L 1 U 1925/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2249/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1925/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.04.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur Berufkrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen ist.

Der 1953 geborene Kläger war nach seiner zweijährigen Ausbildung zum Zierpflanzengärtner in der ehemaligen DDR (Zeitraum vom 01.09.1970 bis 31.08.1972) und anschließendem Besuch der Ingenieurschule für Zierpflanzenwirtschaft in D. (Zeitraum vom 01.09.1972 bis 1974) als Arbeitsgruppenleiter im Betrieb Saatzucht/Zierpflanzen B. beschäftigt (Zeitraum vom 01.01.1975 bis 15.01.1984). Er war für eine Gewächshausfläche von ca. 3.000 Quadratmeter verantwortlich, die hauptsächlich mit Nelken-Mutterpflanzen bepflanzt war. Seine Aufgabe bestand neben den üblichen Kulturarbeiten (Bewässerung, Düngung und Pflanzenschutz) in der Ernte von Nelkenstecklingen. Darüber hinaus wurden im Wechsel auch Gemüsegurken angebaut und geerntet, wobei der Kläger Holzkisten mit einem Lastgewicht von ca. 25 kg tragen musste. Im Zeitraum vom 16.01.1984 bis 30.11.1992 war er als Abteilungsleiter im Betrieb Gartenbau B. mit einer Gewächshausfläche von ca. 12.000 Quadratmeter beschäftigt. Sein Arbeitsschwerpunkt lag in der Rosenernte (ca. 90% Mitarbeit im Betrieb, 10% Verwaltungsarbeiten). Vom 01.12.1992 bis 31.10.2011 war er bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) als Betriebshelfer beschäftigt. Er war hierbei in verschiedenen Gärtnereien in Süddeutschland (ein- oder auch mehrwöchig) tätig. Seit 2001 kam es zu anhaltenden Rückenbeschwerden, sodass er zuletzt ab April 2009 durchgehend arbeitsunfähig war. Am 21.10.2009 wurde eine Bandscheibenprothese im Bereich L5/S1 implantiert. Zu diesem Zeitpunkt stellte der Kläger auch seine frühere Tätigkeit ein und nahm diese Arbeit auch nicht wieder auf. Seit dem 21.11.2011 arbeitet er im Innendienst (Registratur) der Beklagten.

Am 11.02.2010 zeigte der Facharzt für Orthopädie Dr. S. gegenüber der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit wegen eines Wirbelsäulenschadens und gegebenenfalls auch wegen eines Meniskusschadens an. Der Kläger habe seit über zehn Jahren in kürzer werdenden Abständen rezidivierende Kreuzschmerzen mit seit drei Jahren zunehmenden Wurzelreizerscheinungen und zusätzlich einen Meniskusinnenschaden rechts, für den am 25.09.2003 eine Arthroskopie erfolgt sei.

Auf Nachfrage der Beklagten gab der Kläger an, er habe an durchschnittlich 16 bis 20 Tagen im Monat und dabei jeweils zwischen zwei und sechs Stunden täglich Lasten (Kisten und Säcke) mit Gewichten von 25 bis 30 kg sowie Arbeitsmaterialien mit Gewichten von bis zu 35 kg getragen und Arbeiten am Boden in gebückter Haltung verrichtet, wobei er teilweise eine Schubkarre als Hilfsmittel verwendet habe. Die Beklagte holte daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Orthopäden Dr. T. vom 29.03.2010 ein, wonach es an einer Belastungskonformität des Schadensbildes fehle, was einer Anerkennungsempfehlung prinzipiell entgegenstehe. Unter Beachtung der Konsensempfehlungen liege am ehesten die Konstellation B 3 vor, zu der kein Konsens bestehe. Eine Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 oder 2110 komme daher nicht in Betracht. In seiner weiteren Stellungnahme vom 31.05.2010 verneinte er zudem die Kausalität im Hinblick auf das Vorliegen einer BK nach Nr. 2102 oder 2112.

Mit Bescheid vom 24.06.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 und nach Nr. 2110 der Anl. 1 zur BKV ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Da eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der BK Nr. 2108 bzw. 2110 nicht vorliege, könne seine Erkrankung nicht als BK anerkannt werden. Ob hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, könne dahingestellt bleiben. Hiergegen erhob der Kläger am 01.07.2010 Widerspruch, wobei er sich u.a. auf die fachärztliche Bescheinigung des Dr. S. vom 14.02.2011 stützte, wonach eine reduzierte Belastbarkeit der Wirbelsäule bei Bandscheibenprothese L5/S1 und rezidivierendem Lumbalsyndrom bei mehrsegmentalen degenerativen Veränderungen bestehe.

Nachdem der Kläger am 28.04.2011 die Beklagte zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage um Bescheidung bis spätestens 31.05.2011 gebeten hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2011 die Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 und 2112 der Anl. 1 zur BKV ab, da die festgestellten Erkrankungen nicht ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien.

Am 20.05.2011 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 und 2110 sowie nach Nr. 2102 und 2112 beantragt. Nachdem die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 08.06.2011 die Widersprüche abgelehnt hatte, hat der Kläger zur Begründung seiner Klage ausgeführt, er müsse zunächst ärztlich untersucht werden. Eine ablehnende Entscheidung nach Aktenlage werde seinen Gesundheitsstörungen nicht gerecht. Er sei seit 1970 Gärtner und damit beruflich veranlasst in extremer Rumpfbeugehaltung tätig gewesen mit entsprechendem Heben und Tragen von schweren Lasten. Auch seien seine Kniegelenke und der Meniskus (aufgrund der am Boden wachsenden Pflanzen) jeweils extrem belastet gewesen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 21.11.2011 eingeholt. Dieser diagnostizierte beim Kläger ein belastungsabhängiges, chronisch rezidivierendes lumbosakrales Schmerzsyndrom bei erheblicher bzw. altersuntypischer fortgeschrittener Osteochondrose im Segment L5/S1 mit Bandscheibenvorwölbung (kernspintomographisch bestätigt), im Folgenden Implantation einer Bandscheibenprothese im Segment L5/S1, radiologisch nachgewiesene Begleitspondylosen im oberen LWS- und unteren BWS-Abschnitt (lumbosakraler Übergangsbereich) sowie beginnende degenerative umformende Veränderungen im Bereich beider Kniegelenke (Stadium Kellgren I) ohne Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung. Die Veränderungen im Bereich der Kniegelenke könnten nicht als BK nach Nr. 2102 bzw. 2112 anerkannt werden, da der hierfür geforderte Grad II nach Kellgren in keinem der beiden Kniegelenke nachweisbar sei. Der degenerative Meniskusschaden sei daher nicht berufsbedingt, sondern schicksalshaft erworben. Im Hinblick auf die BK nach Nr. 2108 sei das Kriterium der Arbeitsaufgabe erfüllt. Unter Berücksichtigung eines Zeitraums von fast 40 Jahren mit einer ausreichenden Exposition könne auch von einer Kausalität im Bereich der Haftungsbegründung ausgegangen werden. Konkurrierende Ursachenfaktoren lägen beim Kläger nicht vor. Die beim Kläger nachgewiesenen Veränderungen an der Wirbelsäule seien mit den beruflichen Einwirkungen seit dem Jahr 1970 vereinbar. Es liege unzweifelhaft eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Segment L5/S1 vor bei fortgeschrittener Osteochondrose und Bandscheibenprotrusion. Des Weiteren fänden sich beim Kläger Begleitspondylosen in den oberen LWS- und unteren BWS-Segmenten, vor allem bei BWK12 und LWK1, was der geforderten belastungsadaptiven Reaktion morphologisch entspreche. Für ein weiteres positives Indiz spreche die im Kernspintomogramm nachgewiesene intradiskale Degeneration (Black Disc) auch der darüber liegenden Bandscheiben, ohne dass hier eine relevante Osteochondrose vorliege. Im Bereich der darüber liegenden Wirbelsäulenabschnitte habe der Kläger keine Beschwerden, insbesondere zeige die Halswirbelsäule (HWS) keinerlei Funktionsbehinderungen sowie keine angegebenen Beschwerden, sodass auch hier von einer generalisierten schicksalshaften degenerativen Wirbelsäulenerkrankung nicht ausgegangen werden könne. Entgegen der prüfärztlichen Einschätzung liege keine Konstellation nach B 3 vor, da diese nur angenommen werden könne, wenn keine Begleitspondylose und keine Zusatzkriterien vorlägen. Dabei habe Dr. T. die Spondylosen im Bereich der oberen LWS und unteren BWS nicht erwähnt und habe zugleich die dem Alter vorauseilenden umformenden Veränderungen verneint. Seines Erachtens seien hingegen altersuntypische Veränderungen vorhanden, betreffend die Höhenminderung der Bandscheibe mit Osteochondrose im fortgeschrittenen Stadium im Segment L5/S1 (Jahr 2009), d.h. vor Implantation der indizierten Bandscheibenprothese. Zusätzlich seien spondylarthrotische Veränderungen in diesem Segment kernspintomographisch im Jahre 2009 nachgewiesen sowie spondylotische Anbauten, vor allem im Bereich der genannten Segmente. Beim Kläger liege daher die Konstellation B 1 nach den Konsensempfehlungen aus dem Jahr 2005 vor.

Nachdem die Beklagte eine weitere Stellungnahme des Dr. T. vom 07.12.2011 vorgelegt hatte, hat das SG die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 17.01.2012 eingeholt, in der er seine Auffassung bestätigte, dass eine Konstellation B 1 vorliege. Denn entgegen der Ansicht des Prüfarztes Dr. T. lägen Begleitspondylosen in den oberen LWS-Segmenten bzw. unteren BWS-Segmenten vor. Im Hinblick auf den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei davon auszugehen, dass derzeit eine MdE von 10 v.H. vorliege. Die Beklagte hat diesbezüglich die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 22.02.2012 vorgelegt, wonach nach eigener Sichtung des Bildmaterials die beim Kläger vorhandenen Ausprägungen durchaus dem Alter des Versicherten entsprächen.

Mit Urteil vom 04.04.2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2011 insoweit aufgehoben, als er eine Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 ablehne und festgestellt, dass die LWS-Erkrankung des Klägers eine BK nach Nr. 2108 sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen der BK Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV seien erfüllt. Die erforderliche bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei im Hinblick auf die beim Kläger im Oktober 2009 erfolgte Implantation einer Bandscheibenprothese im Bereich L5/S1 unstreitig gegeben. Dies habe der Gutachter Dr. R. ausdrücklich bestätigt. Auch lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 vor. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Angaben des Klägers. Eines Nachweises der ausreichenden Hebe- und Tragebelastungen bzw. von Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung durch die Berechnung nach dem sogenannten Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) bedürfe es hingegen nicht. Im Hinblick darauf, dass die MDD-Werte "nicht beweisend" seien und auch der gerichtliche Sachverständige eine 40-jährige für die BK 2108 ausreichende Exposition und eine berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung angenommen habe, bestehe keine Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Die Verursachung der bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung durch die berufliche Belastung sei ausreichend wahrscheinlich, da Dr. R. ein sogenanntes belastungskonformes Schadensbild beim Kläger bestätigt habe. Unter Beachtung der im Jahr 2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen entspreche das beim Kläger vorliegende Schadensbild der Konstellation B 1, bei der ein Konsens für eine ausreichende Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung bestehe. Insofern sei dem Gutachten von Dr. R. zu folgen. Dieser habe die vorliegenden Röntgenaufnahmen und MRT-Bilder entsprechend befundet. Damit liege die zu fordernde vorauseilende Begleitspondylose im Bereich der oberen, von einer Bandscheibenschädigung noch nicht betroffenen LWS-Abschnitt,e und der unteren BWS vor. Schließlich habe Dr. R. auch eine Black Disc in den Folgesegmenten L1 bis L5 diagnostiziert. Soweit Dr. T. dem entgegenhalte, dass allenfalls eine Konstellation B 3 vorliege, sei dem nicht zu folgen. Diese Konstellation setze im Unterschied zu B 1 voraus, dass eine Begleitspondylose nicht erkennbar und keines der Zusatzkriterien der Konstellation B 2 erfüllt sei. Dr. T. stütze sich in nicht überzeugender Weise auf einen möglichen, aber nicht nachweisbaren Messfehler durch den gerichtlichen Gutachter und ignoriere, dass auch die nach B 2 zu fordernden Zusatzkriterien einer Black Disc im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten erfüllt sei. Eine Konstellation nach B 3 liege daher nicht vor. Auch habe der Kläger die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im März 2009 wegen der Bandscheibenerkrankung aufgegeben. Die Voraussetzungen der BK nach Nr. 2110, Nr. 2102 und nach Nr. 2112 lägen hingegen nicht vor.

Gegen das der Beklagten am 16.04.2012 zugestellte Urteil hat diese am 08.05.2012 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und diese ausdrücklich auf die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 der BKV durch das SG beschränkt. Die Ablehnung der übrigen BKen nach Nr. 2102, 2110 und 2112 sei nicht Gegenstand der Berufung. Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Einschätzung des Dr. R., wonach eine Konstellation B 1 vorliege, könne nicht gefolgt werden. Es sei davon auszugehen, dass lediglich eine Konstellation B 3 vorliege, sodass eine BK nach Nr. 2108 nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu begründen sei. Soweit das SG zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen ausführe, dass keine Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen bestehe, sei darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich eine Arbeitsplatzexpositionsanalyse notwendig sei. Eine Unterstellung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen genüge nicht. Sie sei jedoch bereit, eine entsprechende Arbeitsplatzexpositionsanalyse durchzuführen. Zur weiteren Begründung hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. T. vom 04.09.2013 vorgelegt, wonach eine Konstellation B 2 nicht vorliege. Die eigene Auswertung der Magnetresonanztomographie vom 02.04.2009 zeige nur eine geringe Signalminderung des Bandscheibengewebes im Segment L1/2, was man in dieser Ausprägung nicht als Black Disc bezeichnen könne. Davon könne man erst sprechen, wenn das Bandscheibengewebe keine Signale mehr aussende und dementsprechend gänzlich schwarz sei. Alleine Zeichen degenerativer Veränderungen bzw. Texturstörungen seien daher nicht im Sinne einer Black Disc zu interpretieren. Auch hätten sich keine relevanten Höhenminderungen der angrenzenden Bandscheibensegmente oberhalb des operierten Segments ergeben. Schließlich liege auch keine besonders intensive Belastung mit Erreichen der Lebensdosis in weniger als zehn Jahren oder gar ein besonderes Gefährdungspotential vor. Daher halte er weiterhin die Konstellation B 3 für zutreffend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04.04.2012 im Hinblick auf die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend. Seinen am 07.01.2013 gestellten Antrag, bei Dr. S. ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen, hat er am 16.08.2013 zurückgenommen.

Zur Ermittlung des Sachverhalts hat der Senat die weitere Aufklärung der arbeitstechnischen Voraussetzungen durch die Beklagte veranlasst. Diese hat die Arbeitsplatzexpositionsanalyse ihres Präventionsdienstes vom 10.06.2013 vorgelegt. Danach belief sich die Gesamtbelastungsdosis in den vier Zeiträumen von September 1970 bis Oktober 2011 (insgesamt 36,3 Jahre) auf 23,46 x 106 Nh. Der hälftige Dosiswert für Männer (12,5 x 106 Nh) werde im vorliegenden Fall deutlich überschritten. Die aktuell berechnete Gesamtbelastungsdosis entspreche 93,84% des ehemaligen Dosisrichtwertes von 25 x 106 Nh (für Männer) gemäß dem MDD-Modell. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BK nach Nr. 2110 seien hingegen eindeutig zu verneinen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2011 (§ 95 SGG) zutreffend teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die LWS-Erkrankung des Klägers eine BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 der BKV ist. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Nachdem lediglich die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG vom 04.04.2012 und der Kläger keine Anschlussberufung eingelegt hat, ist Streitgegenstand des Berufungsverfahrens nur noch der Bescheid vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2011, soweit hierin das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 verneint wurde. Denn die Beklagte hat ihre Berufung in zulässigerweise Weise auf die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 durch das SG beschränkt und mithin das Urteil des SG nur teilweise angefochten. Der Senat ist hieran gebunden (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl. 2012, § 157 Rdnr. 1a und 2a).

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) sowie das auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil der Kläger erstmalig über Lendenwirbelsäulenbeschwerden im Jahr 2000 bzw. 2001 geklagt und die lendenwirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Jahr 2009 aufgegeben hat, sodass der geltend gemachte Versicherungsfall nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, §§ 212 ff SGB VII).

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).

Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der Rechtsprechung des BSG keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr 4 BKV, jeweils Rdnr. 16 m.w.N. und - B 2 U 9/08 R = BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV, jeweils RdNr. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274).

Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 2108 wie folgt: "Bandscheiben bedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGB 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils Rdnr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 13 ff).

Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Nach Maßgabe dieser für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG ist im Fall des Klägers weder die Einwirkungskausalität noch die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem langjährigen Heben und Tragen und den Bandscheibenveränderungen an der LWS des Klägers zu verneinen.

Dabei stützt sich der Senat bei der Beurteilung der sogenannten arbeitstechnischen Kriterien (Einwirkungskausalität) auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten, der hierbei die MDD-Werte zugrunde gelegt hat. Das MDD-Modell legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für Risiko behaftende Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder - vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBL 2006, Heft 10, Seite 30 ff). Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus. Insofern hat das BSG in seiner Entscheidung vom 30.11.2008 (B 2 U 14/07 R = UV-Recht aktuell 2009, 295) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und Bandscheiben bedingter Erkrankung des LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlung verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 106 Nh herabzusetzen. Der Präventionsdienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 10.06.2013 die berufliche Belastung des Klägers ab dem 01.09.1970, also dem Zeitpunkt der Ausbildung zum Zierpflanzengärtner, ermittelt und dabei für den gesamten Zeitraum bis März 2009 (danach war der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt) Spitzenbelastungen zwischen 2,164 und 9,93 x 106 Nh angesetzt. Im Zeitraum vom 01.09.1970 bis 31.08.1972 ergab sich danach eine Belastungsdosis von 2,164 x 106 Nh, vom 01.01.1975 bis 15.01.1984 in Höhe von 3,095 x 106 Nh, vom 16.01.1984 bis 30.11.1992 in Höhe von 8,27 x 106 Nh und vom 01.12.1992 bis 31.03.2009 in Höhe von 9,93 x 106 Nh. Die Gesamtbelastungsdosis in den genannten vier Zeiträumen (insgesamt 36,3 Jahre) ergibt damit einen Wert von 23,46 x 106 Nh. Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde daher vom Kläger mit 23,46 x 106 Nh deutlich überschritten. Das Kriterium der Langjährigkeit, das in der Regel etwa zehn Jahre gefährdende Tätigkeit voraussetzt, ist beim Kläger ebenfalls erfüllt, da er auch als Abteilungsleiter ab Januar 1984 im Betrieb Gartenbau Wiesenthal zu 90 % im Betrieb mitarbeiten musste und nur 10 % der Arbeitszeit auf Verwaltungsarbeiten entfielen. Seit dem 01.12.1992 (bis 31.10.2011) war er durchgehend als Betriebshelfer im Gartenbaubetrieb beschäftigt.

Die genannten beruflichen Belastungen haben zu Bandscheibenschäden in der Lendenwirbelsäule des Klägers geführt. Der Kläger leidet an einem belastungsabhängigen chronisch rezidivierenden lumbosakralen Schmerzsyndrom bei erheblicher bzw. altersuntypischer fortgeschrittener Osteochondrose im Segment L 5/S1 mit Bandscheibenvorwölbung, die im Oktober 2009 zur Implantation einer Bandscheibenprothese im Segment L 5/S 1 geführt hat. Darüber hinaus leidet er an Begleitspondylosen im oberen LWS- und unterem BWS-Abschnitt (lumbosakraler Übergangsbereich; BWK 12 und LWK 1). Der Senat entnimmt dies dem Gutachten des Dr. R. vom 21.11.2011.

Maßstab für die medizinische Beurteilung des Kausalzusammenhangs, also die haftungsausfüllende Kausalität zwischen beruflich bedingten Einwirkungen und den bestehenden Erkrankungen sind auch für den Senat die von Dr. R. bereits in Bezug genommenen Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff). Weder der Sachverständige Dr. R. noch die Beklagte haben einen neueren von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aufgezeigt. Der Senat geht daher davon aus, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vgl. auch Senatsurteil vom 12.06.2012 - L 1 U 1207/11; s. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11.07.2013 - L 6 U 59/11 = juris). Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sind danach (vgl. Konsensempfehlungen Seite 216, Spalte 2 und 3) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Einwirkung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger litt im Zeitpunkt der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit unter einem belastungsabhängigen chronisch rezidivierenden lumbosakralen Schmerzsyndrom bei erheblicher bzw. altersuntypischer fortgeschrittener Osteochondrose im Segment L5/S1 mit Bandscheibenvorwölbung, die dazu geführt hat, dass ihm im Oktober 2009 eine Bandscheibenprothese im Bereich L 5/S1 eingesetzt wurde. Darüber hinaus leidet er an radiologisch nachgewiesenen Begleitspondylosen im oberen LWS- und unteren BWS-Abschnitt (lumboskraler Übergangsbereich: BWK 12 und LWK 1). Der Senat stützt sich hierbei auf das nachvollziehbare und schlüssige Gutachten des Dr. R ... Dieser hat auch überzeugend dargelegt, dass konkurrierende Ursachenfaktoren beim Kläger, wie z. B. eine eigenständige Wirbelsäulenerkrankung, nicht vorliegen. Im Bereich der HWS liegen hingegen keine Funktionseinschränkungen bzw. relevante degenerative Veränderungen vor. Dies hat Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2012 nochmals bestätigt.

Unter Zugrundelegung der Konsensempfehlungen handelt es sich im Falle des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. in seinem Gutachten vom 21.11.2011 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2012 um die Konstellation B 1. Danach muss ein belastungskonformes Schadensbild (d.h. die Einwirkung der beruflichen Belastung muss zu einer Schädigung von Bandscheiben in den unteren LWS-Segmenten L5/S1 und/oder L4/L5 geführt haben) vorliegen und wesentliche konkurrierende Ursachen müssen ausgeschlossen werden können. Darüber hinaus ist Voraussetzung, dass eine Begleitspondylose vorliegt. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Der Senat entnimmt dies dem bereits genannten Gutachten des Dr. R. vom 21.11.2011 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2012. Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft danach den Bereich L5/S1. Darüber hinaus liegen Spondylosen im Bereich der oberen LWS und unteren BWS vor. Dr. R. diagnostizierte eine deutliche ventrale Spondylose im Bereich der Grund- und Deckplatte LWK1, benachbart auch im Bereich der Deckplatte LWK2 sowie im Bereich der Grundplatte BWK 12. In diesen Segmenten findet sich auch eine Bandscheibenerniedrigung, d.h. bei BWK12/LWK1 sowie bei LWK1/LWK2, bei ansonsten unauffälligen Zwischenwirbelräumen bei L2/3, bei L3/4 und L4/5 ohne wesentliche Begleitspondylosen. Das Ausmaß der beschriebenen Spondylosen beträgt bei dem Kläger im Bereich der oberen LWS bzw. unteren BWS 3 bis 4 mm und ist bei einem Lebensalter unter 50 Jahre als altersuntypisch zu werten, was Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2012 überzeugend ausgeführt hat. Zwar fehlen Nativröntgenaufnahmen, die älter sind als aus dem Jahr 2003, sodass eine sichere Aussage zum Ausmaß der Spondylose zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen werden kann. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen ist allerdings davon auszugehen, dass bei der vorliegenden Belastungskonformität des Schadensbildes im Jahr 2009 (mit isolierter Schädigung lumbosakral und vorliegenden Begleitspondylosen im Bereich des thorako-lumbalen Übergangs) bereits zu diesem Zeitpunkt entsprechende Reaktionen nachweisbar waren.

Soweit der Beratungsarzt Dr. T. in seinen Stellungnahmen (zuletzt vom 04.09.2013) wiederholt die Auffassung vertritt, dass die Konstellation B 3 (wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: Nein; Begleitspondylosen: Nein) vorliege, folgt der Senat dieser Einschätzung nicht. Dr. T. setzt den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen des Dr. R. lediglich seiner eigene Auffassung und Bildauswertung (speziell der Magnetresonanztomografie vom 02.04.2009) entgegen. Ob beim Kläger im Bereich des Segments L1/2 eine Black disc vorliegt (wie von Dr. R. angenommen und von Dr. T. bestritten), kann der Senat aber dahingestellt sein lassen, da er - wie bereits ausgeführt - von dem Vorliegen der Konstellation B 1 überzeugt ist. Denn entgegen der Beurteilung durch Dr. T. liegen Begleitspondylosen in den oberen LWS-Segmenten bzw. unteren BWS-Segmenten vor. Der Senat stützt sich auch hierbei auf die insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. R ...

Infolge der beim Kläger im Bereich der LWS bestehenden Erkrankungen bestand des Weiteren der Zwang, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen. Der bei der BK Nr. 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Aufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R; Senatsurteil vom 08.11.2010 - L 1 U 2450/08). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt demgegenüber nicht. Der Kläger übt seit März 2009 die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit als Betriebshelfer nicht mehr aus. Vielmehr ist er seit November 2011 im Innendienst der Beklagten (Registratur) beschäftigt. Eine dauerhafte Unterlassung der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit liegt daher vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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