L 8 SB 2081/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 811/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2081/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zuzuerkennen ist.

Der 1972 geborenen Klägerin, t. Staatsangehörige mit unbefristetem Aufenthaltstitel, war nach Scheidung vom Ehemann und einem Stalkingerlebnis mit Bescheid vom 18.05.2006 ein GdB von 30 zuerkannt worden. Zugrunde gelegt wurden damals eine erlebnisreaktive Störung sowie ein Wirbelsäulen-Syndrom. Ein Erhöhungsantrag vom 24.04.2007, den die Klägerin mit Beschwerden wegen chronischen Schmerzen im Hals- und Rückenbereich sowie Anschwellungen im Fußbereich begründete, wurde mit Bescheid vom 24.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2007 abgelehnt. In diesem Zusammenhang war auch ein von der Klägerin vorgelegter Bescheid des Landratsamt R. (LRA) vom 25.06.2007 über Feststellungen nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz) berücksichtigt worden. Daraus ergab sich die Feststellung, dass zwischen der erlittenen, aber inzwischen folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörung "Angststörung mit depressiver Symptomatik" und der Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe und dass Gesundheitsstörungen von nicht nur vorübergehender Dauer, die als Schädigungsfolge nach dem OEG anzuerkennen seien, nicht vorlägen.

Am 04.06.2011 beantragte die Klägerin beim LRA erneut die Erhöhung ihres GdB. Sie verwies als Verschlimmerung/neu aufgetretene Gesundheitsstörung auf "Depressionen, panische Ängste, Hals-Nacken-Schulter". Unter Berücksichtigung von Arztberichten des Facharztes für HNO-Heilkunde Kä. , des Facharztes für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. Schm. , des Facharztes für physikalische Medizin und Rehabilitation He. sowie des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie R. und unter Beachtung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. vom 26.11.2011 setzte das LRA den GdB mit Bescheid vom 13.12.2011 seit 03.06.2011 auf 40 fest. Es lägen als Funktionsbeeinträchtigungen vor: "Seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom".

Hiergegen erhob die Klägerin am 15.12.2011 Widerspruch. Angesichts ihrer krankheitsbedingten Behinderung sei der GdB auf 70 festzustellen.

Unter Beachtung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.01.2012 (Dr. St. ) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2012 zurück. Die psychischen Beeinträchtigungen seien als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem GdB von 40 zutreffend bewertet.

Mit ihrer am 08.03.2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin auf immer wieder auftretende Schwellungen am Fußknöchel i.S. eines Lymphödems (Schreiben vom 13.05.2012) und Unstimmigkeiten an der Herzklappe (Schreiben vom 15.05.2012) hingewiesen.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 23,24, 25 bis 27, 28 bis 32, 34 bis 44 und 45 bis 56 der SG-Akte Bezug genommen.

Dr. Bra. , Fachärztin für Angiologie und Hämatologie, hat dem SG mit Schreiben vom 24.05.2012 mitgeteilt, bei der Schwellung des linken Fußknöchels handele es sich um ein Lymphödem, das mit einem GdB von 10 zu bewerten sei.

Der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie D. hat dem SG am 10.06.2012 geschrieben, die Klägerin sei nur einmalig am 21.05.2102 zur kardiologischen Kontrolluntersuchung bei ihm gewesen. Es bestehe eine Mitralklappeninsuffizienz Io, eine Trikuspidalklappeninsuffizienz Io ohne hämodynamische Relevanz sowie eine medikamentös eingestellte arterielle Hypertonie. Auf seinem Fachgebiet ergäben sich keine zusätzlichen GdB-relevanten Erkrankungen.

Der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. Kä. hat dem SG am 21.06.2012 mitgeteilt, der GdB sei auf seinem Fachgebiet mit "0" zu bewerten.

Der Facharzt für physikalische Medizin und Rehabilitation He. hat unter dem Datum des 22.06.2012 ausgeführt, die Klägerin habe sich am 27.02.2012 wegen Schmerzen im Bereich des linken Fußes vorgestellt. Zusätzliche zu den im Bescheid genannten Erkrankungen nicht nur vorübergehender Dauer lägen auf orthopädischen Fachgebiet nicht vor. Wegen der Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule habe sich die Klägerin letztmals am 15.05.2009 vorgestellt. Diese Funktionsbehinderung sei mit einem Teil-GdB von 10 beurteilt.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin/Sportmedizin/Chirotherapie Dr. E. hat gegenüber dem SG im Schreiben vom 03.07.2012 angegeben, die Durchführung einer Psychotherapie mit Einnahme von Medikamenten und der Verbesserung der familiären Beziehungen, seien ebenso für die Stabilisierung des Gesundheitszustandes verantwortlich, wie die zunehmende Akzeptanz des Zusammenhangs von Angst/Depression und körperlichen Symptomen. Im Rahmen seines Fachgebietes halte er den bei der Klägerin festgestellten GdB für plausibel.

Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie R. vom Psychiatrischen Zentrum N. hat dem SG am 05.07.2012 geschrieben, die Klägerin sei wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert. Die Konzentration sei etwas vermindert, Mnestik und Auffassung seien unauffällig. Affektiv sei sie gedrückt, ängstlich, im Antrieb reduziert. Sie sei nicht schwingungsfähig. Formale oder inhaltliche Denkstörungen wurden verneint ebenso eine produktiv-psychotische Symptomatik. Es bestehe eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, sowie eine nicht näher bezeichnete Angststörung. Wegen der qualitativen Leistungseinschränkungen und aufgrund der Neigung zur somatoformen Schmerzfehlverarbeitung sei aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht ein Gesamt-GdB von 50 angemessen.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Wo ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 65 bis 86 der SG-Akte Bezug genommen.

Dr. Wo. hat in seinem Gutachten vom 01.02.2013 ausgeführt, das Introspektions- und das Verbalisationsvermögen sowie die Fähigkeit, das Zusammenwirken psychischer und somatischer Vorgänge bzw. psychodynamische Zusammenhänge zu erkennen, sei trotz anhaltender psychotherapeutischer Behandlung nicht ausreichend ausgebildet. Konflikte würden verdrängt. Deutlich geworden sei die Angst vor Sterben und Tod mit Grübelneigung, zusätzlich die anhaltende Sorgen um das berufliche Fortkommen der Tochter. Das Antriebs- und Interessevermögen sei ausreichend erhalten, das Freudevermögen jedoch eingeschränkt. Das emotionale Schwingungsvermögen sei leicht eingeengt, im Verlauf des Untersuchungsgesprächs seien keine pathologisch affektiven Schwankungen aufgefallen. Es habe kein Anhalt für ein hirnorganisches Psychosyndrom bestanden. Es liege eine anhaltende Anpassungsstörung mit dysthymer Verstimmung, eine Angststörung mit neurotischer Verarbeitung von körperlichen Beschwerden sowie eine ängstlich-unsichere Persönlichkeit vor. Aus diesen Gesundheitsstörungen ergäben sich für die Klägerin Einschränkungen hinsichtlich der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der GdB sei insgesamt mit 40 zu veranschlagen.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27.02.2013 eingewandt, die behandelnden Ärzte hätten ihr gesagt, ihr stehe ein GdB von mindestens 50 bis 60 zu. Dr. Wo. habe ihre Hinweise darauf, dass sie aus einer psychosomatischen Behandlung in Bad S. nach Verlängerung sogar arbeitsunfähig entlassen worden sei und dass sie bei einer türkischsprachigen Psychotherapeutin in Behandlung sei, was ihr gut tue, ignoriert bzw. herabgewürdigt.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 16.04.2013 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe in den streitgegenständlichen Bescheiden den rechtserheblichen Sachverhalt hinreichend dargestellt, die maßgeblichen Gesetzesgrundlagen aufgezeigt und frei von Rechtsfehlern die Feststellung eines GdB über 40 abgelehnt. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen "anhaltende Anpassungsstörung mit dysthymer Verstimmung, Angststörung mit neurotischer Verarbeitung von körperlichen Beschwerden, ängstlich unsichere Persönlichkeit" bedingten einen GdB von 40. Soweit demgegenüber der Arzt R. meine, die Behinderung auf nervenärztlichem Fachgebiet sei mit einem GdB von 50 zu bewerten, sei dem nicht zu folgen. Denn Auffassungs-, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen fänden sich ebenso wenig wie formale Denkstörungen oder ein nicht geregelter Tagesablauf. Hinzu komme, dass die Schwingungsfähigkeit lediglich leichtgradig eingeschränkt sei. Dies korrespondiere zum einen mit den Darlegungen des Hausarztes E. über eine deutliche Besserung. So hätten sich Stimmungsschwankungen, Niedergeschlagenheit und Befindlichkeitsstörungen erheblich zurückgebildet. Auch habe der Lebensgefährte der Klägerin gegenüber Dr. Wo. fremdanamnestisch angegeben, die Befunde hätten sich signifikant zurückgebildet, die Klägerin habe wieder Spaß am Leben. Ein Gesamt-GdB über 40 sei damit nicht erreichbar, zumal auf anderen Fachgebieten allenfalls leichtgradige Behinderungen objektivierbar seien. Ein Verdacht auf Vorliegen eines Carpaltunntelsyndroms links mache u.U. eine ärztliche Behandlung erforderlich, eine auf Dauer angelegte Behinderung bestehe aber nicht. Eine Gastritis bei Helicobacter pylori-Besiedlung sei einer erfolgversprechenden medikamentösen Behandlung zugänglich. Auf hno-ärztlichem Fachgebiet fänden sich lediglich Erkrankungen, die die Zuerkennung eines GdB nicht rechtfertigten. Eine Mitral- und Trikuspidalklappeninsuffizienz ersten Grades sei ohne hämodynamische Relevanz, eine Hypertonie sei medikamentös hinreichend eingestellt. Ein Lymphödem des linken Fußes, das einmalig behandelt worden sei, lasse sich mittels Lymphdrainagen und Kompressionstherapie adäquat behandeln. Ein HWS-Syndrom schließlich habe bisher lediglich zu geringgradigen Bewegungseinschränkungen, nicht hingegen zu neurologischen Ausfallserscheinungen geführt.

Gegen den ihr am 24.04.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 15.05.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Die Angaben der sie behandelnden Ärzte seien nicht angemessen berücksichtigt bzw. bewertet, ebenfalls die abwertenden Angaben des Gutachters Dr. Wo ... Sie habe den Eindruck, dass ihre Argumente und die Ausführungen der sie behandelnden Ärzte nicht i.S. einer objektiven Sachbetrachtung bewertet worden seien, diese seien vielmehr entlang der Linie des vom SG gefällten Beschlusses abgefasst, damit ja keine eventuell Ärger bereitenden Aspekte angeführt seien (Schreiben vom 26.06.2013). Auch habe Dr. Wo. eine fragwürdige Bewertung vorgenommen. Er habe den Eindruck erweckt, im Interesse der Beklagtenseite Position zu beziehen. Zusätzlich hat die Klägerin ein medizinisches Gutachten der Bundesagentur für Arbeit (Ärztin Be. ) vom 17.06.2013 (Blatt 18/19 der Senatsakte) vorgelegt. In diesem Gutachten wird dargestellt, es bestehe eine seelische Störung. Die Klägerin nehme Medikamente, eine fachärztliche oder psychotherapeutische Behandlung finde nicht statt, dies sei aber für die Stabilisierung des Gesundheitszustandes und Verbesserung der Leistungsfähigkeit dringend erforderlich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16.04.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts R. vom 13.12.2011 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids Beklagten vom 06.03.2012 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 04.06.2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem Erörterungstermin am 31.10.2013 besprochen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf Blatt 36 bis 38 der Senatsakte Bezug genommen.

Wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe wird auf den Beschluss vom 24.10.2013 (Blatt 32 bis 39 der PKH-Akte des Senats) Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 31.10.2013 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung der Klägerin entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid des Landratsamts R. vom 13.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 06.03.2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 oder mehr. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung vom 25.10.2012 Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei lediglich auf Folgendes hingewiesen:

Aus der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass im vorliegenden Fall der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend und ausreichend ist. Wie bereits das SG rechtlich zutreffend dargelegt hat, ist bei den vorliegenden Teil-GdB-Werten von 40 und 10 ein Gesamt-GdB von 50 nicht mit den Grundsätzen der GdB-Bewertung nach den Regelungen der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die in der Anlage zu § 2 VersMedV - Anlage Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) getroffen sind, vereinbar, weil ein Teil-GdB von 10 sich nicht erhöhend auswirkt (A Nr. 3.d VG) und für die seelische Störung/funktionelle Organbeschwerden ein höherer GdB als 40 nicht festzusetzen war. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat nach eigener Überprüfung.

Gemäß B Nr. 3.7 VG sieht das Gesetz - für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen einen (Teil-)GdB von 0 bis 20, - für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) einen (Teil-)GdB von 30 bis 40, - für schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen (Teil-)GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen (Teil-)GdB von 80 bis 100 vor.

Der Senat ist auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere des Berichts der behandelnden Ärzte bzw. Psychotherapeuten R. bzw. Y. vom PZN sowie dem Gutachten von Dr. Wo. zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin eine anhaltende Anpassungsstörung mit dysthymer Verstimmung, eine Angststörung mit neurotischer Verarbeitung von körperlichen Beschwerden sowie eine ängstlich-unsichere Persönlichkeit besteht. Diese ist als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einzustufen; eine schwere Störung z.B. mit einer schweren Zwangskrankheit konnte auch keiner der behandelnden Ärzte mitteilen.

Sowohl die behandelnden Ärzte als auch der Gutachter Dr. Wo. haben im Grunde genommen sehr ähnliche Befunde mitgeteilt. Während Herr R. /Herr Y. die Konzentration als etwas vermindert, Mnestik und Auffassung unauffällig, den Affektiv als gedrückt und die Klägerin als ängstlich, im Antrieb reduziert, nicht schwingungsfähig beschrieben haben, hat Dr. Wo. ausgeführt, Konflikte würden verdrängt. Deutlich geworden sei die Angst vor Sterben und Tod, zusätzlich die anhaltende Sorgen um das berufliche Fortkommen der Tochter. Das Antriebs- und Interessevermögen sei ausreichend erhalten, das Freudevermögen jedoch eingeschränkt. Das emotionale Schwingungsvermögen sei leicht eingeengt. Vor diesem Hintergrund nur geringer Abweichungen in der Befundlage konnte sich der Senat auch angesichts der erhaltenen Fähigkeiten u.a. einen Alltag zu gestalten, Kontakt mit anderen Menschen zu pflegen, den Haushalt zu organisieren, nicht vom Vorliegen einer schweren Störung, die den GdB-Rahmen auf 50 bis 70 erhöhen könnte, überzeugen.

Denn sowohl der behandelnde Arzt Dr. E. als auch der Gutachter Dr. Wo. haben im Ergebnis übereinstimmend eine Besserung der gesundheitlichen Problematik der Klägerin darstellen können, weshalb der Einschätzung des Arztes R. nicht gefolgt werden kann. So konnte der Senat erhebliche Auffassungs-, Konzentrations-, Denk- und Merkfähigkeitsstörungen weder den Ausführungen des Arztes R. entnehmen noch aus den sonstigen ärztlichen Unterlagen. Aus einem eingeschränkten Freudevermögen und einem nur leicht eingeengten emotionalen Schwingungsvermögen kann noch keine schwere psychisches Störung, die einen GdB von 50 bedingen könnte, abgeleitet werden.

Auch dass die Ärztin Be. mitgeteilt hat, fachärztlich oder psychotherapeutische Behandlung werde nicht in Anspruch genommen, spricht gegen das Vorliegen eines gewissen Leidensdrucks und damit auch gegen eine schwere psychische Störung. Auch soweit die Klägerin im Erörterungstermin mitgeteilt hatte, sie sei vom Arbeitsamtsarzt in H. untersucht worden, folgt daraus nicht, dass ein höherer Teil-GdB festzusetzen wäre. Die Klägerin hat insoweit angegeben, der Gutachter hätte eine Fortsetzung der bisherigen Therapie empfohlen und ihr den Rat gegeben, sich eine leichte Tätigkeit im Umfang von 10 bis 15 Stunden zu suchen. Gerade der letztere Rat spricht deutlich gegen eine Bewertung der unstreitig vorliegenden stärker behindernden Störung als schwere Störung i.S. von B Nr. 3.7 VG.

Als weitere Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei der Klägerin eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule/ein Schulter-Nacken-Syndrom vor. Dieses ist nach B Nr. 18.9 bzw. 18.13 VG zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Auch der vom SG befragte orthopädische Behandler He. und der behandelnde Hausarzt Dr. E. konnten keine, einen höheren Teil-GdB rechtfertigenden Funktionsbeeinträchtigungen mitteilen.

Auf HNO-ärztlichen Fachgebiet liegen keine Funktionsbehinderungen vor, die einen GdB rechtfertigen könnten. Diese Überzeugung stützt der Senat auf die Auskunft von Dr. Kä. gegenüber dem SG.

Auf internistischem Fachgebiet liegen ebenfalls keine Funktionsbeeinträchtigungen vor, die einen relevanten Teil-GdB rechtfertigen könnten. Für das kardiologische Fachgebiet konnte der Facharzt für Innere Medizin D. eine Mitralklappeninsuffizienz Io, eine Trikuspidalklappeninsuffizienz Io ohne hämodynamische Relevanz sowie eine medikamentös eingestellte arterielle Hypertonie mitteilen. Diese bedingen aber nach B Nr. 9.1 bzw. 9.3 VG keinen eigenständigen Teil-GdB; dem entspricht auch die Einschätzung des Facharztes D ...

Ob das von Dr. Bra. mitgeteilte Lymphödem mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist (so Dr. Bra. ) oder keinen Teil-GdB bedingt (so der Beklagte) kann offen bleiben. Denn selbst ein Teil-GdB von 10 würde den Gesamt-GdB nicht erhöhen. Anhaltspunkte dafür, dass ein höherer Teil-GdB als 10 festzustellen wäre (B Nr. 9.2.3 VG), liegen aber nicht vor.

Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Insoweit haben die behandelnden Ärzte sich den ihnen mitgeteilten Einschätzungen des Beklagten angeschlossen. Dabei konnte keiner der Ärzte zusätzliche den Gesamt-GdB erhöhende Erkrankungen mitteilen; solche konnte auch der Senat nicht feststellen.

Soweit die Klägerin Einwände gegen das Gutachten von Dr. Wo. erhebt, konnte der Senat nicht erkennen, weshalb sich für einen neutralen, objektiven Betrachter der Eindruck einer Voreingenommenheit ergeben sollte. Alleine der Umstand, dass der Gutachter dem von der Klägerin erstrebten Ergebnis nicht nähergetreten ist, bedingt nicht den Eindruck von Parteilichkeit. Dies gilt umso mehr, als Dr. Wo. keine wesentlich von den Befunden der Behandler aus dem PZN abweichenden Befunde mitgeteilt hat. Seine Abweichung von der GdB-Einschätzung des Arztes R. beruht darauf, dass die von ihm vorgenommene Einschätzung des Teil-GdB den gesetzlich vorgesehenen Rahmen übersteigt. Auch soweit die Klägerin angibt, die behandelnden Ärzte hätten dem SG gefällige Auskünfte erteilt, konnte der Senat dies anhand der vorliegenden Befunde nicht nachvollziehen. Dass sich die Klägerin durch ihre Ärzte im Hinblick auf die Höhe des Gesamt-GdB falsch informiert fühlt, führt hinsichtlich der vom Gericht vorzunehmenden GdB-Bewertung zu keinem anderen Ergebnis.

Auch die Feststellung des Gesamt-GdB von 40 ist zutreffend. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend bemessen ist.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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