S 13 BL 5/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 13 BL 5/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rückforderung überzahlten Blindengelds nach Sächsischem Landesblindengeldgesetz (2002) beim Empfang von Leistungen der Pflegeversicherung
Bemerkung
1. Nach der 2002 in Kraft getretenen Fassung des Landesblindengeldgesetzes für den Freistaat Sachsen kommt es bei der Rückforderung von Überzahlungen, die aus dem Empfang von anrechenbaren Pflegeversicherungsleistungen resultieren, tatbestandlich nicht au
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die zu deren zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Landesblindengeld. Der 1930 geborenen Klägerin wurde u. a. wegen ihrer Blindheit durch Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Dresden als Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 11.03.1992 (aufgestempeltes Datum: 16.03.1992) ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "Bl" zuerkannt. Durch Bescheid dieser Behörde vom 19.11.1992 wurde ferner der Klägerin auf Ihren Antrag vom 21.03.1992 ein monatliches Blindengeld von DM 600 mit Wirkung ab 01.01.1992 gewährt. Der Bescheid enthielt unter der Überschrift "Mitteilungspflicht" u. a. diese Passage: "Sie sind verpflichtet, jede Änderung der persönlichen Verhältnisse, insbesondere [ ] - die Gewährung von Pflegegeld aus einer Unfallversicherung oder von einem Leistungsträger wegen der Blindheit [ ] unverzüglich dem Amt für Familie und Soziales anzuzeigen. Überzahlungen, die dadurch entstehen, daß uns eine Änderung nicht oder verspätet mitgeteilt wird, sind zu erstatten." Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ging am 06.12.1994 ein von der Klägerin am 04.12.1994 unterschriebenes Formblatt ein, in dem angekreuzt war, dass kein Pflegegeld oder ähnliche Leistungen bezogen wurden. Mit Bescheid vom 27.12.1995 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Höhe des monatlichen Blindengeldes auf DM 650 neu fest (ab 01.01.2002: EUR 333). Im Abschnitt "Mitteilungspflicht" informierte die Behörde über Folgendes: "Sie sind verpflichtet, jede Änderung der persönlichen Verhältnisse, insbesondere [ ] - die Gewährung oder Veränderung des Zahlbetrages eines Pflegegeldes von der Pflegekasse/Krankenkasse und/oder dem Unfallversicherungsträger und/oder einem sonstigen Leistungsträger [ ] unverzüglich dem o. g. Amt für Familie und Soziales unter Angabe Ihres obigen Aktenzeichens anzuzeigen. Überzahlungen, die dadurch entstehen, daß eine Änderung nicht oder verspätet mitgeteilt wird, müssen zurückgezahlt werden." Am 25.05.1998 ging nochmals bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein von der Klägerin unterzeichnetes Formblatt ein, auf dem mit Datum vom 19.05.1998 u. a. angekreuzt war, dass sie kein Pflegegeld erhielt. Der Behörde wurde auf ihre Anfrage auch mit Schreiben der Krankenkasse der Klägerin (AOK Sachsen) vom 16.06.1998 mitgeteilt, dass kein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt wurde. Mit Schreiben vom 09.07.1998 (Postausgang) wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten nochmals auf die Mitteilungspflichten aus dem Bescheid vom 27.12.1995 hin. Am 16.10.2002 ging erneut ein von der Klägerin am 08.10.2002 unterzeichnetes Formblatt bei der Behörde ein, in dem angekreuzt war, dass keine Leistungen der Pflegeversicherung bezogen wurden. Auf ihren Antrag erhielt die Klägerin nach einem Oberschenkelhalsbruch ab 01.12.2007 Leistungen der Pflegestufe I von der Pflegekasse bei der AOK Plus. Es handelte sich - zwischen 01.12.2007 und 31.01.2008 um häusliche Pflegehilfe (§ 36 SGB XI), - vom 01.02.2008 bis 30.04.2010 um Pflegegeld nach § 37 SGB XI und - ab 01.05.2010 um Kombinationsleistungen (§ 38 SGB XI). Mit Schreiben vom 09.06.2010 übersandte die Beklagte der Klägerin ein Formular zur Erklärung zu den Ansprüchen aus der Pflegeversicherung, das die Klägerin mit Datum vom 15.06.2010 unterschrieb und zurücksendete (Posteingang: 16.06.2010). Darin war der Bezug von Leistungen der Pflegestufe I ab 05.12.2007 vermerkt. Auf Anfrage der Beklagten vom 07.07.2010 übersandte die Pflegekasse mit Schreiben vom 12.07.2010 die Informationen zu Pflegeversicherungsleistungen (Posteingang: 15.07.2010); eine Kopie des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 28.05.2008 lag bei. Am 18.08.2010 erließ die Beklagte einen Neufeststellungsbescheid nach § 48 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Der Entscheidungsteil lautete: "Der Bescheid vom 11.03.1992 wird aufgehoben und Ihr Anspruch nach Sächsischem Landesblindengeldgesetz (LBlindG) wie folgt neu festgestellt: 1. Sie erhalten ab 01.12.2007 gekürztes Landesbindengeld nach dem Sächsischen LBlindG. 2. Hinsichtlich der Abrechnung und der Höhe der Rückforderung wird auf den unteren Teil des Bescheides verwiesen." Unter "Abrechnung" befand sich folgende tabellarische Darstellung: ab mtl. zust. mtl. gez. Differenz Monate Summe 12.2007 - 06.2008 231,00 EUR 333,00 EUR -102,00 EUR 7 -714,00 EUR 07.2008 - 12.2009 226,00 EUR 333,00 EUR -107,00 EUR 18 -1.926,00 EUR 01.2010 - 08.2010 221,00 EUR 333,00 EUR -112,00 EUR 8 -896,00 EUR ab 01.09.2010 221,00 EUR 221,00 EUR 0,00 EUR 1 0,00 EUR -3.536,00 EUR Es folgte u. a. die Passage: "Die festgestellte Überzahlung in Höhe von 3.536,00 EUR ist von Ihnen zu erstatten." Ebenfalls am 18.08.2010 erging ein Rückforderungsbescheid über EUR 3.536 nach § 50 SGB X. Am 31.08.2010 ging ein Widerspruch der Klägerin gegen die Neufeststellung und die Rückforderung bei der Beklagten ein. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass nach dem Bescheid vom 19.11.1992 nur Leistungen der Pflegeversicherung auf Grund der Blindheit zu melden gewesen wären und sie ihre Mitteilungspflicht nicht verletzt habe. Die Klägerin fügte dem Widerspruch ein Exemplar dieses Bescheids bei. Mit Schreiben vom 15.09.2010 hörte die Beklagte die Klägerin zur Neufeststellung und Rückforderung der Leistungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit an. Der Rückforderungsbetrag aus der Überzahlung wurde auf EUR 3.536 beziffert. Dieses Schreiben sollte ausdrücklich der Heilung des begangenen Verfahrensfehlers dienen und noch keine Entscheidung über den Widerspruch darstellen. Der Widerspruch der Klägerin wurde daraufhin mit Anwaltsschriftsatz vom 01.10.2010 in der Begründung vertieft. Die Beklagte half dem Begehren der Klägerin im Widerspruch nicht ab. Am 13.01.2011 erließ der Kommunale Sozialverband Sachsen den Widerspruchsbescheid und beendete das Vorverfahren durch Zurückweisung des Widerspruchs. Die Widerspruchsbehörde bezog sich in der Begründung u. a. "auf die insoweit nötige Aufhebung des Bescheides vom 19.11.1992". Hiergegen legte die Klägerin am 14.02.2011 (Eingang des Vorabfaxes) Klage beim Sozialgericht Dresden ein. Die Klägerin macht zusätzlich zu Ihren Ausführungen im Widerspruch vor allem geltend, dass der Neufeststellungsbescheid zu unbestimmt sei, da er nicht das richtige Datum des aufzuhebenden Bescheids enthalte, und das intendierte Ermessen im Rahmen des § 48 SGB X fehlerhaft ausgeübt worden sei. Dies gelte allein schon wegen der geringen Einkommensverhältnisse der Klägerin. Zur Ermessensausübung führt sie ferner ein Urteil des OVG Rheinland-Pfalz von 25.06.2012 (Az. 7 A 10286/12) an, gegen dessen Grundsätze verstoßen worden sei. Die Blindheit habe zudem keine Pflegebedürftigkeit bewirkt, die Grundlage der Pflegegeldleistungen darstelle. Die Klägerin beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 18.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2011 aufzuheben, soweit dort Rückforderungen für die Vergangenheit bestimmt werden. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung bezieht sie sich weitgehend auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X und ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Einer Mitteilungspflicht sei die Klägerin trotz Belehrung nicht nachgekommen, so dass kein Vertrauen in die Leistungsgewährung entstanden sein könne. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten der Beklagten bezüglich Blindengeld und Schwerbehinderteneigenschaft verwiesen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Klägerin nicht durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt bzw. beschwert wird (Keller, in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 2; § 54 Rn. 17). Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig. 1. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist sowohl die rückwirkende Neufeststellung gem. § 48 SGB X des Blindengeldes als auch die Rückforderung gem. § 50 SGB X, die jeweils in einem eigenständigen Bescheid am 18.08.2013 erlassen wurden. Für deren Rechtmäßigkeit spielt es keine Rolle, dass die Beklagte entgegen dem Leitbild der Sollvorschrift in § 50 Abs. 3 SGB X, das gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung eines Landesblindengeldes und anderer Nachteilsausgleiche (LBlindG) Anwendung findet, die (teilweise) Aufhebung des Verwaltungsakts und die Festsetzung der Erstattung nicht in einen einzigen Bescheid aufgenommen hat. Es handelt sich hierbei um eine reine Ordnungsvorschrift (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 50 Rn. 30). Eine Auslegung des Widerspruchs und der Klageschrift sowie der Erklärungen der Klägerin im Verfahren ergibt, dass beide Regelungen und damit beide Bescheide angegriffen wurden. Der Widerspruchsbescheid vom 13.01.2011 erging zudem einheitlich in einem Bescheid und betraf beide Regelungen. Nach der Fassung der Anträge durch die Klägerin, die sich allein auf die rückwirkenden Anpassungen bezieht, gehört die ab September 2010 erfolgte (künftige) Anpassung der Blindengeldhöhe nicht zum Klagegegenstand. 2. Die angegriffenen Bescheide sind nicht schon wegen der fehlenden Anhörung gem. § 24 Abs. 1 SGB X vor Erlass der Ausgangsbescheide formell rechtswidrig, da dieser Verfahrensfehler durch die Nachholung der Anhörung während des Widerspruchsverfahrens gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 mit Schreiben vom 15.09.2010 SGB X geheilt wurde. Hierdurch hatte die Klägerin in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und erhielt durch die Widerspruchsentscheidung Kenntnis darüber, inwieweit von behördlicher Seite nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festgehalten wurde (vgl. BSG, Urt. v. 09.11.2010 - B 4 AS 37/09 R, zitiert nach juris, Rn. 15). Es kann dahinstehen, ob eine Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X bei Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG entbehrlich war. 3. Auch ein Bestimmtheitsmangel gem. § 33 Abs. 1 SGB X liegt nicht vor. Der Bestimmtheitsgrundsatz fordert, dass der Verfügungssatz des jeweiligen Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSG, Urt. v. 13.02.2013 – B 2 U 25/11 R, zitiert nach juris, Rn. 31 m. w. N.). a) Der Neufestsetzungsbescheid gem. § 48 SGB X benannte in der Fassung des Ausgangsbescheids in der Entscheidungsformel zwar als Aufhebungsgegenstand einen Bescheid vom 11.03.1992. Es schadet jedoch nicht, dass diese Datumsangabe nicht auf einen Bescheid mit Bezug zum Blindengeld, sondern fehlerhafter Weise auf den schwerbehindertenrechtlichen Anerkennungsbescheid (zu Gunsten derselben Klägerin) verweist, weil sich durch Auslegung ermittelt lässt, dass die Beklagte den Bewillungsbescheid vom 19.11.1992 in der Fassung vom 27.12.1995 teilweise (mit Wirkung für Vergangenheit und Zukunft) aufheben wollte. aa) Der Bescheid vom 19.11.1992 wurde ausdrücklich als aufzuhebender Bescheid in der Begründung des Widerspruchsbescheids bezeichnet. Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsakts zurückgegriffen werden (Engelmann, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 33 Rn. 3). Im Übrigen hatte die Klägerin auch selbst erkannt, dass der Bescheid von 19.11.1992 Gegenstand der Aufhebung war, da sie bei Einlegung des Widerspruchs ein Exemplar eben dieses Bescheids beifügte. bb) Dass der Bescheid vom 27.12.1995, der vor allem die Anspruchshöhe neu regelte, auch von der Neufestsetzung (als teilweise rückwirkender Aufhebung) betroffen war, ergibt sich wiederum aus der Begründung des Neufestsetzungsbescheids. Hierbei ist als Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass es in den vorherigen Jahren des Bezuges von Blindgeld nur diese zwei Bescheide gab. Darüber hinaus nehmen sowohl der Ausgangsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid Bezug auf die Höhe des gewährten Blindengeldes von EUR 333. Genau diese Anspruchshöhe ist ausschließlich im Bescheid vom 27.12.1995 geregelt. Die aktuelle Leistungshöhe entspricht der Umrechnung von DM 650 in den aufgerundeten Eurobetrag von EUR 333. Im Übrigen lässt sich aus dem Abrechnungsteil auch erkennen, dass für Zeiträume vor Dezember 2007 keine Aufhebung erfolgt, da diesbezüglich kein Leistungsbezug von der Pflegeversicherung erfolgte. b) Vor diesem Hintergrund begegnet auch der Rückforderungsbescheid gem. § 50 SGB X vom 18.08.2010 keinen Bedenken bezüglich seiner Bestimmtheit, da Adressatin und Rückforderungssumme klar festgelegt sind. Die Rückforderungssumme entspricht zudem der im Neufestsetzungsbescheid vom selben Tag bestimmten Überzahlungssumme i. H. v. EUR 3.536. Soweit die Klägerin eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29.11.2012 zur Rechtswidrigkeit von Erstattungsbescheiden (Az. B 14 AS 196/11 R, zitiert nach juris, Rn. 19) anführt, liegt eine vergleichbare Konstellation hier nicht vor. Nach diesem Urteil ist ein Erstattungsbescheid rechtswidrig, soweit der bewilligende Bescheid für den Rückforderungszeitraum nicht aufgehoben wurde. Dies ist jedoch hier gerade bei der getroffenen Auslegung des Neufestsetzungsbescheids der Fall. Soweit in dieser Entscheidung an anderer Stelle Anforderungen zur Bestimmtheit getroffen wurden, decken sich diese mit den bereits erörterten (und erfüllten) Kriterien. 4. Die (rückwirkende) Neufestsetzung der Blindengeldleistungen ab 01.12.2007 besitzt ihre Grundlage in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, der gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG zur Anwendung gelangt. a) Bei der Gewährung häuslicher Pflegehilfe nach § 36 Sozialgesetzbuches, Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), Pflegegeld nach § 37 SGB XI und Kombinationsleistungen nach § 38 SGB XI handelt es sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 LBlindG um Leistungen, die zu einer Minderung des Anspruches auf Blindengeld führen. § 5 Abs. 2 LBlindG sieht hier (einheitlich für alle diese Formen der Pflegeversicherungsleistungen) eine Anrechung von 50 Prozent des Pflegegeldbetrages in § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI vor. b) Die Anrechnung erfolgte rechtmäßig auch ab 01.12.2007, da nach Auskunft der Pflegekasse an diesem ersten Tag des Kalendermonats häusliche Pflegehilfe geleistet wurde. Nach dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 3 Satz 2 LBlindG betreffen die Kürzungen aus Gründen der Vereinfachung des Verwaltungs- und Berechnungsverfahrens jeweils volle Kalendermonate. c) Vor diesem Hintergrund begegnen die für die einzelnen Zeiträume getroffenen Neufestsetzungen keinen Bedenken hinsichtlich deren Berechnung. Der nach der damaligen Fassung des § 37 Abs. 1 SGB XI monatliche Satz betrug für die Pflegestufe I vor dem 01.07.2008 EUR 205 und ab diesem Zeitpunkt EUR 215. Ab 01.01.2010 galt ein Pflegegeldsatz von EUR 225. Die Anrechnung der geleisteten Beträge bei Pflegestufe I wurde jeweils zutreffend in den jeweiligen Zeiträumen beziffert. Auch die (Auf-)Rundungsregel in § 6 Abs. 3 Satz 2 LBlindG wurde beachtet. d) Bei der Anrechung der Pflegeversicherungsleistungen musste die Beklagte auch nicht – wie die Klägerin meint – danach differenzieren, inwieweit diese Leistungen auf der Blindheit oder auf anderen körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen (beispielsweise infolge des Oberschenkelhalsbruches im Jahr 2007) beruhen. Für das seit 2002 geltende LBlindG kommt es für die Anrechnung von Pflegekassenleistungen nicht mehr darauf an, ob die Leistungen der Pflegeversicherung auf Grundlage der Blindheit oder anderen Beschwerden geleistet werden (vgl. SächsLSG, Urt. v. 19.08.2004 – L 2 BL 1/04, zitiert nach juris, Rn. 27). Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber im Einklang mit der Rechtsprechung des SächsLSG zur alten Fassung des LBlindG und der gestaffelten Anrechnungshöhe der Pflegegeldleistungen an dieser Stelle eine Vereinfachung in der Weise erreichen (Drucksache 3/4222 des Sächsischen Landtags, S. 5 und 9 f.), dass eine pauschale Anrechung eines bestimmte prozentualen Anteils des Pflegegeldbetrages der jeweiligen Pflegestufe erfolgt, ohne dass die Kausalität der Blindheit für die Leistungen der Pflegeversicherung dafür nachgewiesen werden muss. e) Aufgrund der eindeutigen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG gelten die anrechenbaren Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Eine Rückforderung setzt daher tatbestandlich keine Verletzung von Mitteilungspflichten oder eine zumindest grob fahrlässige Unkenntnis der Anrechenbarkeit der Leistungen voraus. Mit der Schaffung der Regelung, die seit Anfang 2002 gilt, wollte der Gesetzgeber offensichtlich die Rückforderung von Überzahlungen erleichtern oder zumindest klarstellen (vgl. Drucksache 3/4222 des Sächsischen Landtags, S. 11). f) Die Rücknahmefrist von einem Jahr seit Kenntniserlangung der Behörde, die gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 LBlindG i. V. m. §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gilt, hat die Beklagte beachtet. g) Bei der Bestimmung der Neufestsetzung als rückwirkender Teilaufhebung des Bewilligungsbescheids vom 19.11.1992 in der Fassung des Bescheids vom 27.12.1995 für die genannten Zeiträume wurde das eingeräumte intendierte Ermessen der Sollvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X fehlerfrei ausgeübt. Nur in signifikant vom typischen Regelfall abweichenden (d. h. atypischen) Fällen (SächsLSG, Urt. v. 19.08.2004 – L 2 BL 1/04, zitiert nach juris, Rn. 31 und Urt. v. 15.08.2002 – L 2 BL 11/00, zitiert nach juris, Rn. 22-23), in denen die rückwirkende Aufhebung für den Leistungsempfänger eine besondere Härte schafft, unterbleibt danach die Anpassung der Bescheide (Schütze, a. a. O., § 48 Rn. 20 f.). (aa) Einer rückwirkenden Aufhebung des Bewilligungsbescheids steht nicht entgegen, dass die Klägerin nur geringeres Einkommen besitzt. Die mit der Erstattung verbundene Härte mutet das Gesetz jedem Betroffenen zu (BSG, Urt. v. 11.02.1988 – 7 RAr 55/86, zitiert nach juris, Rn. 22; BayLSG, Urt. v. 20.05.2003 – L 15 BL 4/00, zitiert nach juris, Rn. 28). Zudem bestehen beim fortdauernden Bezug von Blindengeld Aufrechnungsmöglichkeiten der Beklagten nach § 51 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 LBlindG, die die Annahme einer besonderen Härte durch die rückwirkende abgesenkte Neufestsetzung ausschließen (VG Düsseldorf, Urt. v. 16.01.2004 – 21 K 2967/03, zitiert nach juris, Rn. 23 ff.). Bei der Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sieht das Gesetz (im Gegensatz zu anderen Aufhebungstatbeständen) überdies keinen Vertrauensschutz hinsichtlich verbrauchter Leistungen vor. (bb) Gründe zur Annahme von besonderen Umständen, in denen der Betroffene nicht damit zu rechnen brauchte, erstattungspflichtig zu werden (SächsLSG, Urt. v. 19.08.2004 – L 2 BL 1/04, zitiert nach juris, Rn. 32 f. und Urt. v. 15.08.2002 – L 2 BL 11/00, zitiert nach juris, Rn. 25), liegen nicht vor. Ein mitwirkendes Fehlverhalten (SächsLSG, Urt. v. 19.08.2004 – L 2 BL 1/04, zitiert nach juris, Rn. 33; BayLSG, a. a. O.) besteht auf Seiten der Beklagten nicht. Im Bescheid vom 27.12.1995 hat sie die Mitteilungspflicht auf die hier in Rede stehenden Formen der Pflegeversicherungsleistungen erweitert, ohne dass es für die Mitteilungspflicht darauf ankam, dass Pflegeversicherungsleistungen gerade wegen der Blindheit empfangen wurden. Durch die mehrmaligen (generellen) Abfragen zu geltend gemachten Pflegeversicherungsleistungen 1994, 1998 und 2002, die jeweils von der Klägerin – jedenfalls mit deren Unterschrift – beantwortet wurden, musste es sich der Klägerin aufdrängen, dass der Bezug von Pflegeleistung Einfluss auf die Gewährung des Pflegegeldes hat. Die Beklagte hat ihren Pflichten durch diese Vorgehensweise hinsichtlich des Pflegegeldes in ausreichendem Maße erfüllt (SächsLSG, Urt. v. 15.08.2002 – L 2 BL 11/00, zitiert nach juris, Rn. 26). Ihr sind dabei die Handlungen des Amtes für Familie und Soziales Dresden als ihrer Rechtsvorgängerin zuzurechnen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Anrechenbarkeit der Leistungen der Pflegeversicherung schon aus dem Gesetz (§ 5 LBlindG) ergibt und es für die Anrechenbarkeit an sich keines behördlichen Hinweises bedarf. Durch den Verweis des § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll diese Gesetzeslage gerade (ohne besondere Umstände) in die Vermögenslage umgesetzt werden können. (cc) Die Annahme eines atypischen Falles, der eine rückwirkende Aufhebung ausschließt, kann auch nicht mit der Auffassung der Klägerin begründet werden, dass ihr wegen der Blindheit die schriftlich verfassten Mitteilungspflichten nicht entgegengehalten werden könnten. Eine solche Betrachtung ist auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 25.06.2012 – 7 A 10286/12, zitiert nach juris, Rn. 33 ff.) geboten. Nach dieser Rechtsprechung kann in Rahmen der Bewertung grobfahrlässigen Handelns des Aufhebungsadressaten zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn die Mitteilungspflichten nicht für Blinde wahrnehmbar verfasst (bspw. Blindenschrift) wurden und die Behörde nicht nachweisen kann, dass dem Betroffenen die Bescheide von Dritten vollständig vorgelesen worden sind. (aaa) Diese Grundsätze greifen von vornherein nicht, weil sie an den Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X anknüpfen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rn. 37), auf den § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG gerade nicht verweist. Darüber hinaus können solche Erwägungen auch deshalb nicht berücksichtigt werden, weil der Gesetzgeber bei Schaffung des § 8 Abs. 1 Satz 3 LBlindG auf Vereinfachung oder zumindest Klarstellung der Rückforderbarkeit von Überzahlungen bedacht war. Die Berücksichtigung der genannten Erwägungen würde die gesetzgeberische Entscheidung gegen die Maßgeblichkeit der Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) zumindest teilweise umkehren. (bbb) Zudem spricht einiges dafür, dass sich die Klägerin etwaiges Wissen hinsichtlich der Relevanz des Bezuges von Blindengeldes für die Höhe des Blindengeldes gegen sich gelten lassen muss, weil sie jeweils die beantwortete Fassung der bereits erwähnten Fragebögen zu Pflegeversicherungsleistungen unterzeichnet hat und die Angaben zum Pflegegeldbezug dort den wesentlichen Inhalt dieser Erklärungen darstellten. Letztlich kann eine Entscheidung diesbezüglich aber unterbleiben, weil sich bereits aus anderen vorgenannten Erwägungen ergibt, dass die Grundsätze aus dem erwähnten Urteil des OVG Rheinland-Pfalz nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Gleichfalls kann dahinstehen, ob es eine allgemeine Verpflichtung eines blinden Menschen gibt, sich alle leistungsrelevanten Unterlagen von Dritten ausdrücklich und vollständig vorlesen zu lassen (dagegen: OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rn. 35), oder ob eine blinde Person Vorkehrungen treffen muss, dass sie der an sie gerichtete Schriftverkehr erreicht und sie Schriftstücke inhaltlich zur Kenntnis nehmen kann (VG Münster, Urt. v. 17.04.2012 – 6 K 2129/10, zitiert nach juris, Rn. 23; VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 04.07.2007 – 6 K 471/03, zitiert nach juris, Rn. 27 a. E.) (dd) Die Beklagte hat dieses intendierte Ermessen auch in der vorgeschriebenen Weise ausgeübt. Zumindest in der Begründung des Widerspruchsbescheids wurde zwischen den Anpassungen für die Zukunft und für die Vergangenheit, die verschiedenen Rechtsgrundlagen unterliegen, deutlich unterschieden. Die Sollvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X wurde ausdrücklich und ausführlich beschrieben. Die Beklagte stellte im Rahmen des ihr eingeräumten und durch die Sollvorschrift beschränkten Ermessens Erwägungen zum Vorliegen eines atypischen Falles an. Es wurde in der Entscheidung berücksichtigt, dass es auf ein Verschulden der Klägerin bei der Rückforderung, die sich aus der rückwirkenden Aufhebung ergibt, nicht ankommt. Auf die im Bewilligungsbescheid aufgeführte Mitteilungspflicht bezüglich des Bezugs von Leistungen der Pflegeversicherung, die ein mitwirkendes Fehlverhalten der Behörde bei der Leistungsgewährung ausschließt, wurde Bezug genommen. Eine Auseinandersetzung mit dem Vertrauensschutz, der im Ergebnis nicht angenommen wurde, erfolgte. 5. In Anbetracht der rechtmäßigen rückwirkenden Teilaufhebung der Blindengeldbewilligung ab Dezember 2007 bis August 2010 begegnet die Rückforderung dieser bereits erbrachten Leistungen, die sich auf § 50 Abs. 1 SGB X stützt, keinen Bedenken.
Rechtskraft
Aus
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