Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 39 AS 1649/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 277/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Zulässigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenzhilfe, die vor Inkrafttreten des BUK-Neuorganisationsgesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) statthaft erhoben worden ist, steht § 172 Abs. 3 Nr. 3 Nr. 2 lit. b SGG in der seit 25. Oktober 2013 geltenden Fassung nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts nicht entgegen.
2. Auf das Verhältnis zwischen gemeinsamer Einrichtung und Bundesagentur nach Übertragung der Aufgabe des Forderungseinzugs gemäß §§ 44b Abs. 4, 44c A.bs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II ist § 90 Satz 2 SGB X nicht entsprechend anwendbar.
2. Auf das Verhältnis zwischen gemeinsamer Einrichtung und Bundesagentur nach Übertragung der Aufgabe des Forderungseinzugs gemäß §§ 44b Abs. 4, 44c A.bs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II ist § 90 Satz 2 SGB X nicht entsprechend anwendbar.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 5. Juni 2013 abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 39 AS 1649/11, mit dem sich der Kläger gegen die Bescheidung seines Widerspruchs gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid durch die Beklagte wendet.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit folgender Begründung abgelehnt: Der Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Namentlich sei die Beklagte entgegen der Rechtsauffassung des Klägers für die Erteilung des Widerspruchsbescheids zuständig gewesen, weil die Regelungen über den Auftrag §§ 88 Abs. 1, 90 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf das Verhältnis zwischen gemeinsamer Einrichtung und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht anwendbar seien.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Regelungen der §§ 88 ff. SGB II analog anzuwenden seien, weil § 44b Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine Regelungen zur Ausgestaltung des Verfahrens treffe. Außerdem sei zweifelhaft, ob das Jobcenter Kiel der Beklagten die Aufgabe des Forderungseinzugs bereits bei Erlass des streitigen Widerspruchsbescheids wirksam übertragen habe.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, obwohl in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die insoweit die Beschwerde ausschließende Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) ist am 25. Oktober 2013 und damit erst nach Erhebung der Beschwerde (am 21. Juni 2013) in Kraft getreten. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts bleiben statthaft erhobene Rechtsbehelfe bei nachträglicher Änderung der Prozessrechtslage grundsätzlich zulässig (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, Vor § 143 Rn. 10b m.w.N.). Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung zum bisherigen Recht davon ausgegangen, dass die für das Berufungsverfahren geltende Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für das Beschwerdeverfahren, in dem um die Bewilligung von PKH gestritten wird, nicht anwendbar und die PKH-Beschwerde in Hauptsacheverfahren damit ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthaft ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 2011 L 6 AS 52/11 B PKH , zitiert nach juris m.w.N.). Die Beschwerde ist auch fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 SGG).
Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P zu gewähren, zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der isoliert gegen den Widerspruchsbescheid erhobenen Anfechtungsklage nicht gegeben ist. Nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens ist nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die (analoge) Anwendung des § 90 Satz 2 SGB X auszugehen. Zur vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) geltenden Rechtslage war zwar bezogen auf den Forderungseizug obergerichtlich ein Auftrags- oder auftragsähnlichen Verhältnis entsprechend §§ 88 ff. SGB X zwischen Arbeitsgemeinschaft und Bundesagentur in Betracht gezogen worden (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. März 2009 – L 8 B 208/07; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – L 2 AS 451/09); das Bundessozialgericht ist dieser Sichtweise aber nicht beigetreten (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 54/10 R – BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3) und hat seine Auffassung – anders als der Kläger meint – nicht nur mit der (zwischenzeitlich behobenen) Unklarheit bzgl. der Zuordnung der Verwaltungszuständigkeit sondern auch damit begründet, dass die im Falle der "Redelegation" bestehende Teilidentität der Beteiligten mit dem Wesen des Auftrags grundsätzlich unvereinbar sei (BSG, a.a.O., Rn. 23). Dementsprechend geht die wohl herrschende Meinung davon aus, dass die Vorschriften über den Auftrag (§§ 88 ff. SGB X) auch nach neuem Recht grundsätzlich nicht greifen (vgl. nur Knapp, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 44b Rn. 110; Luik, in: GK-SGB II, § 44b Rn. 184).
§ 85 Abs. 2 SGG trifft für die hier maßgebliche Fallgestaltung abschließende Regelungen, die es für die analoge Anwendung des § 90 Satz 2 SGB X auch an der erforderliche Regelungslücke fehlen lassen. Dabei kann dahinstehen, ob die Aufgabe des Forderungseinzugs der Beklagten rechtswirksam übertragen worden ist. Im Fall einer wirksamen Übertragung wäre die Beklagte nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. §§ 44b Abs. 4, 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II zur Erteilung des Widerspruchsbescheids zuständig gewesen. Aber auch im Fall einer (noch) nicht wirksamen Übertragung würde sich an ihrer Zuständigkeit nichts ändern: Sie ergäbe sich dann aus § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt insoweit keine Rolle, dass die Beklagte in diesem Fall für die Vornahme der Vollstreckungshandlung unzuständig gewesen wäre. Entscheidend wäre vielmehr, dass sich der Kläger mit seinem Kostenfestsetzungsantrag und dem gegen den Festsetzungsbescheid gerichteten Widerspruch an die Beklagte gewendet und damit ihr gegenüber einen Bescheidungsanspruch geltend gemacht hat. Diesen hat die Beklagte erfüllt.
Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 5. Juni 2013 abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 39 AS 1649/11, mit dem sich der Kläger gegen die Bescheidung seines Widerspruchs gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid durch die Beklagte wendet.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit folgender Begründung abgelehnt: Der Widerspruchsbescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Namentlich sei die Beklagte entgegen der Rechtsauffassung des Klägers für die Erteilung des Widerspruchsbescheids zuständig gewesen, weil die Regelungen über den Auftrag §§ 88 Abs. 1, 90 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf das Verhältnis zwischen gemeinsamer Einrichtung und Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht anwendbar seien.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Regelungen der §§ 88 ff. SGB II analog anzuwenden seien, weil § 44b Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine Regelungen zur Ausgestaltung des Verfahrens treffe. Außerdem sei zweifelhaft, ob das Jobcenter Kiel der Beklagten die Aufgabe des Forderungseinzugs bereits bei Erlass des streitigen Widerspruchsbescheids wirksam übertragen habe.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, obwohl in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die insoweit die Beschwerde ausschließende Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) ist am 25. Oktober 2013 und damit erst nach Erhebung der Beschwerde (am 21. Juni 2013) in Kraft getreten. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts bleiben statthaft erhobene Rechtsbehelfe bei nachträglicher Änderung der Prozessrechtslage grundsätzlich zulässig (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, Vor § 143 Rn. 10b m.w.N.). Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung zum bisherigen Recht davon ausgegangen, dass die für das Berufungsverfahren geltende Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für das Beschwerdeverfahren, in dem um die Bewilligung von PKH gestritten wird, nicht anwendbar und die PKH-Beschwerde in Hauptsacheverfahren damit ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthaft ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 2011 L 6 AS 52/11 B PKH , zitiert nach juris m.w.N.). Die Beschwerde ist auch fristgerecht erhoben worden (§ 173 Satz 1 SGG).
Die Beschwerde ist unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P zu gewähren, zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der isoliert gegen den Widerspruchsbescheid erhobenen Anfechtungsklage nicht gegeben ist. Nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens ist nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen für die (analoge) Anwendung des § 90 Satz 2 SGB X auszugehen. Zur vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) geltenden Rechtslage war zwar bezogen auf den Forderungseizug obergerichtlich ein Auftrags- oder auftragsähnlichen Verhältnis entsprechend §§ 88 ff. SGB X zwischen Arbeitsgemeinschaft und Bundesagentur in Betracht gezogen worden (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. März 2009 – L 8 B 208/07; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Februar 2010 – L 2 AS 451/09); das Bundessozialgericht ist dieser Sichtweise aber nicht beigetreten (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 54/10 R – BSGE 108, 229 = SozR 4-4200 § 44b Nr 3) und hat seine Auffassung – anders als der Kläger meint – nicht nur mit der (zwischenzeitlich behobenen) Unklarheit bzgl. der Zuordnung der Verwaltungszuständigkeit sondern auch damit begründet, dass die im Falle der "Redelegation" bestehende Teilidentität der Beteiligten mit dem Wesen des Auftrags grundsätzlich unvereinbar sei (BSG, a.a.O., Rn. 23). Dementsprechend geht die wohl herrschende Meinung davon aus, dass die Vorschriften über den Auftrag (§§ 88 ff. SGB X) auch nach neuem Recht grundsätzlich nicht greifen (vgl. nur Knapp, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 44b Rn. 110; Luik, in: GK-SGB II, § 44b Rn. 184).
§ 85 Abs. 2 SGG trifft für die hier maßgebliche Fallgestaltung abschließende Regelungen, die es für die analoge Anwendung des § 90 Satz 2 SGB X auch an der erforderliche Regelungslücke fehlen lassen. Dabei kann dahinstehen, ob die Aufgabe des Forderungseinzugs der Beklagten rechtswirksam übertragen worden ist. Im Fall einer wirksamen Übertragung wäre die Beklagte nach § 85 Abs. 2 Satz 2 SGG i.V.m. §§ 44b Abs. 4, 44c Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB II zur Erteilung des Widerspruchsbescheids zuständig gewesen. Aber auch im Fall einer (noch) nicht wirksamen Übertragung würde sich an ihrer Zuständigkeit nichts ändern: Sie ergäbe sich dann aus § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG. Entgegen der Auffassung des Klägers spielt insoweit keine Rolle, dass die Beklagte in diesem Fall für die Vornahme der Vollstreckungshandlung unzuständig gewesen wäre. Entscheidend wäre vielmehr, dass sich der Kläger mit seinem Kostenfestsetzungsantrag und dem gegen den Festsetzungsbescheid gerichteten Widerspruch an die Beklagte gewendet und damit ihr gegenüber einen Bescheidungsanspruch geltend gemacht hat. Diesen hat die Beklagte erfüllt.
Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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