L 5 R 536/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 13 R 129/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 536/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 59/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 27. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)

Der 1957 geborene Kläger beantragte am 5. November 2009 auf Anregung der ihn behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. unter Verweis auf einen Erschöpfungszustand, Konzentrationsmängel, Schlafstörungen und Dauerkopfschmerzen die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Zur Unterstützung seines Begehrens fügte er dem Antrag weitere Krankenunterlagen und einen Bericht von der Fachärztin QW. vom 30. Oktober 2009 bei, ausweislich dessen der Kläger unter einer somatoformen Störung mit chronifizierter Kopfschmerzsymptomatik, einem depressiven Syndrom und einem Diabetes mellitus Typ II mit metabolischem Syndrom leide. Bei bereits langem Krankenstand und zunehmendem sozialen Rückzug sei der Kläger kaum noch in der Lage, seine selbständige Tätigkeit als Steuerberater auszuüben.

Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. November 2009 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 6 Wochen in der ER. Klinik TZ. Als voraussichtlichen Maßnahmebeginn gab die Beklagte die 49. Kalenderwoche 2009 an.

Hiergegen erhob der Kläger am 18. November 2009 Widerspruch mit der Begründung, bei der von der Beklagten ausgewählten Einrichtung handele es sich um eine psychsomatische Klinik in der u. a. Gruppentherapien durchgeführt werden. Diese Therapieform lehne er angesichts der Erfahrungen im Rahmen von zwei früheren Rehabilitationsmaßnahmen ab. Zudem sei sowohl der für die Maßnahme gewählte Ort als auch der Zeitpunkt für die Behandlung depressiver Erkrankung ungeeignet. In Anbetracht der seit Jahrzehnten bestehenden bronchialen Probleme sei vielmehr eine Rehabilitationsmaßnahme unter reizklimatischen Verhältnissen (See/Berge) angezeigt. Aufgrund anderweitiger terminlicher Verpflichtungen könne er die Maßnahme ohnehin nicht vor Ende Januar 2010 antreten.

Nach einer Benachrichtigung des Klägers durch die ER. Klinik TZ. über den Beginn der Rehabilitationsmaßnahme am 2. Februar 2010 teilte der Kläger mit, er werde die Maßnahme wegen der beabsichtigten gruppentherapeutischen Behandlung nicht antreten und stehe im Übrigen aufgrund anderweitiger Verpflichtungen frühestens Mitte April 2010 für eine Rehabilitationsmaßnahme zur Verfügung.

Die Beklagte wies daraufhin den klägerischen Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 8. März 2010 mit der Begründung zurück, die vom Kläger gewünschte Behandlungsform falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten, weil die Gruppentherapie in Kliniken der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Therapie- und Rehabilitationskonzept gehöre. Daher sei die Forderung des Klägers nach ausschließlicher Einzeltherapie nicht umsetzbar.

Der Kläger erhob daraufhin am 30. März 2010 Klage vor dem Sozialgericht Kassel und machte geltend, dass die von der Beklagten bewilligte Maßnahme gruppentherapeutische Behandlungen und somit eine Therapieform beinhalte, die in der Vergangenheit zu einer Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt habe und daher auch von den ihn behandelnden Ärzten als ungeeignet angesehen werde. Nach seiner Kenntnis bestehe auch in Einrichtungen, die üblicherweise mit dem Konzept der Gruppentherapie arbeiten, die Möglichkeit einer einzeltherapeutischen Behandlung. Die von der Beklagten bewilligte Maßnahme werde daher als unqualifiziert zurückgewiesen und die Gewährung einer geeigneten Maßnahme entsprechend der eindeutig belegten medizinischen Indikationen begehrt.

Die Beklagte hielt an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung fest und wies darauf hin, dass Einzeltherapien nur im Rahmen einer psychiatrischen Krankenhausbehandlung verordnet werden könnten und es keine Rehabilitationseinrichtungen gebe, die überwiegend oder ausschließlich diese Therapieform anbiete. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der Kläger weder rehabilitationswillig noch -fähig.

Das Sozialgericht holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen Befundberichte bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. vom 29. September 2010 und dem Facharzt für Innere Medizin UO. (ohne Datum) ein. Beide Ärzte fügten weitere Krankenunterlagen bei. Ferner hat das Sozialgericht den Rehabilitationsentlassungsbericht vom 10. Mai 2003 beigezogen.

Während des laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens bot die Beklagte im Vergleichswege die Gewährung einer dreiwöchigen neurologisch-psychsomatischen Rehabilitation mit Hirnleistungstraining in der OG. OS. an. Diesen Vorschlag lehnte der Kläger mit Schreiben vom 13. April 2011 ab, weil auch diese Maßnahme zu 90 % in Gruppentherapie abgehalten werde und damit überwiegend eine für ihn ungeeignete Therapieform beinhalte. Im Übrigen sei das angebotene Hirnleistungstraining bei ihm nicht angezeigt und der Rehabilitationsort aufgrund der schlechten Erreichbarkeit unzumutbar.

Das Sozialgericht hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2011 abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, es könne vorliegend dahinstehen, ob der Kläger einen Anspruch auf die von ihm begehrte Rehabilitationseinzeltherapie habe, weil sich ein solcher Anspruch jedenfalls nicht die gegen die Beklagte richte. Denn nicht der zuständige Träger der Rehabilitationsmaßnahme, sondern die von ihm ausgewählte Rehabilitationseinrichtung bzw. der sie leitende Arzt lege den Rehabilitationsplan fest. Von der Beiladung einer Rehabilitationseinrichtung sei abgesehen worden, weil der Kläger bislang die von der Beklagten unterbreiteten Klinikvorschläge abgelehnt habe und eine Klinik ohnedies nicht nach § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verurteilt werden könne. Von dieser Sachlage ausgehend seien weitere medizinische Ermittlungen nicht notwendig gewesen.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger – nach vorheriger erfolgloser Zustellung auf dem Postweg – am 9. Dezember 2011 mit Postzustellungsurkunde durch eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Kassel unter Hinzuziehung eines Mitarbeiters der zuständigen Polizeidienststelle durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2011 hat sich der Kläger an das Sozialgericht Kassel gewandt und u. a. darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid in eine fremde, für jedermann zugängliche Zeitungsbox eingeworfen worden und die Zustellung somit eigentlich rechtsunwirksam sei. Dies werde aber nicht Gegenstand der anzustrengenden Berufung sein.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel hat der Kläger am 14. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die im Rahmen der bewilligten Rehabilitationsmaßnahme beabsichtigte gruppentherapeutische Behandlung sei nach den Angaben der ihn behandelnden Ärzte kontraproduktiv und könne ihm – insbesondere vor dem Hintergrund der an dieser Therapieform gescheiterten früheren Rehabilitationsmaßnahmen – nicht "aufgenötigt" werden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 27. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 12. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2010 zu verpflichten, ihm stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit ausschließlich einzeltherapeutischer Behandlung zu gewähren,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation vom 5. November 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze, auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte der Beklagten sowie auf das dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 3. September 2012 zugesandte Therapiekonzept der ER. Klinik TZ., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, weil die dem Kläger am 23. Oktober 2012 durch Niederlegung beim Amtsgericht zugestellte Ladung (§ 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 181 Zivilprozessordnung - ZPO) einen entsprechenden Zusatz enthielt (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 SGG) und das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung nicht angeordnet war (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 111 Abs. 1 SGG). Erhebliche Gründe, die eine Terminsverlegung geboten hätten, sind vom Kläger nicht glaubhaft worden (§ 202 SGG i. V. m. § 227 Abs. 1 und 2 ZPO). Ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO, der einen Anspruch auf Verlegung des anberaumten Termins nach sich zieht, ist die zur Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit führende Erkrankung eines Beteiligten. Zum Nachweis dessen ist die Vorlage eines Attests notwendig, aus dem sich entweder die Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit ergibt oder das eine so genaue Schilderung der Erkrankung und ihres Schweregrades enthält, die es dem Gericht ermöglicht, selbst zu beurteilen, ob ein Erscheinen des Beteiligten im Termin nicht erwartet werden kann (BFH vom 6. Oktober 2003 – XI B 170/02; BFH vom 16. Juli 2012 – III B 1/12. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage bei einer Krankenkasse mit verschlüsseltem Diagnosenachweis genügt diesen Anforderungen nicht (BFH vom 16. Juli 2012 – III B 1/12).

Die Berufung ist zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Kassel vom 27. Oktober 2011. Dieser ist wirksam und vom Kläger form- und fristgerecht (§ 151 SGG) mit dem hiergegen statthaften Rechtsmittel der Berufung (§§ 143, 144 SGG) angegriffen worden. Soweit der Kläger gegenüber dem Sozialgericht die fehlerhafte bzw. unwirksame Zustellung des Gerichtsbescheides gerügt hat, ist ein solcher Zustellungsmangel aus Sicht des Senats zum einen nicht nachgewiesen worden und gilt zum anderen mit dem tatsächlichen Zugang der angegriffenen Entscheidung beim Kläger als geheilt. Im Übrigen wird auch die Wirksamkeit des Gerichtsbescheides durch eine ggf. fehlerhafte Zustellung beim Kläger nicht berührt. Denn als im schriftlichen Verfahren ergangene Entscheidung ist der Gerichtsbescheid mit der ersten Verlautbarung an einen Beteiligten zwecks Zustellung - vorliegend mit der Zustellung bei der Beklagten am 3. November 2011 - wirksam geworden (vgl. dazu Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. Aufl., § 133 Rn. 2a, § 125 Rn. 4b).
Dieser wirksam gewordene Gerichtsbescheid ist dem Kläger nach eigenen Angaben am 9. Dezember 2011 tatsächlich zugegangen, so dass die am 14. Dezember 2011 eingelegte Berufung fristgerecht ist. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die von einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Kassel unter Hinzuziehung eines Polizeibeamten auf der Grundlage von § 63 Abs. 2 SGG i. V. m. §§ 168, 176, 178 Abs. 1 Nr. 1, 180 ZPO vorgenommene Ersatzzustellung ggf. wegen der Hinterlegung der zuzustellenden Urkunde in einer für die sichere Aufbewahrung ungeeigneten Einrichtung unwirksam gewesen ist (vgl. BFH Beschluss vom 13. Mai 2009 – V B 37/08 zur Einlegung in eine frei zugängliche Mailbox), weil ein solcher Mangel jedenfalls mit dem tatsächlichen Zugang des Gerichtsbescheides beim Kläger als nach § 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 189 ZPO geheilt gilt.

Die somit zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgerichts Kassel hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist in Bezug auf den Hauptantrag als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Der Kläger begehrt insoweit die Gewährung einer Teilhabeleistung bestimmten Inhalts, was nur unter den noch näher zu erörternden Voraussetzungen einer Ermessensreduktion auf Null erfolgversprechend ist. Dieser Antrag beinhaltet als Minus den Antrag auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl. BVerwG vom 24. Oktober 2006 – 6 B 47.06; BVerwG vom 31. März 2004 – 6 C 11.03 - BVerwGE 120, 263, 276). In diesem Sinne war bereits der vom Kläger in der Klageschrift vom 29. März 2010 formulierte Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung einer geeigneten Rehabilitationsmaßnahme unter Berücksichtigung der medizinisch belegten Indikationen auszulegen, den der Kläger im Berufungsverfahren aufrecht erhält. Es handelt sich bei dem Hilfsantrag um eine Bescheidungsklage als besondere Form der Verpflichtungsklage.

Allerdings führt das Klagebegehren weder nach dem Hauptantrag noch nach dem Hilfsantrag zum Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung zu medizinischen Rehabilitation mit ausschließlich einzeltherapeutischer Behandlung noch einen Anspruch auf Neubescheidung des Antrags vom 5. November 2009.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der durch Art. 6 Nr. 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, 1046, 1101) mit Wirkung zum 1. Juli 2001 geänderten sowie durch die Neufassung des SGB VI vom 19. Februar 2002 (BGBl. I, 754) nochmals redaktionell veränderten Normfassung erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um

1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.

Die Leistungen zur Teilhabe haben der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gemäß Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

Leistungen zur Teilhabe können nach § 9 Abs. 2 SGB VI erbracht werden, wenn die persönlichen und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe nach § 10 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte erfüllt,
1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2. bei denen voraussichtlich
a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe haben nach § 11 Abs. 1 SGB VI Versicherte erfüllt, die bei Antragstellung

1. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder
2. eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch erfüllt, die

1. in den letzten 2 Jahren vor der Antragstellung 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
2. innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder
3. vermindert erwerbsfähig sind oder bei denen dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Teilhabeleistungen ergeben sich aus den §§ 15 und 16 SGB VI, wobei § 15 SGB VI die Leistungsvoraussetzungen der medizinischen Rehabilitation bestimmt, während § 16 SGB VI die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben regelt.

Die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sowie das Fehlen eines Leistungsausschlussgrundes nach § 12 SGB VI bilden die sog. Eingangsvoraussetzungen für Teilhabeleistungen nach dem SGB VI. Sie entscheiden über die Frage, ob dem Versicherten Leistungen zur Teilhabe zu gewähren sind. Insoweit besteht kein Ermessen des Versicherungsträgers. Die Eingangsvoraussetzungen unterliegen daher der uneingeschränkten Überprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (vgl. BSG vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94 = SozR 3-1200 § 39 Nr. 1; BSG vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 8/99 RBSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr. 2; BSG vom 17.10.2006 – B 5 RJ 15/5 R - SozR 4-2600 § 10 Nr. 2).

Bei Vorliegen der genannten Eingangsvoraussetzungen bestimmt der Träger der Rentenversicherung nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung. Damit liegt die Frage, wie eine Teilhabeleistung zu erbringen ist, im nur eingeschränkt – d. h. in den Grenzen des § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) i. V. m. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG - gerichtlich überprüfbaren Ermessen des Rentenversicherungsträgers.

Im vorliegenden Fall steht das Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen nicht im Streit. Die Beklagte hat dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. November 2009 eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt und damit concludent zum Ausdruck gebracht, dass die hieran geknüpften gesetzlichen Voraussetzungen - insbesondere die bei der Gewährung von Teilhabeleistungen zu prüfenden Eingangsvoraussetzungen - vorliegen. Dies hat die Beklagte im sozialgerichtlichen Verfahren bekräftigt, indem sie schriftsätzlich darauf hingewiesen hat, dass der Kläger die bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation benötige, weil seine Erwerbsfähigkeit gefährdet bzw. gemindert ist (Schriftsatz der Beklagten vom 29. Juni 2010). Soweit die Beklagte zeitlich später gegenüber dem Sozialgericht (Schriftsatz vom 8. September 2010) angegeben hat, der Kläger sei nach den vorliegenden Unterlagen weder rehabilitationswillig noch –fähig und benötige vorrangig eine Akutbehandlung, steht diese Aussage im Widerspruch zum nachfolgenden prozessualen Verhalten der Beklagten. Die Beklagte hat nicht nur den angefochtenen und eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligenden Bescheid nicht zurückgenommen, sondern dem Kläger darüber hinaus mit Schriftsatz vom 25. Januar 2011 im Vergleichswege eine inhaltlich von der bewilligten Maßnahme abweichende weitere Teilhabeleistung – nämlich die Durchführung einer 3-wöchigen stationären neurologisch-psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme mit Hirnleistungstraining in der OG. OS. angeboten. Damit geht offensichtlich die Beklagte auch aktuell vom Vorliegen der notwendigen Eingangsvoraussetzungen für eine Teilhabeleistung aus.
Das Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ergibt sich zur Überzeugung des Senats letztlich auch aus dem aktenkundigen Versicherungsverlauf des Klägers und aus den von ihm vorgelegten Krankenunterlagen sowie den vom Sozialgericht eingeholten Befundberichten. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt, so dass die in § 11 Abs. 1 SGB VI geregelten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Teilhabeleistung vorliegen. Zudem leidet der Kläger nach den Angaben der ihn behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. in den Berichten vom 30. Oktober 2009 und 29. September 2010 - unter einer somatoformen Störung mit chronifiziertem Kopfschmerz und einem depressiven Syndrom. In Anbetracht des angegebenen Chronifizierungsgrades der Erkrankungen sowie der infolge dessen seit 2008 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit kann zumindest eine krankheitsbedingte Gefährdung der Erwerbsfähigkeit angenommen werden. Anhaltspunkte für ein akutes Krankheitsgeschehen, dass primär eine zu Lasten der Krankenkasse durchzuführende stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich machen und damit zugleich die Erfolgsaussichten eines Rehabilitationsverfahren und somit die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 a bzw. b SGB VI in Frage stellen würde, bestehen nicht. Die psychische Erkrankung in ihrer aktuellen Ausprägung besteht nach den Angaben der Fachärztin für Psychiatrie und Psychiatrie QW. im Bericht vom 30. Oktober 2009 und 29. September 2010 trotz der hochfrequenten Behandlung und der eingeleiteten medikamentösen Therapie mit Antidepressiva im Wesentlichen seit 2008 unverändert fort. Die dem Gericht vorliegenden ärztlichen Berichte belegen keine wesentliche Verschlechterung der Beschwerden im Sinne eines der Akutbehandlung bedürfenden Krankheitsbildes, sondern lassen lediglich eine zunehmende organische Fixierung mit depressiver Überlagerung erkennen, dem durch eine Schärfung des Psychogeneseverständnisses und der Einübung von Coping-Mechanismen im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme entgegengewirkt werden soll. Bei dieser Sachlage bedurfte es zu der Frage, ob dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu bewilligen sind, keiner weitergehenden – insbesondere medizinischen - Ermittlungen.

Bei Vorliegen der sog. Eingangsvoraussetzungen entscheidet der Träger der Rentenversicherung nach pflichtgemäßem Ermessen in den Grenzen seiner Aufgaben als Rehabilitationsträger, ob die begehrte Leistung nach den Umständen des Einzelfalls geeignet, erforderlich, zumutbar, wirtschaftlich und sparsam (§ 13 Abs. 1 SGB VI) ist, um die im Einzelfall bestehende Rehabilitationschance zu nutzen (Kater in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 13 Rdn. 5; BSG vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94 - BSG SozR 3-1200 § 39 Nr. 1). Diese Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers bezüglich des "Wie" (Art, Dauer, Umfang, Durchführung usw.) der Rehabilitationsleistung unterliegt in den Grenzen des § 39 Abs. 1 SGB I i. V. m. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Der Versicherte hat daher (nur) einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung, jedoch grundsätzlich – von den Fällen der Ermessensreduktion auf Null abgesehen – keinen Anspruch auf eine bestimmte Leistung (BSG vom 16. November 1993 – 4 RA 22/93SozR 3-5765 § 10 Nr. 1).

Hiervon ausgehend ist die Entscheidung der Beklagten über die Frage, wie die dem Kläger im Grundsatz zustehende Leistung zur medizinischen Rehabilitation erbracht wird, ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Weder steht dem Kläger der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation unter ausschließlicher Erbringung einzeltherapeutischer Maßnahmen zu, noch besteht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung, weil die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung nicht ermessensfehlerhaft ist.

Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation unter ausschließlicher Erbringung einzeltherapeutischer Maßnahmen besteht nicht, weil der Ermessensspielraum der Beklagten vorliegend nicht soweit verdichtet ist, dass nur eine Rehabilitationsmaßnahme in dieser speziellen Durchführungsform in Betracht kommt. Eine solche Ermessensreduktion auf Null würde voraussetzen, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige Ausübung des Ermessens rechtsfehlerfrei zuließen (BSG vom 4. Februar 1988 – 11 RA 26/87 – BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34). Dies könnte im vorliegenden Fall nur bejaht werden, wenn ausschließlich durch eine Rehabilitationsmaßnahme mit einzeltherapeutischer Behandlung das Rehabilitationsziel – d. h. die Abwendung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - erreicht werden kann, während Maßnahmen mit anderer therapeutischer Ausrichtung dies bei prognostischer Betrachtung nicht gewährleisten können. Dies kann nach Auffassung des Senats vorliegend nicht angenommen werden. Dem speziell für das Rehabilitationsantragsverfahren erstellten Befundbericht der die Maßnahme befürwortenden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. vom 30. Oktober 2009 kann nicht entnommen werden, dass bei dem Krankheitsbild des Klägers nur einzeltherapeutische Maßnahmen indiziert sind und gruppentherapeutische Behandlungen zu einer Verschlechterung der Symptome führen. Entgegen der klägerischen Angaben im Antrags- und Gerichtsverfahren geht aus dem Bericht über die in der Vergangenheit im Zeitraum vom 25. März bis 29. April 2003 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der MF.-Klinik KJ. nicht hervor, dass diese wegen der erfolgten neuropsychologischen Gruppentherapie gescheitert wäre. Vielmehr wurde angegeben, dass der Kläger motiviert an den Behandlungsmaßnahmen teilgenommen hat und eine geringfügige Besserung der Beschwerden - insbesondere der Konzentrations- und Merkfähigkeit - erreicht werden konnte. Angesichts dieser Sachlage kann es nicht als offensichtlich angesehen werden, dass nur eine Rehabilitationsmaßnahme mit einzeltherapeutischer Ausrichtung zur Abwendung einer Erwerbsminderung des Klägers geeignet ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null einen seltenen Ausnahmefall darstellen (BSG vom 11. April 2002 - B 3 P 8/01 R; LSG Darmstadt vom 9. Oktober 2006 – L 9 AL 1200/03).

Auch im Übrigen genügt der angefochtene Bescheid den für behördliche Ermessensentscheidungen geltenden gesetzlichen Anforderungen (§ 39 Abs. 1 SGB I i. V. m. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), so dass ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung ebenfalls nicht besteht.

Wie bereits eingangs ausgeführt, sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der gerichtlichen Kontrolle von Ermessensentscheidungen auf die Prüfung von Ermessensfehlern, d. h. darauf beschränkt zu prüfen, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit seiner Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, d. h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch) hat (dazu im einzelnen: Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB I, § 39 Rdn. 9 ff.; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 35 Rdn. 6; BSG vom 14. Dezember 1994 – 4 RA 42/94SozR 3-1200 § 39 Nr. 1). Nur bei Vorliegen eines Ermessensfehlers hat der Versicherte einen Anspruch auf Neubescheidung. Anhaltspunkte für eine in diesem Sinne ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten bestehen im vorliegenden Fall jedoch nicht.

Die Beklagte hat von dem ihr im Bereich der Teilhabeleistungen eingeräumten Ermessen (§ 13 SGB VI) ausweislich der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 12. November 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2010 erkennbar Gebrauch gemacht. Ausgehend von einem bestehenden Entscheidungsspielraum hat sie das Für und Wider der Entscheidung unter Berücksichtigung der konkreten Wünsche und Bedürfnisse des Klägers einerseits sowie der gesetzlichen Anforderungen an Teilhabeleistungen andererseits abgewogen und in einer den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X genügenden Weise dargelegt. Dabei hat die Beklagte insbesondere angegeben, aus welchen Gründen dem vom Kläger geäußerten Wunsch nach einer speziellen therapeutischen Ausrichtung der Maßnahme nicht entsprochen werden konnte und somit auch dem besonderen Begründungserfordernis des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB IX Rechnung getragen.

Letztlich hat die Beklagte das ihr durch § 13 SGB VI eingeräumte Ermessen auch entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens ausgeübt.

Maßstab für die Ausübung des dem Rentenversicherungsträger eingeräumten Ermessens sind die in den §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 10 Abs. 2 SGB VI gesetzlich festgelegten Aufgaben und Ziele der Teilhabeleistungen, die speziell für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geltenden gesetzlichen Vorgaben des § 15 SGB VI sowie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) einerseits und andererseits die nach § 33 SGB I und § 9 Abs. 1 SGB IX zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnisse des Versicherten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie seine insoweit bestehenden berechtigten und angemessenen Wünsche. Zudem ist der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnis bei der Entscheidung zu berücksichtigen (Umkehrschluss aus § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI). Von diesen gesetzlichen Vorgaben ausgehend hat der Träger der Rentenversicherung im Rahmen der nach § 13 Abs. 1 SGB VI zu treffenden Entscheidung die Belange der Leistungsträger und die Interessen der Allgemeinheit - insbesondere der Versichertengemeinschaft – mit den Belangen der Versicherten abzuwägen. Den nach § 33 Satz 2 SGB I und § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu berücksichtigenden Wünschen der Versicherten ist dabei nur dann und nur soweit Rechnung zutragen, als sie mit dem Zweck der Ermächtigungsnorm, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie den übrigen Vorgaben der §§ 9 ff. SGB VI vereinbar sind (vgl. dazu: BSG vom 15. November 1983 – 1 RA 33/83 - SozR 2200 § 1236 Nr. 43).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat die Beklagte mit der Bewilligung einer 6- wöchigen stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der ER. Klinik TZ. weder das ihr eingeräumte Ermessen überschritten noch von ihm in einer nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Die von der Beklagten festgelegte Art und Dauer der bewilligten Maßnahme im Sinne einer 6-wöchigen stationären medizinischen Rehabilitation wird vom Kläger nicht beanstandet und steht im Übrigen auch im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Da den Mitteilungen der den Kläger behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. zufolge die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten beim Kläger ohne relevante Besserung des Krankheitsbildes ausgeschöpft wurden, ist die Durchführung einer stationären Rehabilitationsleistung zur Erreichung des Rehabilitationsziels sachgerecht, zumal eine in der Vergangenheit durchgeführte ambulante Kurmaßnahme vom Kläger aufgrund der täglichen Fahrtzeiten als belastend empfunden worden war (vgl. Rehabilitationsentlassungsbericht vom 10. Mai 2003). Mit der Bewilligung einer 6-wöchigen Rehabilitationsmaßnahme hat die Beklagte auch nicht das ihr zustehende Ermessen überschritten. Zwar werden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 SGB VI in der Regel für längstens 3 Wochen erbracht. Allerdings ist eine verlängerte Rehabilitationsdauer zulässig, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen (§ 15 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Die Erforderlichkeit einer längeren Rehabilitationsdauer wird regelmäßig bei psychosomatischen bzw. psychotherapeutischen Rehabilitationsmaßnahmen angenommen (Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei psychischen Störungen, Stand 10/2005, S. 11).

Hinsichtlich des Beginns der Maßnahme hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zunächst die 49. Kalenderwoche 2009 angegeben, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 33 Abs. 1 SGB X Rechnung zu tragen. Auf Wunsch des Klägers ist der Beginn auf den 2. Februar 2010 verschoben worden. Insoweit ist die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Versicherten (§ 33 Satz 1 SGB I, § 9 Abs. 1 SGB IX) nachgekommen. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

Letztlich entsprechen auch die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid gewählte Rehabilitationseinrichtung und die durch deren Therapiekonzept festgelegte Durchführung der Maßnahme den gesetzlichen Vorgaben.

Die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger keine Rehabilitationsmaßnahme in reizklimatischen Verhältnissen, d. h. an der See oder in den Bergen, sondern in einem niedersächsischen Luftkurort bewilligt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Auswahl des Rehabilitationsortes ist indikationsbezogen. Maßgebend hierfür ist das zur Rehabilitationsbedürftigkeit führende Krankheitsbild. Vorliegend wird die Erwerbsfähigkeit des Klägers nach den Angaben der ihn behandelnden Ärzte im Wesentlichen durch eine somatoforme Störung mit chronifiziertem Kopfschmerz und ein depressives Syndrom beeinträchtigt. Aufgrund dieser Erkrankung ist der Kläger seit 2008 durchgehend arbeitsunfähig und in ständiger fachärztlicher Behandlung. Erkrankungen dieser Art erfordern nicht zwingend eine Rehabilitationsmaßnahme unter reizklimatischen Bedingungen. Die vom Kläger angegebenen jahrzehntelang persistierenden bronchialen Probleme, bei denen eine Rehabilitation unter reizklimatischen Bedingungen indiziert wäre, werden in keinem der vorgelegten und vom Gericht angeforderten ärztlichen Befundberichte angegeben und sind daher für die Wahl des Rehabilitationsortes nicht maßgebend.

Schließlich steht auch die von der Beklagten vorgenommene Auswahl der Rehabilitationseinrichtung im Einklang mit den diesbezüglich geltenden gesetzlichen Vorgaben der §§ 9 ff. SGB VI.

Von den in §§ 9, 13, 15 SGB VI geregelten Vorgaben ausgehend ist die von einem Leistungsträger getroffene Auswahl rechtlich nicht zu beanstanden, wenn es sich um eine Einrichtung handelt, die indikativ zur Behandlung des den Rehabilitationsbedarf im Einzelfall begründenden Krankheitsbildes geeignet ist und die nach ihrem Therapiekonzept prognostisch die Gewähr für die Herbeiführung des Rehabilitationserfolges im Sinne des § 10 Abs. 2 SGB VI bietet. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Entscheidung. Darüber hinaus muss das Leistungsangebot dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen. Zudem dürfen nur vertragsgebundene Rehabilitationseinrichtungen ausgewählt werden, die also entweder in der Trägerschaft des Rentenversicherungsträgers stehen oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX geschlossen wurde und die – von Ausnahmen abgesehen - unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal betrieben werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Über das Vertragserfordernis wird sichergestellt, dass der für den Erfolg der Rehabilitation verantwortliche Rentenverträger auf die Art und Qualität der Leistung Einfluss nehmen kann (BT-Drucks. 11/4124, S. 156). Den Wünschen der Versicherten ist dabei nur im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben Rechnung zu tragen, d. h., nur in diesem Sinne "gesetzeskonforme" Wünsche sind als berechtigt im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bzw. angemessen im Sinne des § 33 Satz 2 SGB I anzusehen.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes erweist sich die von der Beklagten getroffene Entscheidung als ermessensfehlerfrei.

Die ER. Klinik in TZ. ist eine Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Ausgehend von den ärztlicherseits mitgeteilten und die Erwerbsfähigkeit gefährdenden Erkrankungen des Klägers im Sinne einer somatoformen Störung mit chronifizierter Kopfschmerzsymptomatik und depressiven Symptomen handelt sich daher um eine für den Kläger geeignete Einrichtung.

In einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise durfte die Beklagte auch von einer therapeutischen Eignung der ausgewählten Einrichtung für den vorliegenden Einzelfall ausgehen. Das Leistungsangebot der ER. Klinik TZ. umfasst die therapeutischen Maßnahmen, die nach Auffassung der den Kläger behandelnden Ärzte zur Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit erforderlich sind. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. hat in dem im Antragsverfahren erstatteten Befundbericht vom 30. Oktober 2010 angegeben, dass bei dem Kläger eine Verschärfung des Psychogeneseverständnisses, d. h. die Vermittlung von psychosomatischen Krankheitszusammenhängen, ebenso erforderlich ist wie die Vermittlung von Coping- Strukturen zur Verbesserung der Alltagsbewältigung. Befürwortet wurde in Anbetracht der bisherigen erfolglosen Therapieansätze insbesondere ein verhaltenstherapeutisches Setting. Zudem soll dem zunehmenden sozialen Rückzug des Klägers entgegengewirkt werden. Das dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 3. September 2012 übersandte und im Internet abrufbare Therapiekonzept der ER. Klinik TZ. entspricht dem in vollem Umfang. Die ER. Klinik verfolgt primär einen ganzheitlichen, interdisziplinären, multimethodalen Behandlungsansatz, mit dem die Ressourcen der Versicherten aktiviert, ihre Selbständigkeit in der Bewältigung der Alltagsfunktionen verbessert und die Integration in den Beruf sichergestellt werden soll. Der Schwerpunkt der Klinik liegt auf der Vermittlung von neuen (Krankheits-)Einsichten und Handlungskompetenzen und der Schulung von Bewältigungsstrategien. Im psychotherapeutischen Bereich arbeitet die Klinik sowohl mit schulenübergreifenden tiefenpsychologisch fundierten Verfahren als auch mit verhaltenstherapeutischen Therapieansätzen. Der Schwerpunkt der Einrichtung liegt auf der psychischen Krankheitsfolgenbewältigung.

Der Umstand, dass die psychotherapeutische Behandlung in der ER. Klinik vorzugsweise gruppentherapeutisch erfolgt, spricht ihr nicht die Eignung im vorliegenden Einzelfall ab. Dem Bericht über die 2003 unter Anwendung gruppentherapeutischer Behandlungen durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme kann nicht entnommen werden, dass sich das klägerische Beschwerdenbild aufgrund dieser Therapieform verschlechtert hat. Auch die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie QW. hat in den von ihr erstatteten Befundberichten keine Einschränkung der anzuwendenden Therapieform vorgenommen. Zudem kann im Rahmen einer gruppentherapeutischen Behandlung, die eine intensive Interaktion ermöglicht, dem beim Kläger von ärztlicher Seite festgestellten sozialen Rückzug entgegengewirkt werden, was letztlich unabdingbare Voraussetzung zur Wiederherstellung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist. Weder die dem Gericht vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Behandlungsberichte noch das beim Kläger diagnostizierte und seine Erwerbsfähigkeit gefährdende Krankheitsbild schließen somit eine gruppentherapeutische Behandlung aus. Zudem können im Rahmen der von der ER. Klinik angebotenen gruppentherapeutischen Behandlungsmaßnahmen durchaus die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden (Darstellung im Internetauftritt der Klinik unter dem Stichwort Therapie). Unter anderem kann bei Vorliegen besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls – ggf. schon bei der stationären Aufnahme – die gruppentherapeutische Behandlung ausgeschlossen werden, wenn sie sich als nicht dem individuellen Störungsbild entsprechende Therapieform erweist. Diese therapeutische Herangehensweise steht im Einklang mit dem von der Beklagten entwickelten "Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung", wonach bei entsprechender Indikation einzel- oder gruppentherapeutische Interventionen durchgeführt werden (Rahmenkonzept Rehabilitation, 3. Aufl., S. 37 f.).

Dabei fällt die Entscheidung, ob eine gruppentherapeutische Behandlungsmaßnahme im Einzelfall indiziert ist oder nicht, in den ärztlichen Verantwortungsbereich. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Rehabilitationseinrichtungen im Sinne des SGB VI unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal betrieben. Die ärztliche Verantwortung bezieht sich auf die konkrete Behandlung im Einzelfall. Der die Rehabilitationseinrichtung leitende bzw. bei ihr beschäftigte Arzt legt nach der zwingend vorgeschriebenen Eingangsdiagnostik (Rahmenkonzept Rehabilitation, a. a. O., S. 28 ff.) das Therapieziel fest und erstellt den Therapieplan (Rehabilitationsrahmenkonzept Rehabilitation, a. a. O., S. 31 ff.). Der individuelle Therapieplan enthält die im Einzelnen durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen. Dabei kann bzw. muss der Rehabilitationsplan im Laufe der Behandlung der aktuellen Gesundheits- und Behandlungssituation angepasst werden, soweit dies medizinisch indiziert ist. Der Feststellung eines entsprechenden Anpassungsbedarfs dienen die ebenfalls zwingend vorgeschriebenen ärztlichen Verlaufskontrollen (Rehabilitationskonzept Rehabilitation, a. a. O., S. 29, 41). Soweit bei dem Kläger gruppentherapeutische Behandlungsansätze zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen, kann dem – soweit medizinisch notwendig- durch eine entsprechende Ausgestaltung bzw. spätere Anpassung des individuellen Therapieplans Rechnung getragen werden. Erstellung und Anpassung des Rehabilitationsplanes zählen jedoch zum originär ärztlichen Aufgabenbereich. Der Rentenversicherungsträger legt insoweit nur die Rahmenbedingungen für die Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme fest, indem er mit der Auswahl der Einrichtung zugleich ein bestimmtes Therapiekonzept vorgibt. Dabei muss er sicherstellen, dass dieses Konzept - soweit erforderlich – den besonderen Umständen des Einzelfalls angepasst werden kann. Dieser Spielraum wird hinsichtlich der therapeutischen Ausrichtung der Maßnahme sowohl durch das Behandlungskonzept der ER. Klinik als auch durch das Rehabilitationsrahmenkonzept der Beklagten gewährleistet. Das die Gruppentherapie beim Kläger von vornherein kontraindiziert wäre, kann den ärztlichen Stellungnahmen und Befundberichten – wie eingangs ausgeführt - nicht entnommen werden. Die therapeutische Ausrichtung der von der Beklagten gewählten Rehabilitationseinrichtung erweist sich daher als dem Krankheits- und Störungsbild entsprechend und ist somit ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Das es sich nicht um eine den Wünschen des Klägers entsprechende Einrichtung handelt, begründet keinen Ermessensfehler, weil es sich insoweit um einen nicht mit den gesetzlichen Vorgaben und dem medizinischen Befund im Einklang stehenden und somit als nicht berechtigt im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB IX bzw. angemessen im Sinne des § 33 Satz 2 SGB I zu wertenden Wunsch handelt.

Im Ergebnis besteht der vom Kläger geltend gemachte Anspruch unter keinen rechtlich denkbaren Gesichtspunkt. Die Berufung konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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