Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 42 R 4731/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 598/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 23. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) die Beschäftigungszeiten der Klägerin vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Die 1937 geborene Klägerin erlangte nach Besuch der Ingenieurschule für Maschinenbau Sch. die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Meister der volkseigenen Industrie" zu führen (Meisterurkunde vom 30. Juli 1965). Sie nahm dann an einem Qualifizierungslehrgang für Lehrmeister am Institut zur Ausbildung von Ingenieurpädagogen K.-M.-St. teil und bestand die Prüfung zum "Lehrmeister der sozialistischen Wirtschaft" (Zeugnis vom 25. Juni 1968). Sie schloss in der Folge ein Studium an der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Maschinenbau E. erfolgreich ab und erwarb das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen (Zeugnis vom 6. Juli 1973). Aufgrund der bestandenen Prüfungen zum Ingenieurökonom und zum Lehrmeister der sozialistischen Wirtschaft erhielt sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ökonompädagoge (berufspraktischer Unterricht)" zu führen (Urkunde vom 11. Juni 1974).
Die Klägerin war im VEB Fahrzeugelektronik R. in der Zeit vom 6. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1987 als Lehrmeister beschäftigt. Ab 1. Januar 1988 war sie als Ingenieurpädagoge tätig, was auch in ihrem Sozialversicherungsausweis so vermerkt wurde. Eine Versorgungszusage erhielt die Klägerin vor Schließung der Versorgungssysteme nicht.
Sie beantragte am 15. Februar 2007 bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Hierbei gab sie an, dass sie vom 6. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1991 in der Lehrausbildung tätig war und technische Fähigkeiten an Lehrlinge vermittelt habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juni 2007 den Antrag ab, weil das AAÜG nicht auf die Klägerin anwendbar sei. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007).
Das Sozialgericht Gotha hat die hiergegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2011 abgewiesen. Es fehle an der sachlichen Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz, weil die Klägerin nicht im produktionsbezogenen ingenieur-technischen Bereich, sondern als Lehrkraft tätig gewesen sei.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass sie sehr wohl im Produktionsbereich tätig gewesen sei. Sie sei z.B. Verantwortliche für das "Schülerband" gewesen, ein Produktionsbereich, der ganz oder teilweise mit Lehrlingen und Schülern besetzt war. Hier seien z.B. Regler hergestellt worden, die in verschiedenen Bereichen der Fahrzeugelektronik eingesetzt wurden. Sie habe das "Schülerband" selbst projektiert und sei verantwortlich für die Anleitung und die Kontrolle der Arbeit und der Produkte gewesen. Sie habe sowohl Unterrichtseinheiten gegeben, als auch Produktionsaufsicht und Kontrolle ausgeübt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit habe darin bestanden, theoretische Ausbildungsinhalte so zu vermitteln, dass diese in der Praxis angewandt und umgesetzt werden können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 23. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2007 zu verurteilen, die Zeit vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG und die währenddessen erzielten Entgelte und sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide sowie die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 22. April 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Hierin hat die Klägerin angegeben, dass sie mit den Lehrlingen ein Band zur Fertigung verschiedener Typen von Reglern aufgebaut habe. Die Lehrlinge hätten von ihr erfahren, was sie machen sollen, sie habe ihnen auch die Funktion und die Wirkungsweise im Fahrzeug erklärt. Es erfolgte durch sie die Lehrunterweisung, die wie ein Unterricht aufgebaut war. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 68 ff. der Gerichtsakte).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihr die Zeiten vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Die Vorschriften des AAÜG sind auf die Klägerin nicht anwendbar.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG dieser Verlust als nicht eingetreten.
Die Klägerin erfüllt nach dem Wortlaut der Vorschrift beide Voraussetzungen nicht. Sie war am 1. August 1991, dem Datum des Inkrafttretens des AAÜG, nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihr eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hat auch keine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt und hatte keine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Sie war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris Rn. 27). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. Nr. 62 S. 487) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Ein solches Dokument (Versicherungsurkunde) ist der Klägerin nicht ausgehändigt worden. Mangels vorheriger Einbeziehung konnte sie daher nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden (vgl. BSG, a.a.O.).
Die Klägerin war am 1. August 1991 auch nicht Inhaberin einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG vom 10. April 2002 Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris). Die Klägerin hatte am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. Nr. 93 S. 844) nicht erfüllt.
Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönliche Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung - BSG vom 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG vom 9. April 2002 –Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, vom 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 50/02 R und 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, sämtlich nach juris).
Der Senat kann offen lassen, ob die persönliche und die betriebliche Voraussetzung vorliegen, da es an der sachlichen Voraussetzung fehlt. Die Klägerin war nicht als Ingenieurin, sondern schwerpunktmäßig als betriebliche Lehrkraft tätig.
Wie sich aus der "Präambel" der VO-AVItech ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion förderten. Lehrkräfte, die das im Unternehmen angewandte Wissen theoretischer und praktischer Art hingegen lediglich weitervermittelten, die also schwerpunktmäßig eine betriebsbezogene Lehrtätigkeit ausübten, fielen nicht unter die VO-AVItech. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs 1 der 2. DB. Danach zählten zu dem privilegierten Personenkreis der Einzubeziehenden - ausnahmsweise - Lehrer technischer Fächer - aber nur - an den Fach- und Hochschulen. Dieser (Ausnahme-)Regelung hätte es nicht bedurft, wenn derartige Lehrer stets einzubeziehen gewesen wären, unabhängig von ihrer jeweiligen Wirkungsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2004 - Az.: B 4 RA 31/03 R, nach juris).
Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin lag in der (betriebsbezogenen) Wissensvermittlung und nicht im produktionsbezogenen ingenieur-technischen Bereich. Sie vermittelte als Ingenieurpädagogin in erster Linie technisches Wissen über die im VEB erzeugten technischen Produkte, also betriebsbezogenes Wissen. Dies hat sie selbst sowohl gegenüber der Beklagten als auch im Erörterungstermin am 22. April 2013 angegeben. Die Lehrlinge haben im Rahmen einer Lehrunterweisung, die wie ein Unterricht aufgebaut war, von ihr erfahren, was sie machen sollen, darüber hinaus hat sie Kenntnisse über die Funktion und die Wirkungsweise im Fahrzeug vermittelt. An dieser Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass die von ihr unterwiesenen Lehrlinge Produkte hergestellt haben, die im betrieblichen Ablauf Verwendung fanden. Nahezu jede betriebliche Ausbildung wird so durchgeführt, dass die Lehrlinge praktisch verwendbare Produkte oder Dienstleistungen erstellen sollen, dass ist gerade der Unterschied der betrieblichen gegenüber der schulischen Ausbildung. Erst wenn die Ausbildungszielrichtung gegenüber dem Produktionsprozess deutlich in den Hintergrund tritt, kann sich etwas anderes ergeben. Das war hier aber nicht der Fall. Das "Schülerband" war vollständig oder überwiegend mit Lehrlingen besetzt, es dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben, bis diese verwertbare Produkte gefertigt haben. Schon dies zeigt, dass nicht die Produktion sondern die Ausbildung im Vordergrund stand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) die Beschäftigungszeiten der Klägerin vom 1. Januar 1988 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.
Die 1937 geborene Klägerin erlangte nach Besuch der Ingenieurschule für Maschinenbau Sch. die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Meister der volkseigenen Industrie" zu führen (Meisterurkunde vom 30. Juli 1965). Sie nahm dann an einem Qualifizierungslehrgang für Lehrmeister am Institut zur Ausbildung von Ingenieurpädagogen K.-M.-St. teil und bestand die Prüfung zum "Lehrmeister der sozialistischen Wirtschaft" (Zeugnis vom 25. Juni 1968). Sie schloss in der Folge ein Studium an der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Maschinenbau E. erfolgreich ab und erwarb das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen (Zeugnis vom 6. Juli 1973). Aufgrund der bestandenen Prüfungen zum Ingenieurökonom und zum Lehrmeister der sozialistischen Wirtschaft erhielt sie die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ökonompädagoge (berufspraktischer Unterricht)" zu führen (Urkunde vom 11. Juni 1974).
Die Klägerin war im VEB Fahrzeugelektronik R. in der Zeit vom 6. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1987 als Lehrmeister beschäftigt. Ab 1. Januar 1988 war sie als Ingenieurpädagoge tätig, was auch in ihrem Sozialversicherungsausweis so vermerkt wurde. Eine Versorgungszusage erhielt die Klägerin vor Schließung der Versorgungssysteme nicht.
Sie beantragte am 15. Februar 2007 bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Hierbei gab sie an, dass sie vom 6. Juli 1973 bis zum 31. Dezember 1991 in der Lehrausbildung tätig war und technische Fähigkeiten an Lehrlinge vermittelt habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Juni 2007 den Antrag ab, weil das AAÜG nicht auf die Klägerin anwendbar sei. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2007).
Das Sozialgericht Gotha hat die hiergegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2011 abgewiesen. Es fehle an der sachlichen Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz, weil die Klägerin nicht im produktionsbezogenen ingenieur-technischen Bereich, sondern als Lehrkraft tätig gewesen sei.
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, dass sie sehr wohl im Produktionsbereich tätig gewesen sei. Sie sei z.B. Verantwortliche für das "Schülerband" gewesen, ein Produktionsbereich, der ganz oder teilweise mit Lehrlingen und Schülern besetzt war. Hier seien z.B. Regler hergestellt worden, die in verschiedenen Bereichen der Fahrzeugelektronik eingesetzt wurden. Sie habe das "Schülerband" selbst projektiert und sei verantwortlich für die Anleitung und die Kontrolle der Arbeit und der Produkte gewesen. Sie habe sowohl Unterrichtseinheiten gegeben, als auch Produktionsaufsicht und Kontrolle ausgeübt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit habe darin bestanden, theoretische Ausbildungsinhalte so zu vermitteln, dass diese in der Praxis angewandt und umgesetzt werden können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 23. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2007 zu verurteilen, die Zeit vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni 1990 als Zugehörigkeitszeit zu dem Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG und die währenddessen erzielten Entgelte und sonstigen Sachverhalte im Sinne des AAÜG festzustellen und dem Rentenversicherungsträger mitzuteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Inhalt ihrer angefochtenen Bescheide sowie die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 22. April 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Hierin hat die Klägerin angegeben, dass sie mit den Lehrlingen ein Band zur Fertigung verschiedener Typen von Reglern aufgebaut habe. Die Lehrlinge hätten von ihr erfahren, was sie machen sollen, sie habe ihnen auch die Funktion und die Wirkungsweise im Fahrzeug erklärt. Es erfolgte durch sie die Lehrunterweisung, die wie ein Unterricht aufgebaut war. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 68 ff. der Gerichtsakte).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihr die Zeiten vom 1. Januar 1988 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der in diesem Zeitraum nachgewiesenen tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellt. Die Vorschriften des AAÜG sind auf die Klägerin nicht anwendbar.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG dieser Verlust als nicht eingetreten.
Die Klägerin erfüllt nach dem Wortlaut der Vorschrift beide Voraussetzungen nicht. Sie war am 1. August 1991, dem Datum des Inkrafttretens des AAÜG, nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft. Eine Einzelfallentscheidung, durch die ihr eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden war, liegt nicht vor. Er hat auch keine positive Statusentscheidung der Beklagten erlangt und hatte keine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakts. Sie war auch nicht auf Grund eines Einzelvertrags oder einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht erfüllt. Ein Anwendungsfall einer gesetzlich fingierten Anwartschaft ist nicht schon dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 30. Juni 1990 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatte; vielmehr muss der Betroffene nach den Regeln des Versorgungssystems tatsächlich einbezogen worden und nach erfolgter Einbeziehung später ausgeschieden sein (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 29. Juli 2004 - Az.: B 4 RA 12/04 R, nach juris Rn. 27). Nach § 3 Abs. 5 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (nachfolgend: 2. DB z. ZAVO-techInt, GBl. Nr. 62 S. 487) erfolgte die Erteilung einer Versorgungszusage ausschließlich durch Aushändigung eines "Dokuments über die zusätzliche Altersversorgung". Ein solches Dokument (Versicherungsurkunde) ist der Klägerin nicht ausgehändigt worden. Mangels vorheriger Einbeziehung konnte sie daher nicht aus einem Versorgungssystem in diesem Sinne ausscheiden (vgl. BSG, a.a.O.).
Die Klägerin war am 1. August 1991 auch nicht Inhaberin einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Danach ist bei Personen, die am 30. Juni 1990 nicht in einem Versorgungssystem einbezogen waren und die nachfolgend auch nicht aufgrund originären Bundesrechts (z. B. Art. 17 EV) einbezogen wurden, zu prüfen, ob sie aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl. BSG vom 9. April 2002 - Az.: B 4 RA 31/01 R, Az.: B 4 RA 41/01, Az.: B 4 RA 3/02 R, BSG vom 10. April 2002 Az.: B 4 RA 34/01 R - Az.: B 4 RA 10/02 R, nach juris). Die Klägerin hatte am 1. August 1991 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (nachfolgend ZAVO-techInt, GBl. Nr. 93 S. 844) nicht erfüllt.
Dies ist nur dann der Fall, wenn nach § 1 ZAVO-techInt i.V.m. § 1 Abs. 1 der 2. DB z. ZAVO-techInt drei Voraussetzungen erfüllt sind: Der "Versorgungsberechtigte" muss am 30. Juni 1990 eine bestimmte Berufsbezeichnung (persönliche Voraussetzung) und eine der Berufsbezeichnung entsprechende Tätigkeit verrichtet haben (sachliche Voraussetzung) und die Tätigkeit oder Beschäftigung muss am 30. Juni 1990 bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens verrichtet worden sein (betriebliche Voraussetzung - BSG vom 18. Juni 2003 - Az.: B 4 RA 1/03 R; ebenso z.B.: BSG vom 9. April 2002 –Az.: B 4 RA 32/01 R und vom 10. April 2002 – Az.: B 4 RA 10/02 R, vom 18. Juni 2003 – Az.: B 4 RA 50/02 R und 29. Juli 2004 – Az.: B 4 RA 4/04 R, sämtlich nach juris).
Der Senat kann offen lassen, ob die persönliche und die betriebliche Voraussetzung vorliegen, da es an der sachlichen Voraussetzung fehlt. Die Klägerin war nicht als Ingenieurin, sondern schwerpunktmäßig als betriebliche Lehrkraft tätig.
Wie sich aus der "Präambel" der VO-AVItech ergibt, sollten in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion förderten. Lehrkräfte, die das im Unternehmen angewandte Wissen theoretischer und praktischer Art hingegen lediglich weitervermittelten, die also schwerpunktmäßig eine betriebsbezogene Lehrtätigkeit ausübten, fielen nicht unter die VO-AVItech. Dies ergibt sich auch aus § 1 Abs 1 der 2. DB. Danach zählten zu dem privilegierten Personenkreis der Einzubeziehenden - ausnahmsweise - Lehrer technischer Fächer - aber nur - an den Fach- und Hochschulen. Dieser (Ausnahme-)Regelung hätte es nicht bedurft, wenn derartige Lehrer stets einzubeziehen gewesen wären, unabhängig von ihrer jeweiligen Wirkungsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2004 - Az.: B 4 RA 31/03 R, nach juris).
Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin lag in der (betriebsbezogenen) Wissensvermittlung und nicht im produktionsbezogenen ingenieur-technischen Bereich. Sie vermittelte als Ingenieurpädagogin in erster Linie technisches Wissen über die im VEB erzeugten technischen Produkte, also betriebsbezogenes Wissen. Dies hat sie selbst sowohl gegenüber der Beklagten als auch im Erörterungstermin am 22. April 2013 angegeben. Die Lehrlinge haben im Rahmen einer Lehrunterweisung, die wie ein Unterricht aufgebaut war, von ihr erfahren, was sie machen sollen, darüber hinaus hat sie Kenntnisse über die Funktion und die Wirkungsweise im Fahrzeug vermittelt. An dieser Einschätzung ändert auch der Umstand nichts, dass die von ihr unterwiesenen Lehrlinge Produkte hergestellt haben, die im betrieblichen Ablauf Verwendung fanden. Nahezu jede betriebliche Ausbildung wird so durchgeführt, dass die Lehrlinge praktisch verwendbare Produkte oder Dienstleistungen erstellen sollen, dass ist gerade der Unterschied der betrieblichen gegenüber der schulischen Ausbildung. Erst wenn die Ausbildungszielrichtung gegenüber dem Produktionsprozess deutlich in den Hintergrund tritt, kann sich etwas anderes ergeben. Das war hier aber nicht der Fall. Das "Schülerband" war vollständig oder überwiegend mit Lehrlingen besetzt, es dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben, bis diese verwertbare Produkte gefertigt haben. Schon dies zeigt, dass nicht die Produktion sondern die Ausbildung im Vordergrund stand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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