Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 4510/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 771/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) im Zeitraum August 2011 bis Januar 2012.
Die Klägerin zu 1.), ihre beiden Kinder, S geb. 00.00.2066, sowie M-H, geb. 00.00.2008, und der Kläger zu 2.) bezogen laufend Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt mit Bescheid vom 24.08.2011 für den Zeitraum 01.03. bis 31.07.2011 in Höhe von monatlich 1.389,00 Euro.
Über das Vermögen der Klägerin zu 1.) ist seit mehr als 4 Jahren in ein Insolvenzverfahren eröffnet. Im o.g. Zeitraum befand sich die Klägerin zu 1.) in der sog. Wohlverhaltensphase. Sie erhielt am 15.07.2011 eine Erbschaft in Höhe von 15.286,34 Euro. Die Hälfte des Betrages in Höhe von 7.643,17 Euro überwies sie unmittelbar an den Treuhänder über das Insolvenzverfahren N C.
Den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 04.07.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.08.2011 ab. Zur Begründung war ausgeführt, dass die Erbschaft als Einkommen zu berücksichtigen sei und zwar in Höhe von 15.286,34 Euro. Wegen der Höhe sei diese auf einen Zeitraum von 6 Monaten aufzuteilen, wobei monatlich 2.547,73 Euro als Einkommen zu berücksichtigen seien. Die Weiterleitung an den Treuhänder bleibe insoweit außer Betracht. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 18.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass der hälftige Erbschaftsanteil gemäß § 287 ZPO an den Treuhänder abgetreten sei und nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung stünde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2011 zurück. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Kläger haben am 07.12.2011 Klage erhoben. Sie beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu gewähren und hierbei die Hälfte des zugeflossenen Erbes in Höhe von 7.643,17 Euro als Einkommen anzurechnen.
Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte zu Unrecht den vollen Erbschaftsbetrag als Einkommen berücksichtigt habe. Der Beklagte sei lediglich berechtigt die Hälfte des Erbschaftsanteils in Höhe von 7.643,17 Euro anzurechnen. So habe bereits das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 24.04.2008, Az. L 28 B 1452/07 AS ER ausgeführt, das Einkommen nach § 11 SGB II nur das Einkommen sei, dass tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhaltes beansprucht werden könne. Das Einkommen sei um die nach § 287 InsO abgetretene Forderung zu vermindern. Schließlich sei der Klägerin nur die Hälfte des Erbes zugeflossen. Die andere Hälfte des Erbes musste sie unmittelbar an den Treuhänder weiterleiten. Diese Pflicht ergebe sich aus § 295 InsO. Hätte die Klägerin zu 1.) die Hälfte des Erbschaftsanteils nicht an den Treuhänder weitergeleitet, wäre gemäß § 296 InsO ihre Restschuldbefreiung gefährdet gewesen, da sie insoweit gegen ihre Obliegenheit verstoßen hätte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass es alleine aus dem Zufluss des vollen Erbschaftsbetrages ankomme. Dieser sei der Klägerin zu 1.) auch unstreitig zugeflossen. Dass sie diesen unmittelbar an den Treuhänder weitergeleitet habe, sei für die Bewertung der Höhe des Einkommens ohne Bedeutung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011, mit welchem es der Beklagte ablehnte, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum August 2011 bis Januar 2012 zu bewilligen, ist rechtmäßig. Die Kläger sind durch diese Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt.
Da der Beklagte den Klägern ab Februar 2012 wieder Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat, beschränkt sich der streitgegenständliche Zeitraum auf den 01.08.2011 bis 31.01.2012. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in diesem Zeitraum.
Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche kommt § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Betracht. Danach erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in eine Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u.a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zur Berechnung des individuellen Leistungsanspruchs Antragsteller einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft (bestehend aus allen 5 Antragstellern; dazu sogleich) und andererseits deren Gesamteinkommen zu ermitteln (zu den Berechnungsschritten Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr. 100 ff.; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 9 RdNr. 33 ff).
Die Bedarfsgemeinschaft besteht aus der Klägerin zu 1.), dem Kläger zu 2.), der ihr Ehemann ist § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und den beiden Kindern der Klägerin zu 1.), die allesamt das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und ihren Lebensunterhalt noch nicht aus eigenen Mitteln decken können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Der Regelbedarf der Bedarfsgemeinschaft belief sich in den Monaten August 2011 bis Dezember 2011 auf insgesamt 1.765,00 Euro (348,00 Euro jeweils für die Kläger zu 1.) und 2.) sowie 215,00 Euro jeweils für die beiden Kinder sowie 679,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Im Monat Januar 2012 betrug der Gesamtbedarf 1.791,00 Euro (337,00 Euro jeweils für die Klägerin zu 1.) und den Kläger zu 2.) und 219,00 Euro jeweils für die beiden Kinder sowie 679,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).
Diesen Gesamtbedarf konnte die Bedarfsgemeinschaft im streitgegenständlichen Zeitraum durch Einkommen gemäß § 11 SGB II sichern.
Dem Bedarf der minderjährigen Kinder ist als Einkommen zunächst das geleistete Kindergeld in Höhe von jeweils 184,00 Euro monatlich anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 4 SGB II). Als weiteres Einkommen steht der Bedarfsgemeinschaft das der Klägerin am 15.07.2011 zugeflossene Geld in Höhe von 15.286,34 Euro aus der Erbschaft zur Verfügung. Bei der Erbschaft handelt es sich um Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Maßgebend für die Einordnung als wertmäßiger Zuwachs und damit für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ob der Erbfall jedenfalls vor der ersten Antragstellung eingetreten ist oder während des Leistungsbezuges (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012, Az. B 14 AS 101/11 R, Terminbericht des BSG Nr. 2/12 vom 25.01.2012, Gründe noch nicht veröffentlicht). Der Klägerin zu 1.) ist der Erbschaftsbetrag während des laufenden Bezugs zugeflossen, sodass es sich um Einkommen handelt.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist der volle Erbschaftsbetrag in Höhe von 15.286,34 Euro und nicht lediglich die Hälfte dieses Betrages als Einkommen zu berücksichtigen. Die Weiterleitung des Betrages in Höhe von 7.643,17 Euro an den Treuhänder bleibt für die Bewertung als Einkommen nach dem SGB II außer Betracht. Die Begrenzung der Einkommensanrechnung auf den hälftigen Erbschaftsbetrag ist von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt. Weder findet sich ein Ausnahmetatbestand in §§ 11, 11a, 11b SGB II. Noch greift die von den Klägern angeführte Argumentation, dass der hälftige Erbschaftsbetrag an den Treuhänder abgetreten worden sei. Denn eine Abtretung des hälftigen Erbschaftsanteils liegt nach der Insolvenzordnung grade nicht vor. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO obliegt es dem Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, dass er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirkt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Während § 287 InsO eine Abtretung an den Treuhänder von Arbeitseinkommen statuiert, begründet § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO daher lediglich eine Herausgabepflicht. Von der Abtretung nach § 287 InsO werden zufließendes Vermögen aus Schenkung, Lotteriegewinn oder von Todes wegen grade nicht erfasst (vgl. Lang, Insolvenzordnung, Kommentar, 4. Auflage § 287 Rd. Nr. 17). Vor diesem Hintergrund ist auch die von den Klägern zitierte Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.04.2008, Az. L 28 B 1452/07 AS ER nicht einschlägig. Denn in dieser Entscheidung ging es allein um den an den Treuhänder abgetretenen pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens. Lediglich für diesen Fall hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg das an einen Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO abgetretene pfändbare Einkommen als nicht "bereite Mittel" gewertet. Unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung der gesetzlichen Wertung des § 11 SGB II in Einklang zu bringen ist, stand der Klägerin zu 1.) der gesamte Erbschaftsbetrag zunächst zur Verfügung. Anders als bei einer Abtretung konnte sie zunächst über den gesamten Betrag verfügen. Es war ein weiterer Willensentschluss der Klägerin zu 1.) erforderlich, um der Herausgabepflicht nachzukommen. Bei einer Abtretung dagegen, fehlt dem Anspruchsinhaber bereits die Verfügungsbefugnis über den Anspruch.
Dass sie die Hälfte des Erbschaftsbetrages aus ihrer Obliegenheitsverpflichtung heraus an den Treuhänder weitergeleitet hat, ist daher als private Schuldentilgung zu werten. Private Schuldentilgung bleibt bei der Bewertung von Einkommen jedoch außer Betracht (vgl. BSG, Urteil v. 20.12.2011, Az. B 4 AS 46/11 R, Rn. 19). Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Kläger das ihnen angerechnete Einkommen tatsächlich schon vor dem am 01.02.2012 beginnenden neuen Bewilligungszeitraumes verbraucht haben, denn ein höherer Anspruch der Kläger besteht auch dann nicht, wenn ihnen zum streitigen Zeitpunkt kein Geld aus der Erbschaft (mehr) zur Verfügung gestanden haben sollte. § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 AlgII-VO regelt die Modalitäten der Einkommensberücksichtigung. Die Berücksichtigung von Einkommen des Leistungsberechtigten bedeutet aber nicht, dass die bei der Berechnung vorausgesetzten Gelder über die gesamte Bedarfszeit tatsächlich vorhanden sein müssen. Im Falle von einmaligen Einnahmen ist der nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 AlgII-VO errechnete Teilbetrag selbst dann bis zum Ende des angemessenen Zeitraums anzurechnen, wenn das Einkommen vorzeitig verbraucht wurde (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 66; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2007 - L 10 B 1845/07 AS ER -). Ansonsten hätte es der Hilfesuchende in der Hand, eine in Anwendung der Vorgaben der AlgII-VO vorgenommene Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen (nicht unbedingt realisierbaren) Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Dieses Ergebnis ist schon vor dem Hintergrund nicht sachgerecht, dass auch der vorzeitige Verbrauch von angerechneten regelmäßigen Einkünften nicht etwa zum Entstehen eines neuen Leistungsanspruchs im noch laufenden Monat führt. Die Einkommensberücksichtigung nach § 2 Abs. 3 AlgII-VO ist auch nicht - wie das LSG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) formuliert - fiktiv, denn es handelt sich um einen wirklichen Geldzufluss, der nur im Hinblick auf die Höhe des Betrages über mehr als einen Monat verteilt wird. Die Fälle echter Mittellosigkeit dürften vielmehr über § 23 Abs.1 SGB II zu lösen sein, indem dem Hilfesuchenden entweder Gutscheine ausgehändigt oder Darlehen gewährt werden.
Eine Besserstellung der Klägerin zu 1.) nur weil sie sich in einem Insolvenzverfahren befindet gegenüber solchen Leistungsberechtigten, die von einmaligen Einnahmen unmittelbar private Schulden tilgen, hält das Gericht nicht für gerechtfertigt. Im Übrigen dürfte der Klägerin zu 1.), wenn sie denn den gesamten Erbschaftsbetrag zum Lebensunterhalt eingesetzt hätte, kein Verstoß gegen ihre Obliegenheiten vorgeworfen werden. Denn die Restschuldbefreiung ist nach § 296 InsO nur dann zu versagen, wenn gegen die Obliegenheiten verstoßen wird und den Schuldner kein Verschulden trifft. Ein Verschulden der Klägerin zu 1.) dürfte insoweit nicht vorliegen.
Als einmalige Einnahme im Monat Juli 2011 ist die gesamte der Klägerin zu 1.) zugeflossene Erbschaftsumme zu werten. Der Beklagte hat insoweit zu Recht den Betrag auf 6 Monate aufgeteilt und monatlich als sonstiges Einkommen in Höhe von 2.547,43 Euro berücksichtigt. Mit diesem Einkommen konnte der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum gedeckt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 die Berufung zugelassen. Der Beschwerdewert in Höhe von 750,00 Euro ist nicht erreicht. Denn unter Berücksichtigung des Klageantrages, wonach lediglich der hälftige Erbschaftsanteil in Höhe von 7.643,17 Euro als Einkommen zu berücksichtigen sei, ergiebt sich in den Monaten August 2011 bis Dezember 2011 ein monatlicher Anspruch der Kläger in Höhe von 115,14 Euro und im Monat Januar 2012 in Höhe von 141,14 Euro, somit insgesamt 689,84 Euro. Das Gericht hält jedoch die Frage, ob einem Leistungsberechtigten, der sich in Privatinsolvenz befindet, bei Zufluss einer Erbschaft lediglich der hälftige Erbschaftsanteil als Einkommen zu berücksichtigen ist, wegen eines möglichen Wertungswiderspruchs, insbesondere zu § 295 InsO, für eine zu klärende Rechtsfrage, für die bisher keine höchstrichterliche Entscheidung existent ist.
&8195;
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) im Zeitraum August 2011 bis Januar 2012.
Die Klägerin zu 1.), ihre beiden Kinder, S geb. 00.00.2066, sowie M-H, geb. 00.00.2008, und der Kläger zu 2.) bezogen laufend Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt mit Bescheid vom 24.08.2011 für den Zeitraum 01.03. bis 31.07.2011 in Höhe von monatlich 1.389,00 Euro.
Über das Vermögen der Klägerin zu 1.) ist seit mehr als 4 Jahren in ein Insolvenzverfahren eröffnet. Im o.g. Zeitraum befand sich die Klägerin zu 1.) in der sog. Wohlverhaltensphase. Sie erhielt am 15.07.2011 eine Erbschaft in Höhe von 15.286,34 Euro. Die Hälfte des Betrages in Höhe von 7.643,17 Euro überwies sie unmittelbar an den Treuhänder über das Insolvenzverfahren N C.
Den Fortzahlungsantrag der Kläger vom 04.07.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.08.2011 ab. Zur Begründung war ausgeführt, dass die Erbschaft als Einkommen zu berücksichtigen sei und zwar in Höhe von 15.286,34 Euro. Wegen der Höhe sei diese auf einen Zeitraum von 6 Monaten aufzuteilen, wobei monatlich 2.547,73 Euro als Einkommen zu berücksichtigen seien. Die Weiterleitung an den Treuhänder bleibe insoweit außer Betracht. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 18.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass der hälftige Erbschaftsanteil gemäß § 287 ZPO an den Treuhänder abgetreten sei und nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung stünde. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2011 zurück. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Kläger haben am 07.12.2011 Klage erhoben. Sie beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.08.2011 bis 31.01.2012 zu gewähren und hierbei die Hälfte des zugeflossenen Erbes in Höhe von 7.643,17 Euro als Einkommen anzurechnen.
Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte zu Unrecht den vollen Erbschaftsbetrag als Einkommen berücksichtigt habe. Der Beklagte sei lediglich berechtigt die Hälfte des Erbschaftsanteils in Höhe von 7.643,17 Euro anzurechnen. So habe bereits das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 24.04.2008, Az. L 28 B 1452/07 AS ER ausgeführt, das Einkommen nach § 11 SGB II nur das Einkommen sei, dass tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhaltes beansprucht werden könne. Das Einkommen sei um die nach § 287 InsO abgetretene Forderung zu vermindern. Schließlich sei der Klägerin nur die Hälfte des Erbes zugeflossen. Die andere Hälfte des Erbes musste sie unmittelbar an den Treuhänder weiterleiten. Diese Pflicht ergebe sich aus § 295 InsO. Hätte die Klägerin zu 1.) die Hälfte des Erbschaftsanteils nicht an den Treuhänder weitergeleitet, wäre gemäß § 296 InsO ihre Restschuldbefreiung gefährdet gewesen, da sie insoweit gegen ihre Obliegenheit verstoßen hätte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt der Beklagte vor, dass es alleine aus dem Zufluss des vollen Erbschaftsbetrages ankomme. Dieser sei der Klägerin zu 1.) auch unstreitig zugeflossen. Dass sie diesen unmittelbar an den Treuhänder weitergeleitet habe, sei für die Bewertung der Höhe des Einkommens ohne Bedeutung.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 12.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2011, mit welchem es der Beklagte ablehnte, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum August 2011 bis Januar 2012 zu bewilligen, ist rechtmäßig. Die Kläger sind durch diese Entscheidung nicht in ihren Rechten verletzt.
Da der Beklagte den Klägern ab Februar 2012 wieder Leistungen nach dem SGB II bewilligt hat, beschränkt sich der streitgegenständliche Zeitraum auf den 01.08.2011 bis 31.01.2012. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in diesem Zeitraum.
Als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche kommt § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Betracht. Danach erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
Die Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in eine Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u.a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zur Berechnung des individuellen Leistungsanspruchs Antragsteller einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft (bestehend aus allen 5 Antragstellern; dazu sogleich) und andererseits deren Gesamteinkommen zu ermitteln (zu den Berechnungsschritten Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr. 100 ff.; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 9 RdNr. 33 ff).
Die Bedarfsgemeinschaft besteht aus der Klägerin zu 1.), dem Kläger zu 2.), der ihr Ehemann ist § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II und den beiden Kindern der Klägerin zu 1.), die allesamt das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und ihren Lebensunterhalt noch nicht aus eigenen Mitteln decken können (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Der Regelbedarf der Bedarfsgemeinschaft belief sich in den Monaten August 2011 bis Dezember 2011 auf insgesamt 1.765,00 Euro (348,00 Euro jeweils für die Kläger zu 1.) und 2.) sowie 215,00 Euro jeweils für die beiden Kinder sowie 679,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Im Monat Januar 2012 betrug der Gesamtbedarf 1.791,00 Euro (337,00 Euro jeweils für die Klägerin zu 1.) und den Kläger zu 2.) und 219,00 Euro jeweils für die beiden Kinder sowie 679,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).
Diesen Gesamtbedarf konnte die Bedarfsgemeinschaft im streitgegenständlichen Zeitraum durch Einkommen gemäß § 11 SGB II sichern.
Dem Bedarf der minderjährigen Kinder ist als Einkommen zunächst das geleistete Kindergeld in Höhe von jeweils 184,00 Euro monatlich anzurechnen (§ 11 Abs. 1 S. 4 SGB II). Als weiteres Einkommen steht der Bedarfsgemeinschaft das der Klägerin am 15.07.2011 zugeflossene Geld in Höhe von 15.286,34 Euro aus der Erbschaft zur Verfügung. Bei der Erbschaft handelt es sich um Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Maßgebend für die Einordnung als wertmäßiger Zuwachs und damit für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist, ob der Erbfall jedenfalls vor der ersten Antragstellung eingetreten ist oder während des Leistungsbezuges (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2012, Az. B 14 AS 101/11 R, Terminbericht des BSG Nr. 2/12 vom 25.01.2012, Gründe noch nicht veröffentlicht). Der Klägerin zu 1.) ist der Erbschaftsbetrag während des laufenden Bezugs zugeflossen, sodass es sich um Einkommen handelt.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist der volle Erbschaftsbetrag in Höhe von 15.286,34 Euro und nicht lediglich die Hälfte dieses Betrages als Einkommen zu berücksichtigen. Die Weiterleitung des Betrages in Höhe von 7.643,17 Euro an den Treuhänder bleibt für die Bewertung als Einkommen nach dem SGB II außer Betracht. Die Begrenzung der Einkommensanrechnung auf den hälftigen Erbschaftsbetrag ist von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt. Weder findet sich ein Ausnahmetatbestand in §§ 11, 11a, 11b SGB II. Noch greift die von den Klägern angeführte Argumentation, dass der hälftige Erbschaftsbetrag an den Treuhänder abgetreten worden sei. Denn eine Abtretung des hälftigen Erbschaftsanteils liegt nach der Insolvenzordnung grade nicht vor. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO obliegt es dem Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, dass er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirkt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben. Während § 287 InsO eine Abtretung an den Treuhänder von Arbeitseinkommen statuiert, begründet § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO daher lediglich eine Herausgabepflicht. Von der Abtretung nach § 287 InsO werden zufließendes Vermögen aus Schenkung, Lotteriegewinn oder von Todes wegen grade nicht erfasst (vgl. Lang, Insolvenzordnung, Kommentar, 4. Auflage § 287 Rd. Nr. 17). Vor diesem Hintergrund ist auch die von den Klägern zitierte Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.04.2008, Az. L 28 B 1452/07 AS ER nicht einschlägig. Denn in dieser Entscheidung ging es allein um den an den Treuhänder abgetretenen pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens. Lediglich für diesen Fall hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg das an einen Treuhänder nach § 287 Abs. 2 InsO abgetretene pfändbare Einkommen als nicht "bereite Mittel" gewertet. Unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung der gesetzlichen Wertung des § 11 SGB II in Einklang zu bringen ist, stand der Klägerin zu 1.) der gesamte Erbschaftsbetrag zunächst zur Verfügung. Anders als bei einer Abtretung konnte sie zunächst über den gesamten Betrag verfügen. Es war ein weiterer Willensentschluss der Klägerin zu 1.) erforderlich, um der Herausgabepflicht nachzukommen. Bei einer Abtretung dagegen, fehlt dem Anspruchsinhaber bereits die Verfügungsbefugnis über den Anspruch.
Dass sie die Hälfte des Erbschaftsbetrages aus ihrer Obliegenheitsverpflichtung heraus an den Treuhänder weitergeleitet hat, ist daher als private Schuldentilgung zu werten. Private Schuldentilgung bleibt bei der Bewertung von Einkommen jedoch außer Betracht (vgl. BSG, Urteil v. 20.12.2011, Az. B 4 AS 46/11 R, Rn. 19). Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Kläger das ihnen angerechnete Einkommen tatsächlich schon vor dem am 01.02.2012 beginnenden neuen Bewilligungszeitraumes verbraucht haben, denn ein höherer Anspruch der Kläger besteht auch dann nicht, wenn ihnen zum streitigen Zeitpunkt kein Geld aus der Erbschaft (mehr) zur Verfügung gestanden haben sollte. § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 2 AlgII-VO regelt die Modalitäten der Einkommensberücksichtigung. Die Berücksichtigung von Einkommen des Leistungsberechtigten bedeutet aber nicht, dass die bei der Berechnung vorausgesetzten Gelder über die gesamte Bedarfszeit tatsächlich vorhanden sein müssen. Im Falle von einmaligen Einnahmen ist der nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 AlgII-VO errechnete Teilbetrag selbst dann bis zum Ende des angemessenen Zeitraums anzurechnen, wenn das Einkommen vorzeitig verbraucht wurde (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 66; a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2007 - L 10 B 1845/07 AS ER -). Ansonsten hätte es der Hilfesuchende in der Hand, eine in Anwendung der Vorgaben der AlgII-VO vorgenommene Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen (nicht unbedingt realisierbaren) Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen. Dieses Ergebnis ist schon vor dem Hintergrund nicht sachgerecht, dass auch der vorzeitige Verbrauch von angerechneten regelmäßigen Einkünften nicht etwa zum Entstehen eines neuen Leistungsanspruchs im noch laufenden Monat führt. Die Einkommensberücksichtigung nach § 2 Abs. 3 AlgII-VO ist auch nicht - wie das LSG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) formuliert - fiktiv, denn es handelt sich um einen wirklichen Geldzufluss, der nur im Hinblick auf die Höhe des Betrages über mehr als einen Monat verteilt wird. Die Fälle echter Mittellosigkeit dürften vielmehr über § 23 Abs.1 SGB II zu lösen sein, indem dem Hilfesuchenden entweder Gutscheine ausgehändigt oder Darlehen gewährt werden.
Eine Besserstellung der Klägerin zu 1.) nur weil sie sich in einem Insolvenzverfahren befindet gegenüber solchen Leistungsberechtigten, die von einmaligen Einnahmen unmittelbar private Schulden tilgen, hält das Gericht nicht für gerechtfertigt. Im Übrigen dürfte der Klägerin zu 1.), wenn sie denn den gesamten Erbschaftsbetrag zum Lebensunterhalt eingesetzt hätte, kein Verstoß gegen ihre Obliegenheiten vorgeworfen werden. Denn die Restschuldbefreiung ist nach § 296 InsO nur dann zu versagen, wenn gegen die Obliegenheiten verstoßen wird und den Schuldner kein Verschulden trifft. Ein Verschulden der Klägerin zu 1.) dürfte insoweit nicht vorliegen.
Als einmalige Einnahme im Monat Juli 2011 ist die gesamte der Klägerin zu 1.) zugeflossene Erbschaftsumme zu werten. Der Beklagte hat insoweit zu Recht den Betrag auf 6 Monate aufgeteilt und monatlich als sonstiges Einkommen in Höhe von 2.547,43 Euro berücksichtigt. Mit diesem Einkommen konnte der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum gedeckt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das Gericht hat gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 die Berufung zugelassen. Der Beschwerdewert in Höhe von 750,00 Euro ist nicht erreicht. Denn unter Berücksichtigung des Klageantrages, wonach lediglich der hälftige Erbschaftsanteil in Höhe von 7.643,17 Euro als Einkommen zu berücksichtigen sei, ergiebt sich in den Monaten August 2011 bis Dezember 2011 ein monatlicher Anspruch der Kläger in Höhe von 115,14 Euro und im Monat Januar 2012 in Höhe von 141,14 Euro, somit insgesamt 689,84 Euro. Das Gericht hält jedoch die Frage, ob einem Leistungsberechtigten, der sich in Privatinsolvenz befindet, bei Zufluss einer Erbschaft lediglich der hälftige Erbschaftsanteil als Einkommen zu berücksichtigen ist, wegen eines möglichen Wertungswiderspruchs, insbesondere zu § 295 InsO, für eine zu klärende Rechtsfrage, für die bisher keine höchstrichterliche Entscheidung existent ist.
&8195;
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved