Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 492/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 337/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 (Pflegeversicherungszuschüsse nur bis zum 31. März 2004) sowie der Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008.
Der am ... 1935 geborene Kläger beantragte am 17. November 1999 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Rentenbeginn am 01. Februar 2000 sowie die Gewährung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 02. Februar 2000 diese Rente sowie mit nachträglich von der Beklagten aus dem EDV-System heraus ausgedruckten Bescheiden vom 10. März 2000 bzw. vom 17. März 2000 Zuschüsse zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Die Altersrente wurde mit weiteren Bescheiden (die ebenfalls nachträglich von der Beklagten aus dem EDV-System heraus ausgedruckt wurden) vom 04. März 2002, vom 13. Mai 2004 und vom 05. Februar 2007 mit Wirkung ab 01. Januar 2002, 01. Juli 2004 bzw. ab 01. April 2007 neu berechnet.
Mit einem am 03. Juni 2008 erstellten Datensatz teilte die Krankenkasse des Klägers, die Barmer Ersatzkasse (BEK), der Beklagten mit, dass der Kläger seit dem 01. April 2002 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sei. Der Kläger sei seinerzeit über die Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ab 01. April 2002 informiert worden, so die BEK. Eine Kopie des an ihn gegangenen Schreibens liege aber nicht mehr vor. Mit Bescheiden vom 19. und 20. Juni 2008 berechnete die Beklagte die Rente daraufhin mit Wirkung für die Zukunft – ab 01. September 2008 – neu. Im Rahmen dieser Bescheide hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, den Kläger zur Erstattung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse in Höhe von 8.834,86 Euro zu verpflichten (Bescheid vom 19. Juni 2008) sowie die aufgrund nicht einbehaltener Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eingetretene Überzahlung in Höhe von 8.392,48 Euro (Bescheid vom 20. Juni 2008) aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten.
In seiner Stellungnahme hierzu äußerte der Kläger, er habe keinen Handlungsbedarf erkannt, da er den Überblick verloren habe. Der Sachverhalt sei amtsintern über Jahre nicht weiter aufgefallen. Dies, obwohl die Beklagte selbst das Herrschaftswissen um die entsprechenden gesetzlichen Änderungen gehabt habe und jederzeit in der Vergangenheit hätte reagieren können. Im Übrigen erhebe er die Einrede der Verjährung. Außerdem habe er die zugewendeten Gelder in dem guten Glauben, sie für sich und seine Familie verwenden zu können, längst ausgegeben. Insoweit berufe er sich auf Entreicherung.
Mit Bescheid vom 18. März 2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 04. März 2002 über die Bewilligung der Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 01. April 2002 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf und forderte die Erstattung von 4.417,43 Euro. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass er ab dem 01. April 2002 keinen Anspruch mehr auf einen Beitragszuschuss gehabt habe. Allerdings sei die Rückforderungssumme im Wege des Ermessens auf die Hälfte des überzahlten Betrages zu begrenzen, weil die Meldung der BEK erheblich verspätet erfolgt sei und sie sich dies aufgrund des Datenverbundes zurechnen lassen müsse. Außerdem machte die Beklagte in demselben Bescheid die Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in der in ihrem Anhörungsschreiben genannten Höhe von 8.392,48 Euro geltend. Die Gesamtüberzahlung werde im Juni 2009 in Höhe von 93,91 Euro und ab Juli 2009 in Höhe von 289 Euro monatlich mit der Altersrente verrechnet. Gegenüber dem Kläger ist aber bisher noch keine Aufrechnung durchgeführt worden.
Dagegen legte der Kläger am 06. April 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er habe keinerlei Information über die potentielle Reduktion seiner Rente ab 01. April 2002 erhalten. Ihn treffe kein Verschulden. Außerdem sei Entreicherung und Verjährung zu beachten. Die Regressquote sei daher auf Null zu reduzieren. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 zurück. Die nachträgliche Einbehaltung von Pflichtbeiträgen bzw. Beitragsanteilen zur Kranken- und Pflegeversicherung beruhe auf § 255 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Der Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) könne in diesem Zusammenhang nicht geltend werden. Auch die Frage etwaigen Verschuldens sei an dieser Stelle irrelevant. Die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sei gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen, weil der Kläger aufgrund der ihm vorliegenden Informationen den fehlenden Anspruch auf die Zuschüsse und damit die Rechtswidrigkeit der Gewährung gekannt habe bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.
Dagegen hat der Kläger am 16. Juni 2009 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, die Bescheide vom 04. März 2002 und vom 13. Mai 2004 nicht erhalten zu haben. Stattdessen sei ihm ein Bescheid vom 09. September 2004 zugegangen. Da die Beklagte im Hinblick auf die Existenz des (angeblichen) Bescheides vom 04. März 2002 sowie im Hinblick auf dessen (lediglich behauptete) Zustellung beweisfällig geblieben sei, fehle es dem Bescheid vom 18. März 2009 an der nötigen Anspruchsgrundlage.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 16. September 2011 stattgegeben, soweit es um die Rückforderung der Zuschüsse ging, und sie im Übrigen – hinsichtlich der nachträglichen Beitragserhebung – abgewiesen. Die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei zwingend in § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V bzw. für die Pflegeversicherung in § 60 Abs. 1 Satz 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) angeordnet. Diese Vorschriften habe die Beklagte rechtsfehlerfrei angewandt. Die Erstattungsforderung der Beklagten hinsichtlich der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sei dagegen nicht berechtigt. Es sei nicht bewiesen, dass der Bescheid vom 04. März 2002 zugegangen sei. Insgesamt seien die tatsächlichen Gegebenheiten, die den Wechsel der kranken- und pflegeversicherungsrechtlichen Situation des Klägers im Jahr 2002 und später begleitet hätten, im Dunkeln geblieben. Im konkreten Fall lägen daher die Voraussetzungen der Rücknahme des Rentenbescheides vom 04. März 2002 bzw. der folgenden Bescheide mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vor.
Gegen das den Beteiligten am 30. September 2011 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 19. Oktober 2011 und der Kläger am 27. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Der Kläger ist der Auffassung, die nachträgliche Beitragserhebung könne nicht verschuldensunabhängig möglich sein. Jedenfalls habe er nicht für ein Verschulden der Beklagten oder der Krankenkasse einzustehen. Ihm könne kein Vorwurf eines Mitverschuldens gemacht werden. Außerdem sei der Bescheid vom 18. März 2009 nicht aus sich heraus verständlich. Er enthalte keine nachvollziehbare Begründung, sondern verweise hinsichtlich der Summe lediglich auf die Anhörung vom 20. Juni 2008. Die Verweisung auf eine Anhörung könne aber nicht den Inhalt eines Bescheides ersetzen. Im Übrigen sei auch für das geltend gemachte Jahr 2004 Verjährung eingetreten, da die Ansprüche erstmals mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 geltend gemacht worden seien. Es sei überdies unzulässig, wenn die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren auf § 48 SGB X statt auf § 45 SGB X abstelle. Es sei auch zu bedenken, dass er erst mit Bescheid vom 02. Februar 2002 über die Bewilligung der Altersrente ab 01. Februar 2000 informiert worden sei. Insoweit habe sich für ihn keine (langjährige) Übung ergeben. Ihm habe die Differenz nicht auffallen müssen. Die Beiträge zur Krankenversicherung seien bis März 2002 auch nicht von seinem Girokonto abgebucht worden. Es habe sich bestenfalls um ein internes Konto der Beklagten gehandelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 aufzuheben, soweit für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 rückständige Beitragsanteile für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.392,48 EUR nacherhoben werden, und im Übrigen die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass sich nach erneuter Prüfung die Korrektur der Zuschussbewilligung im vorliegenden Fall nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X richte. Dies sei im Ergebnis aber ohne Bedeutung, denn es handele sich insoweit nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung. Eine Erstattungsforderung scheitere auch nicht daran, dass der Aufhebungsbescheid den oder die zu korrigierenden Bewilligungsbescheid(e) nicht oder nur unzutreffend benenne. Von entscheidender Bedeutung sei vor allem die Tatsache, dass der Kläger letztmalig für den Monat März 2002 Beiträge für seine freiwillige Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung an die Krankenkasse gezahlt habe, ihm vom 01. April 2002 an dagegen überhaupt keine Aufwendungen für seine Kranken- und Pflegeversicherung mehr entstanden seien. Bei der Beantragung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung habe der Kläger sich darüber hinaus durch Unterschrift verpflichtet, ihr Änderungen des krankenversicherungsrechtlichen Status anzuzeigen. Darüber hinaus habe der Kläger in Bescheiden, Rentenanpassungsmitteilungen und in einem Merkblatt weitere Hinweise auf seine Mitteilungspflichten erhalten. Die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Frage eines etwaigen Verschuldens sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Die Beitragsnachforderung sei auch nicht verwirkt. Verjährung sei nur für die Zeit vor dem 01. Januar 2004 eingetreten. Denn die Beitragsnachforderung sei nicht erstmals mit dem Bescheid vom 18. März 2009 (oder, wie der Kläger meine, mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009) gegenüber dem Kläger geltend worden. Mit diesem Bescheid sei nur eine abschließende Entscheidung über die Durchsetzung der mit Bescheid vom 20. Juni 2008 der Höhe nach festgestellten Beitragsforderung getroffen worden. Die Verjährung sei bereits mit Erlass des Bescheides vom 20. Juni 2008 gehemmt worden.
Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung rechtsmäßig ist. Die ebenfalls statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist dagegen begründet, denn die Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung ist rechtmäßig.
I.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 in Höhe von 8.392,48 Euro (II.) sowie die Aufhebung und Erstattung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 (Pflegeversicherung nur bis zum 31. März 2004) in Höhe von 4.417,43 Euro (III.).
II.
Der Kläger ist seit dem 01. April 2002 Mitglied der KVdR. Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt.
Rechtsgrundlagen dafür sind § 255 Abs. 1 Satz 1 Erster Halbsatz SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Dies hat die Beklagte rechtsfehlerfrei umgesetzt. Auf die Frage, ob die Beklagte hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es nicht an (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07. September 2011 – L 16 R 121/11 – juris, Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. November 2010 – L 2 R 161/10 – juris, Rdnr. 56).
Die Beitragsnachforderung der Beklagten für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V (und auch nach § 60 Abs. 1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – juris, Rdnr. 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der Altersrente des Klägers für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 zu zahlenden Beiträge waren deshalb bei Erlass des Bescheides vom 20. Juni 2008 noch nicht verjährt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auf diesen Bescheid abzustellen, weil hierin die Anhörung zur beabsichtigten Vorgehensweise enthalten ist. Damit ist ein Hemmungstatbestand gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV i.V.m. einer sinngemäßen Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegeben. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung u. a. durch Erhebung der Klage gehemmt. Diese Norm passt hier nicht direkt, weil die Beklagte zur Titelerlangung keine Klage erheben muss, sondern sich den Titel im Verwaltungsverfahren selbst verschafft. Die Hemmung beginnt mit der Anhörung in dem Bescheid vom 20. Juni 2008, weil die Beklagte damit die Rechtsverfolgung aufgenommen hat. Dass die sinngemäße Anwendung in diesem Fall geboten ist, verdeutlicht auch die Überschrift zu § 204 BGB, die "Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung" lautet. Nichts anderes als Rechtsverfolgung stellt die Anhörung dar.
Die Forderung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1958 – 2 RU 285/56 –, BSGE 7, 199, 200; BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 62/70 – BSGE 34, 211, 213; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94 – juris, Rdnr. 18) und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76 –, BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S. 15; BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 – B 12 KR ¼ R – juris, Rdnr. 43). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 242 Rdnr. 87) voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 32, 305; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07. Februar 1974 – III C 115.71 – BVerwGE 44, 339, 343; BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 62/70, a.a.O., BSG, Urteil vom 05. Dezember 1972 – 10 RV 441/71 – BSGE 91, 95 m.w.N.). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76 –, a.a.O.; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94 –, a.a.O.). Ein "bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76, a.a.O. S. 17; BSG, Urteil vom 23. Mai 1989 – 12RK 23/88 – juris Rdnr. 26). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei dem Kläger das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es aufgrund der fehlenden Meldung der BEK unterlassen, die Beiträge zu erheben. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte der Kläger das "bloße Nichtstun" der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, dass die Beiträge nicht erhoben werden. Sofort nach Kenntnis von der Versicherungspflicht in der KVdR hat die Beklagte die rückständigen Beiträge geltend gemacht. Auf ein Fehlverhalten der BEK kommt es im Rahmen der Verwirkung nicht an, da die diese nicht Berechtigte des Anspruchs war.
Der Entreicherungseinwand des Klägers geht schon deshalb ins Leere, weil § 818 Abs. 3 BGB in privatrechtlichen Verhältnissen gilt und nicht in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Versichertem und Sozialversicherungsträger. Ein entsprechender gesetzlicher Verweis fehlt.
III.
Die Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung und die Erstattungsforderung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Beklagte zuletzt als Rechtsgrundlage § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X herangezogen. Denn mit dem Bescheid vom 04. März 2002 ist nicht erneut über die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung entschieden worden, sondern lediglich der Zuschuss zur Krankenversicherung infolge der geänderten Beitragshöhe für die Zeit ab 01. Januar 2002 der Höhe nach neu berechnet worden. Festgestellt wurde der grundsätzliche Anspruch auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit dem Rentenbewilligungsbescheid vom 02. Februar 2000 (nicht – wie der Kläger vorgetragen hat – 2002) und den nachfolgenden Bescheiden vom 10. März 2000 bzw. vom 17. März 2000. Diese Bescheide waren zunächst rechtmäßig. Mit der KVdR ab 01. April 2002 trat eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X ein.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist dies keine unzulässige Umdeutung im Sinne des § 43 SGB X, sondern stellt einen Begründungswechsel dar. Ein solcher ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da sich der Aufhebungsbescheid in seinem Verfügungssatz nicht ändert. Der Rücknahmebescheid wird hinsichtlich der Aufhebung bei gleichbleibender Regelung lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt (BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 38/01 R –, juris). Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2009 ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil als aufzuhebender Bescheid fehlerhaft der Bescheid vom 04. März 2002 genannt ist. Denn mit dem Bescheid vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 ist inhaltlich hinreichend bestimmt genug die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 aufgehoben worden. Es handelt sich insoweit um eine entsprechende Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes hinsichtlich der gewährten Zuschüsse. Verwaltungsakt ist nach § 31 Abs. 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, nicht jedoch auf dessen Gründe. Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will (BSG, Urteil vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 –, SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Februar 1989 – 11/7 RAr 103/87 –, SozR 1500 § 55 Nr. 35, S. 39). Eine Aufhebung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Es genügt, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Verwaltungsaktes für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass die nach dem bisherigen Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht mehr zusteht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R – juris; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 4 RJ 32/98 R – juris; jeweils in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 56/96 – juris und BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 4 RA 25/96 – juris). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden (BSG, Urteil vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 R –, SozR 4-2600 § 96 a Nr. 9 m. w. N.). Für den Kläger musste aufgrund des Bescheides vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 klar erkennbar sein, dass er zur Rückzahlung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe 4.417,43 Euro verpflichtet werden soll. Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Kläger diese Rechtsfolge nicht richtig verstanden hat. Dass er mit ihr nicht einverstanden ist, ist eine andere Sache. Es stellt auch keinen Begründungsmangel dar, dass die Beklagte in dem Aufhebungsbescheid hinsichtlich der Berechnung der Rückforderungssumme auf die Anhörungsmitteilung Bezug nimmt. Denn diese war dem Kläger bekannt.
Die Bescheide vom 02. Februar 2000, vom 10. März 2000 und vom 17. März 2000 sind begünstigende Verwaltungsakte, denn sie begründen das Recht des Klägers auf Zahlung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Bescheide sind ab 01. April 2002 rechtswidrig geworden (insoweit ist eine wesentliche Änderung eingetreten), denn die Gewährung der Zuschüsse für die Zeit bis zum 30. September 2008 (Krankenversicherung) bzw. bis zum 31. März 2004 (Pflegeversicherung) erfolgte rechtsfehlerhaft. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide ab 01. April 2002 ergibt sich aus § 106 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und § 106a SGB VI in der Fassung bis zum 31. März 2004 (a.F.). Nach § 106 Abs. 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gilt dies nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Gemäß § 106a SGB VI a.F. erhalten Rentenbezieher, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert oder nach dem Vorschriften des Elften Buches verpflichtet sind, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen und aufrechtzuerhalten, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung. Der Kläger war – zwischen den Beteiligten unstreitig – seit dem 01. April 2002 gesetzlich in der KVdR versichert. Die Voraussetzungen für einen Zuschuss nach § 106 SGB VI und § 106a SGB VI a.F. lagen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bescheide vom 02. Februar 2000, vom 10. März 2000 und vom 17. März 2000 über die Gewährung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 01. April 2002 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X sind erfüllt. In Betracht kommen hier die Nr. 2 der Vorschrift (grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht) und die Nr. 4 (Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, dass ein Anspruch nicht besteht). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit zu bejahen ist oder nicht, sind insbesondere die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Versicherten und die besonderen Umständen des Falles zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –, juris, Rdnr. 23).
Zur Überzeugung des Senats wusste der Kläger infolge grober Fahrlässigkeit nicht, dass er ab 01. April 2002 keinen Anspruch mehr auf die Beitragszuschüsse hatte, denn er hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob er auch Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt hat. Die BEK hat ausweislich ihrer Mitteilung an die Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 bis einschließlich März 2002 freiwillige Beiträge vom Kläger im Lastschriftverfahren eingezogen und danach nicht mehr. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 12. September 2013 auch eingeräumt, dass ihm die Einstellung der Abbuchung aufgefallen ist. Er habe gemeint, dass dies so seine Richtigkeit habe. Es stellt vor diesem Hintergrund eine ganz nahe liegende Überlegung dar, dass Zuschüsse zu Beiträgen, die der Kläger selbst nicht mehr zahlt, auch nicht beansprucht werden können. Dass der Kläger weiterhin Beitragszuschüsse erhalten hat, musste ihm aus den übersichtlichen Rentenanpassungsmitteilungen der Beklagten bekannt sein, die in der Berechnung des Auszahlungsbetrages neben dem Rentenbetrag allein die Zuschüsse ausweisen. Selbst wenn er diese ungelesen abgeheftet haben sollte, wäre grobe Fahrlässigkeit zu bejahen. Denn dann läge gerade in diesem Verhalten eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass dem Kläger insoweit ein ausreichendes Einsichtsvermögen gefehlt haben sollte. Er hat damit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X wegen besonders schwerwiegender Sorgfaltspflichtverletzung nicht gewusst, dass er ab April 2002 keinen Anspruch mehr auf die Beitragszuschüsse hatte.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X "soll" der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Danach handelt es sich bei einer Rücknahme seit der Änderung der Verhältnisse um den Regelfall. Ermessen ist nur auszuüben, wenn ein sog. atypischer Fall vorliegt, d.h., ein Fall, der in Bezug auf eine Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet. Ob ein atypischer Fall vorliegt, haben die Gerichte voll zu überprüfen (vgl. Schütze in: v. Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48 Rdnr. 20, 21 mit weiteren Nachweisen). Das Vorliegen eines atypischen Falles kann hier aber offen bleiben. Denn die Beklagte hat fehlerfrei Ermessen ausgeübt.
Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I), dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum einen eine Ermessensunterschreitung bzw. Ermessensnichtgebrauch (die Beklagte unterlässt es, das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben), zum anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung (die Beklagte setzt eine im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge) in Betracht. Schließlich stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, für die Entscheidung objektiv wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 27 ff.). Für derartige Ermessensfehler gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Die Beklagte hat sich ein Mitverschulden der verspäteten Meldung durch die BEK angerechnet und die Rückforderungssumme auf die Hälfte reduziert. Das ist aus gerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat auch die für Aufhebungsbescheide einzuhaltende Jahresfrist eingehalten. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückgenommen werden, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Unter Tatsachen sind dabei alle tatsächlichen Umstände zu verstehen, die zur Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Dies sind zunächst alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden ist, also ganz oder teilweise rechtswidrig ist. Dabei kommt es bei einer Überzahlung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis an (vgl. Schütze in: v. Wulffen, a.a.O., § 45 Rdnr. 81 mit weiteren Hinweisen insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG). Die Tatsache muss dabei bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Stelle der Behörde aktenkundig werden (Schütze, a.a.O., Rdnr 85). Dies ist auch folgerichtig, da nur diese Stelle prüfen kann, ob die Tatsachen die Rücknahme des betreffenden Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der für die Aufhebung zuständigen Stelle der Beklagten ist die Tatsache der KVdR frühestens mit dem Datensatz vom 03. Juni 2008 bekannt geworden. Selbst wenn man auf diesen frühestens denkbaren Zeitpunkt abstellt (und nicht, was ebenfalls vielfach vertreten wird, auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Anhörung), wurde der Aufhebungsbescheid vom 18. März 2009 noch innerhalb der maßgeblichen Jahresfrist erlassen.
Die Aufhebung hat zur Folge, dass die zu Unrecht geleisteten Beitragszuschüsse gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten sind und die Verjährung, die sich nach § 50 Abs. 4 SGB X richtet, nicht eingetreten ist. Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung ist nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern die Unanfechtbarkeit der Erstattungsforderung. Der Zeitpunkt der Überzahlung ist für den Eintritt der Verjährung nach § 50 Abs. 4 SGB X unerheblich (Schütze in: von Wulffen, a.a.O., § 50 Rdnr. 31).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 (Pflegeversicherungszuschüsse nur bis zum 31. März 2004) sowie der Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008.
Der am ... 1935 geborene Kläger beantragte am 17. November 1999 eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem Rentenbeginn am 01. Februar 2000 sowie die Gewährung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 02. Februar 2000 diese Rente sowie mit nachträglich von der Beklagten aus dem EDV-System heraus ausgedruckten Bescheiden vom 10. März 2000 bzw. vom 17. März 2000 Zuschüsse zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Die Altersrente wurde mit weiteren Bescheiden (die ebenfalls nachträglich von der Beklagten aus dem EDV-System heraus ausgedruckt wurden) vom 04. März 2002, vom 13. Mai 2004 und vom 05. Februar 2007 mit Wirkung ab 01. Januar 2002, 01. Juli 2004 bzw. ab 01. April 2007 neu berechnet.
Mit einem am 03. Juni 2008 erstellten Datensatz teilte die Krankenkasse des Klägers, die Barmer Ersatzkasse (BEK), der Beklagten mit, dass der Kläger seit dem 01. April 2002 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sei. Der Kläger sei seinerzeit über die Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ab 01. April 2002 informiert worden, so die BEK. Eine Kopie des an ihn gegangenen Schreibens liege aber nicht mehr vor. Mit Bescheiden vom 19. und 20. Juni 2008 berechnete die Beklagte die Rente daraufhin mit Wirkung für die Zukunft – ab 01. September 2008 – neu. Im Rahmen dieser Bescheide hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, den Kläger zur Erstattung zu Unrecht gezahlter Beitragszuschüsse in Höhe von 8.834,86 Euro zu verpflichten (Bescheid vom 19. Juni 2008) sowie die aufgrund nicht einbehaltener Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge eingetretene Überzahlung in Höhe von 8.392,48 Euro (Bescheid vom 20. Juni 2008) aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten.
In seiner Stellungnahme hierzu äußerte der Kläger, er habe keinen Handlungsbedarf erkannt, da er den Überblick verloren habe. Der Sachverhalt sei amtsintern über Jahre nicht weiter aufgefallen. Dies, obwohl die Beklagte selbst das Herrschaftswissen um die entsprechenden gesetzlichen Änderungen gehabt habe und jederzeit in der Vergangenheit hätte reagieren können. Im Übrigen erhebe er die Einrede der Verjährung. Außerdem habe er die zugewendeten Gelder in dem guten Glauben, sie für sich und seine Familie verwenden zu können, längst ausgegeben. Insoweit berufe er sich auf Entreicherung.
Mit Bescheid vom 18. März 2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 04. März 2002 über die Bewilligung der Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 01. April 2002 gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf und forderte die Erstattung von 4.417,43 Euro. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass er ab dem 01. April 2002 keinen Anspruch mehr auf einen Beitragszuschuss gehabt habe. Allerdings sei die Rückforderungssumme im Wege des Ermessens auf die Hälfte des überzahlten Betrages zu begrenzen, weil die Meldung der BEK erheblich verspätet erfolgt sei und sie sich dies aufgrund des Datenverbundes zurechnen lassen müsse. Außerdem machte die Beklagte in demselben Bescheid die Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung in der in ihrem Anhörungsschreiben genannten Höhe von 8.392,48 Euro geltend. Die Gesamtüberzahlung werde im Juni 2009 in Höhe von 93,91 Euro und ab Juli 2009 in Höhe von 289 Euro monatlich mit der Altersrente verrechnet. Gegenüber dem Kläger ist aber bisher noch keine Aufrechnung durchgeführt worden.
Dagegen legte der Kläger am 06. April 2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er habe keinerlei Information über die potentielle Reduktion seiner Rente ab 01. April 2002 erhalten. Ihn treffe kein Verschulden. Außerdem sei Entreicherung und Verjährung zu beachten. Die Regressquote sei daher auf Null zu reduzieren. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 zurück. Die nachträgliche Einbehaltung von Pflichtbeiträgen bzw. Beitragsanteilen zur Kranken- und Pflegeversicherung beruhe auf § 255 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Der Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) könne in diesem Zusammenhang nicht geltend werden. Auch die Frage etwaigen Verschuldens sei an dieser Stelle irrelevant. Die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sei gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen, weil der Kläger aufgrund der ihm vorliegenden Informationen den fehlenden Anspruch auf die Zuschüsse und damit die Rechtswidrigkeit der Gewährung gekannt habe bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe.
Dagegen hat der Kläger am 16. Juni 2009 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend hat er vorgetragen, die Bescheide vom 04. März 2002 und vom 13. Mai 2004 nicht erhalten zu haben. Stattdessen sei ihm ein Bescheid vom 09. September 2004 zugegangen. Da die Beklagte im Hinblick auf die Existenz des (angeblichen) Bescheides vom 04. März 2002 sowie im Hinblick auf dessen (lediglich behauptete) Zustellung beweisfällig geblieben sei, fehle es dem Bescheid vom 18. März 2009 an der nötigen Anspruchsgrundlage.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 16. September 2011 stattgegeben, soweit es um die Rückforderung der Zuschüsse ging, und sie im Übrigen – hinsichtlich der nachträglichen Beitragserhebung – abgewiesen. Die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei zwingend in § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V bzw. für die Pflegeversicherung in § 60 Abs. 1 Satz 2 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) angeordnet. Diese Vorschriften habe die Beklagte rechtsfehlerfrei angewandt. Die Erstattungsforderung der Beklagten hinsichtlich der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung sei dagegen nicht berechtigt. Es sei nicht bewiesen, dass der Bescheid vom 04. März 2002 zugegangen sei. Insgesamt seien die tatsächlichen Gegebenheiten, die den Wechsel der kranken- und pflegeversicherungsrechtlichen Situation des Klägers im Jahr 2002 und später begleitet hätten, im Dunkeln geblieben. Im konkreten Fall lägen daher die Voraussetzungen der Rücknahme des Rentenbescheides vom 04. März 2002 bzw. der folgenden Bescheide mit Wirkung für die Vergangenheit nicht vor.
Gegen das den Beteiligten am 30. September 2011 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 19. Oktober 2011 und der Kläger am 27. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Der Kläger ist der Auffassung, die nachträgliche Beitragserhebung könne nicht verschuldensunabhängig möglich sein. Jedenfalls habe er nicht für ein Verschulden der Beklagten oder der Krankenkasse einzustehen. Ihm könne kein Vorwurf eines Mitverschuldens gemacht werden. Außerdem sei der Bescheid vom 18. März 2009 nicht aus sich heraus verständlich. Er enthalte keine nachvollziehbare Begründung, sondern verweise hinsichtlich der Summe lediglich auf die Anhörung vom 20. Juni 2008. Die Verweisung auf eine Anhörung könne aber nicht den Inhalt eines Bescheides ersetzen. Im Übrigen sei auch für das geltend gemachte Jahr 2004 Verjährung eingetreten, da die Ansprüche erstmals mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009 geltend gemacht worden seien. Es sei überdies unzulässig, wenn die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren auf § 48 SGB X statt auf § 45 SGB X abstelle. Es sei auch zu bedenken, dass er erst mit Bescheid vom 02. Februar 2002 über die Bewilligung der Altersrente ab 01. Februar 2000 informiert worden sei. Insoweit habe sich für ihn keine (langjährige) Übung ergeben. Ihm habe die Differenz nicht auffallen müssen. Die Beiträge zur Krankenversicherung seien bis März 2002 auch nicht von seinem Girokonto abgebucht worden. Es habe sich bestenfalls um ein internes Konto der Beklagten gehandelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 aufzuheben, soweit für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 rückständige Beitragsanteile für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.392,48 EUR nacherhoben werden, und im Übrigen die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 aufzuheben, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. September 2011 zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass sich nach erneuter Prüfung die Korrektur der Zuschussbewilligung im vorliegenden Fall nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X richte. Dies sei im Ergebnis aber ohne Bedeutung, denn es handele sich insoweit nur um einen Begründungswechsel und nicht um eine Umdeutung. Eine Erstattungsforderung scheitere auch nicht daran, dass der Aufhebungsbescheid den oder die zu korrigierenden Bewilligungsbescheid(e) nicht oder nur unzutreffend benenne. Von entscheidender Bedeutung sei vor allem die Tatsache, dass der Kläger letztmalig für den Monat März 2002 Beiträge für seine freiwillige Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung an die Krankenkasse gezahlt habe, ihm vom 01. April 2002 an dagegen überhaupt keine Aufwendungen für seine Kranken- und Pflegeversicherung mehr entstanden seien. Bei der Beantragung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung habe der Kläger sich darüber hinaus durch Unterschrift verpflichtet, ihr Änderungen des krankenversicherungsrechtlichen Status anzuzeigen. Darüber hinaus habe der Kläger in Bescheiden, Rentenanpassungsmitteilungen und in einem Merkblatt weitere Hinweise auf seine Mitteilungspflichten erhalten. Die nachträgliche Erhebung der Beiträge zur Kranken- bzw. Pflegeversicherung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Frage eines etwaigen Verschuldens sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Die Beitragsnachforderung sei auch nicht verwirkt. Verjährung sei nur für die Zeit vor dem 01. Januar 2004 eingetreten. Denn die Beitragsnachforderung sei nicht erstmals mit dem Bescheid vom 18. März 2009 (oder, wie der Kläger meine, mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2009) gegenüber dem Kläger geltend worden. Mit diesem Bescheid sei nur eine abschließende Entscheidung über die Durchsetzung der mit Bescheid vom 20. Juni 2008 der Höhe nach festgestellten Beitragsforderung getroffen worden. Die Verjährung sei bereits mit Erlass des Bescheides vom 20. Juni 2008 gehemmt worden.
Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG entschieden, dass die Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung rechtsmäßig ist. Die ebenfalls statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist dagegen begründet, denn die Rückforderung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung ist rechtmäßig.
I.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung der Eigenbeteiligung an den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 in Höhe von 8.392,48 Euro (II.) sowie die Aufhebung und Erstattung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 (Pflegeversicherung nur bis zum 31. März 2004) in Höhe von 4.417,43 Euro (III.).
II.
Der Kläger ist seit dem 01. April 2002 Mitglied der KVdR. Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt.
Rechtsgrundlagen dafür sind § 255 Abs. 1 Satz 1 Erster Halbsatz SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Dies hat die Beklagte rechtsfehlerfrei umgesetzt. Auf die Frage, ob die Beklagte hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es nicht an (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07. September 2011 – L 16 R 121/11 – juris, Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. November 2010 – L 2 R 161/10 – juris, Rdnr. 56).
Die Beitragsnachforderung der Beklagten für den Zeitraum vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V (und auch nach § 60 Abs. 1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – juris, Rdnr. 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der Altersrente des Klägers für die Zeit vom 01. Januar 2004 bis zum 31. August 2008 zu zahlenden Beiträge waren deshalb bei Erlass des Bescheides vom 20. Juni 2008 noch nicht verjährt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auf diesen Bescheid abzustellen, weil hierin die Anhörung zur beabsichtigten Vorgehensweise enthalten ist. Damit ist ein Hemmungstatbestand gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 SGB IV i.V.m. einer sinngemäßen Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegeben. Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung u. a. durch Erhebung der Klage gehemmt. Diese Norm passt hier nicht direkt, weil die Beklagte zur Titelerlangung keine Klage erheben muss, sondern sich den Titel im Verwaltungsverfahren selbst verschafft. Die Hemmung beginnt mit der Anhörung in dem Bescheid vom 20. Juni 2008, weil die Beklagte damit die Rechtsverfolgung aufgenommen hat. Dass die sinngemäße Anwendung in diesem Fall geboten ist, verdeutlicht auch die Überschrift zu § 204 BGB, die "Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung" lautet. Nichts anderes als Rechtsverfolgung stellt die Anhörung dar.
Die Forderung der Beklagten ist auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Sozialversicherungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1958 – 2 RU 285/56 –, BSGE 7, 199, 200; BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 62/70 – BSGE 34, 211, 213; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94 – juris, Rdnr. 18) und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76 –, BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr. 11 S. 15; BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 – B 12 KR ¼ R – juris, Rdnr. 43). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 242 Rdnr. 87) voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 32, 305; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 07. Februar 1974 – III C 115.71 – BVerwGE 44, 339, 343; BSG, Urteil vom 29. Juni 1972 – 2 RU 62/70, a.a.O., BSG, Urteil vom 05. Dezember 1972 – 10 RV 441/71 – BSGE 91, 95 m.w.N.). Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76 –, a.a.O.; BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 – 5 RJ 52/94 –, a.a.O.). Ein "bloßes Nichtstun" als Verwirkungsverhalten reicht regelmäßig nicht aus; ein konkretes Verhalten des Gläubigers muss hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 – 12 RK 6/76, a.a.O. S. 17; BSG, Urteil vom 23. Mai 1989 – 12RK 23/88 – juris Rdnr. 26). Ein solches Verwirkungsverhalten der Beklagten, das bei dem Kläger das berechtigte Vertrauen begründen durfte, die Beklagte werde die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht erheben, liegt nicht vor. Die Beklagte hatte es aufgrund der fehlenden Meldung der BEK unterlassen, die Beiträge zu erheben. Dieses rechtswidrige Unterlassen der Beklagten erfüllt nach den aufgezeigten Maßstäben weder die Anforderungen eines Vertrauen begründenden Verwirkungsverhaltens noch durfte der Kläger das "bloße Nichtstun" der Beklagten als bewusst und planmäßig erachten und deshalb darauf vertrauen, dass die Beiträge nicht erhoben werden. Sofort nach Kenntnis von der Versicherungspflicht in der KVdR hat die Beklagte die rückständigen Beiträge geltend gemacht. Auf ein Fehlverhalten der BEK kommt es im Rahmen der Verwirkung nicht an, da die diese nicht Berechtigte des Anspruchs war.
Der Entreicherungseinwand des Klägers geht schon deshalb ins Leere, weil § 818 Abs. 3 BGB in privatrechtlichen Verhältnissen gilt und nicht in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Versichertem und Sozialversicherungsträger. Ein entsprechender gesetzlicher Verweis fehlt.
III.
Die Aufhebung der Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung und die Erstattungsforderung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Beklagte zuletzt als Rechtsgrundlage § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X herangezogen. Denn mit dem Bescheid vom 04. März 2002 ist nicht erneut über die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung entschieden worden, sondern lediglich der Zuschuss zur Krankenversicherung infolge der geänderten Beitragshöhe für die Zeit ab 01. Januar 2002 der Höhe nach neu berechnet worden. Festgestellt wurde der grundsätzliche Anspruch auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit dem Rentenbewilligungsbescheid vom 02. Februar 2000 (nicht – wie der Kläger vorgetragen hat – 2002) und den nachfolgenden Bescheiden vom 10. März 2000 bzw. vom 17. März 2000. Diese Bescheide waren zunächst rechtmäßig. Mit der KVdR ab 01. April 2002 trat eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X ein.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist dies keine unzulässige Umdeutung im Sinne des § 43 SGB X, sondern stellt einen Begründungswechsel dar. Ein solcher ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da sich der Aufhebungsbescheid in seinem Verfügungssatz nicht ändert. Der Rücknahmebescheid wird hinsichtlich der Aufhebung bei gleichbleibender Regelung lediglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt (BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 38/01 R –, juris). Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2009 ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil als aufzuhebender Bescheid fehlerhaft der Bescheid vom 04. März 2002 genannt ist. Denn mit dem Bescheid vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 ist inhaltlich hinreichend bestimmt genug die Bewilligung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. April 2002 bis zum 31. August 2008 aufgehoben worden. Es handelt sich insoweit um eine entsprechende Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes hinsichtlich der gewährten Zuschüsse. Verwaltungsakt ist nach § 31 Abs. 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, nicht jedoch auf dessen Gründe. Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will (BSG, Urteil vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 –, SozR 4-2600 § 96a Nr. 9 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Februar 1989 – 11/7 RAr 103/87 –, SozR 1500 § 55 Nr. 35, S. 39). Eine Aufhebung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Es genügt, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Verwaltungsaktes für einen verständigen, objektiven Erklärungsempfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass die nach dem bisherigen Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht mehr zusteht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R – juris; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 4 RJ 32/98 R – juris; jeweils in Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 4 RA 56/96 – juris und BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 4 RA 25/96 – juris). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden (BSG, Urteil vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 R –, SozR 4-2600 § 96 a Nr. 9 m. w. N.). Für den Kläger musste aufgrund des Bescheides vom 18. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2009 klar erkennbar sein, dass er zur Rückzahlung überzahlter Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe 4.417,43 Euro verpflichtet werden soll. Es sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Kläger diese Rechtsfolge nicht richtig verstanden hat. Dass er mit ihr nicht einverstanden ist, ist eine andere Sache. Es stellt auch keinen Begründungsmangel dar, dass die Beklagte in dem Aufhebungsbescheid hinsichtlich der Berechnung der Rückforderungssumme auf die Anhörungsmitteilung Bezug nimmt. Denn diese war dem Kläger bekannt.
Die Bescheide vom 02. Februar 2000, vom 10. März 2000 und vom 17. März 2000 sind begünstigende Verwaltungsakte, denn sie begründen das Recht des Klägers auf Zahlung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Bescheide sind ab 01. April 2002 rechtswidrig geworden (insoweit ist eine wesentliche Änderung eingetreten), denn die Gewährung der Zuschüsse für die Zeit bis zum 30. September 2008 (Krankenversicherung) bzw. bis zum 31. März 2004 (Pflegeversicherung) erfolgte rechtsfehlerhaft. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide ab 01. April 2002 ergibt sich aus § 106 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und § 106a SGB VI in der Fassung bis zum 31. März 2004 (a.F.). Nach § 106 Abs. 1 SGB VI erhalten Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB VI gilt dies nicht, wenn sie gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Gemäß § 106a SGB VI a.F. erhalten Rentenbezieher, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert oder nach dem Vorschriften des Elften Buches verpflichtet sind, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abzuschließen und aufrechtzuerhalten, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung. Der Kläger war – zwischen den Beteiligten unstreitig – seit dem 01. April 2002 gesetzlich in der KVdR versichert. Die Voraussetzungen für einen Zuschuss nach § 106 SGB VI und § 106a SGB VI a.F. lagen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bescheide vom 02. Februar 2000, vom 10. März 2000 und vom 17. März 2000 über die Gewährung der Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 01. April 2002 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X sind erfüllt. In Betracht kommen hier die Nr. 2 der Vorschrift (grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht) und die Nr. 4 (Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis, dass ein Anspruch nicht besteht). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Bei der Beurteilung, ob grobe Fahrlässigkeit zu bejahen ist oder nicht, sind insbesondere die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Versicherten und die besonderen Umständen des Falles zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –, juris, Rdnr. 23).
Zur Überzeugung des Senats wusste der Kläger infolge grober Fahrlässigkeit nicht, dass er ab 01. April 2002 keinen Anspruch mehr auf die Beitragszuschüsse hatte, denn er hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob er auch Mitteilungspflichten grob fahrlässig verletzt hat. Die BEK hat ausweislich ihrer Mitteilung an die Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 bis einschließlich März 2002 freiwillige Beiträge vom Kläger im Lastschriftverfahren eingezogen und danach nicht mehr. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 12. September 2013 auch eingeräumt, dass ihm die Einstellung der Abbuchung aufgefallen ist. Er habe gemeint, dass dies so seine Richtigkeit habe. Es stellt vor diesem Hintergrund eine ganz nahe liegende Überlegung dar, dass Zuschüsse zu Beiträgen, die der Kläger selbst nicht mehr zahlt, auch nicht beansprucht werden können. Dass der Kläger weiterhin Beitragszuschüsse erhalten hat, musste ihm aus den übersichtlichen Rentenanpassungsmitteilungen der Beklagten bekannt sein, die in der Berechnung des Auszahlungsbetrages neben dem Rentenbetrag allein die Zuschüsse ausweisen. Selbst wenn er diese ungelesen abgeheftet haben sollte, wäre grobe Fahrlässigkeit zu bejahen. Denn dann läge gerade in diesem Verhalten eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass dem Kläger insoweit ein ausreichendes Einsichtsvermögen gefehlt haben sollte. Er hat damit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X wegen besonders schwerwiegender Sorgfaltspflichtverletzung nicht gewusst, dass er ab April 2002 keinen Anspruch mehr auf die Beitragszuschüsse hatte.
Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X "soll" der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Danach handelt es sich bei einer Rücknahme seit der Änderung der Verhältnisse um den Regelfall. Ermessen ist nur auszuüben, wenn ein sog. atypischer Fall vorliegt, d.h., ein Fall, der in Bezug auf eine Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet. Ob ein atypischer Fall vorliegt, haben die Gerichte voll zu überprüfen (vgl. Schütze in: v. Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48 Rdnr. 20, 21 mit weiteren Nachweisen). Das Vorliegen eines atypischen Falles kann hier aber offen bleiben. Denn die Beklagte hat fehlerfrei Ermessen ausgeübt.
Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I), dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I). In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum einen eine Ermessensunterschreitung bzw. Ermessensnichtgebrauch (die Beklagte unterlässt es, das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben), zum anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung (die Beklagte setzt eine im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge) in Betracht. Schließlich stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, für die Entscheidung objektiv wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 27 ff.). Für derartige Ermessensfehler gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Die Beklagte hat sich ein Mitverschulden der verspäteten Meldung durch die BEK angerechnet und die Rückforderungssumme auf die Hälfte reduziert. Das ist aus gerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat auch die für Aufhebungsbescheide einzuhaltende Jahresfrist eingehalten. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückgenommen werden, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Unter Tatsachen sind dabei alle tatsächlichen Umstände zu verstehen, die zur Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Dies sind zunächst alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden ist, also ganz oder teilweise rechtswidrig ist. Dabei kommt es bei einer Überzahlung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis an (vgl. Schütze in: v. Wulffen, a.a.O., § 45 Rdnr. 81 mit weiteren Hinweisen insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG). Die Tatsache muss dabei bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Stelle der Behörde aktenkundig werden (Schütze, a.a.O., Rdnr 85). Dies ist auch folgerichtig, da nur diese Stelle prüfen kann, ob die Tatsachen die Rücknahme des betreffenden Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der für die Aufhebung zuständigen Stelle der Beklagten ist die Tatsache der KVdR frühestens mit dem Datensatz vom 03. Juni 2008 bekannt geworden. Selbst wenn man auf diesen frühestens denkbaren Zeitpunkt abstellt (und nicht, was ebenfalls vielfach vertreten wird, auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Anhörung), wurde der Aufhebungsbescheid vom 18. März 2009 noch innerhalb der maßgeblichen Jahresfrist erlassen.
Die Aufhebung hat zur Folge, dass die zu Unrecht geleisteten Beitragszuschüsse gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten sind und die Verjährung, die sich nach § 50 Abs. 4 SGB X richtet, nicht eingetreten ist. Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verjährung ist nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern die Unanfechtbarkeit der Erstattungsforderung. Der Zeitpunkt der Überzahlung ist für den Eintritt der Verjährung nach § 50 Abs. 4 SGB X unerheblich (Schütze in: von Wulffen, a.a.O., § 50 Rdnr. 31).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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