Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3378/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4847/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsantrages die Neuberechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger wurde am 1978 geboren. Mit Bescheid vom 10.03.2003 bewilligte ihm die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2002 befristet bis zum 30.06.2004. In Anlage 6 des Bescheides wurde der Zugangsfaktor auf 0,940 gekürzt und ausgehend von insgesamt 17,7899 Entgeltpunkten wurden die persönlichen Entgeltpunkte auf 16,7225 (17,7899 x 0,940) festgelegt. Mit Bescheid vom 23.02.2004 wurde die Rente bis zum 30.06.2006 weitergewährt. Mit Bescheid vom 22.11.2005 wurde die befristete Rente in eine Dauerrente umgewandelt. Hierbei legte die Beklagte weiterhin die im Bescheid vom 10.03.2003 vorgenommene Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte zugrunde.
Mit Schreiben vom 25.12.2006, beim Beklagten eingegangen am 28.12.2006, beantragte der Kläger gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung der Rentenbewilligungsbescheide und Neufeststellung der Rente ohne Abschläge und Nachzahlung der einbehaltenen Kürzungsbeträge unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (Az. B 4 RA 22/05 R, SozR 4-2600 § 77 Nr. 2). Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 26.03.2007 ab. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 zurückgewiesen.
Am 10.07.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 11 R 3763/07). Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 24.02.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 20.06.2011 hat der Kläger das Verfahren durch seinen Bevollmächtigten wieder angerufen und dazu ausgeführt, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09, SozR 4-2600 § 77 Nr. 9) solle das Verfahren weiter betrieben werden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Abänderung der Rentenbewilligungsbescheide vom 10.03.2003, vom 23.02.2004 und vom 22.11.2005. Beim Erlass der Rentenbescheide vom 10.03.2003, vom 23.02.2004 und vom 22.11.2005 sei das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer mit einem ungeminderten Zugangsfaktor berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Höhe des Zugangsfaktors bestimme sich nach § 77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI (in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung)), für Renten, die - wie hier - vor dem 01.01.2004 begannen, in Verbindung mit § 264c SGB VI. Er richte sich gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimme, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien. Der Zugangsfaktor sei nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Ansprach genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0.
Der Kläger habe bei Rentenbeginn das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Die Beklagte hatte daher nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI den Zugangsfaktor niedriger als mit 1,0 zugrunde zu legen. Nach den Sätzen 2 und 3 des § 77 Abs. 2 SGB VI sei dann, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginne, die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Nach der Übergangsregelung in § 264c SGB VI (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) sei bei der Ermittlung des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor dem 01.01.2004 beginnen, anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 angegebenen Lebensalters maßgebend. Für einen Rentenbeginn am 01.08.2002 sehe Anlage 23 zum SGB VI als maßgebliches Lebensalter ein Lebensalter von 61 Jahren und 4 Monaten vor. Zwischen dem Kalendermonat der Vollendung des 61. Lebensjahres und 4. Lebensmonats und dem Kalendermonat der Vollendung des 63. Lebensjahres lägen 20 Monate. Hiernach habe die Beklagte den der Rentenberechnung des Klägers zugrunde zu legenden Zugangsfaktor korrekt für alle maßgeblichen Entgeltpunkte um 0,060 gemindert.
Der Zugangsfaktor sei auch dann abzusenken, wenn die Erwerbsminderungsrente - wie hier - vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werde (BSG, Urteile vom 14.08.2008 - B 5 R 32/07 R - und vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R -; a.A. BSG, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R -). Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (a.a.O.) ausgeführt habe, bestünden hiergegen - auch unter Berücksichtigung der gegenteiligen Auffassung des 4. Senats des BSG in seinem Urteil vom 16.05.2006 (Az. B 4 RA 22/05 R) - keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liege keine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) vor, da die Berechnung des Zugangsfaktors nach Maßgabe von § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI einem legitimen Zweck diene und verhältnismäßig sei. Insbesondere sei die Absenkung des Zugangsfaktors den Betroffenen auch zumutbar, da der Abschlag nicht nur in der Höhe begrenzt sei, sondern die Betroffenen zudem von zusätzlichen Entgeltpunkten profitierten. Mit Rücksicht auf die Übergangsregelungen des § 264c SGB VI in der Fassung vom 19.02.2002 sei auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 seien ebenfalls nicht verletzt.
Gegen den ihm am 12.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.11.2011 Berufung beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und dazu ausgeführt, die Kürzung des Rentenzugangsfaktor auf unter 1,0 verletze ihn in seinen Rechten. Selbst wenn nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Verletzung nationalen Rechts nicht bestehen sollte, verstoße § 77 Abs. 2 Nr. Satz 1 Nr. 3 SGB VI mit der Berechnung des Zugangsfaktors gegen europäisches Recht in Gestalt der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und zwar gegen Art 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK (Schutz des Eigentums), Art. 14 EMRK (Verbot der Diskriminierung wegen Krankheit), Art. 14 EMRK (Recht auf Gleichbehandlung) und Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Er werde durch die Gleichstellung mit vorzeitigen Altersrentnern diskriminiert. Denn er habe im Gegensatz zu diesen krankheitsbedingt nicht selbst über den Rentenbeginn bestimmen können, sondern krankheitsbedingt die Rente in jungen Jahren in Anspruch nehmen müssen. Er dürfe krankheitsbedingt nicht schlechter gestellt werden als andere Rentenberechtigte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 10. März 2003, 23. Februar 2004 und 22. November 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 (statt eines auf 0,940 geminderten Zugangsfaktors) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Bescheide.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28.10.2013, die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.11.2013 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines ungekürzten Zugangsfaktors hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass die Rentenberechnung nach den anzuwendenden einfachgesetzlichen Bestimmungen der Rentenberechnung (§§ 77, 264c SGB VI) korrekt erfolgt ist und dass diese Bestimmungen auch nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Der erkennende Senat schließt sich dem an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anlässlich des Berufungsvorbringens ist (lediglich) ergänzend auszuführen, dass der Senat die Auffassung des Klägers nicht teilt, dass die (einfachgesetzlichen) Bestimmungen des Rentenrechts gegen das Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen die EMRK, verstoßen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistungen des Rechts auf Achtung des Eigentums (Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) i.V.m. dem Diskriminierungsverbot gem. Art. 14 EMRK in ihrem Schutzgehalt weiter reichen als die entsprechenden Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 14, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 GG). Insofern gelten die Ausführungen des BVerfG in der Entscheidung vom 11.01.2011 (a.a.O.) zur Vereinbarkeit von §§ 77, 264c SGB VI mit dem Grundgesetz, denen sich der Senat ausdrücklich anschließt (s. bereits Urteil des Senats vom 17.02.2009 - L 9 R 3441/07-), entsprechend auch für die Vereinbarkeit mit den gerügten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente des Klägers nach §§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2, 264c SGB VI stellt keine diskriminierende Verletzung seiner Eigentumsrechte aufgrund von Krankheit gem. Art 14 EMRK i.V.m. Art 1 des Protokolls Nr.1 dar. Denn die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist dadurch gerechtfertigt, dass durch die Gewährung der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Rentenbezugszeit verlängert wird. Der Tatsache, dass die Rente krankheitsbedingt früher in Anspruch genommen wird, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit erheblich geringeren Abschlägen belastet werden als Versicherte, die vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen (BVerfG a.a.O.). Eine Diskriminierung des Klägers im Sinne von Art. 14 EMRK ist insoweit nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsantrages die Neuberechnung seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger wurde am 1978 geboren. Mit Bescheid vom 10.03.2003 bewilligte ihm die Beklagte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2002 befristet bis zum 30.06.2004. In Anlage 6 des Bescheides wurde der Zugangsfaktor auf 0,940 gekürzt und ausgehend von insgesamt 17,7899 Entgeltpunkten wurden die persönlichen Entgeltpunkte auf 16,7225 (17,7899 x 0,940) festgelegt. Mit Bescheid vom 23.02.2004 wurde die Rente bis zum 30.06.2006 weitergewährt. Mit Bescheid vom 22.11.2005 wurde die befristete Rente in eine Dauerrente umgewandelt. Hierbei legte die Beklagte weiterhin die im Bescheid vom 10.03.2003 vorgenommene Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte zugrunde.
Mit Schreiben vom 25.12.2006, beim Beklagten eingegangen am 28.12.2006, beantragte der Kläger gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung der Rentenbewilligungsbescheide und Neufeststellung der Rente ohne Abschläge und Nachzahlung der einbehaltenen Kürzungsbeträge unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (Az. B 4 RA 22/05 R, SozR 4-2600 § 77 Nr. 2). Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 26.03.2007 ab. Der vom Kläger dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 zurückgewiesen.
Am 10.07.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 11 R 3763/07). Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das SG mit Beschluss vom 24.02.2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 20.06.2011 hat der Kläger das Verfahren durch seinen Bevollmächtigten wieder angerufen und dazu ausgeführt, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.2011 (1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09, SozR 4-2600 § 77 Nr. 9) solle das Verfahren weiter betrieben werden.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Abänderung der Rentenbewilligungsbescheide vom 10.03.2003, vom 23.02.2004 und vom 22.11.2005. Beim Erlass der Rentenbescheide vom 10.03.2003, vom 23.02.2004 und vom 22.11.2005 sei das Recht nicht unrichtig angewandt und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer mit einem ungeminderten Zugangsfaktor berechneten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Höhe des Zugangsfaktors bestimme sich nach § 77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI (in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung)), für Renten, die - wie hier - vor dem 01.01.2004 begannen, in Verbindung mit § 264c SGB VI. Er richte sich gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimme, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien. Der Zugangsfaktor sei nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Ansprach genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0.
Der Kläger habe bei Rentenbeginn das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Die Beklagte hatte daher nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI den Zugangsfaktor niedriger als mit 1,0 zugrunde zu legen. Nach den Sätzen 2 und 3 des § 77 Abs. 2 SGB VI sei dann, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginne, die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Nach der Übergangsregelung in § 264c SGB VI (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) sei bei der Ermittlung des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor dem 01.01.2004 beginnen, anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 angegebenen Lebensalters maßgebend. Für einen Rentenbeginn am 01.08.2002 sehe Anlage 23 zum SGB VI als maßgebliches Lebensalter ein Lebensalter von 61 Jahren und 4 Monaten vor. Zwischen dem Kalendermonat der Vollendung des 61. Lebensjahres und 4. Lebensmonats und dem Kalendermonat der Vollendung des 63. Lebensjahres lägen 20 Monate. Hiernach habe die Beklagte den der Rentenberechnung des Klägers zugrunde zu legenden Zugangsfaktor korrekt für alle maßgeblichen Entgeltpunkte um 0,060 gemindert.
Der Zugangsfaktor sei auch dann abzusenken, wenn die Erwerbsminderungsrente - wie hier - vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen werde (BSG, Urteile vom 14.08.2008 - B 5 R 32/07 R - und vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R -; a.A. BSG, Urteil vom 16.05.2006 - B 4 RA 22/05 R -). Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 11.01.2011 (a.a.O.) ausgeführt habe, bestünden hiergegen - auch unter Berücksichtigung der gegenteiligen Auffassung des 4. Senats des BSG in seinem Urteil vom 16.05.2006 (Az. B 4 RA 22/05 R) - keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liege keine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) vor, da die Berechnung des Zugangsfaktors nach Maßgabe von § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI einem legitimen Zweck diene und verhältnismäßig sei. Insbesondere sei die Absenkung des Zugangsfaktors den Betroffenen auch zumutbar, da der Abschlag nicht nur in der Höhe begrenzt sei, sondern die Betroffenen zudem von zusätzlichen Entgeltpunkten profitierten. Mit Rücksicht auf die Übergangsregelungen des § 264c SGB VI in der Fassung vom 19.02.2002 sei auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 seien ebenfalls nicht verletzt.
Gegen den ihm am 12.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.11.2011 Berufung beim Landesozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und dazu ausgeführt, die Kürzung des Rentenzugangsfaktor auf unter 1,0 verletze ihn in seinen Rechten. Selbst wenn nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Verletzung nationalen Rechts nicht bestehen sollte, verstoße § 77 Abs. 2 Nr. Satz 1 Nr. 3 SGB VI mit der Berechnung des Zugangsfaktors gegen europäisches Recht in Gestalt der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und zwar gegen Art 1 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK (Schutz des Eigentums), Art. 14 EMRK (Verbot der Diskriminierung wegen Krankheit), Art. 14 EMRK (Recht auf Gleichbehandlung) und Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Er werde durch die Gleichstellung mit vorzeitigen Altersrentnern diskriminiert. Denn er habe im Gegensatz zu diesen krankheitsbedingt nicht selbst über den Rentenbeginn bestimmen können, sondern krankheitsbedingt die Rente in jungen Jahren in Anspruch nehmen müssen. Er dürfe krankheitsbedingt nicht schlechter gestellt werden als andere Rentenberechtigte.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 10. März 2003, 23. Februar 2004 und 22. November 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 (statt eines auf 0,940 geminderten Zugangsfaktors) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Bescheide.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28.10.2013, die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.11.2013 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines ungekürzten Zugangsfaktors hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, dass die Rentenberechnung nach den anzuwendenden einfachgesetzlichen Bestimmungen der Rentenberechnung (§§ 77, 264c SGB VI) korrekt erfolgt ist und dass diese Bestimmungen auch nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Der erkennende Senat schließt sich dem an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anlässlich des Berufungsvorbringens ist (lediglich) ergänzend auszuführen, dass der Senat die Auffassung des Klägers nicht teilt, dass die (einfachgesetzlichen) Bestimmungen des Rentenrechts gegen das Gemeinschaftsrecht, namentlich gegen die EMRK, verstoßen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistungen des Rechts auf Achtung des Eigentums (Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) i.V.m. dem Diskriminierungsverbot gem. Art. 14 EMRK in ihrem Schutzgehalt weiter reichen als die entsprechenden Grundrechte des Grundgesetzes (Art. 14, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 GG). Insofern gelten die Ausführungen des BVerfG in der Entscheidung vom 11.01.2011 (a.a.O.) zur Vereinbarkeit von §§ 77, 264c SGB VI mit dem Grundgesetz, denen sich der Senat ausdrücklich anschließt (s. bereits Urteil des Senats vom 17.02.2009 - L 9 R 3441/07-), entsprechend auch für die Vereinbarkeit mit den gerügten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente des Klägers nach §§ 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2, 264c SGB VI stellt keine diskriminierende Verletzung seiner Eigentumsrechte aufgrund von Krankheit gem. Art 14 EMRK i.V.m. Art 1 des Protokolls Nr.1 dar. Denn die Kürzung des Zugangsfaktors bei der Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist dadurch gerechtfertigt, dass durch die Gewährung der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Rentenbezugszeit verlängert wird. Der Tatsache, dass die Rente krankheitsbedingt früher in Anspruch genommen wird, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Bezieher einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit erheblich geringeren Abschlägen belastet werden als Versicherte, die vorzeitig eine Altersrente in Anspruch nehmen (BVerfG a.a.O.). Eine Diskriminierung des Klägers im Sinne von Art. 14 EMRK ist insoweit nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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