Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AL 337/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 28/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine vorläufige Entscheidung kann nicht partielle Bindungswirkung insoweit entfalten, dass die bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung entfalten.
2. Die vom Gesetzgeber unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten bezieht sich nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes.
3. Die Frage, in Bezug auf welche Tatbestandsvoraussetzungen die Behörde keinen Ermittlungsbedarfs mehr sieht und in Bezug auf welche Voraussetzungen noch Ermittlungen als erforderlich angesehen werden mit der Folge, dass die Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides ausgesprochen worden ist, betrifft die Begründung der Bewilligungsentscheidung.
4. Für die Erstattungsforderung nach einer vorläufigen Leistungsbewilligung ist nur § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend, der die Regelungen des § 48 SGB X und des § 50 SGB X verdrängt. Hebt die Beklagte gleichwohl zu Unrecht den Bewilligungsbescheid (teilweise) auf und stützt sie ihre Rückforderung auf § 50 Abs. 1 SGB X, bedarf es keiner Umdeutung der Erstattungsforderung in eine Rückzahlungsverfügung. Denn eine Umdeutung ist nur erforderlich, wenn die Regelung des Verwaltungsakts selbst, nicht nur seine Begründung, betroffen ist. Bei Anwendung des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III statt des § 50 Abs. 1 SGB X würde die Rückzahlungsverfügung nur auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt; auf die Aufhebung der Bewilligung käme es nicht an.
2. Die vom Gesetzgeber unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten bezieht sich nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes.
3. Die Frage, in Bezug auf welche Tatbestandsvoraussetzungen die Behörde keinen Ermittlungsbedarfs mehr sieht und in Bezug auf welche Voraussetzungen noch Ermittlungen als erforderlich angesehen werden mit der Folge, dass die Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides ausgesprochen worden ist, betrifft die Begründung der Bewilligungsentscheidung.
4. Für die Erstattungsforderung nach einer vorläufigen Leistungsbewilligung ist nur § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend, der die Regelungen des § 48 SGB X und des § 50 SGB X verdrängt. Hebt die Beklagte gleichwohl zu Unrecht den Bewilligungsbescheid (teilweise) auf und stützt sie ihre Rückforderung auf § 50 Abs. 1 SGB X, bedarf es keiner Umdeutung der Erstattungsforderung in eine Rückzahlungsverfügung. Denn eine Umdeutung ist nur erforderlich, wenn die Regelung des Verwaltungsakts selbst, nicht nur seine Begründung, betroffen ist. Bei Anwendung des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III statt des § 50 Abs. 1 SGB X würde die Rückzahlungsverfügung nur auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt; auf die Aufhebung der Bewilligung käme es nicht an.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten – auch der Berufungsinstanz – sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, das für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 21. Mai 2006 bewilligte Arbeitslosengeld teilweise zu erstatten.
Der 1970 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war bis zum 28. September 2005 Leiter des Eigenbetriebes Kultur und Bildung der Stadt H. Sein vom Zeitraum 1. Oktober 2004 bis zum 28. September 2005 erzieltes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt betrug 46.063,39 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitsgebers aus verhaltensbedingten Gründen. Mit Strafbefehl vom 12. August 2005 wurde der Kläger wegen Untreue in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung in besonders schwerem Fall in sechs tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Strafbefehl ist rechtskräftig. Der Kläger hatte 891 SMS privater Natur von seinem Diensthandy versandt und sämtliche Rechnungen über den Eigenbetrieb abgerechnet. Die Kündigung wurde auch darauf gestützt, dass der Kläger sich während der Dienstzeit in einem Hotel mit einer Prostituierten getroffen hat. Zudem hatte der Kläger der Prostituierten eine Stelle für die Sozialbetreuung bei Maßnahmen für Langzeitarbeitslose angeboten. Außerdem hatte der Kläger private Reisekosten für einen USA-Aufenthalt in Höhe von 841,00 EUR über das Konto des Städtischen Eigenbetriebes abgerechnet.
Der Kläger meldete sich am 29. September 2005 arbeitslos. Er gab an, die Lohnsteuerklasse IV sei auf seiner Lohnsteuerkarte zu Jahresbeginn eingetragen gewesen. Die neue Eintragung sei Lohnsteuerklasse III, wirksam ab 1. Februar 2005. Er fügte seine Lohnsteuerkarte 2005 dem Arbeitslosengeldantrag bei, worin diese Änderung eingetragen war.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 setzte die Beklagte eine Sperrzeit vom 21. September 2005 bis zum 21. Dezember 2005 fest. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass über den Antrag nur vorläufig entschieden werden konnte, weil der Fragebogen zum Steuerklassenwechsel vom 25. November 2005 fehle. Der Kläger wurde aufgefordert, bis zum 27. Dezember 2005 diesen nachzureichen. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 legte der Kläger Widerspruch gegen die verhängte Sperrzeit ein.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 22. Dezember 2005 nach dem Ablauf einer Sperrzeit für die Dauer von 270 Kalendertagen. Die gewährte Leistung wurde vorläufig festgesetzt. Die Festsetzung werde mit Bescheid bekannt gegeben. In den Berechnungsgrundlagen wurde bei einem täglichen Bemessungsentgelt von 126,90 EUR ein täglicher Zahlbetrag von 47,34 EUR unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV errechnet. Mit Änderungsbescheid vom 31. März 2006, in welchem die Höhe der Leistung vorläufig festgesetzt wurde, wurde die Lohnsteuerklasse III zugrunde gelegt und der tägliche Zahlbetrag mit 55,64 EUR berechnet.
Vor dem Arbeitsgericht verständigte sich der Kläger mit dem früheren Arbeitgeber am 19. Januar 2006 auf eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2005. Die außerordentliche Kündigung wurde für gegenstandslos erklärt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er in seinem Arbeitslosengeldantrag angegeben habe, dass sein Familienstand "verheiratet" sei. "Nunmehr sind alle Versöhnungsversuche gescheitert und meine Ehefrau ausgezogen. Jedoch besitzt sie weiterhin einen Wohnungsschlüssel sowie einen Briefkastenschlüssel. Ich möchte sie bitten, diese (eventuelle) Änderung zu vermerken und dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen." Diesem Schreiben war unter anderem der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 beigefügt.
Mit am 22. Dezember 2005 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben reichte der Kläger die Erklärung zum Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten ein. Danach wechselte der Kläger von der Lohnsteuerklasse IV zur Lohnsteuerklasse III. Mit Schreiben vom 31. Januar 2006 bat der Kläger unter Hinweis darauf, dass die nachgeforderten Unterlagen bereits am 23. Dezember 2005 eingereicht worden seien, um kurzfristige Bearbeitung und Nachzahlung.
Dem die Sperrzeit betreffenden Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 2006 ab.
Mit am 30. Mai 2006 eingegangener Veränderungsmitteilung meldete der Kläger sich zum 22. Mai 2006 wegen Arbeitsaufnahme aus dem Leistungsbezug ab.
Die Beklagte erließ unter dem 8. Juni 2006 unter Berufung auf einen auf § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gestützten Aufhebungsbescheid vom 6. Juni 2008 einen Erstattungsbescheid hinsichtlich des Zeitraums vom 22. Mai 2006 bis zum 31. Mai 2006. Der auf 500,76 EUR festgesetzte Erstattungsbetrag wurde auf der Grundlage von § 50 SGB X zurückgefordert.
Am 1. Dezember 2006 meldete der Kläger sich nach der Beendigung des neu eingegangenen Arbeitsverhältnisses zum 4. Dezember 2006 erneut arbeitslos. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass auf der Lohnsteuerkarte 2006 des Klägers die Lohnsteuerklasse I eingetragen war.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 wurde der Kläger angehört, dass beabsichtigt sei, die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 21. Mai 2006 teilweise in Höhe von 8,30 EUR täglich aufzuheben, da die Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte geändert worden sei, wodurch sich ab dem Datum der Änderung ein niedriger Leistungsanspruch ergebe. Er habe die Überzahlung verursacht, da er eine erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angegeben habe. Der zu Unrecht gezahlte Gesamtbetrag wurde auf 1.170,30 EUR beziffert.
Im Rahmen der Anhörung teilte der Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 mit, dass er eine Veränderung der Lohnsteuerklasse auch erst bei der Arbeitsaufnahme bemerkt habe, da diese Veränderung von ihm weder gewollt oder gar beantragt worden sei. Er übersandte die Lohnsteuerkarte 2006 am 29. Dezember 2006 per Telefax. Danach wurde die Lohnsteuerklasse I am 20. September 2005 eingetragen.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Januar 2007 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 1. Januar 2006 bis zum 21. Mai 2006 teilweise in Höhe von 8,30 EUR täglich auf. Der Kläger sei nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) verpflichtet gewesen, ihr alle Änderungen in seinen Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen, weshalb gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufzuheben gewesen und der von ihm zu Unrecht erhaltene Betrag in Höhe von 1.170,30 EUR gemäß § 50 SGB X zu erstatten sei.
Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte hätte ihn nach Mitteilung über die Trennung von seiner Ehefrau beraten und ausdrücklich auf die Folgen eines eventuellen Lohnsteuerklassenwechsels hinweisen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III richte sich die als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen sei. Die Zuordnung richte sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse würden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlägen. Das Gleiche gelte, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerklasse eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen werde (§ 133 Abs. 2 SGB III). Der Kläger habe in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 25. November 2005 angezeigt, dass auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2005 ab dem 1. Januar 2005 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen und zum 1. Februar 2005 ein Lohnsteuerklassenwechsel in die Lohnsteuerklasse III wirksam vorgenommen worden sei. Da es sich im Jahr 2005 um einen Lohnsteuerklassenwechsel zwischen den Ehegatten zum 1. Februar 2005 gehandelt habe, sei bis zur Zweckmäßigkeitsprüfung dieses Lohnsteuerklassenwechsels Leistung mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 [gemeint ist der Bescheid vom 19. Dezember 2005] in vorläufiger Höhe entsprechend der Lohnsteuerklasse IV bewilligt worden, da diese Lohnsteuerklasse zu Beginn des Kalenderjahres 2005 auf der Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen sei. Nach erfolgter Prüfung der Zweckmäßigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels zum 1. Februar 2005 sei durch die Agentur für Arbeit am 31. März 2006 Arbeitslosengeld ab dem 22. Dezember 2005 (nach einer Sperrzeit) unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III mit einem täglichen Leistungssatz von 55,64 EUR bewilligt und in dieser Höhe auch bis zum 21. Mai 2006 gezahlt worden. Die Änderung der Lohnsteuerklasse ab dem 1. Januar 2006 in die Lohnsteuerklasse I sei der Agentur für Arbeit erst mit der erneuten Arbeitslosigkeit und Antragstellung auf Leistungen ab dem 5. Dezember 2006 bekannt geworden, da der (neue) Arbeitgeber diese Tatsachen in der Arbeitsbescheinigung vermerkt habe. Das Finanzamt H habe bereits am 20. September 2005 die Änderung mit Übersendung der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 vorgenommen. Daher müssten die geänderten Familienverhältnisse bereits zu diesem Zeitpunkt (September 2005) bekannt gewesen sein. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Urteile des Bundessozialgerichtes vortrage, er sei über die Zweckmäßigkeit eines Lohnsteuerklassenwechsels nicht richtig informiert worden beziehungsweise nicht umfassend beraten worden, greife dies in seinem Falle nicht, denn es handele sich nicht um einen Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten, sondern um eine Änderung der Lohnsteuerklasse. Der Kläger habe keinen Einfluss auf die Änderung ab dem 1. Januar 2006 gehabt, das heißt er habe die geänderte Eintragung weder beantragen noch beeinflussen können. Insofern wäre eine Beratung der Agentur für Arbeit hinsichtlich eventueller Wahlmöglichkeiten fehlgeschlagen. Da der Kläger nach Zugang der Lohnsteuerkarte gewissenhaft die Eintragungen auf deren Richtigkeit hin zu überprüfen habe, habe er grob fahrlässig gehandelt, weshalb die Aufhebungstatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X erfüllt seien.
Der Kläger hat hiergegen am 17. April 2007 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe die Beklagte bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 darüber informiert, dass er getrennt lebend sei. Er habe die Beklagte gebeten, dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen. Die Beklagte hätte ihn auf die Rechtsfolgen eines mit dem Steuerklassenwechsel verbundenen Nachteils hinweisen müssen, denn es hätte im Trennungsjahr die Möglichkeit bestanden, die bestehenden Steuerklassen zu behalten. Grund für den Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Januar 2006 sei die Trennung von seiner Ehefrau gewesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sie nicht darüber informiert, dass ab dem 1. Januar 2006 für ihn eine ungünstigere Lohnsteuerklasse gelte. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegenüber ihr bestehe nicht.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2009 die Klage abgewiesen. Das Arbeitslosengeld sei der Höhe nach vorläufig festgesetzt worden, weshalb die Rückabwicklung überzahlter Beträge gemäß § 328 SGB III erfolge. Entgegen der Ausführungen der Beklagten im angegriffenen Bescheid sei eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erforderlich gewesen. Maßgebend sei hiermit die tatsächliche Sach- und Rechtslage. Auf die diesbezüglichen Äußerungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Es habe keine Beratungspflichtverletzung vorgelegen. Die Lohn-steuerklasse des Klägers sei bereits vor Beantragung des Arbeitslosengeldes am 29. September 2005 und vor Eingang des vollständigen schriftlichen Antrags auf Gewährung von Arbeitslosengeld am 25. November 2005 eingetragen gewesen. Hierauf komme es aber nicht an, da bei der endgültigen Entscheidung die richtigen Steuerklassen zugrunde zu legen seien.
Gegen den ihm am 21. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Februar 2009 Berufung eingelegt. Er habe bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 das Arbeitsamt darauf hingewiesen, dass sein Familienstand verheiratet sei, dass alle Versöhnungsversuche gescheitert seien und dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden solle. Er halte die Rückforderung für ungerechtfertigt, da das Arbeitsamt nach der Mitteilung, dass er von seiner Frau getrennt lebe, ihn hätte sachgerecht beraten und auf die Folgen eines eventuellen Lohnsteuerklassenwechsels hinweisen müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Januar 2009 sowie den Bescheid vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei zutreffend nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III aufgehoben worden, weil der Kläger eine ab dem 1. Januar 2006 zu berücksichtigende Steuerklassenänderung nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Soweit das Sozialgericht in der Begründung des Gerichtsbescheides ausführte, eine Aufhebung der Bewilligung das Arbeitslosengeldes nach den §§ 44 ff. SGB X sei nicht erforderlich gewesen, da die Leistung nur vorläufig im Sinne des § 328 SGB III bewilligt worden sei, sich der Erstattungsanspruch damit auf der Grundlage des § 328 Abs. 3 SGB III ergebe, sei bemerkt, dass die Höhe der Leistung, speziell die Lohnsteuerklasse, vorläufig festgesetzt worden sei, weil die Agentur für Arbeit den vom Kläger mit der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 29. Mai 2005 angezeigten Steuerklassenwechsel im Jahr 2005 von Lohnsteuerklasse IV auf Lohnsteuerklasse III noch nicht abschließend habe überprüfen können. Die streitige Rückforderung von Arbeitslosengeld beruhe aber auf der zum 1. Januar 2006 eingetretenen Steuerklassenänderung von Lohnsteuerklasse III auf Lohnsteuerklasse I (§ 133 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB III). Der vorliegend nicht streitrelevante Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten von Lohnsteuerklasse IV nach Lohnsteuerklasse III sei im Januar 2005, also noch vor der Arbeitslosmeldung im September 2005, vorgenommen worden. Eine Beratung zu einem beabsichtigten Steuerklassenwechsel habe überhaupt nicht im Raum gestanden. Der Kläger habe mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 mitgeteilt, dass seine Frau ausgezogen sei und er darum bitte, diese Änderung zu vermerken und bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Mitteilung habe für sie jedoch keinerlei Veranlassung bestanden, den Kläger über die leistungsrechtlichen Folgen eines beabsichtigten Steuerklassenwechsels oder einer Steuerklassenänderung zu beraten. Wie aus der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 hervorgehe, habe die zuständige Behörde bereits bei Ausstellung der Karte am 20. September 2005, also vor der Arbeitslosmeldung, mit Wirkung zum 1. Januar 2006 die Lohnsteuerklasse I für dauernd getrennt lebend eingetragen. Unabhängig davon, dass eine Beratung zur Änderung der Steuerklasse wegen Änderung in den persönlichen Verhältnissen aus objektiven Gründen bereits nicht möglich war, habe die Beklagte eine solche Beratung auch nicht zu leisten gehabt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, weil er in der ihm zugestellten Terminsmitteilung auf die Rechtsfolgen des Nichterscheinens hingewiesen worden ist.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und der Kläger den überzahlten Betrag zu erstatten hat.
1. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III. Danach sind aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
a) Der Anwendungsbereich des § 328 SGB III ist vorliegend eröffnet, weil über den Arbeitslosengeldantrag des Klägers vorläufig entschieden worden ist. Der Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 und der Änderungsbescheid vom 31. März 2006 genügen auch den Begründungsanforderungen des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind. Aus den Verfügungssätzen der beiden Bescheide ergibt sich jeweils der Vorläufigkeitsvorbehalt. Umfang und Grund der Vorläufigkeit ergeben sich aus dem Schreiben vom 12. Dezember 2005. Dieses Schreiben ist vorliegend mit heranzuziehen, weil es in Verbindung mit dem Sperrzeitbescheid vom 12. Dezember 2005 und dem Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31. März 2006 eine Einheit bilden (vgl. zur rechtlichen Einheit von Sperrzeit- und Arbeitslosengeldbescheid: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – B 7a AL 46/05 R – BSGE 96, 22 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 12 = JURIS-Dokument Rdnr. 10, m. w. N.)
In dem Schreiben vom 12. Dezember 2005 wurde dem Kläger unter anderem mitgeteilt, dass über seinen Antrag nur vorläufig habe entschieden werden können, weil der Fragebogen zum Steuerklassenwechsel noch nicht vorliege. Daraus war für den Kläger ersichtlich, dass die Vorläufigkeit der Entscheidung auf § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, das heißt auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen, gestützt wurde und die Vorläufigkeit nur bis zum Abschluss der mit dem Lohnsteuerklassenwechsel verbundenen Ermittlungen und Prüfungen andauernd sollte.
c) Neben § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III kommt nicht, auch nicht partiell, die von der Beklagten bemühte Vorschrift des § 48 SGB X zur Anwendung.
Der erkennende Senat teilt nicht die in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [3. Aufl., 2008], § 328 Rdnr. 46; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III [94. Erg.Lfg., November 2009], § 328 Rdnr. 47 ff.; Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 7), wonach die vorläufige Entscheidung partielle Bindungswirkung insoweit entfalten könne, dass die bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung entfalten. Nach dieser Auffassung darf ein endgültiger Bescheid von dem vorläufigen Bescheid – ohne Beachtung der §§ 44 ff. SGB X – nur aus den Gründen abweichen, auf denen der Vorläufigkeitsvorbehalt beruhte. Die Auffassung wird unter anderem damit begründet, dass § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III explizit anordne, Umfang und Grund der Vorläufigkeit müssten angegeben werden. Wenn die Vorläufigkeit präzise zu begrenzen sei, so deute dies darauf hin, dass diejenigen Leistungsvoraussetzungen, die bereits als sicher gelten können, inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Regelung gelten und damit dem allgemeinen Regime der Bestandskraftregelungen (§§ 44 ff. SGB X) unterfallen sollen.
Bei dieser Rechtsauffassung wird jedoch übersehen, dass sich die vom Gesetzgeber unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes bezieht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 23. November 2005 – B 12 RA 15/04 R – BSGE 95, 238 [239]; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 77 Rdnr. 5b, m. w. N.). Wenn – wie im vorliegenden Fall – auf einen Antrag hin Arbeitslosengeld bewilligt wird, entfaltet nur der Ausspruch über die Bewilligung dieser Leistung in Bezug auf die Dauer und die Höhe Bindungswirkung. Die Frage, in Bezug auf welche Tatbestandsvoraussetzungen die Beklagte keinen Ermittlungsbedarfs mehr sieht und in Bezug auf welche Voraussetzungen noch Ermittlungen als erforderlich angesehen werden mit der Folge, dass die Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides ausgesprochen worden ist, betrifft hingegen die Begründung der Bewilligungsentscheidung.
Ferner übersieht die beschriebene Rechtsauffassung die Regelungen in § 328 Abs. 3 SGB III. Sowohl die Anrechnungsregelung in § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III als auch die Erstattungsregelung in § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nehmen Bezug auf die "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen". Erbracht in diesem Sinne ist vorliegend das Arbeitslosengeld in einer bestimmten Höhe. Dieses erbrachte Arbeitslosengeld lässt sich aber nicht in einen Teil, für den der Lohnsteuerklassenwechsel von Bedeutung ist, und einen anderen Teil trennen.
In Bezug auf die Vorschussregelung in § 42 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) ist auch das Bundessozialgericht bislang nicht von einer teilweisen inhaltlichen Bindungswirkung des Vorschussbescheides ausgegangen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 1992 – 2 RU 7/92 – SozR 3-1200 § 42 Nr. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 9. Mai 1996 – 7 RAr 36/95 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 28 = JURIS-Dokument Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 – B 9 V 13/98 R – SozR 3-1200 § 42 Nr. 8 = JURIS-Dokument Rdnr. 12). Nach dieser Rechtsprechung entfaltet ein solcher Bescheid nur für einen begrenzten Zeitraum Bindungswirkung, und zwar höchstens bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens.
c) Für die Erstattungsforderung der Beklagten ist ausschließlich § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend. § 50 SGB X findet daneben keine Anwendung.
Das Bundessozialgericht hat zu § 147 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der Vorgängerregelung zu § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III, im Urteil vom 15. August 2002 (Az.: B 7 AL 24/01 R – SozR 3-4100 § 147 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 18) ausgeführt, dass dann, wenn sich eine als vorläufig gekennzeichnete Bewilligung als unrichtig erweist, nach dem klaren Gesetzeswortlaut die erbrachten Leistungen zu erstatten sind. Der Beklagten ist hinsichtlich der Erstattungsforderung kein Ermessen eingeräumt (vgl. BSG, a. a. O., m. w. N.; Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler/Bartz, SGB III [3. Aufl., 2008], § 328 Rdnr. 56; Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 22), weil § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III die Rechtsfolge einer vollständigen Erstattung zwingend anordnet. Ebenso wenig kann sich der Empfänger vorläufiger Leistungen auf Vertrauensschutz berufen (vgl. BSG, a. a. O., m. w. N.; Niesel, a. a. O., m. w. N.). § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III stellt insofern eine eigenständige Regelung gegenüber § 50 SGB X dar (so zu § 147 Abs. 2 Satz 2 AFG: BSG, a. a. O., m. w. N.). In der zitierten Entscheidung hat das Bundessozialgericht ferner ausgeführt, dass etwas anderes auch nicht aufgrund des Sozialstaatsprinzips in Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten kann. Denn es folgt geradezu aus dem Wesen einer vorläufigen Bewilligung, dass der Leistungsempfänger insofern kein Vertrauen in das endgültige Behaltendürfen der Leistung entwickeln kann (vgl. BSG, a. a. O.). § 328 SGB III ermöglicht der Bundesagentur für Arbeit vorläufige Entscheidungen, um den Lebensunterhalt des Antragstellers sicherzustellen. Insofern stellt die bindende Rückabwicklung gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III eine logisch zwingende Rechtsfolge der ursprünglich – im Interesse des Antragstellers – erfolgten vorläufigen Bewilligung dar.
d) Aus den genannten Gründen ist für die Erstattungsforderung der Beklagten nur § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend, der die Regelungen des § 48 SGB X und des § 50 SGB X verdrängt. Hebt die Beklagte gleichwohl zu Unrecht den Bewilligungsbescheid (teilweise) auf und stützt sie ihre Rückforderung auf § 50 Abs. 1 SGB X, bedarf es keiner Umdeutung der Erstattungsforderung in eine Rückzahlungsverfügung (so zu § 223 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung: BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 56/03 R – SozR 4-4300 § 223 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 14, m. w. N.; BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 66/03 R – SozR 4-4300 § 268 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 17, m. w. N.). Denn eine Umdeutung (vgl. § 43 SGB X) ist nur erforderlich, wenn die Regelung des Verwaltungsakts selbst, nicht nur seine Begründung, betroffen ist (BSG, a. a. O., m. w. N.). Bei Anwendung des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III statt des § 50 Abs. 1 SGB X würde die Rückzahlungsverfügung nur auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt; auf die Aufhebung der Bewilligung käme es nicht an (so zu § 223 Abs. 2 SGB III: BSG, a. a. O.).
2. Die Voraussetzungen des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III für die Erstattungsforderung der Beklagten sind erfüllt, weil mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch des Klägers nur in geringerer Höhe besteht. Denn für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldanspruches des Klägers im hier streitigen Zeitraum ist die zum 1. Januar 2006 eingetretene Steuerklassenänderung von Lohnsteuerklasse III auf Lohnsteuerklasse I maßgebend.
Grundlage für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 129 SGB III das pauschalierte Nettoentgelt, das heißt das Leistungsentgelt, maßgebend. Leistungsentgelt ist gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind unter anderem die Lohnsteuer nach Maßgabe von § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III). Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen ist die Beklagte an die Eintragungen und Änderungen gebunden.
Der vorläufigen Leistungsbewilligung lag im streitigen Zeitraum die Lohnsteuerklasse III zugrunde. Nach § 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III war jedoch die geänderte, ab 1. Januar 2006 geltende Lohnsteuerklasse I für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebend.
Auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 126,90 EUR, dem Kindermerkmal 1 (entsprechend erhöhter Leistungssatz) und der zu Unrecht berücksichtigten Lohnsteuerklasse III ergab sich ein Arbeitslosengeldanspruch mit einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 55,64 EUR. In dieser Höhe wurde das Arbeitslosengeld auch bis zum 21. Mai 2006 an den Kläger gezahlt. Ausgehend von der ab 1. Januar 2006 maßgebenden Lohnsteuerklasse I stand dem Kläger jedoch nur ein täglicher Leistungssatz in Höhe von 47,34 EUR zu. Dies ergibt einen Differenzbetrag in Höhe von 8,30 EUR kalendertäglich. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Bezogen auf 141 Leistungstagen errechnen sich zu Unrecht gezahlte Leistungen in Höhe von 1.170,30 EUR. Dies ist der von der Beklagten zurückgeforderte Betrag.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte nicht eine ihm gegenüber bestehende Hinweis- oder Beratungspflicht verletzt, sodass er die Aufhebung des angefochtenen Erstattungsbescheides auch nicht über einen sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erreichen kann.
In Bezug auf das Regelungskonzept des inzwischen aufgehobenen § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III, der leistungsrechtliche Auswirkungen eines Lohnsteuerklassenwechsels von Ehegatten regelte, hatte das Bundessozialgericht im Urteil vom 1. April 2004 (Az.: B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1) verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Die kraft Gesetzes eintretenden Auswirkungen erachtete das Bundessozialgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann als hinnehmbar, wenn verheiratete Arbeitslose bereits bei Antragstellung deutlich und gesondert vom Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels und die Notwendigkeit einer Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit hingewiesen worden sind.
Solche besonderen Hinweise enthält sowohl der Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 als auch der Änderungsbescheid vom 31. März 2006. In beiden Bescheide ist jeweils bereits am Ende der ersten Seite folgender Hinweis enthalten: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann erhebliche finanzielle Nachteile haben. Fragen Sie vorher Ihre Agentur für Arbeit". Ergänzend hierzu ist unter den weiteren Erläuterungen jeweils auf Seite 3 der Bescheide der Hinweis enthalten, dass ein Lohnsteuerklassenwechsel, der der Agentur für Arbeit angezeigt werden müsse, – auch wenn er steuerlich geboten erscheine – zu einer niedrigeren Leistung führen könne. Deshalb solle man sich vor einem Steuerklassenwechsel von der Agentur für Arbeit beraten lassen. Damit hat die Beklagte ihrer vom Bundessozialgericht geforderten Hinweis- oder Beratungspflicht genügt (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 2 Februar 2009 – L 9 AL 87/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 26 ff.).
Wegen der bindenden gesetzlichen Regelungen über die Lohnsteuerklassen hätte eine Beratung des Klägers durch die Beklagte ohnehin nicht zur Folge haben können, dass er ab dem 1. Januar 2006 eine andere als die Lohnsteuerklasse I hätte erhalten können. Es fehlt deshalb auch an der für einen Herstellungsanspruch erforderlichen Kausalität des behaupteten Verstoßes gegen die Hinweis- oder Beratungspflicht.
Gemäß § 38b Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) werden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmern wie der Kläger für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs in Steuerklassen eingereiht. In die "günstigste" Lohnsteuerklasse III gehören unter anderem Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Diese Voraussetzungen waren jedenfalls für die Zeit ab 1. Januar 2006 nicht mehr erfüllt, weil der Kläger von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte. Er hatte in seinem Schreiben vom 21. Dezember 2005 selbst angegeben hatte, dass alle Versöhnungsversuche gescheitert seien und dass seine Ehefrau ausgezogen sei. Wegen des dauernd Getrenntlebens scheidet auch eine Einreihung des Klägers in die Lohnsteuerklasse IV (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 4 EStG) aus. In die Steuerklasse I gehören unter anderem Arbeitnehmer, die – wie der Kläger –verheiratet sind und bei denen die Voraussetzungen für die Steuerklasse III oder IV nicht erfüllt sind (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG). Die Voraussetzungen für die Lohnsteuerklasse II gemäß § 38b Satz 2 Nr. 2 EStG lagen beim Kläger unstreitig nicht vor. Auf Grund dessen war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2006 zutreffend die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Da der Kläger, wie bereits festgestellt wurde, zu Beginn des Jahres 2006 von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte, scheidet eine Zusammenveranlagung für dieses Jahr nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG aus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Dr. Scheer Höhl Guddat
II. Außergerichtliche Kosten – auch der Berufungsinstanz – sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, das für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 21. Mai 2006 bewilligte Arbeitslosengeld teilweise zu erstatten.
Der 1970 geborene, verheiratete, einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war bis zum 28. September 2005 Leiter des Eigenbetriebes Kultur und Bildung der Stadt H. Sein vom Zeitraum 1. Oktober 2004 bis zum 28. September 2005 erzieltes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt betrug 46.063,39 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitsgebers aus verhaltensbedingten Gründen. Mit Strafbefehl vom 12. August 2005 wurde der Kläger wegen Untreue in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchter Nötigung in besonders schwerem Fall in sechs tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Strafbefehl ist rechtskräftig. Der Kläger hatte 891 SMS privater Natur von seinem Diensthandy versandt und sämtliche Rechnungen über den Eigenbetrieb abgerechnet. Die Kündigung wurde auch darauf gestützt, dass der Kläger sich während der Dienstzeit in einem Hotel mit einer Prostituierten getroffen hat. Zudem hatte der Kläger der Prostituierten eine Stelle für die Sozialbetreuung bei Maßnahmen für Langzeitarbeitslose angeboten. Außerdem hatte der Kläger private Reisekosten für einen USA-Aufenthalt in Höhe von 841,00 EUR über das Konto des Städtischen Eigenbetriebes abgerechnet.
Der Kläger meldete sich am 29. September 2005 arbeitslos. Er gab an, die Lohnsteuerklasse IV sei auf seiner Lohnsteuerkarte zu Jahresbeginn eingetragen gewesen. Die neue Eintragung sei Lohnsteuerklasse III, wirksam ab 1. Februar 2005. Er fügte seine Lohnsteuerkarte 2005 dem Arbeitslosengeldantrag bei, worin diese Änderung eingetragen war.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2005 setzte die Beklagte eine Sperrzeit vom 21. September 2005 bis zum 21. Dezember 2005 fest. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass über den Antrag nur vorläufig entschieden werden konnte, weil der Fragebogen zum Steuerklassenwechsel vom 25. November 2005 fehle. Der Kläger wurde aufgefordert, bis zum 27. Dezember 2005 diesen nachzureichen. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 legte der Kläger Widerspruch gegen die verhängte Sperrzeit ein.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 22. Dezember 2005 nach dem Ablauf einer Sperrzeit für die Dauer von 270 Kalendertagen. Die gewährte Leistung wurde vorläufig festgesetzt. Die Festsetzung werde mit Bescheid bekannt gegeben. In den Berechnungsgrundlagen wurde bei einem täglichen Bemessungsentgelt von 126,90 EUR ein täglicher Zahlbetrag von 47,34 EUR unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV errechnet. Mit Änderungsbescheid vom 31. März 2006, in welchem die Höhe der Leistung vorläufig festgesetzt wurde, wurde die Lohnsteuerklasse III zugrunde gelegt und der tägliche Zahlbetrag mit 55,64 EUR berechnet.
Vor dem Arbeitsgericht verständigte sich der Kläger mit dem früheren Arbeitgeber am 19. Januar 2006 auf eine ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2005. Die außerordentliche Kündigung wurde für gegenstandslos erklärt.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er in seinem Arbeitslosengeldantrag angegeben habe, dass sein Familienstand "verheiratet" sei. "Nunmehr sind alle Versöhnungsversuche gescheitert und meine Ehefrau ausgezogen. Jedoch besitzt sie weiterhin einen Wohnungsschlüssel sowie einen Briefkastenschlüssel. Ich möchte sie bitten, diese (eventuelle) Änderung zu vermerken und dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen." Diesem Schreiben war unter anderem der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 beigefügt.
Mit am 22. Dezember 2005 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben reichte der Kläger die Erklärung zum Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten ein. Danach wechselte der Kläger von der Lohnsteuerklasse IV zur Lohnsteuerklasse III. Mit Schreiben vom 31. Januar 2006 bat der Kläger unter Hinweis darauf, dass die nachgeforderten Unterlagen bereits am 23. Dezember 2005 eingereicht worden seien, um kurzfristige Bearbeitung und Nachzahlung.
Dem die Sperrzeit betreffenden Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 30. März 2006 ab.
Mit am 30. Mai 2006 eingegangener Veränderungsmitteilung meldete der Kläger sich zum 22. Mai 2006 wegen Arbeitsaufnahme aus dem Leistungsbezug ab.
Die Beklagte erließ unter dem 8. Juni 2006 unter Berufung auf einen auf § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gestützten Aufhebungsbescheid vom 6. Juni 2008 einen Erstattungsbescheid hinsichtlich des Zeitraums vom 22. Mai 2006 bis zum 31. Mai 2006. Der auf 500,76 EUR festgesetzte Erstattungsbetrag wurde auf der Grundlage von § 50 SGB X zurückgefordert.
Am 1. Dezember 2006 meldete der Kläger sich nach der Beendigung des neu eingegangenen Arbeitsverhältnisses zum 4. Dezember 2006 erneut arbeitslos. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass auf der Lohnsteuerkarte 2006 des Klägers die Lohnsteuerklasse I eingetragen war.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 wurde der Kläger angehört, dass beabsichtigt sei, die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 21. Mai 2006 teilweise in Höhe von 8,30 EUR täglich aufzuheben, da die Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte geändert worden sei, wodurch sich ab dem Datum der Änderung ein niedriger Leistungsanspruch ergebe. Er habe die Überzahlung verursacht, da er eine erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angegeben habe. Der zu Unrecht gezahlte Gesamtbetrag wurde auf 1.170,30 EUR beziffert.
Im Rahmen der Anhörung teilte der Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 mit, dass er eine Veränderung der Lohnsteuerklasse auch erst bei der Arbeitsaufnahme bemerkt habe, da diese Veränderung von ihm weder gewollt oder gar beantragt worden sei. Er übersandte die Lohnsteuerkarte 2006 am 29. Dezember 2006 per Telefax. Danach wurde die Lohnsteuerklasse I am 20. September 2005 eingetragen.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Januar 2007 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 1. Januar 2006 bis zum 21. Mai 2006 teilweise in Höhe von 8,30 EUR täglich auf. Der Kläger sei nach § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) verpflichtet gewesen, ihr alle Änderungen in seinen Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen, weshalb gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufzuheben gewesen und der von ihm zu Unrecht erhaltene Betrag in Höhe von 1.170,30 EUR gemäß § 50 SGB X zu erstatten sei.
Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2007 Widerspruch ein. Die Beklagte hätte ihn nach Mitteilung über die Trennung von seiner Ehefrau beraten und ausdrücklich auf die Folgen eines eventuellen Lohnsteuerklassenwechsels hinweisen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III richte sich die als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitslose zuzuordnen sei. Die Zuordnung richte sich nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse würden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlägen. Das Gleiche gelte, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerklasse eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen werde (§ 133 Abs. 2 SGB III). Der Kläger habe in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 25. November 2005 angezeigt, dass auf seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2005 ab dem 1. Januar 2005 die Lohnsteuerklasse IV eingetragen und zum 1. Februar 2005 ein Lohnsteuerklassenwechsel in die Lohnsteuerklasse III wirksam vorgenommen worden sei. Da es sich im Jahr 2005 um einen Lohnsteuerklassenwechsel zwischen den Ehegatten zum 1. Februar 2005 gehandelt habe, sei bis zur Zweckmäßigkeitsprüfung dieses Lohnsteuerklassenwechsels Leistung mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 [gemeint ist der Bescheid vom 19. Dezember 2005] in vorläufiger Höhe entsprechend der Lohnsteuerklasse IV bewilligt worden, da diese Lohnsteuerklasse zu Beginn des Kalenderjahres 2005 auf der Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen sei. Nach erfolgter Prüfung der Zweckmäßigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels zum 1. Februar 2005 sei durch die Agentur für Arbeit am 31. März 2006 Arbeitslosengeld ab dem 22. Dezember 2005 (nach einer Sperrzeit) unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III mit einem täglichen Leistungssatz von 55,64 EUR bewilligt und in dieser Höhe auch bis zum 21. Mai 2006 gezahlt worden. Die Änderung der Lohnsteuerklasse ab dem 1. Januar 2006 in die Lohnsteuerklasse I sei der Agentur für Arbeit erst mit der erneuten Arbeitslosigkeit und Antragstellung auf Leistungen ab dem 5. Dezember 2006 bekannt geworden, da der (neue) Arbeitgeber diese Tatsachen in der Arbeitsbescheinigung vermerkt habe. Das Finanzamt H habe bereits am 20. September 2005 die Änderung mit Übersendung der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 vorgenommen. Daher müssten die geänderten Familienverhältnisse bereits zu diesem Zeitpunkt (September 2005) bekannt gewesen sein. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Urteile des Bundessozialgerichtes vortrage, er sei über die Zweckmäßigkeit eines Lohnsteuerklassenwechsels nicht richtig informiert worden beziehungsweise nicht umfassend beraten worden, greife dies in seinem Falle nicht, denn es handele sich nicht um einen Lohnsteuerklassenwechsel zwischen Ehegatten, sondern um eine Änderung der Lohnsteuerklasse. Der Kläger habe keinen Einfluss auf die Änderung ab dem 1. Januar 2006 gehabt, das heißt er habe die geänderte Eintragung weder beantragen noch beeinflussen können. Insofern wäre eine Beratung der Agentur für Arbeit hinsichtlich eventueller Wahlmöglichkeiten fehlgeschlagen. Da der Kläger nach Zugang der Lohnsteuerkarte gewissenhaft die Eintragungen auf deren Richtigkeit hin zu überprüfen habe, habe er grob fahrlässig gehandelt, weshalb die Aufhebungstatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X erfüllt seien.
Der Kläger hat hiergegen am 17. April 2007 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe die Beklagte bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 darüber informiert, dass er getrennt lebend sei. Er habe die Beklagte gebeten, dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen. Die Beklagte hätte ihn auf die Rechtsfolgen eines mit dem Steuerklassenwechsel verbundenen Nachteils hinweisen müssen, denn es hätte im Trennungsjahr die Möglichkeit bestanden, die bestehenden Steuerklassen zu behalten. Grund für den Lohnsteuerklassenwechsel zum 1. Januar 2006 sei die Trennung von seiner Ehefrau gewesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sie nicht darüber informiert, dass ab dem 1. Januar 2006 für ihn eine ungünstigere Lohnsteuerklasse gelte. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegenüber ihr bestehe nicht.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 12. Januar 2009 die Klage abgewiesen. Das Arbeitslosengeld sei der Höhe nach vorläufig festgesetzt worden, weshalb die Rückabwicklung überzahlter Beträge gemäß § 328 SGB III erfolge. Entgegen der Ausführungen der Beklagten im angegriffenen Bescheid sei eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht erforderlich gewesen. Maßgebend sei hiermit die tatsächliche Sach- und Rechtslage. Auf die diesbezüglichen Äußerungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Es habe keine Beratungspflichtverletzung vorgelegen. Die Lohn-steuerklasse des Klägers sei bereits vor Beantragung des Arbeitslosengeldes am 29. September 2005 und vor Eingang des vollständigen schriftlichen Antrags auf Gewährung von Arbeitslosengeld am 25. November 2005 eingetragen gewesen. Hierauf komme es aber nicht an, da bei der endgültigen Entscheidung die richtigen Steuerklassen zugrunde zu legen seien.
Gegen den ihm am 21. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Februar 2009 Berufung eingelegt. Er habe bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 das Arbeitsamt darauf hingewiesen, dass sein Familienstand verheiratet sei, dass alle Versöhnungsversuche gescheitert seien und dies bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden solle. Er halte die Rückforderung für ungerechtfertigt, da das Arbeitsamt nach der Mitteilung, dass er von seiner Frau getrennt lebe, ihn hätte sachgerecht beraten und auf die Folgen eines eventuellen Lohnsteuerklassenwechsels hinweisen müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 12. Januar 2009 sowie den Bescheid vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei zutreffend nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III aufgehoben worden, weil der Kläger eine ab dem 1. Januar 2006 zu berücksichtigende Steuerklassenänderung nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Soweit das Sozialgericht in der Begründung des Gerichtsbescheides ausführte, eine Aufhebung der Bewilligung das Arbeitslosengeldes nach den §§ 44 ff. SGB X sei nicht erforderlich gewesen, da die Leistung nur vorläufig im Sinne des § 328 SGB III bewilligt worden sei, sich der Erstattungsanspruch damit auf der Grundlage des § 328 Abs. 3 SGB III ergebe, sei bemerkt, dass die Höhe der Leistung, speziell die Lohnsteuerklasse, vorläufig festgesetzt worden sei, weil die Agentur für Arbeit den vom Kläger mit der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 29. Mai 2005 angezeigten Steuerklassenwechsel im Jahr 2005 von Lohnsteuerklasse IV auf Lohnsteuerklasse III noch nicht abschließend habe überprüfen können. Die streitige Rückforderung von Arbeitslosengeld beruhe aber auf der zum 1. Januar 2006 eingetretenen Steuerklassenänderung von Lohnsteuerklasse III auf Lohnsteuerklasse I (§ 133 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB III). Der vorliegend nicht streitrelevante Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten von Lohnsteuerklasse IV nach Lohnsteuerklasse III sei im Januar 2005, also noch vor der Arbeitslosmeldung im September 2005, vorgenommen worden. Eine Beratung zu einem beabsichtigten Steuerklassenwechsel habe überhaupt nicht im Raum gestanden. Der Kläger habe mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 mitgeteilt, dass seine Frau ausgezogen sei und er darum bitte, diese Änderung zu vermerken und bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Mitteilung habe für sie jedoch keinerlei Veranlassung bestanden, den Kläger über die leistungsrechtlichen Folgen eines beabsichtigten Steuerklassenwechsels oder einer Steuerklassenänderung zu beraten. Wie aus der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2006 hervorgehe, habe die zuständige Behörde bereits bei Ausstellung der Karte am 20. September 2005, also vor der Arbeitslosmeldung, mit Wirkung zum 1. Januar 2006 die Lohnsteuerklasse I für dauernd getrennt lebend eingetragen. Unabhängig davon, dass eine Beratung zur Änderung der Steuerklasse wegen Änderung in den persönlichen Verhältnissen aus objektiven Gründen bereits nicht möglich war, habe die Beklagte eine solche Beratung auch nicht zu leisten gehabt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, weil er in der ihm zugestellten Terminsmitteilung auf die Rechtsfolgen des Nichterscheinens hingewiesen worden ist.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und der Kläger den überzahlten Betrag zu erstatten hat.
1. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung ist § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III. Danach sind aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.
a) Der Anwendungsbereich des § 328 SGB III ist vorliegend eröffnet, weil über den Arbeitslosengeldantrag des Klägers vorläufig entschieden worden ist. Der Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 und der Änderungsbescheid vom 31. März 2006 genügen auch den Begründungsanforderungen des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind. Aus den Verfügungssätzen der beiden Bescheide ergibt sich jeweils der Vorläufigkeitsvorbehalt. Umfang und Grund der Vorläufigkeit ergeben sich aus dem Schreiben vom 12. Dezember 2005. Dieses Schreiben ist vorliegend mit heranzuziehen, weil es in Verbindung mit dem Sperrzeitbescheid vom 12. Dezember 2005 und dem Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 31. März 2006 eine Einheit bilden (vgl. zur rechtlichen Einheit von Sperrzeit- und Arbeitslosengeldbescheid: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2005 – B 7a AL 46/05 R – BSGE 96, 22 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 12 = JURIS-Dokument Rdnr. 10, m. w. N.)
In dem Schreiben vom 12. Dezember 2005 wurde dem Kläger unter anderem mitgeteilt, dass über seinen Antrag nur vorläufig habe entschieden werden können, weil der Fragebogen zum Steuerklassenwechsel noch nicht vorliege. Daraus war für den Kläger ersichtlich, dass die Vorläufigkeit der Entscheidung auf § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, das heißt auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen, gestützt wurde und die Vorläufigkeit nur bis zum Abschluss der mit dem Lohnsteuerklassenwechsel verbundenen Ermittlungen und Prüfungen andauernd sollte.
c) Neben § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III kommt nicht, auch nicht partiell, die von der Beklagten bemühte Vorschrift des § 48 SGB X zur Anwendung.
Der erkennende Senat teilt nicht die in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [3. Aufl., 2008], § 328 Rdnr. 46; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III [94. Erg.Lfg., November 2009], § 328 Rdnr. 47 ff.; Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 7), wonach die vorläufige Entscheidung partielle Bindungswirkung insoweit entfalten könne, dass die bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung entfalten. Nach dieser Auffassung darf ein endgültiger Bescheid von dem vorläufigen Bescheid – ohne Beachtung der §§ 44 ff. SGB X – nur aus den Gründen abweichen, auf denen der Vorläufigkeitsvorbehalt beruhte. Die Auffassung wird unter anderem damit begründet, dass § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III explizit anordne, Umfang und Grund der Vorläufigkeit müssten angegeben werden. Wenn die Vorläufigkeit präzise zu begrenzen sei, so deute dies darauf hin, dass diejenigen Leistungsvoraussetzungen, die bereits als sicher gelten können, inzident als endgültig festgestellte Bestandteile der Regelung gelten und damit dem allgemeinen Regime der Bestandskraftregelungen (§§ 44 ff. SGB X) unterfallen sollen.
Bei dieser Rechtsauffassung wird jedoch übersehen, dass sich die vom Gesetzgeber unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes bezieht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes: vgl. z. B. BSG, Urteil vom 23. November 2005 – B 12 RA 15/04 R – BSGE 95, 238 [239]; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 77 Rdnr. 5b, m. w. N.). Wenn – wie im vorliegenden Fall – auf einen Antrag hin Arbeitslosengeld bewilligt wird, entfaltet nur der Ausspruch über die Bewilligung dieser Leistung in Bezug auf die Dauer und die Höhe Bindungswirkung. Die Frage, in Bezug auf welche Tatbestandsvoraussetzungen die Beklagte keinen Ermittlungsbedarfs mehr sieht und in Bezug auf welche Voraussetzungen noch Ermittlungen als erforderlich angesehen werden mit der Folge, dass die Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides ausgesprochen worden ist, betrifft hingegen die Begründung der Bewilligungsentscheidung.
Ferner übersieht die beschriebene Rechtsauffassung die Regelungen in § 328 Abs. 3 SGB III. Sowohl die Anrechnungsregelung in § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III als auch die Erstattungsregelung in § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nehmen Bezug auf die "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen". Erbracht in diesem Sinne ist vorliegend das Arbeitslosengeld in einer bestimmten Höhe. Dieses erbrachte Arbeitslosengeld lässt sich aber nicht in einen Teil, für den der Lohnsteuerklassenwechsel von Bedeutung ist, und einen anderen Teil trennen.
In Bezug auf die Vorschussregelung in § 42 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) ist auch das Bundessozialgericht bislang nicht von einer teilweisen inhaltlichen Bindungswirkung des Vorschussbescheides ausgegangen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Mai 1992 – 2 RU 7/92 – SozR 3-1200 § 42 Nr. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 19; BSG, Urteil vom 9. Mai 1996 – 7 RAr 36/95 – SozR 3-4100 § 112 Nr. 28 = JURIS-Dokument Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 – B 9 V 13/98 R – SozR 3-1200 § 42 Nr. 8 = JURIS-Dokument Rdnr. 12). Nach dieser Rechtsprechung entfaltet ein solcher Bescheid nur für einen begrenzten Zeitraum Bindungswirkung, und zwar höchstens bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens.
c) Für die Erstattungsforderung der Beklagten ist ausschließlich § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend. § 50 SGB X findet daneben keine Anwendung.
Das Bundessozialgericht hat zu § 147 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der Vorgängerregelung zu § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III, im Urteil vom 15. August 2002 (Az.: B 7 AL 24/01 R – SozR 3-4100 § 147 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 18) ausgeführt, dass dann, wenn sich eine als vorläufig gekennzeichnete Bewilligung als unrichtig erweist, nach dem klaren Gesetzeswortlaut die erbrachten Leistungen zu erstatten sind. Der Beklagten ist hinsichtlich der Erstattungsforderung kein Ermessen eingeräumt (vgl. BSG, a. a. O., m. w. N.; Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler/Bartz, SGB III [3. Aufl., 2008], § 328 Rdnr. 56; Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 22), weil § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III die Rechtsfolge einer vollständigen Erstattung zwingend anordnet. Ebenso wenig kann sich der Empfänger vorläufiger Leistungen auf Vertrauensschutz berufen (vgl. BSG, a. a. O., m. w. N.; Niesel, a. a. O., m. w. N.). § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III stellt insofern eine eigenständige Regelung gegenüber § 50 SGB X dar (so zu § 147 Abs. 2 Satz 2 AFG: BSG, a. a. O., m. w. N.). In der zitierten Entscheidung hat das Bundessozialgericht ferner ausgeführt, dass etwas anderes auch nicht aufgrund des Sozialstaatsprinzips in Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) oder des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten kann. Denn es folgt geradezu aus dem Wesen einer vorläufigen Bewilligung, dass der Leistungsempfänger insofern kein Vertrauen in das endgültige Behaltendürfen der Leistung entwickeln kann (vgl. BSG, a. a. O.). § 328 SGB III ermöglicht der Bundesagentur für Arbeit vorläufige Entscheidungen, um den Lebensunterhalt des Antragstellers sicherzustellen. Insofern stellt die bindende Rückabwicklung gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III eine logisch zwingende Rechtsfolge der ursprünglich – im Interesse des Antragstellers – erfolgten vorläufigen Bewilligung dar.
d) Aus den genannten Gründen ist für die Erstattungsforderung der Beklagten nur § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III maßgebend, der die Regelungen des § 48 SGB X und des § 50 SGB X verdrängt. Hebt die Beklagte gleichwohl zu Unrecht den Bewilligungsbescheid (teilweise) auf und stützt sie ihre Rückforderung auf § 50 Abs. 1 SGB X, bedarf es keiner Umdeutung der Erstattungsforderung in eine Rückzahlungsverfügung (so zu § 223 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung: BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 56/03 R – SozR 4-4300 § 223 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 14, m. w. N.; BSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 66/03 R – SozR 4-4300 § 268 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 17, m. w. N.). Denn eine Umdeutung (vgl. § 43 SGB X) ist nur erforderlich, wenn die Regelung des Verwaltungsakts selbst, nicht nur seine Begründung, betroffen ist (BSG, a. a. O., m. w. N.). Bei Anwendung des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III statt des § 50 Abs. 1 SGB X würde die Rückzahlungsverfügung nur auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt; auf die Aufhebung der Bewilligung käme es nicht an (so zu § 223 Abs. 2 SGB III: BSG, a. a. O.).
2. Die Voraussetzungen des § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III für die Erstattungsforderung der Beklagten sind erfüllt, weil mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch des Klägers nur in geringerer Höhe besteht. Denn für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldanspruches des Klägers im hier streitigen Zeitraum ist die zum 1. Januar 2006 eingetretene Steuerklassenänderung von Lohnsteuerklasse III auf Lohnsteuerklasse I maßgebend.
Grundlage für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 129 SGB III das pauschalierte Nettoentgelt, das heißt das Leistungsentgelt, maßgebend. Leistungsentgelt ist gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Abzüge sind unter anderem die Lohnsteuer nach Maßgabe von § 133 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 SGB III nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Das Gleiche gilt, wenn auf der für spätere Kalenderjahre ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 3 SGB III). Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen ist die Beklagte an die Eintragungen und Änderungen gebunden.
Der vorläufigen Leistungsbewilligung lag im streitigen Zeitraum die Lohnsteuerklasse III zugrunde. Nach § 133 Abs. 2 Satz 2 SGB III war jedoch die geänderte, ab 1. Januar 2006 geltende Lohnsteuerklasse I für die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebend.
Auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 126,90 EUR, dem Kindermerkmal 1 (entsprechend erhöhter Leistungssatz) und der zu Unrecht berücksichtigten Lohnsteuerklasse III ergab sich ein Arbeitslosengeldanspruch mit einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 55,64 EUR. In dieser Höhe wurde das Arbeitslosengeld auch bis zum 21. Mai 2006 an den Kläger gezahlt. Ausgehend von der ab 1. Januar 2006 maßgebenden Lohnsteuerklasse I stand dem Kläger jedoch nur ein täglicher Leistungssatz in Höhe von 47,34 EUR zu. Dies ergibt einen Differenzbetrag in Höhe von 8,30 EUR kalendertäglich. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Bezogen auf 141 Leistungstagen errechnen sich zu Unrecht gezahlte Leistungen in Höhe von 1.170,30 EUR. Dies ist der von der Beklagten zurückgeforderte Betrag.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte nicht eine ihm gegenüber bestehende Hinweis- oder Beratungspflicht verletzt, sodass er die Aufhebung des angefochtenen Erstattungsbescheides auch nicht über einen sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erreichen kann.
In Bezug auf das Regelungskonzept des inzwischen aufgehobenen § 137 Abs. 4 Satz 1 SGB III, der leistungsrechtliche Auswirkungen eines Lohnsteuerklassenwechsels von Ehegatten regelte, hatte das Bundessozialgericht im Urteil vom 1. April 2004 (Az.: B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1) verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Die kraft Gesetzes eintretenden Auswirkungen erachtete das Bundessozialgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann als hinnehmbar, wenn verheiratete Arbeitslose bereits bei Antragstellung deutlich und gesondert vom Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels und die Notwendigkeit einer Beratung durch die Bundesagentur für Arbeit hingewiesen worden sind.
Solche besonderen Hinweise enthält sowohl der Bewilligungsbescheid vom 19. Dezember 2005 als auch der Änderungsbescheid vom 31. März 2006. In beiden Bescheide ist jeweils bereits am Ende der ersten Seite folgender Hinweis enthalten: "Ein Lohnsteuerklassenwechsel kann erhebliche finanzielle Nachteile haben. Fragen Sie vorher Ihre Agentur für Arbeit". Ergänzend hierzu ist unter den weiteren Erläuterungen jeweils auf Seite 3 der Bescheide der Hinweis enthalten, dass ein Lohnsteuerklassenwechsel, der der Agentur für Arbeit angezeigt werden müsse, – auch wenn er steuerlich geboten erscheine – zu einer niedrigeren Leistung führen könne. Deshalb solle man sich vor einem Steuerklassenwechsel von der Agentur für Arbeit beraten lassen. Damit hat die Beklagte ihrer vom Bundessozialgericht geforderten Hinweis- oder Beratungspflicht genügt (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 2 Februar 2009 – L 9 AL 87/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 26 ff.).
Wegen der bindenden gesetzlichen Regelungen über die Lohnsteuerklassen hätte eine Beratung des Klägers durch die Beklagte ohnehin nicht zur Folge haben können, dass er ab dem 1. Januar 2006 eine andere als die Lohnsteuerklasse I hätte erhalten können. Es fehlt deshalb auch an der für einen Herstellungsanspruch erforderlichen Kausalität des behaupteten Verstoßes gegen die Hinweis- oder Beratungspflicht.
Gemäß § 38b Satz 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) werden unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmern wie der Kläger für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs in Steuerklassen eingereiht. In die "günstigste" Lohnsteuerklasse III gehören unter anderem Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Diese Voraussetzungen waren jedenfalls für die Zeit ab 1. Januar 2006 nicht mehr erfüllt, weil der Kläger von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte. Er hatte in seinem Schreiben vom 21. Dezember 2005 selbst angegeben hatte, dass alle Versöhnungsversuche gescheitert seien und dass seine Ehefrau ausgezogen sei. Wegen des dauernd Getrenntlebens scheidet auch eine Einreihung des Klägers in die Lohnsteuerklasse IV (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 4 EStG) aus. In die Steuerklasse I gehören unter anderem Arbeitnehmer, die – wie der Kläger –verheiratet sind und bei denen die Voraussetzungen für die Steuerklasse III oder IV nicht erfüllt sind (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG). Die Voraussetzungen für die Lohnsteuerklasse II gemäß § 38b Satz 2 Nr. 2 EStG lagen beim Kläger unstreitig nicht vor. Auf Grund dessen war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 2006 zutreffend die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Da der Kläger, wie bereits festgestellt wurde, zu Beginn des Jahres 2006 von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebte, scheidet eine Zusammenveranlagung für dieses Jahr nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG aus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Dr. Scheer Höhl Guddat
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