L 3 U 46/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 42/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 46/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen eines am 22. Mai 2008 stattgefundenen Unfallereignisses im Streit.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2010 und Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente aus Anlass des als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses ab, weil eine durch den Unfall bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade nicht verblieben sei. Der Widerspruchsbescheid, welcher über das Rechtsmittel der Klage sowie die hierfür einzuhaltende Frist belehrte und unter Angabe von dessen Anschrift auf das hiesige Sozialgericht als zuständiges Gericht hinwies, wurde von einem Bediensteten der Beklagten an die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Februar 2011 als eingeschriebener Brief auf den Postweg gebracht. Noch bis in das Jahr 2011 hinein korrespondierten der seinerzeitige Bevollmächtigte und die Beklagte in der Unfallangelegenheit, weil auch Streit um die Weitergewährung bzw. die Höhe des Verletztengeldes und die Fortführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung bestand. Unter dem 23. Januar 2012 meldete sich der gegenwärtige Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten, zeigte seine Bevollmächtigung an und bat um Bearbeitung des Widerspruchs gegen die Entscheidung über die Verletztenrente, auf welche der Kläger noch immer warte. Er erhob am 27. Februar 2012 insoweit Klage, nachdem ihm mitgeteilt worden war, dass über den Widerspruch bereits entschieden und gegen den betreffenden Bescheid Klage nicht erhoben worden sei. Zur Begründung der Klage heißt es, zwar stamme der Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011, jedoch sei die ihm beigegebene Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft, weshalb die Jahresfrist gelte. Der Rechtsmittelbelehrung fehle der Hinweis, dass die Klagfrist nach § 91 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch gewahrt sei, wenn die Klage innerhalb der Frist bei irgendeiner anderen deutschen Behörde eingegangen ist. Auch habe der Kläger erst jetzt von dem Widerspruchsbescheid Kenntnis erlangt, weil mit dem vorherigen Prozessbevollmächtigten eine sprachliche Verständigung nicht möglich gewesen sei und er deshalb mit diesem keinen Kontakt gehabt habe.

Die Beklagte ist dem Vorbringen entgegengetreten, hat darauf hingewiesen, dass die Sendungsverfolgung über DHL eine Zustellung des Widerspruchsbescheides im Büro des seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten am 28. Februar 2011 ergeben habe, und die Auffassung vertreten, die dem Bescheid beigegebene Belehrung habe den Anforderungen des § 85 Abs. 3 Satz 4 SGG entsprochen.

Mit am 19. September 2012 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellten Gerichtsbescheid vom 18. September 2012 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Rechtsmittelbelehrung zum Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 entspreche den inhaltlichen Vorgaben des § 85 Abs. 3 Satz 4 SGG. Danach seien die Beteiligten mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides über die Zulässigkeit der Klage, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Gerichts zu belehren. Diesen Anforderungen genüge die dem Bescheid beigegebene Rechtsmittelbelehrung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil der Kläger nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die gesetzliche Frist einzuhalten.

Mit seiner am 15. Oktober 2012 eingelegten Berufung vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, dem Widerspruchsbescheid sei eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung beigegeben worden. Es reiche angesichts der Bedeutung des Verfahrens vor den Sozialgerichten nicht aus, wenn die Belehrung lediglich den Inhalt von § 87 SGG angebe und auf die übrigen gesetzlichen Klagfristregelungen, wie sie sich aus § 91 SGG ergäben, nicht hinweise. Demgemäß gelte die Jahresfrist und das Sozialgericht hätte in der Sache zu entscheiden gehabt. Wie der Streit um das Erfordernis des Hinweises auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form in der Rechtsmittelbelehrung zeige, sei in der Rechtsprechung ungeklärt, ob Rechtsmittelbelehrungen über § 85 Abs. 3 Satz 4 SGG hinausgehende Bestandteile zu enthalten hätten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 18. September 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalles vom 21. Mai 2008 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Akten der Beklagten (2 Bände), die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, über welchen mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG der Berichterstatter allein und nach § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach §§ 105 Abs. 2, 143, 144 SGG statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen und auch Wiedereinsetzung nicht gewährt.

Der Kläger hat die Klage nicht innerhalb der durch § 87 Abs. 1, 2 SGG bestimmten Monatsfrist nach der am 28. Februar 2011 erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheides an seinem Prozessbevollmächtigten erhoben. Diese Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs verlängerte sich auch nicht bis zum 28. Februar 2012, weil die dem Widerspruchsbescheid beigegebene Rechtsmittelbelehrung infolge Fehlens eines Hinweises über die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung bei den in § 91 SGG genannten Stellen unrichtig war.

Den notwendigen Inhalt einer Rechtsmittelbelehrung im sozialgerichtlichen Verfahren bestimmt § 66 Abs. 1 SGG in Übereinstimmung mit § 85 Abs. 3 Satz 4 SGG, indem die Vorschrift anordnet, dass der Lauf der Rechtsmittelfrist nur beginnt, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Diesen Anforderungen entspricht die Rechtsmittelbelehrung zu dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24. Februar 2011. Es entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. nur Leitherer in Meyer-Ladewig-Keller-Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 85 Rn. 7d sowie § 66 Rn. 7a jeweils m.N.), dass zum notwendigen Inhalt der Rechtsmittelbelehrung nicht der Hinweis auf die Möglichkeit zur fristwahrenden Einlegung des Rechtsbehelfs bei anderen Gerichten und Behörden, etwa im Sinne des § 91 Abs. 1 SGG, gehört. Belehrt werden muss vielmehr stets nur über den "Regelrechtsweg" (Bundessozialgericht, Urt. vom 28.05.1991 – 13/5 RJ 48/90 sowie jüngst Urt. vom 14.03.2013 – B 13 R 19/12 R – juris Rn. 19 ff. zum fehlenden Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form).

Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagfrist nach § 67 SGG zu gewähren. Denn er war nicht ohne Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist einzuhalten. Insoweit ist schon nicht glaubhaft, dass er wegen der angegebenen "sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten" gehindert war, rechtzeitig Klage zu erheben. Denn er war bereits im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten, ohne dass Verständigungsschwierigkeiten zutage traten und es berechtigte zudem die dort seinem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht ausdrücklich auch zur Prozessführung, so dass ihn sein Vorbringen unter keinem Blickwinkel entlastet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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