgestellt wird, nicht auf Rechte Dritter (s. zur unzulässigen Popularklage BSG Urt. v. 29.11.1995 - 3 RK 36/94 - BSGE 77, 130, 133). Dass für den Antragsteller eine Notlage besteht, die eine sofortige Entscheidung erfordert und ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache im Hinblick auf die Gewährung von Zuschüssen nicht zumutbar erscheinen lässt, wurde weder dargelegt, noch ist sie für den Senat erkennbar.
Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 183 Rdnr. 6).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragssteller vom 29. April 2013 mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. Juni 2013 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Arbeitgeberzuschüsse zur Ausbildungsvergütung in Höhe von 100 % zuzüglich der Arbeitgeberanteile für die Ausbildung der Auszubildenden C. zu gewähren
ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Beschwerde gegen die vorläufige Verpflichtung zur Zahlung von ALG-II-Leistungen ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der seit dem 1. April 2008 geltenden maßgeblichen Fassung statthaft, form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und auch im Übrigen zulässig.
Das Sozialgericht hat zu Recht den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dabei soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 sowie Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02). Zum Gewicht von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist zu berücksichtigen, dass diese nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches Landessozialgericht - LSG -, Beschluss vom 29. Juni 2005, Az.: L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Mai 2004 - L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - L 18 B 237/01 V ER).
Die Entscheidung des Landessozialgerichts hat wie bei in solchen Fällen in der Hauptsache statthaften Leistungs- bzw. Verpflichtungsklagen nach dem Rechtssach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu erfolgen (LSG, Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2008 - L 9 B 600/07 KR ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 42).
Im vorliegenden Rechtsstreit vermochte sich der Senat nicht vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs überzeugen. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 73 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 20. Dezember 2011 (BGBl I 2854). Der Wortlaut der Norm verlangt ausdrücklich, dass es sich um eine "betriebliche Ausbildung" handelt. Die Voraussetzungen der Berufsbildung in örtlicher Hinsicht werden mangels Legaldefinition im SGB III im Wesentlichen in § 2 Bundesbildungsgesetz (BBiG) näher definiert, wonach Berufsausbildung durchgeführt wird (1.) in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und den Haushalten (betriebliche Berufsbildung) (2.) in berufsbildenden Schulen (schulische Berufsbildung) und (3.) in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung (außerbetriebliche Berufsbildung). Ausdrücklich stellt das - BBiG – soweit es den Betriebsbegriff betrifft - somit auf Betriebe der Wirtschaft ab, die demnach auf Gewinnerzielung gerichtet sind sowie auf vergleichbare Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft. Dies korrespondiert mit der Maßgabe des § 1 Abs. 3 BBiG, demzufolge die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln hat. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (vgl. Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, § 235a, Stand 2/2012, Rn 24). Unter einem Betrieb ist eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 18 I m.w.N.).
Zu unterscheiden ist demnach einerseits zwischen betrieblicher Ausbildung, die in Betrieben der Wirtschaft, vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, der Angehörigen der freien Berufe sowie in Haushalten absolviert wird, einerseits (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 BBiG) und der außerbetrieblichen Ausbildung, die ganz oder teilweise außerhalb des Einzelbetriebs erbracht wird und die tragende Einrichtung als sonstige Berufsausbildungseinrichtung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 BBiG anzusehen ist, andererseits (BSG Urt. v. 21.6.1977 – 7/12/7 Rar 72/75 = SozR 4100 § 40 Nr. 13).
Vorliegend kann dem Vortrag des Antragstellers nicht entnommen werden, dass dieser eine auf Gewinnerzielung gerichtete Institution darstellt und somit als eine zumindest einem Betrieb der Wirtschaft vergleichbare Einrichtung außerhalb der Wirtschaft angesehen werden kann. Beim Antragsteller handelt es sich vielmehr um einen eingetragenen Verein, dessen Zweck laut Eigendarstellung auf der Homepage darin besteht, mittels Spendenaufkommen und freiwilliger ehrenamtlicher Mitarbeit dabei zu helfen, dass durch sozialpädagogische Maßnahmen arbeitslose Jugendliche, Erwachsene sowie Schwerbehinderten eine angemessene Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten (http://www.a-bis-ev.de/wai1/showcontent.asp?ThemaID=30). Damit liegen aber die Voraussetzungen einer betrieblichen Ausbildung nicht vor, die alleine von § 73 SGB III erfasst wird; zudem mangelt es an einem Arbeitgeber i. S. des § 73 SGB III (Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, § 235a, Stand 2/2012, Rn 16).
Bei § 73 SGB III handelt es sich um die Nachfolgenorm zu § 235 a SGB III in der Fassung vom 29. September 2000 (BGBl. I 1394) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2917). Auch dort wurde wortgleich alleine auf die betriebliche Aus- oder Weiterbildung von schwerbehinderten Menschen abgestellt. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um die Übernahme der bis zum Jahre 2000 geltenden Förderregelungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 bis 6 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) in Verbindung mit §§ 5 Nrn. 2 und 3, 6 Nrn. 2 bis 4 Schwerbehindertenausgleichsverordnung (SchwbAV), die man zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung und besseren Transparenz für alle beteiligten Stellen nunmehr ins SGB III überführt hat (siehe BT-Drucks. 14/3372 S. 25 zu § 235a). Der Wortlaut der SchwbAV differenzierte jedoch ebenfalls stets zwischen betrieblichen und überbetrieblichen Einrichtungen (vgl. § 13 SchwbAV i.d.F. v. 8.8.1978). Somit ist auch nach historischer Auslegung davon auszugehen, dass die gleichen Grundsätze, die für die Fördermöglichkeiten des Schwerbehindertengesetzes galten, nun auch im Bereich des SGB III Anwendung finden sollen.
Auch eine systematische Auslegung spricht dafür, den Bereich der betrieblichen Berufsausbildung in § 73 SGB III eng auszulegen, da an anderer Stelle des SGB III das Gesetz ausdrücklich von der betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildung spricht (siehe z. B. § 57 SGB III), so dass davon auszugehen ist, dass die Förderung gemäß § 73 SGB III alleine auf die betriebliche Förderung beschränkt ist.
Dies stellt keine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber Betrieben der Wirtschaft dar, da Sinn und Zweck der Fördermöglichkeiten nach der Überführung in das SGB III nicht alleine die Ausbildung von behinderten Menschen, sondern gerade die Förderung von deren Ausbildung und Übernahme in der freien Wirtschaft ist, womit Arbeitgebern in Wirtschaftsbetrieben oder vergleichbaren Unternehmen ein Anreiz geschaffen werden sollte. Dieser Aspekt fehlt bei einem Verein wie dem Antragsteller. Der Senat hat nicht zu prüfen, ob es sozialpolitisch sinnvoll ist, dass dadurch in den vorliegenden Fällen dem Antragsteller kein Anspruch auf eine Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 73 SGB III zur Seite steht.
Der Senat hat darüber hinaus erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats - vgl. Beschlüsse vom 22. September 2005 - L 9 AS 47/05 ER , vom 7. Juni 2006 - L 9 AS 85/06 ER - und vom 30. August 2006 - L 9 AS 115/06 ER -; zuletzt Beschluss vom 10. Juni 2013 - L 9 AS 362/13 B ER -; Conradis in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Entscheidend ist, ob es dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 28). Hierbei handelt es sich um eine einfachrechtliche Konkretisierung der allgemeinen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG Beschl. v. 9.1.1991 - 1 BvR 207/87 - NJW 1991,1878 f m.w.N. ).
Dem Vortrag des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass die Ausbildung von Frau C. bereits begonnen wurde. Trotz der in zwei Parallelverfahren bereits erfolgten Beschlüsse des erkennenden Senats vom 18.September 2013 (9 AL 100/13 B ER und 9 AL 101/13 B ER) erfolgte keine weitere Beschwerdebegründung. Unabhängig davon, ob es sich bei § 73 SGB III um eine so genannte drittschützende Norm handelt, auf die sich obwohl nach dem Wortlaut lediglich Arbeitgeber Zuschüsse zur Ausbildung verlangen können und dementsprechend aktivlegitimiert sind - auch die davon profitierenden Auszubildenden auf diese Norm einen Anspruch stützen könnten (vgl. aber § 3 SGB III), besteht vorliegend das prozessuale Streitverhältnis allein zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung der Frau C. gemäß § 75 Abs. 2 SGG, die allein eine Beiladung auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen könnte (s. Keller in: Meyer/Ladewig SGG, § 86 b, Rdnr. 16 sowie Rdnr. 38), liegen nicht vor. Die Frage des Zuschusses betrifft lediglich eine Vorfrage für den Ausbildungsbeginn und damit das Verhältnis zwischen Antragsteller und Drittem (vgl. BSG v. 25.2.2010 – B 10 LW 2/09 R – SozR 4-5868 § 1 Nr. 8). Allenfalls käme im Hauptsacheverfahren eine Beiladung gem. § 75 Abs. 1 SGG in Betracht, weil die Interessen der Frau C. durch die Gewährung von Arbeitgeberzuschüssen für ihre Ausbildung berührt werden. Die Frage des Bestehens eines Anordnungsgrundes, kann sich jedoch nur nach den geschützten subjektiven Rechten der Streitbeteiligten richten. Dies folgt aus dem allgemeinen Gedanken des öffentlichen Rechts, dass nur subjektive Rechte eine Befugnis zur Rechtsverfolgung vermitteln, nicht aber Interessen Dritter ohne besondere Zurechnungsnorm geltend gemacht werden können. Dafür spricht auch die Formulierung des § 86b Abs. 2 SGG, in dem ausdrücklich auf die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers abgestellt wird, nicht auf Rechte Dritter (s. zur unzulässigen Popularklage BSG Urt. v. 29.11.1995 - 3 RK 36/94 - BSGE 77, 130, 133). Dass für den Antragsteller eine Notlage besteht, die eine sofortige Entscheidung erfordert und ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache im Hinblick auf die Gewährung von Zuschüssen nicht zumutbar erscheinen lässt, wurde weder dargelegt, noch ist sie für den Senat erkennbar.
Daher war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 183 Rdnr. 6).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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