L 11 SF 277/13 EK AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 SF 277/13 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Insofern rügt er eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens L 5 SF 121/13 EK AS Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist wiederum eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff GVG, mit der der Kläger im Wesentlichen geltend macht, auch das Verfahren über seine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff GVG - L 11 SF 118/12 VE AS LSG Nordrhein-Westfalen - sei unangemessen überlang. Ausgangspunkt aller dieser Rechtsstreitigkeiten ist nach dem Vorbringen des Klägers (Schriftsatz vom 02.01.3013) der Rechtsstreit S 10 AS 48/09 Sozialgericht (SG) Detmold. In diesem Rechtsstreit begehrt der Kläger im Wesentlichen die Wiederaufnahme des durch Anerkenntnis und dessen Annahme beendeten Rechtsstreits S 10 (18) AS 2/08 SG Detmold und die Verurteilung der Beklagten - Arbeitplus in C GmbH - zur Zahlung von 59,06 EUR Zinsen (Beschluss des SG Detmold vom 23.02.2009 - S 10 AS 48/09 -). Darüber hinaus sind von dem Kläger beim LSG Nordrhein-Westfalen mindestens 30 weitere Klagen wegen Entschädigung nach § 198 ff GVG eingereicht worden, die auf ähnlichen Sachverhalten beruhen (so z.B. Rechtsstreit S 10 AS 46/09 SG Detmold, in dem der Kläger die Wiederaufnahme des ebenfalls durch Anerkenntnis und dessen Annahme beendeten Rechtsstreits S 10 (18) AS 200/06 und die Zahlung von 10,12 EUR Zinsen begehrt (Beschluss vom 23.02.2009 - S 10 AS 46/09 SG Detmold -)). Diese Rechtsstreitigkeiten sind regelhaft begleitet von Erinnerungen, Anhörungsrügen (usw.). Insgesamt hat der Kläger derzeit ca. 90 Verfahren vor dem LSG Nordrhein-Westfalen anhängig.

In dem vorliegend zugrundeliegenden Gerichtsverfahren L 5 SF 121/13 EK AS LSG Nordrhein-Westfalen ist die auf Entschädigung nach §§ 198 ff GVG gerichtete und mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe verbundene Klage am 03.01.2013 eingegangen. Am 06.03.2013 (Schriftsatz vom 03.03.2013) hat der Kläger u.a. mit dem Vorbringen Verzögerungsrüge erhoben, das Aktenzeichen für den Rechtsstreit sei noch nicht bekannt gegeben worden. Mit Beschlüssen vom 05.09.2013 hat das LSG Nordrhein-Westfalen den auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gerichteten Antrag des Klägers abgewiesen und den vorläufigen Streitwert festgesetzt; zudem hat es den Kläger darauf hingewiesen, dass seine Klageschrift erst nach Zahlung der Gerichtsgebühren dem Klaggegner übermittelt wird.

Am 05.09.2013 (Schriftsatz vom 03.09.2013) hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

II.

Der Senat ist gemäß § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG, beide eingefügt durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) vom 24.11.2011 (BGBl. I S 2302) und zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I S. 2554), zuständig. Das streitgegenständliche Verfahren L 5 SF 121/13 EK AS LSG Nordrhein-Westfalen wird im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen durchgeführt.

1.
Vorsitzender Richter am LSG Frehse und Richter am LSG Wendler sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht ausgeschlossen. Der Ausschlussgrund des § 41 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bezieht sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts auf die Mitwirkung in einem Verfahren, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Der Kläger macht im anhängigen Rechtsstreit L 11 SF 277/13 EK AS, das Verfahren L 5 SF 121/13 EK AS sei in Verzug geraten. An diesem "beanstandeten" Verfahren haben die Richter Frehse und Wendler nicht mitgewirkt. Dem Verfahren L 5 SF 121/13 EK AS wiederum liegt das Verfahren L 11 SF 118/12 VE AS zugrunde. Auch insoweit meint der Kläger eine entschädigungsrelevante Verzögerung erkannt zu haben. Eine solche Konstellation wird von § 41 Nr. 7 ZPO ersichtlich nicht erfasst. Die Aufzählung der Ausschließungsgründe in § 41 ZPO ist abschließend (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.09.2007 - X B 18/03 -; LSG Hessen, Urteil vom 13.07.2005 - L 6/7 KA 564/02-; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998 - L 5 S 2/98 -) und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (BGH, Urteil vom 04.12.1989 - RiZ(R) 5/89 -).

Soweit der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2013 "ersatzweise" einen Ablehnungsantrag gegen die Richter Frehse und Wendler gestellt hat, ist dieser rechtsmissbräuchlich und nicht gesondert zu bescheiden. Der Senat hat den Kläger in einer Reihe von Verfahren auf Inhalt und Grenzen des § 41 Nr. 7 ZPO hingewiesen. Demgegenüber greift der Kläger jede Verfahrenshandlung des Gerichts mit Rechtsbehelfen an und nimmt zur Begründung Bezug auf eine Kombination schwer nachvollziehbarer Versatzstücke aus anderen Verfahren. Das Verhalten des Klägers hat zur Überzeugung des Senats in einer Gesamtwürdigung querulatorischen Charakter. Es ist zu erwägen, die Eingaben des Kläger künftig unbeachtet zu den Akten zu nehmen (hierzu OLG Braunschweig, Urteil vom 05.09.2013 - 6 SchH 267/13 -).

2.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die im vorliegenden Rechtsstreit beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Satz 1 ZPO).

Die Klage ist bereits unzulässig, denn der Kläger hat die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht gewahrt. Die Verzögerungsrüge ist am 06.03.2013, die Klagschrift ist am 05.09.2013 beim LSG Nordrhein-Westfalen eingegangen; mithin wurde die Klage nach § 198 GVG vor Ablauf der 6-Monatsfrist erhoben. Die vor Fristablauf erhobene Klage ist auch nicht durch Fristablauf zulässig geworden; eine Heilung findet nicht statt (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 1. Auflage 2013, § 198 GVG, Rdn. 250).

3.
Nach § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird. Die Verzögerungsrüge ist materielle Anspruchsvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B -). Wird die Rüge zur Unzeit erhoben, ist der Anspruch nicht begründet und die Klage abzuweisen. Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" gehe (BT-Drs. 17/3802 S. 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn später tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt. So liegt es hier. Dass eine am 03.01.2013 erhobene Entschädigungsklage nicht schon am 06.03.2013 (Zeitpunkt der Verzögerungsrüge) in Verzug geraten sein kann, ist evident. Weitere Ausführungen erübrigen sich.

4.
Die Klage ist zudem aus weiteren Gründen unbegründet.

Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG hat Anspruch auf angemessene Entschädigung, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.

Insofern fehlt es bereits an einer unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens L 5 SF 121/13 EK AS LSG Nordrhein-Westfalen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Verfahren nicht unangemessen lang. Über den mit der Klageschrift vom 03.01.2013 gestellten Prozesskostenhilfeantrag wurde am 05.09.2013 entschieden. Für die nachfolgende Zeit fehlt es vorrangig an der für das Betreiben des Rechtsstreits erforderlichen Zahlung der angeforderten Gerichtskosten seitens des Klägers. Diese allein vom Verhalten des Klägers abhängige Zeit kann schon an sich keinen Anspruch auf Entschädigung begründen. Die Zeitspanne zwischen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gerichtetem Antrag und darüber ergangener Entscheidung ist nicht unangemessen lang. Zu beachten ist bei der Bewertung eines Zeitraums als unangemessen i.S.d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zunächst nämlich stets, dass Zeiten, die u.a. für eine Meinungsbildung des angerufenen Gerichts (s. BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -) erforderlich sind, nicht als Verzögerungszeit zu berücksichtigen sind. Gleichermaßen besteht kein Anspruch darauf, dass ein Rechtsstreit, auch wenn er entscheidungsreif ist, sofort bzw. unverzüglich vom Gericht entschieden wird. Der Staat ist nämlich nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängige Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Verfahren zu bearbeiten hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten (BSG a.a.O.). Hinzukommt vorliegend, dass bereits der Bearbeitung der auf acht Seiten eng geschriebenen Klageschrift vom 02.01.2013 nebst Anlagen sowie der in Bezug genommenen 21 Schreiben / Schriftsätze schon wegen ihres Umfangs eine hohe Einarbeitungszeit zuzumessen ist. Darauf, dass darüber hinaus die Einarbeitung in den Streitstoff aufgrund der diversen Eingaben des Klägers sowie der Vielzahl seiner in der Regel durch Bezugnahme miteinander verwobenen Klagen nach § 198 ff GVG ganz erheblich erschwert wird, kommt es schon gar nicht mehr an. Gleichermaßen ist nicht weiter entscheidend, dass das ebenso zu berücksichtigende Verhalten des Klägers (s.o.) im Wesentlichen darauf gerichtet ist, die Regelungen der §§ 198 ff GVG zu konterkarieren, mithin als rechtsmissbräuchlich jedwedem Entschädigungsbegehren entgegenstehen dürfte. Die mit dem ÜGG eingefügten §§ 198 ff GVG haben wegen Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz und Art. 6 Abs. 1 bzw. Art 13 Europäische Menschenrechtskonvention eine präventive und eine kompensatorische Zielrichtung. Neben dem in der Verzögerungsrüge zum Ausdruck kommenden präventiven Charakter soll das beklagte Land als Gewährträger des Gerichts und damit als Haftungsschuldner für Nachteile haften, die dem Verfahrensbeteiligten infolge eines in Verzug geratenen Verfahrens entstehen (vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30.07.2013 - 2 BvE 2/09 - Vz 2/13, 2 BvE 2/10 - Vz 3/13 -). Die §§ 198 ff GVG bezwecken es hingegen nicht, einem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einzuräumen, einen Rechtsstreit als Selbstzweck zu betreiben. Die damit verbundene Inanspruchnahme nur unzureichend vorhandener gerichtlicher Ressourcen hätte zur Folge, dass gerade deshalb kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass das Anliegen des Gesetzgebers, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, infolge missbräuchlicher Ausnutzung der §§ 198 ff GVG zu einer "Schürflizenz" (zu diesem Begriff im Zusammenhang mit § 198 GVG siehe Barnert, in myops 9/2010, S. 27) denaturiert. Dass dies für einen Kläger gilt, der infolge der den Streitverfahren S 10 AS 46/09 bzw. S 10 AS 48/09 SG Detmold zugrundeliegende Sachverhalte (mindestens) 30 Entschädigungsklagen nach § 198 ff. GVG erhoben hat, liegt nicht fern.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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