Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 5696/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3913/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2012 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente über den 30.06.2008 hinaus streitig.
Die 1966 geborene Klägerin, die sich 1990 wegen eines Gehirntumors (Kleinhirnastrozytom) einer Kleinhirnoperation unterziehen musste, war im Jahr 2007 bei der Firma A ... Autoparking GmbH am Flughafen als kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung beschäftigt. Am 15.08.2007 erlitt sie einen Wegeunfall. Sie knickte beim Überqueren einer Straße an der Bordsteinkante mit dem rechten Fuß nach außen um und stürzte. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes der Chirurgischen Praxis K. vom 15.08.2007 diagnostizierten die behandelnden Ärzte eine Außenbandläsion im rechten oberen Sprunggelenk. Im Bericht über die Kernspintomographie vom 13.09.2007 gab Radiologe Dr. K. an, im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes sei es zu einer Überdehnung, jedoch nicht zu einer vollständigen Ruptur des Ligamentum talofiburale anterius gekommen. Es bestehe kein Nachweis einer tendinösen Läsion. Die Klägerin trug daraufhin 2 1/2 Monate eine Aircast-Schiene und wurde in der Folge auch krankengymnastisch behandelt. Im Januar 2008 erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung, die jedoch nicht erfolgreich verlief.
Am 10.01.2008 stellte sich die Klägerin in der BG-Klinik T. vor. Ärztlicher Direktor Prof. Dr. W.diagnostizierte im Zwischenbericht vom 18.01.2008 eine Dystrophie nach stattgehabter fibolarer Bandruptur am rechten Sprunggelenk. Es sei wichtig, die Mobilisation unter Vollbelastung voranzutreiben. Derzeit bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß, da die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk rechts zu 50 % eingeschränkt sei. Die Klägerin wurde daraufhin im Februar 2008 stationär in der BG-Klinik behandelt und erhielt dort eine Schmerztherapie, die nach dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. W.vom 07.03.2008 bereits zu einer Verbesserung des Gangbildes und der Beweglichkeit im rechten unteren Sprunggelenk (nur noch um ein Drittel eingeschränkt) führte. Die Klägerin sei voraussichtlich ab dem 25.03.2008 wieder arbeitsfähig. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht verbleiben. Im Zwischenbericht vom 13.05.2008 gab er an, die Extension und Flexion im oberen Sprunggelenk sei mit 5-0-30 Grad im Seitenvergleich etwas eingeschränkt. Es bestehe weiterhin Arbeitsfähigkeit.
Die Beklagte holte daraufhin das erste Rentengutachten des Prof. Dr. W.vom 04.06.2008 und das neurologische Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. R. vom 02.09.2008 ein. Prof. Dr. W.gab an, als wesentliche Unfallfolge bestehe noch eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts bei stattgehabter Dystrophie am rechten oberen Sprunggelenk (rechts 5-0-40 Grad für dorsal Extension/Plantarflexion, links: 15-0-50 Grad). Vom 25.03. bis 30.05. betrage die MdE 20 v.H ... Nach Ablauf dieses Zeitraums werde die MdE voraussichtlich nur noch 0 v.H. betragen. Dr. R. gab in seinem Gutachten an, als Folge des Arbeitsunfalls habe sich eine sympathische Reflexdystrophie (komplexes regionales Schmerzsyndrom [CRPS] Typ I) entwickelt. Hierfür spreche eine von August bis Ende 2007 bestehende Schwellung des rechten Fußes. Allerdings habe eine wesentliche Schwellung bereits im Januar 2008 nicht mehr diagnostiziert werden können. Auch die vorhandenen Knochenentkalkungen bestätigten im Nachhinein die Diagnose eines CRPS Typ I. Dennoch habe kein schwergradiges Schmerzsyndrom vorgelegen, da sich während der ambulanten und stationären Untersuchungen in der BG-Klinik T. keine relevanten vegetativen Störungen oder sensomotorischen Defizite gezeigt hätten. Im klinischen Untersuchungsbefund zeige sich jetzt nur noch eine Einschränkung im Hinblick die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk. Vegetative Störungen oder fokale neurologische Defizite lägen nicht vor. Auch die Elektroneurographie sei unauffällig gewesen. Auf neurologischem Fachgebiet lägen daher keine Unfallfolgen mehr vor.
Mit Bescheid vom 18.02.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalles vom 15.08.2007 ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um wenigstens 20 % gemindert sei. Als Folgen des Versicherungsfalls anerkannte die Beklagte eine leichte endgradige Einschränkung der Beweglichkeit der Dorsalextension und eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts am rechten oberen Sprunggelenk sowie glaubhaft subjektive Beschwerden nach Zerrung des rechten oberen Sprunggelenks mit Überdehnung des Außenbandapparates mit anschließender sympathischer Reflexdystrophie.
Ihren deswegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, durch den Arbeitsunfall vom 15.08.2007 hätten sich enorme Gesundheitsschäden entwickelt und die Gutachten stimmten nicht mit ihrem damaligen Gesundheitszustand überein. Bei ihr habe sich ein Schmerzsyndrom entwickelt. Das CRPS Typ I sei viel zu spät diagnostiziert worden und habe sich hierdurch chronifiziert. Sie habe "höllische" Schmerzen, wobei der Verlauf schwer beeinflussbar und die seelische Belastung sehr groß sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die durch den Versicherungsfall bedingten Beschwerden keine MdE um mindestens 20 % nach dem Ende des Verletztengeldanspruches verursachten. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden und Schmerzen seien bei der Entschädigung der MdE berücksichtigt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie leide nicht nur unter einer leichtgradigen, sondern unter einer starken Reflexdystrophie. Ihr rechtes Bein schmerze vom Zeh bis zum Knie ständig und zudem sei die Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beschwerden im rechten Fuß hätten sich insgesamt verschlimmert. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin das MdK-Gutachten des Dr. D. vom 21.07.2009 sowie den Entlassungsbericht des Dr. H. vom 18.11.2009 (stationärer Aufenthalt im Reha-Zentrum B. A. vom 14.10. bis 11.11.2009; Diagnosen: Kokzygodynie, pseudoradikuläres HWS-/LWS-Syndrom und persistierende Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk) vorgelegt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. D. vom 07.12.2009 eingeholt. Danach sei die Fußsohlenbeschwielung seitengleich ausgebildet gewesen. Die Beweglichkeit in beiden Hüft-, Knie-, unteren Sprung- und in den Zehengelenken sei seitengleich vollständig. Im rechten oberen Sprunggelenk habe sich eine fehlende aktive Überstreckbarkeit bei nur ganz endgradig eingeschränkter Beugefähigkeit gezeigt. Bei der Untersuchung hätten sich im Hinblick auf das regionale Schmerzsyndrom jetzt keine objektiven pathologischen Veränderungen mehr nachweisen lassen. Inspektorisch bestehe keine Differenz in den seitengleich regelrecht ausgebildeten Weichteilen beider Füße und auch die Röntgenaufnahme des rechten Vorfußes vom 26.10.2009 zeige eine regelrechte Knochenstruktur des rechten Vorfußes. Als Folgen des Arbeitsunfalls läge noch vor: fehlende aktive Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk und ganz endgradig eingeschränkte Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk. Unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit bedinge die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk eine MdE von kleiner als 10 v.H ... Nach Zeiträumen gestaffelt schätze er die MdE vom 25.03. bis 24.06.2008 mit 20 v.H. und ab dem 25.06.2008 mit kleiner als 10 v.H. ein.
Nachdem die Klägerin Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. D. erhoben hatte, hat das SG dessen ergänzende Stellungnahme vom 08.04.2010 eingeholt. Hierin hat der Gutachter ausgeführt, die Schmerzangaben hätten zwar eine Indizwirkung im Rahmen des therapeutischen Bemühens. Im Rahmen der Begutachtung handele es sich jedoch um das unsicherste Kriterium. Die ranghöchsten objektiven Befunde stellten die im Rahmen des Gutachtens dokumentierte gleichseitige Muskelbemantelung und gleichseitige Fußsohlenbeschwielung dar, die eine MdE-pflichtige Minderbelastbarkeit der rechten unteren Extremität ausschließe. Ein weiterer objektiver Befund seien die Röntgenaufnahmen vom 26.10.2009, die eine regelrechte Knochenstruktur und entsprechenden Mineralsalzgehalt des Skeletts gezeigt hätten, wodurch eine fleckförmige Entkalkung ausgeschlossen sei. Er verbleibe daher bei seiner Einschätzung.
Die Beklagte hat sich daraufhin bereit erklärt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. vom 25.03. bis 30.06.2008 zu gewähren. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Am 23.04.2012 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18.06.2012 bestimmt, nachdem es bereits mit Schreiben vom 09.02.2011 darauf hingewiesen hatte, dass weitere Ermittlungen nicht beabsichtigt seien. Unter dem 04.05.2012 hat die Klägerin die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Privatdozent Dr. W ... beantragt. Das SG hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 109 SGG verfristet sei und diesem nicht nachgekommen werde (Schreiben vom 08.05.2012). Am 24.05.2012 hat es den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 06.08.2012 verlegt. In diesem Termin hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ab dem 01.07.2008 keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H ... Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. Weise, des Dr. R. und des Dr. D ... Danach stehe fest, dass die Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls an einer fehlenden aktiven Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk sowie an einer ganz endgradig eingeschränkten Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk leide. Die Einschätzung des Dr. D. sei überzeugend und nachvollziehbar. Da die Versteifung des oberen Sprunggelenks in günstiger Stellung zu einer MdE von 20 v.H. führe, bedinge die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk bei der Klägerin eine MdE von weniger als 10 v.H ... Die von Dr. D. vorgenommene Einschätzung decke sich mit den erhobenen Befunden zur Funktionsbeeinträchtigung. Im Rahmen der vergleichende Inspektion der unteren Gliedmaßen habe er eine seitengleich regelrecht kräftig ausgeprägte Muskulatur im Bereich beider Ober- und Unterschenkel festgestellt. Auch die übrigen von ihm erhobenen Befunde zeigten keine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung. Aus dem Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. A. folge nichts anderes. Schließlich führten auch die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen zu keiner anderen Beurteilung. Dr. R. habe nachvollziehbar beschrieben, dass die Klägerin an einem leichtgradigen CRPS Typ I gelitten habe. Zum Zeitpunkt seiner Begutachtung hätte dieser jedoch keine relevanten vegetativen Störungen oder sonomotorische Defizite mehr feststellen können. Die Einschätzung, dass es sich lediglich um ein leichtgradiges CRPS gehandelt habe, werde auch durch das MdK-Gutachten vom 21.07.2009 bestätigt. Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG habe nicht nachgekommen werden müssen, da die Klägerin ihren Antrag nach bereits vorangegangenem Hinweis verspätet gestellt habe, sodass die Gutachtenseinholung den Rechtsstreit verzögert hätte. Die Klägerin habe diesen Antrag auch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung wiederholt.
Mit Bescheid vom 05.09.2012 hat die Beklagte in Umsetzung ihres Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 18.02.2009 teilweise abgeändert und entschieden, dass die Klägerin aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 Anspruch auf Verletztenrente vom 25.03.2008 bis 30.06.2008 nach einer MdE von 20 v.H. habe. Über diesen Zeitraum hinaus bestehe keinen Anspruch auf Rente, da die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert sei. Es verbleibe im Übrigen bei den im Bescheid vom 18.02.2009 festgestellten Unfallfolgen und Leistungsumfängen.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16.08.2012 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 14.09.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und - ohne die Berufung weiter zu begründen - zugleich beantragt, bei Privatdozent Dr. W ... ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 in der Fassung des Bescheids vom 05.09.2012 zu verurteilen, eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab dem 01.07.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entsprechend dem Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W ... vom 06.02.2013 eingeholt. In seinem Gutachten führt Dr. W ... aus, die Klägerin habe angegebenen, an drei Wochentagen in das Sportstudio zu gehen, um dort Yoga zu machen und an einem Rückenkurs teilzunehmen. Zuhause mache sie (manchmal mehrmals am Tag) Bewegungsübungen, unter anderem Pilates. Bei der Befunderhebung gab er an, der Muskeltonus der Extremitäten sei seitengleich und die grobe Kraft an den Beinen sei erhalten sowie der Zehen- und Fersengang möglich gewesen. An den Beinen seien die Angaben bei Kalt-/Warmdifferenzierungen sehr ungenau gewesen. Bezüglich des Umgangs mit ihren Beschwerden hätten sich Hinweise auf eine Neigung zum Katastrophieren gezeigt. Die Folgen des Arbeitsunfalls könnten nicht isoliert betrachtet werden, da bereits schon vorher mehrere hochrelevante Dispositionen (erkennbare Schmerzsyndrome, Krankheits- und Operationsfolgen) vorgelegen hätten. Ende der 1980iger Jahre habe sich ein Kleinhirnastrozytom mit Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen entwickelt. 1990 sei es deswegen zu einer Kleinhirnoperation gekommen. Es liege eine sehr komplexe Krankheitsentwicklung mit Beginn in der frühesten Kindheit vor. Es bestünden weiterhin schmerzhafte Muskelverspannungen und empfindliche Muskelansätze (Insertionstendynosen) am Becken rechts, unter dem rechten Knie und der rechten Achillessehne. Diese Insertionstendynosen bzw. Muskelverspannungen an der rechten unteren Extremität ließen sich als Folge der erlittenen Sprunggelenksschädigung mit nachfolgendem komplexen regionalen Schmerzsyndrom auffassen. Typisch bei diesem Syndrom sei, das relativ geringfügige Traumatisierungen zu erheblichen Beschwerden führten. Die äußerlich-somomatischen Symptome hätten sich bei der Klägerin aber erfreulicherweise gut zurückgebildet, während ihre Fuß-/Beinschmerzen rechts persistierten und behandelt würden, als Teil ihrer Gesamtproblematik. Die Unfallfolgen stellten einen Faktor unter mehreren dispositionellen Teilursachen dar. Es handle sich um anhaltende Fuß- und Beinschmerzen bei diskreten Muskelverspannungen und Einschränkungen der Beweglichkeit des linken Beins im Sprunggelenk, Empfindlichkeit von Achillessehne und Pes anserinus unter dem linken Knie. Die motorischen Leistungen seien dadurch geringgradig eingeschränkt. Die Beinschmerzen seien ein Teil der multilokulären Beschwerden im Bereich von Nacken, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Steißbein sowie auch der muskulären Verspannungen am rechten Arm. Nach Abschluss einer Fortbildungsmaßnahme im April 2009, während derer die Fuß-/Beinschmerzen schlimmer gewesen seien, habe kein spezielles Behandlungserfordernis hinsichtlich der Unfallfolgen mehr bestanden. Im MdK-Gutachten des Dr. D. vom Juli 2009 seien die Unfallfolgen nicht an oberster Stelle seiner Diagnosen gestanden, sondern eine Kokzygodynie. Auch im Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. A. seien die Schmerzen erst an dritter Stelle genannt worden, sodass nach seiner Einschätzung die Verringerung der MdE von 20 auf 10 v.H. im Laufe des Jahres 2009 (etwa Mai 2009) eingetreten sei. Seither bestehe eine MdE von 10 v.H ... Als Schmerzmediziner erachte er die anhaltenden Schmerzen als Krankheitsfaktor wichtiger als andere Gutachter.
Die Beklagte hat - nach Hinweis auf § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 411 Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) - zu dem Gutachten des Dr. W ... Stellung genommen und hierzu - innerhalb der vom Senat gesetzten Nachfrist - die Stellungnahmen des Arztes für Chirurgie Dr. S. vom 08.05.2013 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 18.05.2013 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 über den 30.06.2008 hinaus.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist der Bescheid vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 05.09.2012. Der Bescheid vom 05.09.2012 ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 05.09.2012 hat den Bescheid vom 18.02.2009 in Ausführung des Teilanerkenntnisses der Beklagten (nur) abgeändert und nicht voll ersetzt. Dies ergibt sich aus dem Bescheid vom 05.09.2012 unmittelbar, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es im Übrigen bei dem im Bescheid vom 18.02.2009 festgestellten Unfallfolgen und Leistungsumfängen verbleibe. Die hierdurch kraft Gesetzes bedingte Klageänderung ist jedoch bereits im Klageverfahren eingetreten, denn der Bescheid vom 05.09.2012 ist der Klägerin nach Zustellung des Urteils (16.08.2012), aber noch vor Einlegung der Berufung (14.09.2012) bekannt gegeben und damit nach § 39 Abs. 1 Satz Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) innerhalb der Berufungsfrist wirksam geworden. Über die Rechtmäßigkeit eines solchen Bescheids ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Grundsätzen zu entscheiden, die die Rechtsprechung für die Fälle entwickelt hat, in denen das Sozialgericht übersehen hat, dass ein neuer Verwaltungsakt gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist (BSG vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R = SozR 4-7837 § 4 Nr. 2 Rdnr. 17 m.w.N.). Dementsprechend muss der Senat bereits im Wege der Überprüfung des Urteils des SG über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids mitentscheiden (BSG vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R = SozR 4-7837 § 3 Nr. 1 Rdnr. 18). Über den Bescheid vom 05.09.2012 entscheidet der Senat daher im Rahmen der Berufung und nicht auf Klage hin (vgl. hierzu auch Behrend, in: Hennig, Kommentar zum SGG, § 96 Rdnr. 49, Stand August 2009).
Gemäß § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII; versicherte Tätigkeit). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. nur BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht mithin anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil vom 06.08.2012 rechtfertigen die verbliebenen Folgen des (von der Beklagten in dem Bescheid vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 sowie in dem Bescheid vom 05.09.2012 unstreitig als Versicherungsfall anerkannten) Arbeitsunfalls vom 15.08.2007 nicht die Gewährung einer Verletztenrente. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht. Denn auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren führen nicht dazu, dass die Klägerin - wie zuletzt im Änderungsbescheid vom 05.09.2012 von der Beklagten zutreffend entschieden - einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 über den 30.06.2008 hinaus hat.
Im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass an diesem Ergebnis auch das Gutachten des Dr. W ... vom 06.02.2013 nichts ändert. Denn seine Einschätzung, wonach eine rentenberechtigende MdE in Höhe von 20 v.H. bis April 2009 und seither eine MdE von 10 bestehe, überzeugt den Senat nicht. Die von Dr. W ... erhobenen Befunde rechtfertigen die von ihm vorgenommene MdE-Einschätzung nicht. Denn nach der aktuellen medizinischen Literatur führt ein Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knochengabel verheilt ist, zu einer MdE von 0 bis 10. Nur bei einer Verbreiterung der Knochengabel oder Sprengung der Bandverbindung, bei einer sekundärer Verkantung des Sprungbeines oder bei einer sekundären Arthrose mit wesentlicher Funktionsstörung kann eine MdE von 30 anerkannt werden. Eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks (0-0-30 Grad) führt zu einer MdE von 10, die Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung zu einer MdE von 25 und die Versteifung des oberen Sprunggelenks zu einer MdE zwischen 20 und 30 (Schönberger/Merthens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 678; vgl. auch Mehrhoff/Meindl/Mohr, Unfallbegutachtung, 12. Auflage 2010, S. 166). Da die Versteifung des oberen Sprunggelenkes in günstiger Stellung zu einer MdE von 20 führt, bedingt die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk bei der Klägerin ab dem 01.07.2008 lediglich eine MdE von weniger als 10 v.H ... Der Senat schließt sich insofern der Einschätzung des Dr. D. an, der lediglich eine fehlende aktive Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk sowie eine ganz endgradig eingeschränkte Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk festgestellt hat. Dr. W ... hat diesbezüglich keine anderen Befunde erhoben. Er hat vielmehr angegeben, dass der Muskeltonus der Extremitäten seitengleich und die grobe Kraft in den Beinen erhalten sowie der Zehen- und Fersengang möglich gewesen sei. Die motorischen Leistungen seien durch die von der Klägerin geklagten Fuß- und Beinschmerzen nur geringgradig eingeschränkt. Er fand lediglich eine diskrete Druckempfindlichkeit an der Achillessehne rechts und des Pes anserinus "unter dem linken Knie" sowie diskrete Muskelverspannungen. Dabei konnte er hinsichtlich der Unfallfolgen kein spezielles Behandlungserfordernis mehr feststellen. Gegen eine höhergradige Einschränkung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. W ... an drei Wochentagen in einem Sportstudio Yoga betreibt und an einem Rückenkurs teilnimmt sowie zuhause (an manchen Tagen mehrmals) Bewegungs- und Pilatesübungen durchführt.
Die Einschätzung des Dr. W ... überzeugt aber auch im Hinblick auf das bei der Klägerin früher diagnostizierte Schmerzsydnrom (CRPS Typ I) nicht. Weder bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W.am 30.05.2008 noch bei der neurologischen Begutachtung durch Dr. R. am 01.07.2008 fanden sich Hinweise auf ein noch bestehendes CRPS Typ I. Die Untersuchungen ergaben lediglich noch eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts bei stattgehabter Dystrophie am rechten oberen Sprunggelenk. Neurologisch zeigten sich keine vegetativen Störungen, keine fokal neurologischen Defizite und eine unauffällige Elektroneurographie. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Prof. Dr. W.vom 04.06.2008 und des Dr. R. vom 02.09.2008, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnten. Insofern schätzen die beiden genannten Gutachter die MdE in überzeugender Weise bis Ende Juni 2008 mit 20 v.H. ein. Soweit Dr. W ... darauf hinweist, dass er als Schmerzmediziner den (von der Klägerin subjektiv geklagten) Schmerzen eine größere Bedeutung zumesse, überzeugt auch dies im Ergebnis nicht. Denn er setzt sich bei seiner Einschätzung nicht damit auseinander, dass die Klägerin (wie von ihm selbst angegeben) zum Katastrophieren neigt. Hierzu hätte jedoch Anlass bestanden, zumal Dr. W ... auch ausdrücklich auf die bereits schon vor dem Versicherungsfall vorhandenen mehreren hochrelevanten Dispositionen (Schmerzsyndrome, Krankheits- und Operationsfolgen) hingewiesen hat. Eine Abgrenzung zu den unmittelbaren Unfallfolgen vom 15.08.2007 ist ihm daher nicht gelungen. Vielmehr hat er in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Folge der erlittenen Sprunggelenksschädigung mit nachfolgendem regionalem Schmerzsyndrom ein Teil der Gesamtproblematik der Klägerin sei und die Unfallfolgen mithin nur ein Faktor unter mehreren dispositionellen Teilursachen darstelle. Nach seiner Auffassung sind damit die Beinschmerzen ein Teil der multilokulären Beschwerden im Bereich von Nacken, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Steißbein sowie auch der muskulären Verspannungen am rechten Arm. Unabhängig davon, dass - wie bereits dargelegt - Prof. Dr. W.und Dr. R. im Mai bzw. Juli 2008 kein Schmerzsyndrom mehr diagnostizieren konnten, kann aufgrund der eben dargestellten Ausführungen des Dr. W ... auch keine haftungsausfüllende Kausalität begründet werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in den einschlägigen MdE-Richtwerten die "üblicherweise vorhandenen Schmerzen" bereits berücksichtigt sind (vgl. nur Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 221). Es sind keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin darüber hinausgehend Schmerzen hat, die in außergewöhnlicher Weise Auswirkungen auf ihre Erwerbsfähigkeit haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente über den 30.06.2008 hinaus streitig.
Die 1966 geborene Klägerin, die sich 1990 wegen eines Gehirntumors (Kleinhirnastrozytom) einer Kleinhirnoperation unterziehen musste, war im Jahr 2007 bei der Firma A ... Autoparking GmbH am Flughafen als kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung beschäftigt. Am 15.08.2007 erlitt sie einen Wegeunfall. Sie knickte beim Überqueren einer Straße an der Bordsteinkante mit dem rechten Fuß nach außen um und stürzte. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes der Chirurgischen Praxis K. vom 15.08.2007 diagnostizierten die behandelnden Ärzte eine Außenbandläsion im rechten oberen Sprunggelenk. Im Bericht über die Kernspintomographie vom 13.09.2007 gab Radiologe Dr. K. an, im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes sei es zu einer Überdehnung, jedoch nicht zu einer vollständigen Ruptur des Ligamentum talofiburale anterius gekommen. Es bestehe kein Nachweis einer tendinösen Läsion. Die Klägerin trug daraufhin 2 1/2 Monate eine Aircast-Schiene und wurde in der Folge auch krankengymnastisch behandelt. Im Januar 2008 erfolgte eine stufenweise Wiedereingliederung, die jedoch nicht erfolgreich verlief.
Am 10.01.2008 stellte sich die Klägerin in der BG-Klinik T. vor. Ärztlicher Direktor Prof. Dr. W.diagnostizierte im Zwischenbericht vom 18.01.2008 eine Dystrophie nach stattgehabter fibolarer Bandruptur am rechten Sprunggelenk. Es sei wichtig, die Mobilisation unter Vollbelastung voranzutreiben. Derzeit bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß, da die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk rechts zu 50 % eingeschränkt sei. Die Klägerin wurde daraufhin im Februar 2008 stationär in der BG-Klinik behandelt und erhielt dort eine Schmerztherapie, die nach dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. W.vom 07.03.2008 bereits zu einer Verbesserung des Gangbildes und der Beweglichkeit im rechten unteren Sprunggelenk (nur noch um ein Drittel eingeschränkt) führte. Die Klägerin sei voraussichtlich ab dem 25.03.2008 wieder arbeitsfähig. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht verbleiben. Im Zwischenbericht vom 13.05.2008 gab er an, die Extension und Flexion im oberen Sprunggelenk sei mit 5-0-30 Grad im Seitenvergleich etwas eingeschränkt. Es bestehe weiterhin Arbeitsfähigkeit.
Die Beklagte holte daraufhin das erste Rentengutachten des Prof. Dr. W.vom 04.06.2008 und das neurologische Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. R. vom 02.09.2008 ein. Prof. Dr. W.gab an, als wesentliche Unfallfolge bestehe noch eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts bei stattgehabter Dystrophie am rechten oberen Sprunggelenk (rechts 5-0-40 Grad für dorsal Extension/Plantarflexion, links: 15-0-50 Grad). Vom 25.03. bis 30.05. betrage die MdE 20 v.H ... Nach Ablauf dieses Zeitraums werde die MdE voraussichtlich nur noch 0 v.H. betragen. Dr. R. gab in seinem Gutachten an, als Folge des Arbeitsunfalls habe sich eine sympathische Reflexdystrophie (komplexes regionales Schmerzsyndrom [CRPS] Typ I) entwickelt. Hierfür spreche eine von August bis Ende 2007 bestehende Schwellung des rechten Fußes. Allerdings habe eine wesentliche Schwellung bereits im Januar 2008 nicht mehr diagnostiziert werden können. Auch die vorhandenen Knochenentkalkungen bestätigten im Nachhinein die Diagnose eines CRPS Typ I. Dennoch habe kein schwergradiges Schmerzsyndrom vorgelegen, da sich während der ambulanten und stationären Untersuchungen in der BG-Klinik T. keine relevanten vegetativen Störungen oder sensomotorischen Defizite gezeigt hätten. Im klinischen Untersuchungsbefund zeige sich jetzt nur noch eine Einschränkung im Hinblick die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk. Vegetative Störungen oder fokale neurologische Defizite lägen nicht vor. Auch die Elektroneurographie sei unauffällig gewesen. Auf neurologischem Fachgebiet lägen daher keine Unfallfolgen mehr vor.
Mit Bescheid vom 18.02.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalles vom 15.08.2007 ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um wenigstens 20 % gemindert sei. Als Folgen des Versicherungsfalls anerkannte die Beklagte eine leichte endgradige Einschränkung der Beweglichkeit der Dorsalextension und eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts am rechten oberen Sprunggelenk sowie glaubhaft subjektive Beschwerden nach Zerrung des rechten oberen Sprunggelenks mit Überdehnung des Außenbandapparates mit anschließender sympathischer Reflexdystrophie.
Ihren deswegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, durch den Arbeitsunfall vom 15.08.2007 hätten sich enorme Gesundheitsschäden entwickelt und die Gutachten stimmten nicht mit ihrem damaligen Gesundheitszustand überein. Bei ihr habe sich ein Schmerzsyndrom entwickelt. Das CRPS Typ I sei viel zu spät diagnostiziert worden und habe sich hierdurch chronifiziert. Sie habe "höllische" Schmerzen, wobei der Verlauf schwer beeinflussbar und die seelische Belastung sehr groß sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die durch den Versicherungsfall bedingten Beschwerden keine MdE um mindestens 20 % nach dem Ende des Verletztengeldanspruches verursachten. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden und Schmerzen seien bei der Entschädigung der MdE berücksichtigt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.08.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie leide nicht nur unter einer leichtgradigen, sondern unter einer starken Reflexdystrophie. Ihr rechtes Bein schmerze vom Zeh bis zum Knie ständig und zudem sei die Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beschwerden im rechten Fuß hätten sich insgesamt verschlimmert. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin das MdK-Gutachten des Dr. D. vom 21.07.2009 sowie den Entlassungsbericht des Dr. H. vom 18.11.2009 (stationärer Aufenthalt im Reha-Zentrum B. A. vom 14.10. bis 11.11.2009; Diagnosen: Kokzygodynie, pseudoradikuläres HWS-/LWS-Syndrom und persistierende Schmerzen im rechten oberen Sprunggelenk) vorgelegt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. D. vom 07.12.2009 eingeholt. Danach sei die Fußsohlenbeschwielung seitengleich ausgebildet gewesen. Die Beweglichkeit in beiden Hüft-, Knie-, unteren Sprung- und in den Zehengelenken sei seitengleich vollständig. Im rechten oberen Sprunggelenk habe sich eine fehlende aktive Überstreckbarkeit bei nur ganz endgradig eingeschränkter Beugefähigkeit gezeigt. Bei der Untersuchung hätten sich im Hinblick auf das regionale Schmerzsyndrom jetzt keine objektiven pathologischen Veränderungen mehr nachweisen lassen. Inspektorisch bestehe keine Differenz in den seitengleich regelrecht ausgebildeten Weichteilen beider Füße und auch die Röntgenaufnahme des rechten Vorfußes vom 26.10.2009 zeige eine regelrechte Knochenstruktur des rechten Vorfußes. Als Folgen des Arbeitsunfalls läge noch vor: fehlende aktive Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk und ganz endgradig eingeschränkte Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk. Unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit bedinge die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk eine MdE von kleiner als 10 v.H ... Nach Zeiträumen gestaffelt schätze er die MdE vom 25.03. bis 24.06.2008 mit 20 v.H. und ab dem 25.06.2008 mit kleiner als 10 v.H. ein.
Nachdem die Klägerin Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. D. erhoben hatte, hat das SG dessen ergänzende Stellungnahme vom 08.04.2010 eingeholt. Hierin hat der Gutachter ausgeführt, die Schmerzangaben hätten zwar eine Indizwirkung im Rahmen des therapeutischen Bemühens. Im Rahmen der Begutachtung handele es sich jedoch um das unsicherste Kriterium. Die ranghöchsten objektiven Befunde stellten die im Rahmen des Gutachtens dokumentierte gleichseitige Muskelbemantelung und gleichseitige Fußsohlenbeschwielung dar, die eine MdE-pflichtige Minderbelastbarkeit der rechten unteren Extremität ausschließe. Ein weiterer objektiver Befund seien die Röntgenaufnahmen vom 26.10.2009, die eine regelrechte Knochenstruktur und entsprechenden Mineralsalzgehalt des Skeletts gezeigt hätten, wodurch eine fleckförmige Entkalkung ausgeschlossen sei. Er verbleibe daher bei seiner Einschätzung.
Die Beklagte hat sich daraufhin bereit erklärt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. vom 25.03. bis 30.06.2008 zu gewähren. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Am 23.04.2012 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18.06.2012 bestimmt, nachdem es bereits mit Schreiben vom 09.02.2011 darauf hingewiesen hatte, dass weitere Ermittlungen nicht beabsichtigt seien. Unter dem 04.05.2012 hat die Klägerin die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Privatdozent Dr. W ... beantragt. Das SG hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 109 SGG verfristet sei und diesem nicht nachgekommen werde (Schreiben vom 08.05.2012). Am 24.05.2012 hat es den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 06.08.2012 verlegt. In diesem Termin hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ab dem 01.07.2008 keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H ... Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. Weise, des Dr. R. und des Dr. D ... Danach stehe fest, dass die Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls an einer fehlenden aktiven Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk sowie an einer ganz endgradig eingeschränkten Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk leide. Die Einschätzung des Dr. D. sei überzeugend und nachvollziehbar. Da die Versteifung des oberen Sprunggelenks in günstiger Stellung zu einer MdE von 20 v.H. führe, bedinge die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk bei der Klägerin eine MdE von weniger als 10 v.H ... Die von Dr. D. vorgenommene Einschätzung decke sich mit den erhobenen Befunden zur Funktionsbeeinträchtigung. Im Rahmen der vergleichende Inspektion der unteren Gliedmaßen habe er eine seitengleich regelrecht kräftig ausgeprägte Muskulatur im Bereich beider Ober- und Unterschenkel festgestellt. Auch die übrigen von ihm erhobenen Befunde zeigten keine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung. Aus dem Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums B. A. folge nichts anderes. Schließlich führten auch die bei der Klägerin vorliegenden Schmerzen zu keiner anderen Beurteilung. Dr. R. habe nachvollziehbar beschrieben, dass die Klägerin an einem leichtgradigen CRPS Typ I gelitten habe. Zum Zeitpunkt seiner Begutachtung hätte dieser jedoch keine relevanten vegetativen Störungen oder sonomotorische Defizite mehr feststellen können. Die Einschätzung, dass es sich lediglich um ein leichtgradiges CRPS gehandelt habe, werde auch durch das MdK-Gutachten vom 21.07.2009 bestätigt. Dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG habe nicht nachgekommen werden müssen, da die Klägerin ihren Antrag nach bereits vorangegangenem Hinweis verspätet gestellt habe, sodass die Gutachtenseinholung den Rechtsstreit verzögert hätte. Die Klägerin habe diesen Antrag auch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung wiederholt.
Mit Bescheid vom 05.09.2012 hat die Beklagte in Umsetzung ihres Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 18.02.2009 teilweise abgeändert und entschieden, dass die Klägerin aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 Anspruch auf Verletztenrente vom 25.03.2008 bis 30.06.2008 nach einer MdE von 20 v.H. habe. Über diesen Zeitraum hinaus bestehe keinen Anspruch auf Rente, da die Erwerbsfähigkeit nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert sei. Es verbleibe im Übrigen bei den im Bescheid vom 18.02.2009 festgestellten Unfallfolgen und Leistungsumfängen.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16.08.2012 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 14.09.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und - ohne die Berufung weiter zu begründen - zugleich beantragt, bei Privatdozent Dr. W ... ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.
Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06.08.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 in der Fassung des Bescheids vom 05.09.2012 zu verurteilen, eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. ab dem 01.07.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entsprechend dem Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W ... vom 06.02.2013 eingeholt. In seinem Gutachten führt Dr. W ... aus, die Klägerin habe angegebenen, an drei Wochentagen in das Sportstudio zu gehen, um dort Yoga zu machen und an einem Rückenkurs teilzunehmen. Zuhause mache sie (manchmal mehrmals am Tag) Bewegungsübungen, unter anderem Pilates. Bei der Befunderhebung gab er an, der Muskeltonus der Extremitäten sei seitengleich und die grobe Kraft an den Beinen sei erhalten sowie der Zehen- und Fersengang möglich gewesen. An den Beinen seien die Angaben bei Kalt-/Warmdifferenzierungen sehr ungenau gewesen. Bezüglich des Umgangs mit ihren Beschwerden hätten sich Hinweise auf eine Neigung zum Katastrophieren gezeigt. Die Folgen des Arbeitsunfalls könnten nicht isoliert betrachtet werden, da bereits schon vorher mehrere hochrelevante Dispositionen (erkennbare Schmerzsyndrome, Krankheits- und Operationsfolgen) vorgelegen hätten. Ende der 1980iger Jahre habe sich ein Kleinhirnastrozytom mit Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen entwickelt. 1990 sei es deswegen zu einer Kleinhirnoperation gekommen. Es liege eine sehr komplexe Krankheitsentwicklung mit Beginn in der frühesten Kindheit vor. Es bestünden weiterhin schmerzhafte Muskelverspannungen und empfindliche Muskelansätze (Insertionstendynosen) am Becken rechts, unter dem rechten Knie und der rechten Achillessehne. Diese Insertionstendynosen bzw. Muskelverspannungen an der rechten unteren Extremität ließen sich als Folge der erlittenen Sprunggelenksschädigung mit nachfolgendem komplexen regionalen Schmerzsyndrom auffassen. Typisch bei diesem Syndrom sei, das relativ geringfügige Traumatisierungen zu erheblichen Beschwerden führten. Die äußerlich-somomatischen Symptome hätten sich bei der Klägerin aber erfreulicherweise gut zurückgebildet, während ihre Fuß-/Beinschmerzen rechts persistierten und behandelt würden, als Teil ihrer Gesamtproblematik. Die Unfallfolgen stellten einen Faktor unter mehreren dispositionellen Teilursachen dar. Es handle sich um anhaltende Fuß- und Beinschmerzen bei diskreten Muskelverspannungen und Einschränkungen der Beweglichkeit des linken Beins im Sprunggelenk, Empfindlichkeit von Achillessehne und Pes anserinus unter dem linken Knie. Die motorischen Leistungen seien dadurch geringgradig eingeschränkt. Die Beinschmerzen seien ein Teil der multilokulären Beschwerden im Bereich von Nacken, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Steißbein sowie auch der muskulären Verspannungen am rechten Arm. Nach Abschluss einer Fortbildungsmaßnahme im April 2009, während derer die Fuß-/Beinschmerzen schlimmer gewesen seien, habe kein spezielles Behandlungserfordernis hinsichtlich der Unfallfolgen mehr bestanden. Im MdK-Gutachten des Dr. D. vom Juli 2009 seien die Unfallfolgen nicht an oberster Stelle seiner Diagnosen gestanden, sondern eine Kokzygodynie. Auch im Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klinik B. A. seien die Schmerzen erst an dritter Stelle genannt worden, sodass nach seiner Einschätzung die Verringerung der MdE von 20 auf 10 v.H. im Laufe des Jahres 2009 (etwa Mai 2009) eingetreten sei. Seither bestehe eine MdE von 10 v.H ... Als Schmerzmediziner erachte er die anhaltenden Schmerzen als Krankheitsfaktor wichtiger als andere Gutachter.
Die Beklagte hat - nach Hinweis auf § 118 Abs. 1 SGG i. V. m. § 411 Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) - zu dem Gutachten des Dr. W ... Stellung genommen und hierzu - innerhalb der vom Senat gesetzten Nachfrist - die Stellungnahmen des Arztes für Chirurgie Dr. S. vom 08.05.2013 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 18.05.2013 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 über den 30.06.2008 hinaus.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist der Bescheid vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 05.09.2012. Der Bescheid vom 05.09.2012 ist gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Bescheid vom 05.09.2012 hat den Bescheid vom 18.02.2009 in Ausführung des Teilanerkenntnisses der Beklagten (nur) abgeändert und nicht voll ersetzt. Dies ergibt sich aus dem Bescheid vom 05.09.2012 unmittelbar, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es im Übrigen bei dem im Bescheid vom 18.02.2009 festgestellten Unfallfolgen und Leistungsumfängen verbleibe. Die hierdurch kraft Gesetzes bedingte Klageänderung ist jedoch bereits im Klageverfahren eingetreten, denn der Bescheid vom 05.09.2012 ist der Klägerin nach Zustellung des Urteils (16.08.2012), aber noch vor Einlegung der Berufung (14.09.2012) bekannt gegeben und damit nach § 39 Abs. 1 Satz Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) innerhalb der Berufungsfrist wirksam geworden. Über die Rechtmäßigkeit eines solchen Bescheids ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Grundsätzen zu entscheiden, die die Rechtsprechung für die Fälle entwickelt hat, in denen das Sozialgericht übersehen hat, dass ein neuer Verwaltungsakt gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist (BSG vom 26.05.2011 - B 10 EG 12/10 R = SozR 4-7837 § 4 Nr. 2 Rdnr. 17 m.w.N.). Dementsprechend muss der Senat bereits im Wege der Überprüfung des Urteils des SG über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids mitentscheiden (BSG vom 20.12.2012 - B 10 EG 19/11 R = SozR 4-7837 § 3 Nr. 1 Rdnr. 18). Über den Bescheid vom 05.09.2012 entscheidet der Senat daher im Rahmen der Berufung und nicht auf Klage hin (vgl. hierzu auch Behrend, in: Hennig, Kommentar zum SGG, § 96 Rdnr. 49, Stand August 2009).
Gemäß § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII; versicherte Tätigkeit). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. nur BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht mithin anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil vom 06.08.2012 rechtfertigen die verbliebenen Folgen des (von der Beklagten in dem Bescheid vom 18.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 sowie in dem Bescheid vom 05.09.2012 unstreitig als Versicherungsfall anerkannten) Arbeitsunfalls vom 15.08.2007 nicht die Gewährung einer Verletztenrente. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht. Denn auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren führen nicht dazu, dass die Klägerin - wie zuletzt im Änderungsbescheid vom 05.09.2012 von der Beklagten zutreffend entschieden - einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.08.2007 über den 30.06.2008 hinaus hat.
Im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass an diesem Ergebnis auch das Gutachten des Dr. W ... vom 06.02.2013 nichts ändert. Denn seine Einschätzung, wonach eine rentenberechtigende MdE in Höhe von 20 v.H. bis April 2009 und seither eine MdE von 10 bestehe, überzeugt den Senat nicht. Die von Dr. W ... erhobenen Befunde rechtfertigen die von ihm vorgenommene MdE-Einschätzung nicht. Denn nach der aktuellen medizinischen Literatur führt ein Sprunggelenksverrenkungsbruch, der in guter Stellung unter Erhaltung der Knochengabel verheilt ist, zu einer MdE von 0 bis 10. Nur bei einer Verbreiterung der Knochengabel oder Sprengung der Bandverbindung, bei einer sekundärer Verkantung des Sprungbeines oder bei einer sekundären Arthrose mit wesentlicher Funktionsstörung kann eine MdE von 30 anerkannt werden. Eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks (0-0-30 Grad) führt zu einer MdE von 10, die Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks in Funktionsstellung zu einer MdE von 25 und die Versteifung des oberen Sprunggelenks zu einer MdE zwischen 20 und 30 (Schönberger/Merthens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 678; vgl. auch Mehrhoff/Meindl/Mohr, Unfallbegutachtung, 12. Auflage 2010, S. 166). Da die Versteifung des oberen Sprunggelenkes in günstiger Stellung zu einer MdE von 20 führt, bedingt die Beweglichkeitseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk bei der Klägerin ab dem 01.07.2008 lediglich eine MdE von weniger als 10 v.H ... Der Senat schließt sich insofern der Einschätzung des Dr. D. an, der lediglich eine fehlende aktive Überstreckbarkeit im rechten oberen Sprunggelenk sowie eine ganz endgradig eingeschränkte Beugung bei sonographisch nachgewiesener verdickter Schleimhaut im rechten oberen Sprunggelenk festgestellt hat. Dr. W ... hat diesbezüglich keine anderen Befunde erhoben. Er hat vielmehr angegeben, dass der Muskeltonus der Extremitäten seitengleich und die grobe Kraft in den Beinen erhalten sowie der Zehen- und Fersengang möglich gewesen sei. Die motorischen Leistungen seien durch die von der Klägerin geklagten Fuß- und Beinschmerzen nur geringgradig eingeschränkt. Er fand lediglich eine diskrete Druckempfindlichkeit an der Achillessehne rechts und des Pes anserinus "unter dem linken Knie" sowie diskrete Muskelverspannungen. Dabei konnte er hinsichtlich der Unfallfolgen kein spezielles Behandlungserfordernis mehr feststellen. Gegen eine höhergradige Einschränkung spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. W ... an drei Wochentagen in einem Sportstudio Yoga betreibt und an einem Rückenkurs teilnimmt sowie zuhause (an manchen Tagen mehrmals) Bewegungs- und Pilatesübungen durchführt.
Die Einschätzung des Dr. W ... überzeugt aber auch im Hinblick auf das bei der Klägerin früher diagnostizierte Schmerzsydnrom (CRPS Typ I) nicht. Weder bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W.am 30.05.2008 noch bei der neurologischen Begutachtung durch Dr. R. am 01.07.2008 fanden sich Hinweise auf ein noch bestehendes CRPS Typ I. Die Untersuchungen ergaben lediglich noch eine geringgradige Entkalkung des Knochenskeletts bei stattgehabter Dystrophie am rechten oberen Sprunggelenk. Neurologisch zeigten sich keine vegetativen Störungen, keine fokal neurologischen Defizite und eine unauffällige Elektroneurographie. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Prof. Dr. W.vom 04.06.2008 und des Dr. R. vom 02.09.2008, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden konnten. Insofern schätzen die beiden genannten Gutachter die MdE in überzeugender Weise bis Ende Juni 2008 mit 20 v.H. ein. Soweit Dr. W ... darauf hinweist, dass er als Schmerzmediziner den (von der Klägerin subjektiv geklagten) Schmerzen eine größere Bedeutung zumesse, überzeugt auch dies im Ergebnis nicht. Denn er setzt sich bei seiner Einschätzung nicht damit auseinander, dass die Klägerin (wie von ihm selbst angegeben) zum Katastrophieren neigt. Hierzu hätte jedoch Anlass bestanden, zumal Dr. W ... auch ausdrücklich auf die bereits schon vor dem Versicherungsfall vorhandenen mehreren hochrelevanten Dispositionen (Schmerzsyndrome, Krankheits- und Operationsfolgen) hingewiesen hat. Eine Abgrenzung zu den unmittelbaren Unfallfolgen vom 15.08.2007 ist ihm daher nicht gelungen. Vielmehr hat er in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Folge der erlittenen Sprunggelenksschädigung mit nachfolgendem regionalem Schmerzsyndrom ein Teil der Gesamtproblematik der Klägerin sei und die Unfallfolgen mithin nur ein Faktor unter mehreren dispositionellen Teilursachen darstelle. Nach seiner Auffassung sind damit die Beinschmerzen ein Teil der multilokulären Beschwerden im Bereich von Nacken, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Steißbein sowie auch der muskulären Verspannungen am rechten Arm. Unabhängig davon, dass - wie bereits dargelegt - Prof. Dr. W.und Dr. R. im Mai bzw. Juli 2008 kein Schmerzsyndrom mehr diagnostizieren konnten, kann aufgrund der eben dargestellten Ausführungen des Dr. W ... auch keine haftungsausfüllende Kausalität begründet werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in den einschlägigen MdE-Richtwerten die "üblicherweise vorhandenen Schmerzen" bereits berücksichtigt sind (vgl. nur Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., S. 221). Es sind keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin darüber hinausgehend Schmerzen hat, die in außergewöhnlicher Weise Auswirkungen auf ihre Erwerbsfähigkeit haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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