Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 26 AS 2269/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1314/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage einer partiellen Bindungswirkung einer vorläufigen Bewilligungsentscheidung.
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2013 abgeändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren ab Antragstellung Prozesskosten-hilfe bewilligt und Rechtsanwalt. als Bevollmächtigter beigeordnet. Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Der Beklagte bewilligte dem 1972 geborenen Kläger, seiner Lebensgefährtin und der 2009 geborenen Tochter mit vorläufigem Bescheid vom 13. Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011 in Höhe von zusammen 819,25 EUR monatlich. Davon entfielen 346,91 EUR auf den Kläger. Bei der Leistungsberechnung war für die Lebensgefährtin des Klägers kein Einkommen eingestellt. Als Grund für die vorläufige Leistungsbewilligung waren die beim Kläger nicht feststehenden Einkommensverhältnisse aus seiner selbständigen Tätigkeit angegeben.
Mit Veränderungsmitteilung vom 9. September 2011 zeigte die Lebensgefährtin des Klägers die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ab 1. September 2011 an. Ihr Bruttoarbeitsentgelt betrug im September und Oktober 2011 jeweils 1.676,26 EUR. Das Entgelt floss ihr zur Mitte des jeweiligen Monats zu.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 hob der Beklagte die Entscheidung vom 13. Mai 2011 für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Oktober 2011 ganz auf und forderte einen Gesamtbetrag in Höhe von 285,32 EUR zurück. In der Entscheidung wurde unter anderen die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X bemüht. Den Widerspruch des Klägerbevollmächtigten vom 6. Februar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2012, zur Post gegeben am selben Tag, zurück. Nunmehr stützte er die Erstattungsforderung auf § 328 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III).
Der Kläger hat am 21. Mai 2012 Klage erhoben. Am 12. Juli 2012 hat er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 30. Mai 2013 wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Gegen den ihm am 14. Juni 2013 zugestellten Beschluss hat der Klägerbevollmächtigte am 9. Juli 2013 Beschwerde eingelegt.
Die Staatskasse und der Beklagte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2013 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 6 des Gesetzes vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]) ausgeschlossen. Danach war die Beschwerde nicht nur in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG), sondern auch bezüglich Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates konnte die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG jedoch nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre, ausgedehnt werden (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Juni 2012 – L 3 AS 158/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11, m. w. N.).
Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG, der zum 25. Oktober 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Artikel 7 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]) ausgeschlossen. Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies wäre hier der Fall, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannte Grenze nicht übersteigt. Allerdings gebietet der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts gewährleistete Rechtsmittelsicherheit, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20. November 2009 – L 3 B 261/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], Vor § 143 Rdnr. 10e, m. w. N.). Eine solche abweichende Sonderregelung enthält das Gesetzes vom 19. Oktober 2013 nicht.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besitzt die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO.
a) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht eine verspätete Klageerhebung entgegen.
Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Der Lauf einer Frist beginnt gemäß § 64 Abs. 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. Die Klagefrist beginnt gemäß § 87 Abs. 2 SGG, wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat, mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Hiervon ausgehend galt der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2012, der am selben Tag zur Post gegeben worden war, am 21. April 2012 als bekannt gegeben. Die Klageerhebung am 21. Mai 2012 erfolgte mithin noch innerhalb der einmonatigen Klagefrist.
b) Die Frage, auf welche Rechtsgrundlage das Rückforderungsverlangen des Beklagten gestellt werden kann, wurde im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 einerseits und im Widerspruchsbescheid sowie im Prozesskostenhilfebeschluss vom 30. Mai 2013 andererseits unterschiedlich beantwortet.
Der im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 vertretene Ansatz, für die Rückforderung auf die Regelungen in § 48 SGB X zurückzugreifen, findet eine Stütze in Teilen der Kommentarliteratur. Danach kann eine vorläufige Entscheidung partielle Bindungswirkung insoweit entfalten, dass die bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung entfalten (vgl. Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [5. Aufl., 2013], § 328 Rdnr. 46; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III [Stand: 115. Erg.-Lfg., Dezember 2012], § 328 Rdnr. 47 ff.; so noch Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 7; a. A.: Düe, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 328 Rdnr. 8 ff.). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat jedoch nicht angeschlossen, unter anderem deshalb nicht, weil sich die unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes bezieht. Deshalb kommt neben § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht, auch nicht partiell, die Vorschrift des § 48 SGB X zur Anwendung (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – L 3 AL 28/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 33 ff., m. w. N.). Höchstrichterlich ist diese Frage allerdings, soweit ersichtlich, noch nicht geklärt.
Wenn entgegen der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung der beschriebenen Kommentarliteratur zu folgen wäre, würden sich für das Klageverfahren und daraus folgend für das prozesskostenhilfebegehren weitere Konsequenzen ergeben.
Der Beklagte bejahte im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid das Vorliegen der Vertrauensausschlusstatbestände des § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X. Der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X enthält im Gegensatz zu dem des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X subjektive Tatbestandsvoraussetzungen. In der Regel wird eine persönliche Einvernahme oder Vernehmung des betroffenen Leistungsberechtigten, auf dessen Verschulden sich gestützt wird oder bei dem Vertrauensschutz vorliegen könnte, erforderlich sein. Dies hat zur Folge, dass in derartigen Fällen zumeist die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen dürften. Abstellen ist aber immer auf den konkreten Einzelfall (so zu § 45 SGB X: Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Januar 2013 – L 3 AS 1184/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 22, m. w. N.).
Ferner sind bei einer Leistungsrückforderung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 48 SGB X und einer damit verbundenen Erstattungsforderung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1SGB II i. V. m. § 50 SGB X die Regelungen in § 40 Abs. 4 SGB II zu beachten. Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Dies gilt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II unter anderem nicht in den Fällen des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X. Wenn sich ergeben sollte, dass die Voraussetzzungen des Vertrauensausschlusstatbestandes des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X entgegen der vom Beklagten im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vertretenen Auffassung nicht gegeben sein sollten, käme die Sonderregelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II zum tragen.
c) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unabhängig vom Ausgang des Klageverfahrens möglicherweise ein Teil der Aufwendungen, die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstanden sind, erstattungsfähig sein könnten.
Zwar besteht gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein Anspruch auf Erstattung von Kosten im Vorverfahren nur, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Wenn Rechtsgrundlage für die Rückforderungen nicht §§ 48 und 50 SGB X, sondern § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III sein sollte, wäre der Widerspruch des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden. Die vorgetragenen, in erster Linie formellen Rügen erweisen sich bei summarischer Prüfung als nicht begründet. Jedoch würde der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 an Begründungsmängeln leiden. So wäre eine unzutreffende Rechtgrundlage benannt worden (vgl. zu diesem Begründungsmangel im Rahmen von § 328 Abs. 3 Satz 2SGB III: Sächs. LSG, Urteil vom 18. Februar 2010, a. a. O., Rdnr. 40, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 17. Januar 2013 – L 3 AS 18/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.). Zudem ist aus dem Bescheid nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen der Leistungsanspruch völlig entfallen sein soll. Insoweit ergeben sich Unklarheiten auch daraus, dass nach dem Verfügungssatz die Leistungsbewilligung zwar für zwei Monate in Gänze aufgehoben wurde, jedoch weniger als eine bewilligte Monatsleistung zurückgefordert wurde.
Diese Begründungsmängel konnten zwar gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1SGB II i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X noch geheilt werden. Wenn aber ein Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist, besteht nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Kostenerstattungsanspruch.
Ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X wäre im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 193 Rdnr. 5a, m. w. N.)
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.
Der Beklagte bewilligte dem 1972 geborenen Kläger, seiner Lebensgefährtin und der 2009 geborenen Tochter mit vorläufigem Bescheid vom 13. Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011 in Höhe von zusammen 819,25 EUR monatlich. Davon entfielen 346,91 EUR auf den Kläger. Bei der Leistungsberechnung war für die Lebensgefährtin des Klägers kein Einkommen eingestellt. Als Grund für die vorläufige Leistungsbewilligung waren die beim Kläger nicht feststehenden Einkommensverhältnisse aus seiner selbständigen Tätigkeit angegeben.
Mit Veränderungsmitteilung vom 9. September 2011 zeigte die Lebensgefährtin des Klägers die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ab 1. September 2011 an. Ihr Bruttoarbeitsentgelt betrug im September und Oktober 2011 jeweils 1.676,26 EUR. Das Entgelt floss ihr zur Mitte des jeweiligen Monats zu.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 hob der Beklagte die Entscheidung vom 13. Mai 2011 für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Oktober 2011 ganz auf und forderte einen Gesamtbetrag in Höhe von 285,32 EUR zurück. In der Entscheidung wurde unter anderen die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X bemüht. Den Widerspruch des Klägerbevollmächtigten vom 6. Februar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2012, zur Post gegeben am selben Tag, zurück. Nunmehr stützte er die Erstattungsforderung auf § 328 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III).
Der Kläger hat am 21. Mai 2012 Klage erhoben. Am 12. Juli 2012 hat er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 30. Mai 2013 wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt.
Gegen den ihm am 14. Juni 2013 zugestellten Beschluss hat der Klägerbevollmächtigte am 9. Juli 2013 Beschwerde eingelegt.
Die Staatskasse und der Beklagte hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2013 ist zulässig, insbesondere statthaft.
Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der vom 11. August 2010 bis zum 24. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. Artikel 6 des Gesetzes vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]) ausgeschlossen. Danach war die Beschwerde nicht nur in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 SGG), sondern auch bezüglich Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates konnte die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 SGG jedoch nicht erweiternd ausgelegt und auf Klageverfahren, in denen in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig gewesen wäre, ausgedehnt werden (vgl. z. B. Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Juni 2012 – L 3 AS 158/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 11, m. w. N.).
Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGG, der zum 25. Oktober 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Artikel 7 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 [BGBl. I S. 3836]) ausgeschlossen. Danach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Dies wäre hier der Fall, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannte Grenze nicht übersteigt. Allerdings gebietet der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die nach Maßgabe der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts gewährleistete Rechtsmittelsicherheit, dass bei einem gesetzlich festgelegten Rechtsmittelausschluss ein bereits eingelegtes Rechtsmittel zulässig bleibt, sofern das Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit etwas Abweichendes bestimmt (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20. November 2009 – L 3 B 261/08 AS-PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], Vor § 143 Rdnr. 10e, m. w. N.). Eine solche abweichende Sonderregelung enthält das Gesetzes vom 19. Oktober 2013 nicht.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besitzt die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO.
a) Der Zulässigkeit der Klage steht nicht eine verspätete Klageerhebung entgegen.
Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Der Lauf einer Frist beginnt gemäß § 64 Abs. 1 SGG, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. Die Klagefrist beginnt gemäß § 87 Abs. 2 SGG, wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat, mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.
Hiervon ausgehend galt der Widerspruchsbescheid vom 18. April 2012, der am selben Tag zur Post gegeben worden war, am 21. April 2012 als bekannt gegeben. Die Klageerhebung am 21. Mai 2012 erfolgte mithin noch innerhalb der einmonatigen Klagefrist.
b) Die Frage, auf welche Rechtsgrundlage das Rückforderungsverlangen des Beklagten gestellt werden kann, wurde im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 einerseits und im Widerspruchsbescheid sowie im Prozesskostenhilfebeschluss vom 30. Mai 2013 andererseits unterschiedlich beantwortet.
Der im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 vertretene Ansatz, für die Rückforderung auf die Regelungen in § 48 SGB X zurückzugreifen, findet eine Stütze in Teilen der Kommentarliteratur. Danach kann eine vorläufige Entscheidung partielle Bindungswirkung insoweit entfalten, dass die bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der rechtlichen oder tatsächlichen Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung entfalten (vgl. Schmidt-De Caluwe, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [5. Aufl., 2013], § 328 Rdnr. 46; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III [Stand: 115. Erg.-Lfg., Dezember 2012], § 328 Rdnr. 47 ff.; so noch Niesel, in: Niesel, SGB III [4. Aufl., 2007], § 328 Rdnr. 7; a. A.: Düe, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 328 Rdnr. 8 ff.). Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat jedoch nicht angeschlossen, unter anderem deshalb nicht, weil sich die unter anderem in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsaktes bezieht. Deshalb kommt neben § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht, auch nicht partiell, die Vorschrift des § 48 SGB X zur Anwendung (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – L 3 AL 28/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 33 ff., m. w. N.). Höchstrichterlich ist diese Frage allerdings, soweit ersichtlich, noch nicht geklärt.
Wenn entgegen der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung der beschriebenen Kommentarliteratur zu folgen wäre, würden sich für das Klageverfahren und daraus folgend für das prozesskostenhilfebegehren weitere Konsequenzen ergeben.
Der Beklagte bejahte im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid das Vorliegen der Vertrauensausschlusstatbestände des § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X. Der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X enthält im Gegensatz zu dem des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X subjektive Tatbestandsvoraussetzungen. In der Regel wird eine persönliche Einvernahme oder Vernehmung des betroffenen Leistungsberechtigten, auf dessen Verschulden sich gestützt wird oder bei dem Vertrauensschutz vorliegen könnte, erforderlich sein. Dies hat zur Folge, dass in derartigen Fällen zumeist die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen dürften. Abstellen ist aber immer auf den konkreten Einzelfall (so zu § 45 SGB X: Sächs. LSG, Beschluss vom 15. Januar 2013 – L 3 AS 1184/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 22, m. w. N.).
Ferner sind bei einer Leistungsrückforderung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 48 SGB X und einer damit verbundenen Erstattungsforderung auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 Satz 1SGB II i. V. m. § 50 SGB X die Regelungen in § 40 Abs. 4 SGB II zu beachten. Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Dies gilt gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II unter anderem nicht in den Fällen des § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X. Wenn sich ergeben sollte, dass die Voraussetzzungen des Vertrauensausschlusstatbestandes des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X entgegen der vom Beklagten im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vertretenen Auffassung nicht gegeben sein sollten, käme die Sonderregelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II zum tragen.
c) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unabhängig vom Ausgang des Klageverfahrens möglicherweise ein Teil der Aufwendungen, die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstanden sind, erstattungsfähig sein könnten.
Zwar besteht gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein Anspruch auf Erstattung von Kosten im Vorverfahren nur, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Wenn Rechtsgrundlage für die Rückforderungen nicht §§ 48 und 50 SGB X, sondern § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III sein sollte, wäre der Widerspruch des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden. Die vorgetragenen, in erster Linie formellen Rügen erweisen sich bei summarischer Prüfung als nicht begründet. Jedoch würde der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Januar 2012 an Begründungsmängeln leiden. So wäre eine unzutreffende Rechtgrundlage benannt worden (vgl. zu diesem Begründungsmangel im Rahmen von § 328 Abs. 3 Satz 2SGB III: Sächs. LSG, Urteil vom 18. Februar 2010, a. a. O., Rdnr. 40, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 17. Januar 2013 – L 3 AS 18/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 23, m. w. N.). Zudem ist aus dem Bescheid nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen der Leistungsanspruch völlig entfallen sein soll. Insoweit ergeben sich Unklarheiten auch daraus, dass nach dem Verfügungssatz die Leistungsbewilligung zwar für zwei Monate in Gänze aufgehoben wurde, jedoch weniger als eine bewilligte Monatsleistung zurückgefordert wurde.
Diese Begründungsmängel konnten zwar gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1SGB II i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X noch geheilt werden. Wenn aber ein Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist, besteht nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Kostenerstattungsanspruch.
Ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X wäre im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 193 Rdnr. 5a, m. w. N.)
3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
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