L 8 SB 3363/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3833/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3363/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger auf seinen Neufeststellungsantrag vom 18.02.2008 hin ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 zuzuerkennen ist.

Dem 1951 geborenen, erwerbstätigen Kläger, i. Staatsangehöriger, war durch (Teilabhilfe-) Bescheid vom 08.03.2001 ein GdB von 40 seit 14.04.2000 zuerkannt worden (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: 1. Schmerzen im Bereich der linken Halsseite, wiederholt auftretende Kopfschmerzen, 2. Chronischer Leistenschmerz links bei Zustand nach zwei Herniotomien, 3. Seelische Störung).

In der Folge gestellte Neufeststellungsanträge (vom 25.11.2003 und 23.02.2007) führten zwar zur Anerkennung weiterer Funktionsbeeinträchtigungen (: 1. Schmerzen am Hals, Kopfschmerzsyndrom, 2. Seelische Störung, Chronisches Schmerzsyndrom, 3. Leistenschmerzen nach Operation, sowie im Widerspruchsbescheid vom 26.05.2004 (Blatt 113 der Verwaltungsakte des Beklagten): 4. Wirbelsäulenverformung), eine Erhöhung des GdB wurde jedoch abgelehnt.

Mit seinem über die Schwerbehindertenvertretung der R. B. GmbH gestellten, am 18.02.2008 beim Landratsamt R. (LRA) eingegangenen Neufeststellungsantrag machte der Kläger geltend, die Wirbelsäulenleiden hätten sich verschlimmert, neu aufgetreten seien Kopfschmerzen (ständig), Leistenschmerzen und eine Allergie (Gras und Roggen).

Unter Berücksichtigung von beim Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie Dr. T. eingeholten Arztberichten (vgl. Bericht des Arztes für Orthopädie Dr. M. vom 12.02.2004, Bericht des Arztes für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. V. vom 12.06.2006, Bericht des Arztes für Innere Medizin Dr. Ho. vom 05.02.2007, Bericht Dr. St. , Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, vom 28.09.2007, Bericht des Facharztes für Urologie Dr. L. vom 26.12.2007, Bericht des Facharztes für Neurologie Dr. D. vom 30.01.2008) und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2008 (Dr. F. ) lehnte das LRA mit Bescheid vom 17.04.2008 die Erhöhung des GdB ab (berücksichtigte Funktionsbeeinträchtigungen: Schmerzen am Hals, Kopfschmerzsyndrom: Teil-GdB 30, Seelische Störung, Chronisches Schmerzsyndrom: Teil-GdB 20, Leistenschmerzen nach Operation Teil-GdB: 10, Wirbelsäulenverformung: Teil-GdB 10, Bronchialasthma, Allergie: Teil-GdB 10).

Am 24.04.2008 erhob der Kläger Widerspruch, den er über die Schwerbehindertenvertretung der R. B. GmbH unter Hinweis auf einen Betriebsunfall am 23.07.1971 begründen ließ. Damals habe er u.a. einen Oberarmschaftbruch links und Unterkieferbruch erlitten. Diese Einschränkungen der linken Seite seien aufzunehmen, da es sich nicht nur um eine Wirbelsäulenverformung handele. Er leide auch an morgendlicher Steifigkeit und an Kopfschmerzen. Er sei auch wegen Bronchialasthma und Allergie in Behandlung.

Das LRA holte eine Stellungnahme des Arztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. M. ein. Dr. M. schilderte eine chronische degenerative Cerviko-Brachialgie bei Osteochondrose C5/C6, C7/D1, eine rezidivierende Lumboschialgie, Adipositas sowie Schulterteilsteife links nach Humeruskopffraktur links.

Dr. G. teilte in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 17.09.2008 mit, er gehe davon aus, dass Schmerzen in der linken Halsseite nicht mehr angegeben würden, ebenso keine Schmerzen nach Leistenoperation mehr. Damit ergebe sich keine wesentliche Verschlimmerung. Er schlug vor, die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt festzustellen: Seelische Störung, Chronisches Schmerzsyndrom, Kopfschmerzsyndrom Teil-GdB 30 Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderung der Wirbelsäule und Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes Teil-GdB 20 Bronchialasthma, Allergien Teil-GdB 10.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2008 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen habe gezeigt, dass sich eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könnte, nicht feststellen lasse. Lediglich der Tenor der berücksichtigten Funktionseinschränkungen sei zu vervollständigen, bzw. zu präzisieren, ohne dass dies jedoch zu einer höheren Bewertung des GdB führen könnte: 1. Seelische Störung, chronisches Schmerzsyndrom, Kopfschmerzsyndrom. 2. Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks. 3. Bronchialasthma, Allergie. Der GdB von 40 umfasse nach wie vor korrekt und angemessen den bestehenden Leidensstand. Wesentliche neurologische Ausfallserscheinungen seien bis heute nicht belegt.

Am 31.10.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Er leide vier bis fünf Mal im Monat unter starken Kopfschmerzen, die ein bis zwei Tage anhielten. Nachdem der Beklagte unter diese Funktionsbeeinträchtigungen mehrere Erkrankungen subsumiert habe, sei daraus ein Einzel-GdB von mehr als 40 gerechtfertigt. Darüber hinaus leide er unter Schmerzen am ganzen Oberschenkel, der einschlafe. Auch sei das Prostataleiden und der hohe Blutdruck nicht berücksichtigt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26, 27 bis 35, 38 bis 40, 50 und 51 sowie 69 bis 80 der SG-Akte) Bezug genommen.

Der Facharzt für Neurologie Dr. D. hat dem SG am 11.05.2009 geschrieben, der Kläger leide seit über 25 Jahren an Spannungskopfschmerzen. Eine cerebrale Computertomographie habe vor über 10 Jahren einen unauffälligen Befund ergeben. Aktuell seien die klinisch-neurologische Untersuchung und ein Elektroencephalogramm unauffällig. Er stimme auf neurologischem Fachgebiet bei chronischem Spannungskopfschmerzsyndrom und dem Wirbelsäulenschmerzsyndrom der Beurteilung des Versorgungsärztlichen Dienstes zu, der GdB betrage ca. 30 %.

Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Sportmedizin, Akupunktur, Dr. T. hat dem SG mit Schreiben vom 03.06.2009 mitgeteilt, es bestünden beim Kläger chronische Schmerzzustände im Bereich der HWS, der BWS und der LWS infolge Abnutzungserscheinungen vornehmlich der kleinen Zwischenwirbelgelenke sowie eine Schultergelenksarthrose. Es bestünden auch chronische Spannungskopfschmerzen, die zusätzlich aufgrund eines Schmerzmittelabusus und eines Nikotinabusus in der Chronizität unterhalten würden. Des Weiteren bestehe eine leichtgradige verengende Atemwegserkrankung bei bronchialer Überregbarkeit, medikamentös ordentlich kompensiert sowie eine Nierenzyste ohne Krankheitswert. Seines Erachtens sei eine Erhöhung des GdB auf 50 % gerechtfertigt.

Aus den von Dr. T. vorgelegten Berichten des Facharztes für Urologie Dr. L. vom 26.12.2007 und vom 20.01.2009 ergibt sich für 2007 ein unauffälliger urologischer Befund und für 2009 Flankenschmerzen links sowie eine Nierenzyste rechts. Des Weiteren hat Dr. T. einen Bericht von Dr. St. , Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, vom 05.03.2008 vorgelegt, woraus sich ergibt, dass die obstruktive Atemwegserkrankung derzeit gut kontrolliert sei. Allenfalls bestünde eine leichtgradige Reduktion der Flusswerte.

Der Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie u.a. Dr. M. hat dem SG mit Schreiben vom 18.06.2009 mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein chronisches tendomyotisches unteres Cervico-Brachialsyndrom, eine Osteochondrose C5/C6 sowie C7/D1, eine funktionelle Schulter-Arm-Symptomatik nach alter Humerusfraktur links 1971, ein chronisch rezidivierendes lumbales Wurzelreizsyndrom sowie ein anhaltendes Schmerzsyndrom. Insbesondere das rezidivierende lumbale Wurzelreizsyndrom führe zu einer Bewegungseinschränkung der mittleren und unteren LWS mit Auswirkung auf beide Beine. Dieses Krankheitsbild sei mit einem mittleren Schweregrad zu beurteilen. Die anhaltende cervikale Schmerzsymptomatik führe zu einer mäßigen Funktionseinschränkung der unteren HWS und werde mit leichtem Schweregrad beurteilt. Ebenso sei es infolge der Oberarmfraktur zu einer mäßiggradigen Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks gekommen. Da seit dem 18.02.2008 nur eine einmalige ambulante Vorstellung am 19.11.2008 erfolgte sei, könne eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers nicht festgestellt werden. Entsprechend den klinischen Untersuchungsbefunden stimme er der Beurteilung des Versorgungärztlichen Dienstes zu. Der Gesamt-GdB betrage entsprechend den Funktionsbeeinträchtigungen 40 %.

Dr. He. , Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie u.a., hat dem SG mit Schreiben vom 04.12.2009 mitgeteilt, es bestehe beim Kläger eine chronische Lumboischialgie links, ein Baastrup L3/S1, sowie eine Hyperlordose, ein chronisches HWS-Syndrom bei Osteochondrose C 5-7 und Adipositas.

Prof. Dr. Ga. , Facharzt für Innere Medizin (Teilgebiete: Diabetologie, Endokrionologie und Gastroentereologie) hat dem SG am 19.11.2010 geschrieben, er stimme der Beurteilung des versorgungsärztlichen Dienstes vom 10.06.2008 grundsätzlich zu. Durch die zweimalige Untersuchung des Klägers hätten sich keine wesentlichen neuen Aspekte ergeben, insbesondere habe sich kein Hinweis auf das Vorliegen einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz oder auf das Vorliegen einer Störung der Neurohypophyse gefunden. Den Schweregrad der Glukosetoleranzstörung könne er nicht beurteilen, da sich der Kläger nicht für Folgeuntersuchungen vorgestellt habe. Auf internistischem Fachgebiet schätze er den GdB aufgrund des Hypertonus, der Gehstreckenminderung bei V.a. Claudicatio intermittens und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung auf 10 ein.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2012 die Klage abgewiesen. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zutreffend bewertet. Dr. D. stimme auf neurologischem Fachgebiet der Beurteilung des Beklagten zu. Auch auf orthopädischem Fachgebiet sei eine Verschlimmerung nicht nachgewiesen, nachdem der behandelnde Orthopäde Dr. M. die Einschätzung des Beklagten trage. Insgesamt ergebe auch die Auskunft von Dr. T. keine Anhaltspunkte für eine Höherstufung, nachdem dieser eine gewisse Zunahme der Symptomatik allenfalls auf orthopädischem Fachgebiet sehe. Ein GdB von mehr als 20 setze aber entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in 2 Wirbelsäulenabschnitten voraus. Diese Vorgaben erfüllten die Gesundheitsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet nicht. Insoweit habe Dr. M. mittelgradige Einschränkungen der LWS und leichte Funktionseinschränkungen der HWS geschildert, weshalb ein Grad von mindestens mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in 2 Wirbelsäulenabschnitten nicht erreicht sei. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass eine erhebliche Überlagerung mit dem im Rahmen der seelischen Störung bewerteten chronischen Schmerzsyndrom bestehe, weshalb auch unter Einbeziehung der Schultergelenksproblematik eine Höherbewertung nicht in Betracht komme. Darüber hinaus sei dem Beklagten auch dahingehend zuzustimmen, dass die weiter geltend gemachten Erkrankungen Flankenschmerzen, Nierenzyste und Prostataerkrankung sowie Bluthochdruck zu keiner Änderung der Bewertung des Gesamt-GdB führen könnten.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 04.07.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, 06.08.2012, beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Dr. D. habe ausdrücklich erklärt, dass er der Beurteilung des Versorgungsärztlichen Dienstes "auf neurologischem Fachgebiet zustimme". Das bedeute, dass Dr. D. davon ausgehe, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf neurologischem Fachgebiet einen Teil-GdB von 30 rechtfertigten. Demgegenüber habe der Beklagte aber Beeinträchtigungen auf neurologischem Fachgebiet (Schmerzsyndrom und Spannungskopfschmerz) zusammen mit Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet (seelische Störung) zu einem Einzel-GdB zusammengefasst. Insoweit müsse sich der Einzel-GdB unter Mitberücksichtigung der seelischen Störungen auf mindestens 40 erhöhen. Auch beschreibe Dr. T. , dass bei ihm "erhebliche Beschwerden im Verlauf der Wirbelsäulen vornehmlich im mittleren HWS-Bereich, im mittleren BWS-Bereich und in LWS-Bereich" bestünden. Damit sei im orthopädischen Bereich alleine wegen der Wirbelsäule schon ein Teil-GdB von mindestens 20 festzusetzen, der durch seine Beschwerden im Bereich der linken Schulter noch zu erhöhen sei. Auch Dr. He. sei zu entnehmen, dass bei ihm zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen seien. Bislang überhaupt nicht berücksichtigt sei, dass er unter einer Glucosetoleranzstörung leide.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheid des Landratsamts R. vom 17.04.2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 30.09.2008 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 seit 18.02.2008 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der geäußerte Verdacht einer Glucosetoleranzstörung (mögliche Vorstufe eines Diabetes mellitus) rechtfertige noch keinen eigenen GdB; selbst eine gesicherte Glucosetoleranzstörung würde noch zu keinem GdB führen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 30.01.2013 darauf hingewiesen, dass der Beklagte nach wie vor unberücksichtigt lasse, dass bei ihm erhebliche Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet bestünden. Auch auf seine Argumentation, warum der Einzelgrad der Behinderung auf neurologischem Fachgebiet bereits 30 betrage, werde nicht eingegangen.

Auf Nachfrage durch den Senat hat der Kläger mit Schreiben vom 14.03.2013 mitgeteilt, dass eine psychotherapeutische, psychiatrische oder schmerztherapeutische Behandlung nicht stattgefunden habe oder stattfinde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Kläger entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid des Landratsamts R. vom 17.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 30.09.2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neu-Feststellung eines GdB von 50 oder mehr. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung vom 18.06.2012 Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei lediglich auf Folgendes hingewiesen:

Aus der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass im vorliegenden Fall der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend und ausreichend bewertet ist. Bei den vorliegenden Teil-GdB-Werten von 30, 20 und 10 ist ein Gesamt-GdB von 50 nicht mit den Grundsätzen der GdB-Bewertung nach den Regelungen der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die in der Anlage zu § 2 VersMedV - Anlage Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) getroffen sind, vereinbar. Für die Seelische Störung, das chronische Schmerzsyndrom und das Kopfschmerzsyndrom kann ein höherer Teil-GdB als 30 nicht angenommen werden. Auch die Wirbelsäulenverformung, die degenerative Veränderung der Wirbelsäule und die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes bedingen keinen höheren Teil-GdB als 20 und auch das Bronchialasthma samt Allergie ist mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat nach eigener Überprüfung. Es ist daher keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten, die berechtigen würde, von der GdB-Festsetzung im Bescheid vom 08.03.2001 abzuweichen.

Auf orthopädischem Gebiet konnten die behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. He. hinsichtlich der Wirbelsäule zwar ein chronisches tendomyotisches unteres Cervico-Brachialsyndrom, eine Osteochondrose C5/C6 sowie C7/D1, ein chronisch rezidivierendes lumbales Wurzelreizsyndrom sowie ein anhaltendes Schmerzsyndrom (Dr. M. ) bzw. eine chronische Lumboischialgie links, ein Baastrup L3/S1, sowie eine Hyperlordose und ein chronisches HWS-Syndrom bei Osteochondrose C 5-7 (Dr. He. ) mitteilen. Damit dürfte zwar wohl mehr als ein Wirbelsäulenabschnitt mit den Funktionsbeeinträchtigungen betroffen sein. Doch konnten beide Ärzte keine schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder zumindest mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten darlegen. Insoweit hatte Dr. M. das rezidivierende lumbale Wurzelreizsyndrom mit einem mittleren Schweregrad beurteilt, doch hat er die Funktionsbeeinträchtigungen der anderen Wirbelsäulenabschnitte mit der anhaltenden cervikalen Schmerzsymptomatik und einer nur mäßigen Funktionseinschränkung der unteren HWS mit leichtem Schweregrad beurteilt. Damit kann weder für die Funktionsbeeinträchtigungen des einen Wirbelsäulenabschnitts noch für alle betroffenen Wirbelsäulenabschnitte zusammen ein Teil-GdB von mindestens 30 angenommen werden (B Nr. 18.9 VG). Auch die vom Beklagten angenommene Verformung der Wirbelsäule ist dabei ausreichend bewertet. Insbesondere liegen keine Befunde, Bewegungsausmaße o.ä. vor, die eine GdB-Einstufung von 30 oder mehr i.S. von B 18.9 VG rechtfertigten. So hat Dr. M. noch in seinem Bericht vom 22.04.2009 (Blatt 33 der SG-Akte) von einem Lasègue links ab (erst) 60 Grad positiv und - bei Adipositas (BMI 34,6 kg/m2, vgl. Blatt 75 SG-Akte) - von einem Finger-Boden-Abstand von 30 cm berichten können.

Die Funktionsbeeinträchtigungen der Schulter i.S. einer funktionellen Schulter-Arm-Symptomatik nach alter Humerusfraktur links 1971 bedingen keinen eigenständigen Teil-GdB. Der Beklagte durfte diese i.S. von Zusammenfassungen von Funktionssystemen (A Nr. 2 e VG) zusammen mit den Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule bewerten. Denn angesichts der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der BWS und HWS mit Schmerzsyndrom konnten die schmerzhaften Funktionsbehinderungen der Schulter nicht eigenständig abgrenzbar dargestellt werden. Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben von B Nr. 18.13 VG, wonach für Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks [einschließlich Schultergürtel] bei Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ein Teil-GdB von 10 und bei Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ein Teil-GdB von 20 vorgesehen ist, konnte der Senat einen höheren GdB als 20 für die Wirbelsäulenverformung, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks nicht annehmen. Denn auch insoweit konnte keiner der Ärzte vorbringen, dass die Schulterbeweglichkeit nur noch bis zu 90° bei eingeschränkter Dreh- und Spreizfähigkeit eingeschränkt wäre.

Der Senat sieht sich in seiner Überzeugung auch durch Dr. M. bestärkt, der der GdB-Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten ohne Einschränkungen zugestimmt hat. Der Kiefer des Klägers, der wohl beim Arbeitsunfall 1971 gebrochen ist, ist im zu beurteilenden Zeitraum ohne funktionelle Einschränkung (so schon der Bescheid der BG vom 27.04.1973, Blatt der Verwaltungsakte des Beklagten); auch sind in dieser Bewertung des Senats die noch verbliebenen Folgen des Arbeitsunfalles auf der linken Körperseite berücksichtigt.

Auf internistischem Fachgebiet besteht beim Kläger ein Bronchialasthma und eine Allergie. Diese sind mit einem Teil-GdB von 10 umfassend und ausreichend bewertet. Insoweit ist nach B Nr. 8.5 VG bei einem Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion, Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen ein Teil-GdB von 0 bis 20 anzunehmen. Dr. St. konnte hierzu mitteilen, dass die Atemwegserkrankung gut kontrolliert ist und allenfalls eine leichtgradige Reduktion der Flusswerte bedingt (Bericht vom 05.03.2008, Blatt 31 der SG-Akte). Auch schon in seinem Bericht vom 28.09.2007 (Blatt 151 der Verwaltungsakte des Beklagten) konnten keine schweren Lungenfunktionsstörungen o.ä. dargestellt werden. Dr. T. hat dem SG mitgeteilt (Blatt 27 der SG-Akte), diese leichtgradige verengende Atemwegserkrankung bei bronchialer Überregbarkeit sei medikamentös ordentlich kompensiert. Häufigere oder nicht nur leichte Anfälle sind nicht dokumentiert. Damit kann die Einschätzung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem Teil-GdB von 10 als durchaus angemessen angesehen werden.

Für das urologische Fachgebiet konnte Dr. L. (Bericht vom 26.12.2007 Blatt 29 der SG-Akte) lediglich einen unauffälligen urologischen Befund bei nicht karzinomsuspekter Prostata mitteilen. Im Bericht vom 20.01.2009 (Blatt 35 der SG-Akte) konnte Dr. L. auch keine krankhaften urologischen Befunde angeben. Mit diesen Berichten lässt sich aber ein Teil-GdB nicht begründen. Soweit - wie ursprünglich vom Beklagten angenommen (vgl. z.B. noch den Bescheid 18.07.2001, Blatt 131 der Verwaltungsakte des Beklagten) - noch immer Leistenschmerzen nach Operation bestünden - worauf die Berichte von Dr. L. , der einen gesicherten Flankenschmerz links angegeben hat, hindeuten könnten - wäre dieser allenfalls mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, der vorliegend keine den Gesamt-GdB erhöhende Wirkung hätte.

Der vom Kläger vorgetragene Verdacht auf eine Glukosetoleranzstörung, HbA1c, wie er sich aus dem Bericht des Universitätsklinikums T. (UKT) vom 11.02.2010 (Blatt 55 sowie 74 bis 78 der SG-Akte) ergibt und von Prof. Dr. Ga. im Ergebnis bestätigt wurde, bedingt für sich keinen eigenständigen Teil-GdB-Wert. Dass eine Glukosetoleranzstörung tatsächlich festgestellt worden wäre, konnte weder der Kläger noch Prof. Dr. Ga. mitteilen; auch der behandelnde Hausarzt Dr. T. konnte das Vorliegen einer solchen Störung nicht bestätigen. Soweit im Bericht des UKT vom 11.02.2010 anamnestisch eine arterielle Hypertonie (dazu vgl. B Nr 9.1 VG) sowie eine Hyperlipoproteinämie mitgeteilt wurde, lässt sich dies auch anhand der Ausführungen und Unterlagen der behandelnden Ärzte nicht erhärten. Soweit Prof. Dr. Ga. in diesem Zusammenhang eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz und eine Störung der Neurohypophyse ausgeschlossen hat, aber im Hinblick auf einen Hypertonus, eine Gehstreckenminderung bei Verdacht auf Claudicatio intermittens und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung einen Teil-GdB von 10 angenommen hat, würde dies nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen.

Die Adipositas des Klägers (BMI 34,6 kg/m2, vgl. Blatt 75 SG-Akte) bedingt gemäß B 15.3 VG für sich allein keinen Teil-GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdB begründen. Solche Folgeschäden sind, soweit sie nicht zuvor bereits als internistische oder orthopädische Erkrankungen dargestellt und berücksichtigt wurden, nicht vorhanden.

Die seelische Störung, das chronische Schmerzsyndrom und das Kopfschmerzsyndrom des Klägers wurden vom SG und dem Beklagten zutreffend mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Soweit Dr. D. gegenüber dem SG (Blatt 26 der SG-Akte) ausgeführt hat, auf neurologischem Fachgebiet bei chronischem Spannungskopfschmerzsyndrom und Wirbelsäulenschmerzsyndrom der Beurteilung des versorgungsärztlichen Dienstes (GdB von 30) zuzustimmen, so kann seine Auskunft nicht im Sinne des Berufungsvorbringens verstanden werden. Denn aus den vorliegenden Auskünften der Ärzte sowie den vorgelegten ärztlichen Berichten ergibt sich keine GdB-relevante Depressivität. Dr. T. , Arzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, hat eine solche Diagnose überhaupt nicht mitgeteilt (Blatt 27 der SG-Akte), ebenso wenig der Neurologe Dr. D. (Blatt 26 der SG-Akte). Lediglich der Bericht des UKT - Abteilung Innere Medizin - vom 11.02.2010 (Blatt 74 der SG-Akte) hat - ohne nähere Ausführungen - ein depressives Syndrom und die Einnahme eines Antidepressivums nur nach selbst als unsicher bezeichneter Anamnese angegeben. Der Kläger nimmt bzw. nahm jedoch weder jetzt noch früher irgendwelche psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung in Anspruch. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass eine erhebliche depressive Erkrankung vorliegt.

Der Teil-GdB von 30 rechtfertigt sich allenfalls vor dem Hintergrund des chronischen Schmerzsyndroms und des Kopfschmerzsyndroms. Insoweit konnten die behandelnden Ärzte, insbesondere Dr. D. , Dr. T. sowie die orthopädischen Behandler Dr. M. und Dr. He. das Vorliegen von chronischen Schmerzen im Bereich der HSW, der BWS und der LWS sowie chronische Spannungskopfschmerzen, die mit Schmerzmitteln bis zum Abusus behandelt werden, darstellen. Auch wenn der Kläger keine schmerztherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, lässt sich der vom SG und dem Beklagten angenommene Teil-GdB von 30 wohl rechtfertigen; vor dem Hintergrund fehlender fachärztlicher Behandlung und fehlender depressiver Symptomatiken kommt jedenfalls ein höherer Teil-GdB nicht in Betracht. Insbesondere konnte der Senat weder eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit noch schwere Störungen, wie z. B. schwere Zwangskrankheiten o.ä., feststellen.

Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen beim Kläger nicht vor.

Auch die Feststellung des Gesamt-GdB von 40 ist zutreffend. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Das ist beim Kläger nicht der Fall. Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen - insbesondere der schmerzhaften orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen und des Schmerzsyndroms - ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB mit 40 zutreffend bemessen ist. Ist der Gesamt-GdB heute, wie auch im Bescheid vom 08.03.2011 mit 40 zu bewerten, so ist eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X nicht eingetreten. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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