L 2 SF 124/13 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SF 10/13 AB
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 124/13 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 2. April 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. besteht.

Bereits am 25. April 1994 hatte die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) einen Arbeitsunfall erlitten. Insoweit hatte sie vor dem Sozialgerichts Würzburg unter dem Aktenzeichen S 5 U 338/08 gegen die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (nunmehr: Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie) ein Klageverfahren mit dem Begehren einer höheren Verletztenrente als nach einer MdE in Höhe von 20 v.H. geführt. In diesem Zusammenhang ist die Bf. auch von dem Chirurgen Dr. H. gerichtsärztlich untersucht worden, der in seinem Gutachten vom 23. Juli 2009 zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Unfallfolgen mit einer MdE von 20 v.H. zutreffend bewertet seien. Die Klage ist mit Urteil vom 23. Juli 2009 abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung hatte die Bf. zurückgenommen. Im weiteren Verlauf ist die Bf. auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie am 29. Juli 2010 von Dr. P. untersucht worden, der in einem zweiten Rentengutachten ausgeführt hatte, dass die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen des Unfalls vom 25. April 1994 jetzt noch um 25 v.H. herabgesetzt sei.

Die Bf. erlitt am 27. Januar 2007 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe einen weiteren Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 25. März 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 22. Juli 2008 sowie des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente zunächst ab und stellte fest, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis 23. Juli 2007 bestand. Im Klageverfahren (Az.: S 13 U 123/09) kam der vom Sozialgericht Würzburg beauftragte Chirurg Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 19. November 2010 zu dem Ergebnis, dass die Unfallfolgen erst ab 1. Oktober 2009 mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten seien und eine Behandlungsbedürftigkeit über den 24.07.2007 hinaus nicht bestehe. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2009 gewährte die Beklagte eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v.H. ab
1. Oktober 2009. Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011 ab, da für den vorausgegangenen Zeitraum die MdE ausreichend in Höhe von 10 v.H. bewertet sei. Im Rahmen eines am 14. Juni 2011 vor dem Bayerischen Landessozialgericht geschlossenen Vergleich nahm die Bf. die Berufung zurück.

In Ausführung des gerichtlichen Vergleichs leitete die Beklagte eine Heilverfahrenskontrolle ein. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Dezember 2011 lehnte die Beklagte die Übernahme weiterer Behandlungskosten ab. Ferner versagte sie mit Bescheid vom 26. März 2012 wegen fehlender Mitwirkung der Bf. eine Verletztenrente in Höhe von 10 v.H. ab 1. April 2012. Die gegen die streitgegenständlichen Bescheide erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 30. Mai 2012 und 29. Juni 2012 zurück.

Mit den am 26. Juni 2012 (S 5 U 168/12) und 17. Juli 2012 () erhobenen Klagen begehrt die Bf. die weitere Gewährung von Heilbehandlung sowie die Aufhebung des Bescheides vom 26. März 2012 bezüglich der Versagung der Verletztenrente.

Das Gericht hat mit Gutachtensauftrag vom 20. Dezember 2012 in der Streitsache S 5 U 168/12 den Chirurgen Dr. H. als Sachverständigen beauftragt. Mit Schreiben vom 9. Januar 2013 hat die Bf. unter Vorlage des in der Streitsache S 5 U 338/08 erstellten Gutachtens des Chirurgen Dr. H. vom 23. Juli 2009 bezüglich des Arbeitsunfalls der Klägerin vom 25. Mai 1994 sowie unter Vorlage des für die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie erstellten Gutachtens des Chirurgen Dr. P. vom 2. August 2010 bezüglich des gleichen Arbeitsunfalls vom 25. Mai 1994 beantragt, den Kammervorsitzenden sowie den vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr. H. wegen Befangenheit abzulehnen. Dr. H. habe sie bezüglich des Arbeitsunfalls vom 25. Mai 1994 mit einem negativen Ergebnis begutachtet. Dieser habe eine MdE von 20 v.H. in Frage gestellt. Deshalb sei die Klage vom Sozialgericht abgewiesen worden. Inzwischen liege bezüglich der Unfallverletzung eine MdE von 25 v.H. vor. Dies werde durch das Gutachten Dr. P. bestätigt.
Das Gericht hat eine Stellungnahme des als gerichtsärztlichen Sachverständigen benannten Dr. H. eingeholt und mit Beschluss vom 2. April 2013 den Antrag zurückgewiesen. Es liege kein Grund vor, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen Dr. H. zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass Dr. H. in einem Klageverfahren bezüglich eines weiteren Arbeitsunfalls der Klägerin die (damalige) Beurteilung der (damaligen) Beklagten bestätigt hat, stelle keinen derartigen Grund für die Ablehnung des Sachverständigen dar und begründe keine Zweifel an seiner Objektivität. Es sei nicht ersichtlich, dass Dr. H. damals sein Gutachten nicht objektiv erstattet habe. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass Dr. H. durch die Tatsache, dass er die Klägerin bereits in einem anderen Klageverfahren gutachtlich untersucht hat und in dem daraufhin erstatteten Gutachten deren Klagebegehren bei seiner Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes nicht bestätigt hat oder durch die Tatsache, dass Dr. P. in seinem Gutachten ein Jahr später die MdE um 5 v.H. höher bewertet als zuvor Dr. H., für das vorliegende Verfahren in seiner Objektivität beeinflusst wäre und es an der gebotenen Unparteilichkeit fehlen lassen würde.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde hat die Bf. ausgeführt, dass der Unfall im Altenheim neben der M. Klinik erfolgt sei, von der sie ihr Geld bekommen habe. Der Sachverständige sei ihres Wissens in dieser Klinik als Arzt angestellt. Schon deshalb könne er ihr gegenüber nicht objektiv sein. Außerdem habe er sich bei dem Gutachten am Schreiben des Dr. R. K. (Facharzt für Chirurgie) vom 15. Juli 2008 an die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie orientiert, das sie u.a. als Anlage beigefügt hat.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Dr. H. vom 8. August 2013 eingeholt, in der dieser dargelegt hat, dass er nur von ca. 1984 bis 1993 als Arzt in der M. Klinik A-Stadt tätig gewesen sei, seither bestehe kein Anstellungsverhältnis mehr. Seit 2010 sei er leitender Arzt im Zentrum Bayern Familie und Soziales, Versorgungsamt A-Stadt. Die Untersuchungen im Zusammenhang mit den Gutachten erfolgten in der M. Klinik unter Nutzung der dort vorhandenen Technik/Röntgen; ein darüber hinaus gehendes Arbeitsverhältnis bestehe zu der Klinik nicht.

Den Antrag wegen Ablehnung des Kammervorsitzenden hat das Sozialgericht Würzburg mit Beschluss vom 28. Februar 2013 abgelehnt (Az.: S 6 SF 5/13 AB).

II.

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.

Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach § 406 Abs. 2 S. 1, 411 Abs. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen. Dem ist die Bf. mit ihrem Antrag vom 9. Januar 2013, bezogen auf den Gutachtensauftrag des Sozialgerichts vom 20. Dezember 2012, unter Berücksichtigung des üblichen Postlaufs über die Weihnachtsfeiertage nachgekommen, so dass das Ablehnungsgesuch fristgemäß gestellt wurde.

Nach §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragsteller scheiden aus (Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 42 Rdnr. 9).

Soweit die Bf. auf ein gleichzeitig zu ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe in der M. Klinik A-Stadt bestehendes Angestelltenverhältnis des Sachverständigen mit dieser Klinik verweist, ist dies, wie der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 8. August 2013 ausführt, nicht zutreffend. Seit 1993 besteht kein Angestelltenverhältnis zwischen ihm und der Klinik. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob andernfalls ein Grund für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit gegeben wäre. Jedenfalls ist allein die Nutzung der medizinischen Ausstattung der Klinik durch den Sachverständigen, ohne dass darüber hinaus ein arbeitsrechtliches Vertragsverhältnis besteht, nicht geeignet, ein Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Dr. H. zu rechtfertigen, zumal dem Sachverständigen im Raum A-Stadt mit zahlreichen Kliniken und Praxen alternative Einrichtungen zur Verfügung stünden.

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass auch die Tatsache, dass Dr. H. in einem früheren Klageverfahren, das noch dazu einen weiteren, früheren Arbeitsunfall betraf, keinen Befangenheitsgrund darstellt. Vielmehr kann es im Sinne einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung sogar in besonderem Maße sinnvoll sein, den Sachverständigen erneut zu befassen, der bereits früher eine Begutachtung vorgenommen hat.

Das Gutachten des Dr. H. vom 23. Juli 2009 war fachlich gehalten und lässt einen Verstoß gegen eine Unparteilichkeit nicht erkennen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass sich der Sachverständige damals am Ende seines Gutachtens der Bewertung des Dr. K. anschloss. Eine fachlich-medizinische Bewertung vermag nicht ohne Weiteres ein Misstrauen gegen den Sachverständigen zu rechtfertigen. Im Übrigen hat auch Dr. P. in einem nachfolgenden Gutachten die MdE nur um 5 v.H. höher und somit in einer üblichen Schätzungsbreite bewertet. Die MdE-Bewertung enthält weder ein Ermessen noch eine exakte Berechnung, sondern eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung (Bundessozialgericht, BSGE 41, 99, 100 ff; KassKomm-Ricke, § 56 Rdnr. 25).

Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H. zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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