L 4 KR 108/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 22 KR 256/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 108/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 27/13 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 36.369,78 EUR nebst 4 % Zinsen aus 23.713,53 EUR seit 21. Dezember 2006, aus 10.870,20 EUR seit 29. November 2007 und aus 1.786,05 EUR seit 28. September 2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Klageverfahrens haben die Beklagte 9/10 und die Klägerin 1/10 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte allein.

Der Streitwert wird bis zum 27. September 2012 auf 34.583,73 EUR und ab 28. September 2012 auf 36.369,78 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus stationären Behandlungen mit der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) der Beklagten in den Jahren 2001 bis 2003.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus, das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Vom 25. Januar 2001 bis 18. Juni 2003 behandelte sie diverse Versicherte der Klägerin mit der ESWT auf der Grundlage der Diagnose einer induratio penis plastica (IPP). Zu den näheren Angaben nach Versicherten, Diagnosen, Rechnungspositionen usw. wird auf Bl. 286 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen. Bei der IPP handelt es sich um eine Penisverkrümmung, die mit Schmerzen insbesondere bei Erektion verbunden ist. Die Klägerin erhielt von der Beklagten bei Aufnahme der Versicherten neben deren Daten jeweils die Aufnahmediagnose "N 48.6", jedoch keinen Hinweis auf die konkrete Behandlung mittels ESWT. Die Klägerin wies die jeweils geforderten Beträge fristgerecht und ohne gesonderten Vorbehalt an.

Im Jahr 2003 unterzog die Klägerin diese Behandlungsfälle einer eingehenden Prüfung, bei der sie feststellte, dass die genannten Versicherten mit der ESWT behandelt worden waren. Daraufhin machte sie gegenüber der Beklagten Rückforderungsansprüche geltend und erklärte am 20. April 2004, sie könne keinen Rückforderungsverzicht erklären. Die ESWT sei im vertragsärztlichen Bereich nicht abrechnungsfähig. Auch könne die Behandlung grundsätzlich ambulant erfolgen. Nachdem das Therapiegerät zwischenzeitlich abgeschafft sei, dürften zukünftig keine weiteren Streitfälle mehr entstehen. Demgegenüber machte die Beklagte geltend, die Behandlung mittels ESWT sei in allen Fällen wegen bestehender Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit erfolgt. Angesichts der Vielzahl der möglichen Klagefälle rege sie eine vergleichsweise Lösung an.

Am 27. Mai 2004 kündigte die Klägerin an, sie beabsichtige zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. Ein Vergleichsvorschlag könne zum derzeitigen Zeitpunkt nicht unterbreitet werden. Die MDK-Gutachterin Dr. B. führte in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 2. August 2004 zur Notwendigkeit der stationären Behandlungen für die Versicherten B., U. sowie L. aus: Bei der IPP handele es sich um eine chronische, zur Vernarbung führende Erkrankung der beiden Erektionsschwellkörper. Dabei träten eine oder mehrere sog. Plaques als Bindegewebswucherungen auf. Die IPP sei in der jeweiligen Verlaufsform unberechenbar. Sie könne ohne Behandlung fortschreiten, zum Stillstand kommen oder sich sogar wieder zurückbilden. Die Wahl der richtigen Behandlungsform sei daher problematisch. Eine kausale Therapie existiere bei dieser Erkrankung nicht. Im therapeutischen Behandlungsspektrum stehe die orale Medikation, die direkte Injektion (z.B. Veramil, Interferon) sowie die Strahlen- und Iontophorese. Die ESWT werde dabei in verschiedenen Veröffentlichungen empfohlen. Sie sei risikoarm, jedoch kostenintensiv und solle gegen die Schmerzen am besten wirken. Bei der ESWT werde ein physikalisches Grundprinzip genutzt, weil Schallwellen, je nach Dichte, unterschiedlich mechanische Energie freisetzen. Bei der ESWT existiere unter 16 Originalarbeiten nur eine kontrollierte Studie. Für den ambulanten Bereich sei die ESWT vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt worden. Gemäß § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) könne die Behandlung daher nicht abgerechnet werden. Im stationären Bereich ergebe sich eine Einschränkung erst dann, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine negative Entscheidung getroffen habe. Diese stehe für die ESWT bei der IPP noch aus. In Analogie zur Behandlung anderer Indikationen mit der ESWT, die ambulant durchgeführt würden, sei prinzipiell davon auszugehen, dass die Behandlung unter ambulanten Bedingungen möglich sei. Für die ESWT könne von einem ausreichenden Nachweis der Wirksamkeit und damit von der Notwendigkeit der stationären Behandlung zum jetzigen Zeitpunkt nicht grundsätzlich ausgegangen werden.

Am 1. November 2004 nahm die Klägerin auf dieses Gutachten Bezug und bezeichnete es als Grundsatzgutachten für alle weiteren Parallelfälle, darunter auch die vorliegenden Behandlungsfälle. Die Notwendigkeit einer stationären Behandlung könne daher generell nicht bejaht werden. Unter dem 19. September 2005 verlangte die Klägerin von der Beklagten eine Verjährungsverzichtserklärung. Daraufhin erklärte die Beklagte am 1. Dezember 2005 für die Behandlungsfälle aus dem Jahr 2001 den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Dezember 2006. Auf Nachfrage der Klägerin lehnte es die Beklagte ab, für die Behandlungsfälle aus dem Jahr 2002 erneut einen Einredeverzicht zu erklären.

Die Beklagte hat am 21. Dezember 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.771,34 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat sie unter Darlegung der jeweiligen Einzelfälle sowie Aufnahmezeiten aus den Jahren 2001 bis 2002 ausgeführt: Die in der Aufstellung näher bezeichneten Versicherten seien bei der Beklagten mit der ESWT wegen einer IPP stationär für einen Tag behandelt worden. Nachdem die Klägerin im Jahr 2003 sog. Kurzliegerfälle überprüft habe, seien diese Tagesbehandlungen aufgefallen, da sie ambulant hätten erfolgen können. Zudem sei die Wirksamkeit der ESWT nicht belegt. Im anhängigen Rechtsstreit S 16 KR 769/04 (Sozialgericht Magdeburg) seien ein MDS-Gutachten vom Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. K. vom 6. April 2004 sowie ein zusammenfassender Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen des Jahres 1998 zur Bewertung der ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V vom 22. Juli 1999 vorgelegt worden, dessen Beiziehung beantragt werde. Dr. K. führte u.a. aus: Die ESWT werde bei der Diagnose IPP seit mehreren Jahren erforscht. Der Bewertungsausschuss habe diese Therapie nicht als Leistung in den EBM aufgenommen. Es gebe zwar positive Äußerungen zu dieser Behandlungsmethode, jedoch könne aus medizinischer Sicht nicht festgestellt werden, dass sie zum allgemein anerkannten Stand der Therapie gehöre. Die ESWT sei auch nicht ausdrücklich in die DRG aufgenommen worden. In dem zusammenfassenden Bericht über die ESWT vom 22. Juli 1999 wird u.a. ausgeführt: Aktuell fehle ein wissenschaftlich geführter Wirksamkeitsnachweis für die ESWT. Aus den bisher vorliegenden Studien zur behaupteten Wirksamkeit der ESWT ergebe sich die Wirksamkeit nicht. Damit fehle es auch an der Wirtschaftlichkeit dieser Methode.

Die Beklagte macht dagegen geltend, die Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruches seien weder dargelegt noch nachgewiesen. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin die stationäre Behandlung des einzelnen Patienten für medizinisch unvertretbar und als nicht erforderlich ansehe. Ein pauschaler Verweis auf MDK- Begutachtungen von anderen Behandlungsfällen sei unzulässig. § 275 SGB V verlange eine konkrete Einzelfallprüfung. Nach § 137c SGB V seien neuartige Behandlungsmethoden im Krankenhaus nicht von einer Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abhängig. Eine negative Stellungnahme des Bundesausschusses liege auch nicht vor. Nach der Budget- und Entgeltvereinbarung der Beteiligten aus den Jahren 2001 bis 2003 betrage die Zinssatzhöhe lediglich 4 %.

Die Klägerin hat hierzu entgegnet: Jeder Einzelfall sei aufgrund der mitgeteilten Aufnahme- und Entlassungsdaten bereits überprüft worden. Daraus ergebe sich, dass die ESWT bei Versicherten eingesetzt worden sei, die an einer IPP gelitten hätten. Eventuelle Nebendiagnosen habe die Beklagte nicht mitgeteilt. Von daher bestehe aus Sicht der Klägerin kein Anlass, eine Einzelfallprüfung durch den MDK einzuleiten. Auch habe die Beklagte keine Besonderheiten in den jeweiligen Behandlungsfällen mitgeteilt.

Mit Zustimmung der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 1. Oktober 2007 das Ruhen des Verfahrens angeordnet und dies mit einem anhängigen Rechtsstreit beim Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt L 4 KR 60/06 begründet. Am 19. Juni 2007 hat die Klägerin den Klageantrag auf 23.713,53 EUR reduziert und angegeben, der Anspruch für den Versicherten T. (fünf Behandlungen im Jahr 2002) sei aus der ursprünglichen Forderung herauszurechnen. Am 29. November 2007 hat die Klägerin die Klageforderung um 10.870,20 EUR erhöht und weitere Behandlungsfälle aus dem Jahr 2003 zum Gegenstand des Rechtsstreits erklärt (Bl. 99 f. d. GA). Mit weiterem Beschluss vom 9. September 2008 hat das SG nochmals das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Am 20. Januar 2009 hat die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt und ergänzend geltend gemacht: Nachdem die Beklagte keine Verjährungsverzichtserklärung abgeben habe, sei das Verfahren fortzusetzen. Auf der Grundlage des Urteils des BSG vom 28. Juli 2008 (B 1 KR 5/08 R) sei davon auszugehen, dass die Regelung des § 137c SGB V nicht als generelle Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe. Die Regelung setze die Geltung des Qualitätsgebotes aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V im stationären Bereich nicht außer Kraft. Eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge und einen Schadensersatzanspruch begründe sowie strafrechtsrelevant sei, müsse von den Krankenkassen nicht bezahlt werden.

Am 17. April 2009 hat die Beklagte "im Hinblick auf die weitere Ruhendstellung des Verfahrens für die hier rechtshängigen Ansprüche klägerseits auf die Einrede wegen Verjährung verzichtet." Weiter hat sie entgegnet: Eine allgemeingültige Prüfung einer Methode und die Entscheidung darüber obliege nicht der Krankenkasse oder den Gerichten, sondern dem dafür nach § 137c SGB V eingerichteten Ausschuss. Bei generellen Zweifeln an der Qualität oder Wirtschaftlichkeit der vorliegenden Therapiemethode hätten die Kostenträger ein entsprechendes Verfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss einzuleiten. Bis zu einer entsprechenden Entscheidung obliege es der Krankenkasse für jeden Einzelfall zu prüfen, ob die Therapie durch den behandelnden Krankenhausarzt zum Behandlungszeitpunkt notwendig sei oder nicht. Tatsächlich habe die Beklagte diese Einzelfallprüfung nicht vorgenommen, obwohl dies, wie das Verfahren vor dem LSG Sachsen-Anhalt L 4 KR 60/06 gezeigt habe, unverzichtbar sei. Bei den betroffenen Versicherten habe die medikamentöse Behandlung nichts bewirkt, so dass die ESWT habe eingesetzt werden müssen. Wegen der Operationsrisiken und der Unberechenbarkeit des Krankheitsverlaufs könne die Operation nur als ultima ratio in Betracht kommen.

Dem Urteil des LSG Sachsen-Anhalt (L 4 KR 60/06) mit denselben Beteiligten lag folgender Sachverhalt zugrunde:

"Der am ... 1965 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Patient S. M. war seit August 2002 an einer Induratio Penis Plastica (IPP, Penisverkrümmung) nach links von 40 bis 50 Grad verbunden mit Schmerzen während der Erektion und während des Geschlechtsverkehrs erkrankt. Nach einer Untersuchung in der Klinik der Klägerin handelte es sich um einen 8 x 9 mm großen Plaque im Penisschaftbereich, eingebettet in einen 1 x 2 cm großen Entzündungsherd. Nach sechsmonatiger ambulanter medikamentöser Therapie ohne Besserung verordnete der behandelnde Urologe im Februar 2003 und nochmals im April 2003 Krankenhausbehandlung wegen IPP zur Durchführung einer ESWT.

Bei der ESWT werden Stoßwellen von sehr hoher Energie durch kurze Schallimpulse produziert, die zur Behandlung der IPP direkt auf die Verhärtung oder den Plaque gerichtet werden. Der genaue Wirkmechanismus der ESWT ist unbekannt. Es wird vermutet wird, dass die ESWT zu einer erhöhten Durchblutung des Gebietes nach induzierter Mikrotraumatisierung führt und die folgende Entzündungsreaktion dann die Auflösung der Plaques bewirke. Studien verzeichneten bei über 80 % der Patienten eine Besserung der Schmerzsymptomatik, bei 50 % eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit und bei 40 % der Patienten eine Abnahme der Verkrümmung. Umfassende Multicenter-Studien existieren bislang noch nicht (vgl. zum Ganzen www.klinikum-lev.de./Medizin/Urologie/Urologie-Leistung-Penis.html). Eine Narkose oder eine lokale Betäubung ist für die ca. 10-minütige Behandlung nicht notwendig. In der Regel werden 4 bis 5 Behandlungen im Abstand von jeweils 2 Wochen durchgeführt. Die Nebenwirkungen werden weitgehend als minimal beschrieben. In wenigen Fällen kommt es zu Blutergüssen der Penishaut, selten sind Blutungen aus der Harnröhre, die meistens spontan zum Stillstand kommen.

Zur Durchführung der ESWT wurde der Versicherte jeweils im Februar, März und April 2003 einen Tag im Klinikum der Klägerin stationär behandelt. Er hatte zuvor eine Patientenaufklärung unterzeichnet, in welcher auf die Neuartigkeit der ESWT zur Behandlung der IPP sowie die Ungewissheit des Behandlungserfolges hingewiesen wurde. Der Versicherte tolerierte die Behandlungen gut, Komplikationen ereigneten sich nicht. Die Schmerzsymptomatik war deutlich rückläufig, die Erektion verbessert. Ambulant wurde die medikamentöse Therapie mit Potaba-Glenwood fortgesetzt. Eine stationäre Wiederaufnahme zur Fortführung der ESWT-Behandlung wurde für den 27. Mai 2003 vereinbart.

Nach Übersenden der Aufnahmeanzeige gab die Beklagte jeweils eine unbefristete Kostenzusage ab. Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnungen vom 18. und 25. März 2003 und 20. Mai 2003 für den Krankenhausaufenthalt des Versicherten im Februar 2003 892,16 EUR und für die Aufenthalte im März und April 2003 jeweils 874,16 EUR in Rechnung.

Die Beklagte bezahlte die Rechnungen unter Vorbehalt und veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK). Dieser führte am 3. Juni 2003 aus, die ESWT sei bei der vorliegenden Indikation keine in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Therapie. Über die Wirksamkeit der Methode seien in diesem Zusammenhang keine ausreichend gesicherten Studien bekannt. Die Notwendigkeit der stationären Behandlung zur Durchführung der ESWT könne bei dieser Diagnose nicht gesehen werden. Bezüglich der stationären Behandlung im April 2003 führte der MDK in einem Gutachten vom 7. Juli 2003 aus, die ESWT bedürfe nicht der Mittel des Krankenhauses. Bei entsprechender Indikation und zu klärender Kostenträgerschaft könne die Therapie ambulant erfolgen.

Nachdem die Klägerin gegen die Aufforderung der Beklagten zur Rückzahlung des Rechnungsbetrages Widerspruch erhoben hatte, führte der MDK unter dem 16. Oktober 2003 aus, die ESWT werde in der Literatur als fast nebenwirkungsfreie und minimal-invasive Behandlungsform der IPP beschrieben. Daher seien zu ihrer Durchführung nicht die Mittel des Krankenhauses ("Rund um die Uhr"-Vorhaltung fachurologischen Know-hows) notwendig. Da der Bundesausschuss für unkonventionelle und neue Heilverfahren bisher keine Stellungnahme zur ESWT bei IPP abgegeben habe, könne dieses neue Verfahren im ambulanten vertragsärztlichen Bereich aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht als Therapiemaßnahme anerkannt werden. Der Klinik werde empfohlen, die ESWT bei IPP über die Spitzenverbände der Krankenkassen im Bundesausschuss zu thematisieren.

Unter Hinweis auf dieses Gutachten teilte die Beklagte nach einer weiteren vergeblichen Aufforderung zur Rückzahlung mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 der Klägerin den Einbehalt in Höhe von 2.640,48 EUR von einer anderen Rechnung (Rechnung vom 25. November 2003, Rechnungsnummer: 318249) mit und nahm die Verrechnung am 18. Dezember 2003 vor.

Am 2. August 2004 hat die Klägerin Klage auf Zahlung dieses Betrages beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Sie hat ausgeführt, im Bereich der stationären Versorgung sei die Leistungserbringung nach § 137c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wesentlich freier ausgestaltet als im ambulanten Bereich nach § 135 SGB V. Während neue Methoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 SGB V erst nach einer positiven Beurteilung durch den Bewertungsausschuss zulässig seien, gehe § 137c SGB V konsequent den umgekehrten Weg. Eine Behandlungsmethode dürfe nach dieser Vorschrift zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erst nach einer negativen Beurteilung durch den Ausschuss Krankenhaus nicht mehr erbracht werden. Für die ESWT liege eine negative Beurteilung durch den Ausschuss Krankenhaus aktuell nicht vor. Die ESWT sei in der stationären Versorgung regelmäßig als Leistung erbracht und von den Gesetzlichen Krankenkassen bezahlt worden. Die Voraussetzungen für die Abrechnung der Leistung lägen daher vor. Eine Auswertung der Patientenakte sei nicht erforderlich, weil die Beklagte die fehlende Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht nachgewiesen habe.

Die Beklagte hat vorgetragen, Voraussetzung für eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse sei nach § 39 SGB V in Verbindung mit §§ 2, 12 und 27 SGB V die Notwendigkeit einer stationären Krankanhausbehandlung. Diese habe beim Versicherten nicht vorgelegen. Zur Durchführung der ESWT bedürfe es nicht der Mittel und Möglichkeiten eines Akutkrankenhauses. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des MDK vom 16. Oktober 2003. Eine Internetrecherche, die die Beklagte in der Verwaltungsakte beigefügt hat, habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse scheide aus, wenn der alleinige Grund für die stationäre Behandlung die Durchführung einer Maßnahme oder Methode sei, die ambulant erbringbar, in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung aber nicht zugelassen sei. Darüber hinaus hat die Beklagte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) vom 6. April 2005 beigefügt und unter Bezugnahme hierauf ausgeführt, derzeit entspreche die ESWT zur Behandlung der IPP nicht den Anforderungen der §§ 2, 12, 28 und 70 SGB V, da der Nutzen der Methode bisher nicht durch vergleichende prospektive Studien in ausreichender Qualität belegt sei. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Methode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche.

Das Sozialgericht Magdeburg hat die Klage mit Urteil vom 3. August 2006 abgewiesen, da Qualität und Wirksamkeit der ESWT nicht hinreichend belegt seien. Über die Zweckmäßigkeit der angewandten Methode müsse in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen Konsens bestehen, auch wenn eine Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung für die Durchführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus nicht von einer vorherigen Zulassung der Methode durch den (Gemeinsamen) Bundesausschuss abhänge. Darüber hinaus seien die Mittel des Krankenhauses zur Durchführung der ESWT nicht notwendig, da es sich um eine minimal-invasive Behandlungsform handele, die grundsätzlich ambulant erbringbar sei. Die Klägerin habe die Patientenakten trotz Aufforderung durch das Gericht nicht übersandt. Daher sei dem Gericht die Prüfung, ob eine Krankenhausbehandlung aus anderen Begleitumständen notwendig gewesen sei, nicht möglich, was zu Lasten der Klägerin gehe.

Gegen das der Klägerin am 19. September 2006 zugestellte Urteil hat sie noch im gleichen Monat Berufung eingelegt und ausgeführt, die Tatsache, dass die ESWT zur Behandlung der IPP als neue Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung durch den Bundesausschuss nicht anerkannt sei, lasse nicht den Schluss zu, diese Therapie entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der Bundesausschuss habe bislang zu dieser Thematik nicht beraten. In den einschlägigen medizinischen Fachkreisen herrsche auch kein nennenswerter Dissens zur ESWT als geeignete Therapiemethode zur Behandlung der IPP. Aus den publizierten Studien, über die das Gutachten des MDS einen Überblick gebe, lasse sich eine hohe Erfolgsquote der Therapieform insbesondere in Bezug auf eine zügige Schmerzbeseitigung ableiten. Außerdem gebe es danach bislang für die IPP keine kausale, medikamentöse und somit minimal-invasive Therapie und viele konservative Therapieverfahren verliefen frustran. Aufgrund dieser Vorteile (schnelle Schmerzfreiheit, geringe Nebenwirkungen, mangelnde Alternative) sei die ESWT ohne weiteres als wirksam und zweckmäßig einzustufen. Die betroffenen Patienten hätten nicht die Möglichkeit der ambulanten Inanspruchnahme der Leistung, da diese im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. § 137c SGB V weise die Prüfung und Entscheidung über das Vorliegen der Qualitätskriterien nach §§ 1, 12, 28 SGB V nicht der Krankenkasse sondern dem Bundesausschuss zu. Allein dieses Gremium könne verbindlich die Zugehörigkeit einer Untersuchungs- und Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenversicherung klären. Bei Zweifeln an der Wirtschaftlichkeit oder dem Nutzen einer neuen Behandlungsmethode habe die Krankenkasse ohne Weiteres die Möglichkeit, eine Beurteilung durch den Bundesausschuss zu veranlassen. Daher sei die Beklagte mit der pauschalen Einwendung der Unwirtschaftlichkeit der ESWT zur Behandlung der IPP ausgeschlossen. Sie könne lediglich noch den Nachweis erbringen, dass die ESWT zum Behandlungszeitpunkt im Einzelfall wegen einer wirksamen ambulanten Alternative nicht notwendig gewesen sei. Nach dem zuletzt vom MDK erstellten Gutachten vom 11. August 2009 stehe aber die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten nach frustran verlaufener ambulanter Therapie fest. Denn die einzige noch zur Verfügung stehende Therapie sei eine plastische Operation gewesen, die nur unter stationären Bedingungen hätte erfolgen können. Ambulante Alternativen habe es nicht gegeben, da der Versicherte nicht auf Methoden verwiesen werden könne, die nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Er könne auch nicht verpflichtet werden, einer operativen Behandlung zuzustimmen, wenn eine operationsersetzende und nebenwirkungsarme Therapie zur Verfügung stehe. Zudem habe die Klägerin dieses Verfahren damals zu Lasten diverser Kostenträger unproblematisch stationär erbracht. Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten habe sie daher keinen Anlass zu Zweifeln an der Abrechenbarkeit der Leistung gehabt. Schließlich hat die Klägerin eine Stellungnahme des Oberarztes Dr. L. beigefügt. Dieser hat ausgeführt: Im Jahre 2003 sei die ESWT nur in Kliniken mit perioperativer stationärer Beobachtung durchgeführt worden. In der näheren Umgebung habe es keine ambulante Einrichtung gegeben, die diese Therapie angeboten und durchgeführt habe. Bei dem Patienten habe die Therapie zu sehr zufriedenstellenden Ergebnissen geführt. Dieser habe nach jeder Behandlung eine weitestgehende Schmerzfreiheit sowie eine durchaus zufriedenstellende Sexualfunktion angegeben. Mit konservativen Maßnahmen sei dieser deutliche Therapieerfolg nicht zu erzielen gewesen. Der Oberarzt hat zudem auf eine Studie aus dem Jahre 2006 verwiesen.

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Sie hat ausgeführt, die ESWT werde vielfach nicht als Standardbehandlung zur Therapie der IPP empfohlen, da sie nicht den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entspreche. Auch lägen trotz verbreitetem Einsatz der Therapie bislang noch keine positiven Ergebnisse kontrollierter Studien vor. Der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts könne nicht entnommen werden, dass ambulant erbringbare Leistungen grundsätzlich stationär vorgenommen werden könnten, wenn der Bundesausschuss keine Empfehlung nach § 135 SGB V abgegeben habe. Dies würde zu einer "Flucht" in den stationären Bereich führen und die gesetzliche Regelung des § 135 SGB V wäre obsolet.

Nach Vorlage der Patientenakte hat die Beklagte ein erneutes Gutachten des MDK vom 8. August 2008 veranlasst. Darin ist ausgeführt, für die Klinikärzte sei erkennbar gewesen, dass es sich bei der ESWT um eine nicht evidenzbasierte neue Behandlungsmethode mit experimentellem Charakter handele und dass diese minimal-invasive und risikoarme Therapie ambulant durchführbar sei. Individuelle Begleitumstände, aus denen auf die Notwendigkeit der besonderen Mittel eines Akutkrankenhauses geschlossen werden könnte, hätten nicht vorgelegen. Eine operative Behandlung sei bei dem Versicherten aus medizinischer Sicht nicht kontraindiziert gewesen, diese komme jedoch nur als ultima ratio in Frage. Nach einer frustranen medikamentösen Therapie sei die ESWT im minimal-invasiven Bereich nur eine Behandlungsmethode von vielen, aber die erfolgreichste gewesen. Am 11. August 2009 hat der MDK unter Berücksichtigung der in einem Erörterungstermin aufgeworfenen Fragestellungen erneut eine Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, zwar könne die plastische Operation als einzige noch zur Verfügung stehende vertragsärztlich zugelassene Methode nur unter stationären Bedingungen erfolgen, diese operative Methode sei jedoch nicht favorisiert und geplant worden. Die Kostenübernahme hierfür habe die Beklagte zu keiner Zeit abgelehnt. Die Erkrankung selbst sei primär nicht stationär behandlungspflichtig gewesen."

Das Sozialgericht Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 30. August 2011 verurteilt, an die Klägerin 34.583,73 EUR nebst 4 % Zinsen aus Teilbeträgen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Für den hier zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch komme es darauf an, ob die Klägerin ohne Rechtsgrund geleistet habe, was gegeben wäre, wenn die stationären Krankenhausbehandlungen nicht erforderlich gewesen sind (§ 39 SGB V). Hiervon sei auszugehen. Die IPP erfordere regelmäßig keine stationären Akutbehandlungen sowie unter stationären Bedingungen durchzuführende Überwachungsmaßnahmen. Für individuelle Umstände bei den einzelnen Versicherten, die etwas anderes aussagen könnten, bestünden keinerlei Anhaltspunkte. So seien jeweils nur die Diagnose einer IPP mitgeteilt und die Versicherten nur einen Tag aufgenommen worden. Gegenteiliges habe die Beklagte auch nicht vorgetragen. Bei der ESWT bei IPP handele es sich um eine regelmäßig ambulant durchzuführende Behandlung. Somit habe der Krankenhausträger Anhaltspunkte dafür darzulegen, dass im jeweiligen Einzelfall eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit bestanden habe. Dies habe die Beklagte abgelehnt und rechtsirrig die Beweislast auf Seiten der Klägerin gesehen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 24. November 2011 zugestellte Urteil am 20. Dezember 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen Anhalt eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei die Beklagte verpflichtet, eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung des MDK vorzunehmen. Da sie dies versäumt habe, sei sie mit möglichen Einwendungen ausgeschlossen. Auch vor Inkrafttreten des § 275 Abs.1c SGB V habe ein Beschleunigungsgebot der Klägerin bestanden, die Schlussrechnungen zügig zu prüfen und zu bezahlen. Es ihr zu ermöglichen, zahlreiche Behandlungsfälle aus den Jahren 2001 bis 2003 im Wege der Rückerstattung wieder aufzugreifen, würde dem Gebot der zeitnahen Prüfung sowie dem Beschleunigungsgrundsatz widersprechen. Auch dies rechtfertige es, die Klägerin mit Einwendungen auszuschließen. Am 10. September 2012 hat die Beklagte erklärt, die Patientenakten seien nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Das Grundsatzgutachten der Klägerin sei nicht geeignet, die medizinische Prüfung des jeweiligen Einzelfalls zu ersetzen. Angesichts eines Zeitablaufs von mittlerweile zwölf Jahren könne dies nicht mehr nachgeholt werden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. August 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. August 2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 36.369,78 EUR nebst 4 % Zinsen aus 25.499,58 EUR seit 21. Dezember 2006 sowie aus 10.870,20 EUR seit 29. November 2007 zu zahlen.

Sie hat vorgetragen: Die Abweichung zum Zahlungsantrag in der ersten Instanz beruhe auf einem Additionsfehler. So seien in der Klageschrift vom 21. Dezember 2006 die fünf Behandlungsfälle des Versicherten U. T. zwar genannt, jedoch im Klageantrag betragsmäßig nicht korrekt beziffert worden. Aus der nunmehr vorgelegten Tabelle Bl. 286 bis 289 d. GA ergebe sich der Erstattungsanspruch für die jeweiligen Versicherten, Behandlungszeiträume sowie Einzelbeträge, auf die ausdrücklich Bezug genommen werde. Eine Einzelfallbegutachtung sei nicht erforderlich. Fehle es an den Mindestanforderungen einer Abrechnung nach § 301 SGB V, fehle es bereits an der Fälligkeit der Rechnung. Im vorliegenden Fall seien neben der Hauptdiagnose N 48.6 nur in einigen Fällen Nebendiagnosen genannt worden. Dabei habe es sich jedoch nicht um Diagnosen gehandelt, die eine ESWT unter stationären Bedingungen erfordert hätten. Anhand der vorliegenden Daten sei bereits festzustellen, dass eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht bestanden habe. Die Beklagte habe auch nichts Gegenteiliges vorgetragen. Unter Protest gegen die Beweislast werde Sachverständigenbeweis angeboten, dass aus den übermittelten Daten nicht auf eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit geschlossen werden könne. Neben den Haupt- und Nebendiagnosen spreche auch die Behandlungszeit von lediglich einem Tag gegen eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit. Zu Gunsten der Klägerin wirke auch der Grundsatz des Anscheinsbeweises. Der Beklagten sei nach Vernichtung der Patientenakten der Vorwurf zu machen, eine Beweisvereitelung zu ihren Lasten begangen zu haben. Bereits zeitlich könne die zehnjährige Aufbewahrungsfrist nicht für alle streitigen Behandlungen abgelaufen sein, als die Beklagte im September 2012 die Vernichtung aller Akten mitgeteilt habe. Da sich die Beteiligten seit dem Jahr 2006 im Rechtsstreit befunden hätten, sei die Beklagte rechtlich gehalten gewesen, die streitigen Akten unabhängig von der Aufbewahrungsfrist weiter aufzubewahren. Die von der Beklagten zu vertretene Beweisvereitelung führe beweisrechtlich zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten der Klägerin. Von der fehlenden Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung sei daher auszugehen.

Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie weitere Beiakten sind Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden, jedoch nur wegen eines geringfügigen Zinsanspruchs begründet.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, weil es sich bei dem mit der Klage verfolgten Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung eines Teils der für die Krankenhausbehandlung der Versicherten gezahlten Vergütung um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG SozR 4-5560 § 17b Nr. 2). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen. Die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (ständige Rechtsprechung des BSG Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 20/07 R; Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R, jeweils zitiert nach juris). Die von der Klägerin im Berufungsverfahren erklärte Klageerweiterung ist als Anschlussberufung zu werten, da nur auf diese Weise die Klage noch erweitert werden konnte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 99 RdNr.12).

2. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung verurteilt. Der Klägerin steht ein Anspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in erkannter Höhe zu, da sie gegenüber der Beklagten "ohne Rechtsgrund" gezahlt hat. Die vollstationären Behandlungen der auf Bl. 286 ff. näher bezeichneten Versicherten mit der ESWT waren nicht notwendig. Dabei trifft die Klägerin zunächst durch ihre vorbehaltlosen Zahlungen die Beweislast (im Folgenden a.). Zu ihren Gunsten können jedoch die Grundsätze des Anscheinsbeweises herangezogen werden. Hiernach ist die ESWT bei der Behandlung der IPP regelmäßig nicht stationär vorzunehmen, da es sich um eine regelhaft ambulante Behandlungsmaßnahme handelt. Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht erschüttern können (im Folgenden b.). Selbst wenn die Grundsätze des Anscheinsbeweises keine Anwendung finden würden, führt wenigstens die Vernichtung der Patientenakten durch die Beklagte im laufenden Verfahren zu einer entscheidungserheblichen Beweiserleichterung zu Gunsten der Klägerin (im Folgenden c.). Dagegen vermag die Beklagte keine erheblichen Einwände mehr vorzubringen. Der von der Klägerin geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nicht bereits analog § 814 BGB ausgeschlossen, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen (im Folgenden d.). Die Einrede der Verjährung findet keine Anwendung (im Folgenden e.). Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist auch nicht wegen einer verfahrenswidrig späten Entscheidung, eine Einzelfallprüfung für jeden Behandlungsfall durch den MDK zu beauftragen, verwirkt (im Folgenden f.).

a. Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Zahlungsanspruchs ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und dem Krankenhaus sind öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. § 69 Satz 2 SGB V). Bei derartigen öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der allgemein anerkannt ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. November 2011 – B 3 KN 4/08 KR R, zitiert nach juris). In den Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten bleiben den Krankenkassen trotz erfolgter Zahlungen eventuelle Rückforderungsansprüche oder Aufrechnungen mit unstreitigen Forderungen grundsätzlich möglich. Sie sind daher grundsätzlich nicht mit Einwendungen ausgeschlossen, tragen jedoch die materielle Beweislast, da sie als Anspruchsteller eigene Rechte geltend machen. Im Übrigen hat die Klägerin in Kenntnis der von der Beklagten übermittelten Daten gezahlt und damit den Vergütungsanspruch durch Zahlung dem Grunde nach anerkannt, was beweisrechtlich entsprechend zu ihren Lasten zu werten ist.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin hängt davon ab, ob die Beklagte für keinen der hier streitigen Behandlungsfälle einen Vergütungsanspruch zugestanden hatte. Rechtsgrundlage dieser Vergütungsansprüche des Krankenhauses ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der jeweils gültigen Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten, hier die für die Jahre 2001 bis 2003. Nähere vertragliche Regelungen im Sinne von § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung sowie die Überprüfung ihrer Notwendigkeit und Dauer existieren gerichtsbekannt für Sachsen-Anhalt nicht und werden von den Beteiligten auch nicht behauptet. Eine Krankenkasse ist nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung sowie der DRG N 48.6 zur Zahlung der vereinbarten Entgelte nur verpflichtet, wenn die Versorgung im Krankenhaus im Sinne des § 39 SGB V erforderlich war. Danach muss die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus bzw. seine weitere vollstationäre Behandlung erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Nach dem Wortlaut dieser Regelung muss der Aufenthalt im Krankenhaus daher einem Behandlungszweck dienen, und die Frage, ob und wie lange einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach medizinischen Erfordernissen (Großer Senat [GS]) des BSG, Beschluss vom 25. September 2007, GS 1/06 – Leitsatz 1, zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung der Versicherten wegen der IPP in zahlreichen Fällen bejaht und durch entsprechende vorbehaltlose Zahlungen anerkannt. Dies führte zu einem Wechsel der materiellen Beweislast zu ihren Lasten. Werden nun im Nachhinein "Auffälligkeiten" in bereits abgeschlossenen Behandlungsfällen festgestellt, wie hier durch die nachträgliche Feststellung der Beklagten der ESWT als zweifelhafte stationäre Therapieform, können die Krankenkassen zur Sicherung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ein Prüfungsverfahren einleiten, um rechtsgrundlose Zahlungen an die Leistungserbringer zurückzuverlangen. Schließlich gibt es keine Verpflichtung der Krankenkassen zu rechtsgrundlosen Zahlungen an die Leistungserbringer. Gegenteiliges wäre mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar (BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris).

b. Aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls geht der Senat jedoch davon aus, dass zu Gunsten der Klägerin ausnahmsweise der Grundsatz des Anscheinsbeweises gilt, was dazu führt, dass in den zahlreichen Behandlungsfällen von IPP mittels ESWT aus den Jahren 2001 bis 2003 für die genannten Versicherten zunächst nicht von einer vollstationären Behandlungsnotwendigkeit ausgegangen werden kann, sofern von Seiten der Beklagten keine atypischen Umstände vorgetragen werden, die ausnahmsweise eine vollstationäre Behandlung rechtfertigen können. Dies rechtfertigt es, die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auf der Grundlage dieser Beweislage zu bejahen.

Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die es bei typischen Geschehensabläufen ermöglicht, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls nach einem typischen "Muster" abzulaufen pflegt. Zwar kann die Entscheidung des Krankenhausarztes über die Notwendigkeit einer stationären Versorgung nicht als ein solch typischer Geschehensablauf angesehen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16, Dezember 2008 – B 1 KN 3/08 R, zitiert nach juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 128 RdNr. 9 ff mwN ), so dass weder für einen Anscheinsbeweis noch eine Entschätzungsprärogative ein Anwendungsbereich verbleibt. In Fallgruppen dagegen, in denen alle Gesamtumständen gegen die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung und für eine ambulante Behandlung sprechen, kann sich die Krankenkasse bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch jedoch ausnahmsweise auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises berufen und nach einer medizinischen Grundprüfung durch den MDK von einer "an sich" regelmäßig erforderlichen Einzelfallprüfung der weiteren Fälle zunächst Abstand nehmen, um von dem Krankenhaus Hinweise für einen atypischen Behandlungsfall zu erhalten. In diesem Fall ist das Krankenhaus daher verpflichtet, ähnlich wie in einem Krankenhausabrechnungsstreit auf der ersten Prüfungsstufe gemäß § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V eine ergänzende medizinische Begründung gegenüber der Krankenkasse abzugeben, um die Fälligkeit der Rechnung herbeizuführen und die zeitliche Prüfungsfrist des § 275 Abs. 1c SGB V erstmals beginnen zu lassen.

Für diese Beweiserleichterung zu Gunsten der Klägerin sprechen folgende Gesichtspunkte: So hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Empfehlung der ESWT bei IPP im vertragsärztlichen Bereich ausdrücklich abgelehnt. Zwar werden den zugelassenen Kliniken im Rahmen der Unterscheidung zwischen § 135 SGB V und § 137c SGB V für innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden größere Freiheiten eingeräumt als den Vertragsärzten. Hintergrund dieses Privilegs ist die Annahme des Gesetzgebers, dass die Risiken im Hinblick auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung im Krankenhaus geringer sind als in der vertragsärztlichen Versorgung. Das entbindet das Krankenhaus aber nicht von der Prüfung, ob eine Krankenhausbehandlung unter stationären Bedingungen im Einzelfall allein aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Schließlich hat auch der 1. Senat des BSG in einem Urteil vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R – Leitsatz, zitiert nach juris) ausdrücklich ausgeführt, dass Krankenhausbehandlung jedenfalls nicht bereits deshalb erforderlich ist, weil eine bestimmte Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zwar ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich aber mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung geleistet werden darf.

Ausgangspunkt für die Ermittlung der Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung ist grundsätzlich die Art und Schwere der Erkrankung. Raum für die Berücksichtigung darüber hinausgehender Kriterien bleibt danach lediglich in Fällen mit komplexen medizinischen Sachverhalten – etwa bei langwierigen psychiatrischen Erkrankungen und bei schwierigen Prognoseentscheidungen, die ein Abwägen der Erfolgsaussichten mit den Risiken verlangen – oder wenn die medizinische Komponente durch soziale, familiäre oder humanitäre Gründe mitgeprägt wird. Daran wird deutlich, dass Anknüpfungspunkt immer medizinische Aspekte sind, die lediglich in einem bestimmten realen Kontext zu bewerten sind. So kann die Risikobewertung einer ambulanten Behandlung oder einer Entlassung je nach den realen häuslichen Bedingungen (Anwesenheit Dritter, Entfernung zum nächsten Arzt oder Krankenhaus) unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich ist aber eine Behandlung ambulant durchführbar, wenn die besonderen Mittel eines Krankenhauses medizinisch nicht erforderlich sind. Nach den übereinstimmenden MDK-Bewertungen in diesem sowie im Verfahren L 4 KR 60/06, das der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei der ESWT bei IPP um eine regelmäßig ambulant zu erbringende Behandlung, die vertragsärztlich nicht über die Krankenkasse abgerechnet werden kann (§ 135 SGB V). Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen und insbesondere den verallgemeinerungsfähigen Bewertungen der MDK-Gutachten sowie der vorliegenden Grundsatzgutachten erfordert die ESWT bei IPP regelhaft keine stationären medizinischen Akutmaßnahmen oder unter stationären Bedingungen durchzuführende Beobachtungen oder Überwachungen, sondern ist als rein ambulante Behandlungsform anzusehen.

Dafür spricht auch, dass es sich bei den zahlreichen Behandlungen der Beklagten jeweils uneingeschränkt um offenbar planbare Tagesbehandlungen gehandelt hatte. Die ESWT ist eine minimal-invasive und risikoarme Therapie, die eine akute Verschlimmerung oder ähnliches nicht befürchten lässt. Bei den von der Beklagten durchgeführten ESWT waren daher die besonderen Mittel eines Krankenhauses, wie seine personelle oder apparative Ausstattung oder die ständige ärztliche Präsenz, grundsätzlich nicht notwendig, wenn kein atypischer Fall vorgelegen hat. Erst bei besonderen individuellen Begleitumständen, wie beispielsweise in Fällen, in denen ein Versicherter trotz der zahlreichen Therapieansätze bei IPP bereits austherapiert gewesen wäre und lediglich der operative Eingriff noch als ultima ratio in Betracht gekommen wäre, ließe es sich rechtfertigen, die ESWT-Therapie auch unter Kosten- und Risikogesichtspunkten ausnahmsweise doch als erforderliche Krankenhausbehandlung unter stationären Bedingungen anzusehen. Für einen derartigen Ausnahmefall liegen hier aber keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr beschränkte sich die Beklagte in ihrem Vorbringen zur gesundheitlichen Situation der Versicherten auf den pauschalen Vortrag, die jeweilige Behandlung sei unter den Bedingungen des Krankenhauses notwendig gewesen. Einen Bezug zum einzelnen Behandlungsfall hat sie damit nicht hergestellt und auch keine nachprüfbaren medizinischen Fakten zur Diskussion gestellt. Das reicht nicht aus, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Nachdem die Beklagte die den jeweiligen Behandlungsfall betreffenden Patientenakten im späteren Verlauf des Berufungsverfahrens offenbar vernichtet hat, können von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen mehr vorgenommen werden, so dass nur noch eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten in Betracht kam.

Für dieses Ergebnis spricht auch das von der Klägerin im Verfahren L 4 KR 60/06 angeführte Argument der "Flucht" in den stationären Bereich bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, für die der (Gemeinsame) Bundesausschuss noch keine Empfehlung abgegeben hat. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 135 SGB V, alle neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mangels entsprechender Empfehlung von der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich ausgeschlossen sind, im Rahmen einer stationären Behandlung bereits bei geringerer wissenschaftlich belegter medizinischer Evidenz auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren (so im Ergebnis auch Flint in Hauck/Noftz, SGB V, § 137 c Rn. 12). Dies liefe auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V zuwider, denn stationäre Behandlung ist regelmäßig teurer als ambulante. Auch die Abschaffung des ESWT-Gerätes durch die Beklagte nach der Überprüfung der Klägerin im Jahr 2004 bestätigt diese Einschätzung. Damit lässt die Beklagte deutlich erkennen, dass sie einer medizinischen Einzelfallprüfung der ESWT bei IPP unter klinischen Bedingungen keine Erfolgsaussichten einräumt und die ESWT, nachdem sie der Klägerin aufgefallen war, offenbar selbst als unwirtschaftlich eingeschätzt hatte. Würde sich die Auffassung der Beklagten durchsetzen, hätte dies auch problematische wettbewerbsrechtliche Konsequenzen zur Folge. Denn es würden sich die Krankenhäuser gegenüber den Vertragsärzten, die eine ESWT zumindest privat hätten abrechnen können, einen beachtlichen und wohl auch rechtswidrigen Wettbewerbsvorteil außerhalb von §§ 115 a, b SGB V verschaffen können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 11/10 R, zitiert nach juris).

c. Selbst wenn eine Beweiserleichterung mittels Anscheinsbeweises nicht anzunehmen wäre, würde die aus unbekannten Gründen vorgenommene Vernichtung sämtlicher die streitigen Behandlungsfälle betreffenden Patientenakten durch die Beklagte, zu einer Beweislastverschiebung in ihre Richtung führen. Nach § 10 Abs. 3 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt war die Beklagte gehalten, die vorliegenden Krankenhausunterlagen zehn Jahre lang aufzubewahren. Im September 2012 hat sie gegenüber dem Gericht erklärt, sie habe die Patientenakten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vollständig vernichtet. Da es sich auch um Behandlungsfälle aus dem Jahr 2002 und 2003 gehandelt hatte, konnte die Aufbewahrungsfrist offensichtlich noch nicht abgelaufen sein. Es bleibt unklar warum die Beklagte, die in erster Instanz wiederholt für eine Einzelfallprüfung plädiert hat, diese Prüfung durch Vernichtung der Akten während des Berufungsverfahrens verhindert hat. Dieser Vorgang ist keineswegs wertneutral, sondern stellt gegenüber der Klägerin ein widersprüchliches und damit treuwidriges Verhalten im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses dar. Keinesfalls darf aber die Beklagte durch die Vernichtung der Patienten quasi "belohnt" werden, indem die Klägerin für beweisbelastet erklärt wird, diesen Beweis aber ohne Akten nicht mehr führen kann. Angesichts des laufenden Prozesses und in Kenntnis der Bedeutung der Patientenunterlagen für die weitere Sachverhaltsermittlung hätte die Beklagte die Patientenunterlagen selbst nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens aufbewahren müssen. Dies führt zumindest zu einer Beweiserleichterung zu Gunsten des benachteiligten Vertragspartners, hier also der Klägerin. Der auf Indizien gestützte Sachvortrag der Klägerin kann daher als wahr unterstellt werden. Mithin ist anhand der vorliegenden Unterlagen davon auszugehen, dass die ESWT bei IPP in den streitigen Fällen regelhaft ambulant durchgeführt werden konnte und es eines vollstationären Aufenthalts der Versicherten nicht bedurft hatte. Die Klägerin hat daher ihren öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nachgewiesen, sofern die Beklagte keine Anhaltspunkte für einen atypischen Behandlungsfall konkret behaupten kann. Da mit der Vernichtung der Patientenakten auch die Beklagte zu den Einzelfällen nicht mehr konkret vortragen kann, ist vom fehlenden Rechtsgrund und den Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu Gunsten der Klägerin auszugehen.

d. § 814 BGB analog steht nicht dem Rückforderungsanspruch entgegen. Soweit die Klägerin in der Zeit von 2001 bis 2003 in zahlreichen Einzelfällen die Abrechnungen nach der DRG N 48.6 bezahlt hat, ergibt sich aus dieser offenbar vorbehaltlosen Zahlung noch kein Verzichtstatbestand (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. November 2012, L 16 KR 600/11, zitiert nach juris). Vielmehr führt die vorbehaltlose Zahlung der Krankenkassen zu einer Umkehr der Beweislast sofern – wie hier – die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung streitig ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 24/08 R, zitiert nach juris). Hier hat die Beklagte angegeben, in allen Fällen sei stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen. In Anwendung von § 814 BGB kann aber ein Anspruch nach § 812 BGB nur dann ausgeschlossen sein, wenn der Leistende in positiver Kenntnis der Nichtschuld gezahlt hatte. Das kann hier nicht angenommen werden, denn die Klägerin konnte die Behandlung mittels ESWT aus der Abrechnung der Beklagten zunächst nicht erkennen.

e. Die Rückforderungsansprüche der Klägerin für die Zeiträume des Jahres 2001 sowie für den Behandlungsfall U. T. aus dem Jahr 2002 sind nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Durch die Erklärung der Beklagten vom 1. Dezember 2005, auf die Einrede der Verjährung für die Behandlungsfälle des Jahres 2001 bis zum 31. Dezember 2006 zu verzichten, bleibt für die Einrede bereits materiell-rechtlich kein Raum, da die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben hat. Bezüglich des Versicherten T. (Behandlungsfall aus dem 2002) ist die Rechtshängigkeit nach Klageerhebung und Klagerücknahme im Juni 2007 dagegen entfallen und erst im September 2012 wieder aufgelebt. Ob dieser Anspruch verjährt ist, brauchte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, da von Seiten der anwaltlich vertretenen Beklagten diese Einrede nicht erhoben worden ist.

f. Hinsichtlich der Ansprüche der Klägerin aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für die auf Bl. 286 bis 289 genannten Versicherten mit weiteren Angaben (Diagnosen; Nebendiagnosen) und den jeweiligen Rechnungsbeträgen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, ist kein endgültiger Einwendungsausschluss zu Lasten der Klägerin eingetreten.

Wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses der Beteiligten in einem Dauervertragsverhältnis unterliegen die Beteiligten dem Gebot der Rücksichtnahme nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dem auch im Sozialrecht anwendbaren Rechtsgedanken des § 242 BGB kann eine Krankenkasse nach Treu und Glauben mit Einwendungen ausgeschlossen sein, wenn sie das vorgesehene Prüfverfahren nicht rechtzeitig einleitet (vgl. BSGE 89 S.104, 110= SozR 3-2500 § 112 Nr. 2 S. 10, 16 - "Berliner Fälle"). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Tatsache, dass eine verzögerte Bearbeitung von Krankenhausabrechnungen ggf. die Beweislage des Vertragspartners entscheidend verschlechtern kann. Verwirkung setzt daher voraus, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete darauf vertraut hat, das Recht werde nicht mehr ausgeübt (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen darauf eingerichtet hat (Vertrauensverhalten) und ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 24/11 R, zitiert nach juris).

Der von der Beklagten vorgebrachte Verwirkungseinwand kann nur durchgreifen, wenn der Klägerin ein erheblicher Verstoß gegen das gesetzliche Prüfverfahren vorgehalten werden kann. Unabhängig vom bereits aus zeitlich Gründen unanwendbaren § 275 Abs. 1c SGB V und einem damit begründbaren Beweisverwertungsverbot (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R, zitiert nach juris), war die Beklagte nach dem auch vor § 275 Abs. 1c SGB V geltenden Beschleunigungsgebot grundsätzlich verpflichtet, nach dem erstmaligen Erkennen eines möglichen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 275 Abs.1 Nr. 1 SGB V ein Prüfungsverfahren einzuleiten und eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Dies hat die Beklagte für drei konkrete Behandlungsfälle, die nicht rechtshängig geworden sind, auch getan (MDK-Gutachten vom 2. August 2004). Einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Prüfverfahren hat die Klägerin jedoch nicht gemacht.

Trotz des Zeitablaufs von mehr als zwei Jahren zwischen Abrechnung, Zahlung und erstmaliger Einleitung der Rechnungsprüfung durch die Klägerin kann noch nicht von einer Verwirkung des Anspruchs ausgegangen werden. Grundsätzlich kann die Krankenkasse bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist medizinische Überprüfungen sowie Erstattungsforderungen geltend machen. Dies gilt auch unter der Neuregelung des § 275 Abs.1 c SGB V und erst Recht vor Einführung dieser Norm (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11, zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall bestand aus Sicht der Klägerin, nachdem von ihr erstmals im Jahr 2003 festgestellt worden war, dass die Beklagte in zahlreichen Fällen die ESWT bei IPP unter stationären Bedingungen durchgeführt hatte, genügend Anlass, eine medizinische Einzelfallprüfung vorzunehmen. Diese hat sie auch im Fall von drei Versicherten, die hier jedoch nicht streitgegenständlich sind, im Jahr 2004 durchgeführt. Die Beklagte konnte sich im Jahr 2003 bereits darauf einstellen, dass sämtliche Fälle der ESWT bei IPP aus den Jahren 2001 bis 2003 von der Beklagten wieder aufgegriffen werden.

Aus der Tatsache, dass die Klägerin zunächst nicht für jeden Einzelfall eine entsprechende Überprüfung durch den MDK vorgenommen hat, sondern sich auf eine allgemeingültige Bedeutung eines Einzelfallgutachten berufen hatte und erst im Berufungsverfahren nach Hinweis des Senats eine konkrete Einzelfallprüfung mit Hilfe des MDK durchführen wollte, kann die Beklagte keinen Rechtsvorteil für sich ableiten, da kein gravierender Verstoß gegen das Prüfverfahren vorliegt. Während des gesamten Verlaufs des Prozesses in erster Instanz hat das Gericht keine Notwendigkeit gesehen, eine medizinische Einzelfallprüfung vorzunehmen. Aus Sicht der Klägerin hat daher bis zum Berufungsverfahren überhaupt kein Anlass bestanden, die offenbar gerichtlich bestätigte Rechtsauffassung von ihr ohne jeden Anlass aufzugeben und die fehlende medizinische Einzelfallprüfung des MDK ggf. nachzuholen. Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie sich systematisch und lediglich zur Kosteneinsparung sowie ohne jede medizinische Prüfung einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen wollte. Vielmehr hat sie im Verwaltungsverfahren und nach Hinweis des Gerichts auch im Berufungsverfahren unmissverständlich zu verstehen gegeben, sie wolle eine medizinische Prüfung des Sachverhaltes vornehmen. Für ein verwirkungsrelevantes Fehlverhalten der Klägerin im Prüfverfahren bleibt daher kein Raum.

Gegen ein Verwirkung des Anspruchs der Klägerin und einen gravierenden Verstoß gegen das Prüfverfahren durch die Klägerin spricht auch die Parallelwertung des BSG in den Abrechnungsfällen, in denen die Krankenkasse nicht bezahlt hat und es zu einem Rechtsverstoß gegen § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V gekommen ist. Danach führt die nicht zeitnahe Beauftragung des MDK nach Abrechnung und damit Verletzung der Frist von sechs Wochen des § 275 Abs.1c Satz 2 SGB V zu erheblichen Einschränkungen der Ermittlungsmöglichkeiten des MDK, der vom Krankenhaus auf die nach § 301 SGB V übermittelten Daten verwiesen werden kann. Diese Einschränkungen der Ermittlungsmöglichkeiten gelten dabei auch für das Gericht, rechtfertigen aber keinen völligen Einwendungsausschluss (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R sowie BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 27/11 R, jeweils zitiert nach juris). Hiervon macht das BSG bei § 275 Abs. 1c SGB V eine Ausnahme, wenn sich die Abrechnung bereits als formal nicht ordnungsgemäß darstellt und daher der Abrechnungsfall bereits auf der ersten Prüfungsstufe des dreistufigen Prüfungsverfahrens geblieben ist. In diesem Fall bleibt der Verstoß gegen § 275 Abs.1c SGB V für die Krankenkasse ohne Folgen, da die Abrechnung bereits nicht fällig gewesen ist. Die Krankenkasse darf, solange keine Fälligkeit der Rechnung besteht, trotz Ablauf der zeitlichen Frist immer noch den MDK beauftragen, da § 275 Abs. 1c SGB V nur auf der dritte Stufe des gesetzlichen Prüfungsverfahren seine Wirkungen entfaltet (vgl. BSG a.a.O.). Vergleicht man diese Fallkonstellation mit dem hier zu prüfenden Fall eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchanspruchs vor Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V, kann sich die Rechtslage für die Krankenkasse nicht nachteiliger darstellen. Die Abrechnung der Klägerin enthielt keinen Hinweis auf die ESWT als deutliches Indiz für eine regelmäßig ambulant durchzuführende Behandlung. Hätte die Abrechnungen diesen Hinweis enthalten, wäre die Abrechnung bereits von vornherein unschlüssig gewesen, was ggf. Raum für einen Verwirkungstatbestand zu Lasten der Klägerin hätte rechtfertigen können, da sie vorbehaltlos gezahlt hatte. Durch den fehlenden Hinweis auf die ESWT war die Abrechnung lediglich "verdeckt unschlüssig". Würde man die ESWT-Therapie als "sonstige Prozedur" im Sinne des § 301 Abs. 1 Nr. 6 SGB V verstehen, wofür durchaus einiges spricht, hätte die Beklagte nicht alle notwendigen Sozialdaten im Sinne des § 301 SGB V an die Klägerin übermittelt, was gegen die Fälligkeit der Abrechnung sprechen und einen Rückforderungsanspruch rechtfertigen könnte. Gleiches gilt für § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, da die Klägerin nach Feststellung der ESWT-Therapie als typisch ambulantem Behandlungsfall von der Beklagten eine gesonderte Begründung hätte verlangen können. Diese hat die Beklagte nicht abgegeben, sondern sich auch während des gesamten gerichtlichen Verfahrens auf die pauschale Behauptung zurückgezogen, es habe die Notwendigkeit für eine vollstationäre Behandlung bestanden. Dies entspricht jedoch nicht einer medizinischen Begründung im Sinne des § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Die Klägerin war daher nicht gehalten, den MDK mit der Begutachtung jedes Einzelfalls zu beauftragen, solange die Beklagte ihren Übermittlungspflichten nicht vollständig nachgekommen ist. Ein gravierender Pflichtenverstoß gegen das Prüfverfahren kann daher Klägerin daher nicht vorgeworfen werden.

Der Zinsanspruch beruht auf § 9 der Pflegesatzvereinbarung aus den Jahren 2001 bis 2002 bzw. § 8 der Pflegesatzvereinbarung des Jahres 2003, die eine Zinshöhe von 4 % bestimmt haben. Diese auf alle Rechnungen bezogene Zinssatzvereinbarung der Beteiligten ist auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach Anhängigkeit der jeweiligen Forderung gemäß § 291 Bürgerliches Gesetzbuch entsprechend anzuwenden. Soweit die Klägerin für den Versicherten T. einen Zinssatzanspruch in Höhe von 4 % Zinsen aus 1.786,05 EUR vor dem 28. September 2012 geltend gemacht hat, ist dieser Anspruch unberechtigt. Für den Versicherten T. hat die Klägerin die Klage am 15. Juni 2007 zurückgenommen, so dass sie erst mit der Klageerweiterung vom 28. September 2012 den Zinsanspruch geltend machen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hierbei wurde die Teilklagerücknahme vom 19. Juni 2007 zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt und mit 10 % bewertet.

Der Streitwert war gem. § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63, Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzen.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Unter welchen Voraussetzungen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in den Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten ausgeschlossen sein kann, ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt und bereits Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens beim BSG mit dem Aktenzeichen B 1 KR 2/13. Überdies ist höchstrichterlich nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung des Prüfungsverfahrens vor Einführung des § 275 Abs.1c SGB V bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in den Krankenhausabrechnungsstreitigkeiten zu einem völligen Einwendungsausschluss führen kann.
Rechtskraft
Aus
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