L 3 U 206/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 124/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 206/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Die 1955 geborene Klägerin erlitt am 28. November 2000 während ihrer Beschäftigung als Baukauffrau einen von der Beklagten späterhin anerkannten Arbeitsunfall, als sie beim Beladen eines Pkw mit Dienstunterlagen in eine Unebenheit der Betonstraßendecke trat und hierbei mit dem rechten Fuß umknickte, vgl. Unfallanzeige vom 30. November 2000. Sie zog sich hierbei eine Distorsion des rechten Sprunggelenks zu; eine am Unfalltag durchgeführte Röntgenuntersuchung ergab keine frischen knöchernen Verletzungen bei korrekter Gelenkstellung, vgl. Durchgangsarztbericht vom 06. Dezember 2000 des Chefarztes für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie beim Klinikum E Dr. S. Es ergab sich schließlich eine fibulotalare Bandruptur des rechten oberen Sprunggelenks (OSG), wobei bei zunehmenden Unterschenkelbeschwerden am 13. Dezember 2000 eine kurzstreckige Thrombosierung eines Stranges der Vena tibialis posterior-Gruppe festgestellt und eine Antikoagulationsbehandlung durchgeführt wurde, vgl. Zwischenbericht des Klinikums E vom 09. Januar 2001.

Die Beklagte ließ das sog. Erste Rentengutachten durch Dr. S am 31. Juli 2001 erstellen. Dieser stellte aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 12. Juli 2001 unter Einbeziehung einer angiologischen Zusatzbegutachtung durch die Oberärztin für Angiologie Dr. H vom 27. Juli 2001 als wesentliche Unfallfolgen funktionelle, insbesondere belastungsabhängige Beschwerden des rechten OSG, eine geringgradige Bewegungseinschränkung des rechten OSG, eine geringgradige Bewegungseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks (USG), eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit der Zehen 2 bis 5 rechts und – auf angiologischem Fachgebiet – eine tiefe 1-Etagen-Beinvenenthrombose rechts eines Stranges der Tibialis-anterius-Gruppe fest. Dr. S schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit vom 28. November 2000 bis zum 28. November 2001 auf insgesamt 20 vom Hundert (v.H.) ein, wobei er die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet mit 20 v.H. und die MdE auf angiologischem Fachgebiet mit 5 v.H. bewertete und wegen teilweiser Überlagerung der Beschwerden von einer Gesamt-MdE von 20 v.H. ausging.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 21. November 2001 das Ereignis vom 28. November 2000 als Arbeitsunfall an und gewährte der Klägerin für die Zeit vom 12. April bis zum 30. November 2001 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden eine Bewegungseinschränkung des OSG und USG rechts, eine Bewegungseinschränkung der Zehen 2 bis 5 rechts und ein Zustand nach vollständig rekanalisierter 1-Etagen-Beinvenenthrombose rechts mit dem Erfordernis des Tragens von Kompressionsstrümpfen anerkannt.

Zwischenzeitlich wurde die Klägerin wegen seit Oktober 2001 bestehender Schulterbeschwerden rechts behandelt, welche sie ebenfalls auf den Unfall vom 28. November 2000 zurückführte, als sie (auch) auf die rechte Seite gefallen sei, vgl. Nachschaubericht von Dr. S vom 05. Februar 2002. Es wurde am 27. Februar 2002 – vgl. OP-Bericht vom 04. März 2002 - unter den Diagnosen Rotatorenmanschettenruptur (Snyder Typ I), subacromiales Impingementsyndrom eine Arthroskopie der rechten Schulter durchgeführt, vgl. Arztbrief der Kliniken W vom 05. März 2002. Eine pathologisch-anatomische Begutachtung vom 06. März 2002 erbrachte eine Tendodegeneration.

Am 26. März 2002 wurde ein MRT des rechten OSG durchgeführt, welches eine ältere Teilläsion des rechten Außenbandes mit Ruptur des Ligamentum fibulotalare ant. sowie mit Beteiligung der Syndesmose und der ventrolateralen Kapsel mit einer im Bereich der Syndesmose und des Lig. fibulotalare scheinbar nur inkompletten narbigen Konsolidierung sowie einen leichten synovialen Reizerguss im rechten OSG ergab. Ein Nachweis einer osteochondralen Läsion oder sonstigen Knochenläsion wurde nicht geführt. Am 03. September 2002 wurde eine Arthroskopie des rechten Sprunggelenks und Shaving durchgeführt, wobei im Bereich des Talus eine Arthrosezone dritten Grades von ca. 2 x 2 cm festgestellt wurde, vgl. Zwischenberichte von Dr. S (Klinikum E) vom 19. September und 02. Oktober 2002; vgl. auch OP-Bericht vom 03. September 2002.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04. Dezember 2002 eine Neufeststellung der Rente sowie die Anerkennung der Schulterbeschwerden als Arbeitsunfallfolgen ab. Die Beklagte wies den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 30. Dezember 2002 mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2003 als unbegründet zurück. Die Klägerin erhob Klage zum Sozialgericht Potsdam (SG). Das Verfahren wurde unter dem gerichtlichen Aktenzeichen S 2 U 142/03 geführt. Das SG holte das schriftliche Sachverständigengutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. B vom 20. Mai 2005 ein. Dr. B sah den Zustand nach Distorsion des rechten Sprunggelenks mit verbleibenden belastungsabhängigen Bewegungseinschränkungen als unfallbedingt an; eine Unfallfolge des rechten Schultergelenks sei mit Sicherheit auszuschließen. Die unfallbedingte MdE betrage 10 v.H. Das SG wies die Klage nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. B vom 16. September 2005 mit Urteil vom 18. Januar 2007 ab. Die hiergegen gerichtete Berufung nahm die Klägerin im Verfahren L 3 U 179/07 am 19. Juni 2008 zurück, nachdem sie im Erörterungstermin vor der damaligen Berichterstatterin vom 03. Juni 2008 "einen Antrag auf Rentenneufeststellung wegen der nunmehr wieder aufgetretenen zunehmenden Beschwerden im Sprunggelenk" gestellt hatte.

Im Auftrag der Beklagten untersuchte Dr. R untersuchte die Klägerin am 04. März 2009 und führte in seinem Gutachten vom 20. März 2009 aus, als wesentliche Unfallfolgen bestünden eine Insuffizienz des vorderen Anteils des Außenbandes des rechten Sprunggelenks nach Ruptur, eine in der Sprunggelenksarthroskopie vom 03. September 2002 angegebene posttraumatische Arthrose des medialen Talus rechts, eine Einschränkung der Beweglichkeit im OSG und USG rechts sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit der Zehen III bis V rechts, eine Minderung der groben Kraft des rechten Beins rechts und eine Schwellneigung und belastungsabhängige Schmerzen im rechten Sprunggelenk rechts mit leicht hinkendem Gangbild. Der Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur rechts und die beidseitige beginnende Gonarthrose seien nicht unfallabhängig. Folgen hinsichtlich des Zustands nach Unterschenkelvenenthrombose rechts seien klinisch nicht mehr erkennbar. Auf eine Zusatzbegutachtung auf internistisch-angiologischem Fachgebiet werde im Einvernehmen mit der Klägerin verzichtet. Die unfallbedingte MdE betrage 20 v.H. Die Bewegungsausmaße an den Füßen hielt Dr. R wie folgt fest: OSG 0-0-30° rechts gegenüber 0-0-50° links USG 1/2 rechts gegenüber 1/1 links Zehengelenke III bis V ½ rechts gegenüber 1/1 links.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. S vom 30. April 2009 ein, welcher auf geringe Funktionseinschränkungen im rechten OSG und USG und auf fehlende Zeichen eines postthrombotischen Syndroms verwies. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2009 die Gewährung einer Rente und die Anerkennung weiterer Unfallfolgen ab. Die Klägerin erhob am 19. Juni 2009 Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf die von Dr. R vorgenommene MdE-Einschätzung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 30. Oktober 2009 zum SG erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat behauptet, die bei ihr am rechten Sprunggelenk bestehenden Unfallfolgen begründeten eine MdE von mindesten 20 v.H. Sie hat unter dem 08. Dezember 2009 der Weiterleitung der bisher erstellten medizinischen Gutachten mit Ausnahme der erhobenen Befunde des Ersten Rentengutachtens aus dem Jahr 2001 und des letzten Gutachtens vom 04. März 2009 widersprochen.

Das SG hat das schriftliche Sachverständigengutachten der Orthopädin Dr. T vom 17. Oktober 2010 eingeholt, wobei es der Sachverständigen die Gerichtsakten und die Gutachten von Dr. S vom 31. Juli 2001 und von Dr. R vom 20. März 2009 vorgelegt hat. Die Sachverständige hat am 23. September 2010 eine ambulante Untersuchung der Klägerin durch- und u.a. ausgeführt: Die Klägerin sei im Warteraum aus der sitzenden Position ohne Abstützen zügig aufgestanden. Das Untersuchungszimmer werde mit sicherem Gang und ohne Hinken betreten. Gehhilfen würden nicht benutzt. Der Einbeinstand werde beidseitig korrekt ausgeführt. Beim Einnehmen der Hocke werde ein Winkel zwischen Unterschenkel und Fußrücken von 120° rechts erreicht. Zehen- und Fersengang würden korrekt ausgeführt. Die Bewegungsausmaße an den Füßen hielt Dr. T wie folgt fest: Dorsalextension/ Plantarflexion 5-0-40° rechts gegenüber 5-0-40° links Supination/ Pronation 30-0-10° rechts gegenüber 30-0-10° links Zehenbeweglichkeit ohne nennenswerte Einschränkung. Die Fersen seien seitengleich deutlich beschwielt. Dr. T stellte u.a. folgende Gesundheitsstörungen fest: belastungsinduzierte leichte Funktionsstörung des rechten Sprunggelenks nach Sprunggelenkdistorsion mit Außenbandteilriss am 28. November 2000 und arthroskopische Sicherung eines Knorpeldefekts dritten Grades an der Sprungbeininnenseite am 03. September 2002, ferner einen Zustand nach Unterschenkelvenenthrombose rechts und Antikoagulation 2001 ohne nennenswerte Funktionsstörungen. Klinisch objektiv sei die Beweglichkeit der Sprunggelenke seitengleich. Die Fußhebung sei beidseits gering eingeschränkt. Es bestünden keine Hinweise für eine Kapselbandinstabilität oder Minderbelastung eines Beins. Eine Gelenkschwellung sei nicht nachzuweisen. Mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Unfall vom 28. November 2000 seien der Teilriss des vorderen Anteils des Außenbands und die Unterschenkelvenenthrombose, die folgenlos ausgeheilt sei. Der 21 Monate nach dem Unfall arthroskopisch gesicherte Knorpeldefekt an der Sprungbeininnenseite rechts könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schlüssig und überzeugend als unfallbedingt gewertet werden, auch wenn der Unfallzusammenhang hier nicht auszuschließen sei. Die unfallbedingte MdE liege unter 10 v.H.

Dr. T hat sich mit den Einwänden der Klägerin - vgl. Schriftsatz vom 26. November 2010 – in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28. Dezember 2010 auseinandergesetzt. Hierbei haben ihr sämtliche Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten S 2 U 142/03 vorgelegen.

Auf den Hinweis des SG in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2011, dass zwecks Einholung der ergänzenden Stellungnahme von Dr. T versehentlich sämtliche Akten an die Sachverständige gegangen seien, hat die Klägerin erklärt, bei diesem Sachverhalt gehe sie nicht davon aus, dass ein Beweisverwertungsverbot vorliege.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16. Juni 2011 abgewiesen und sich in der Sache selbst die MdE-Einschätzung von Dr. T zu Eigen gemacht.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18. Juli 2011 zugestellte Urteil am 18. August 2011 Berufung eingelegt. Das angegriffene Urteil könne schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Die Klägerin habe nämlich bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens die Verwertung der zeitlich vorgehendenden Befunde und Diagnosen eingeschränkt, da dies aus ihrer Erfahrung für eine neutrale Bewertung des Sachverhalts durch Sachverständige erforderlich gewesen sei. Die Beklagte habe die Rentenzahlung entgegen der MdE-Bewertung von Dr. R ohne begründete Tatsachen abgelehnt; dies sei formell rechtswidrig. Soweit Dr. T bei deren ergänzender Stellungnahme unzulässigerweise sämtliche Akten vorgelegen hätte, stehe dies einer Verwertung des Begutachtungsergebnisses von Dr. T insgesamt entgegen. Davon abgesehen werde nicht klar, warum Dr. T bzgl. der MdE-Bewertung zu einem anderen Ergebnis komme als Dr. R. Es seien nicht alle Gesundheitsstörungen bei der Bemessung der MdE berücksichtigt worden, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Eine Aufklärung der rezidivierenden arthrotischen und thrombotischen Veränderungen im Bereich des Sprunggelenks sei dabei ebenso wenig erfolgt wie die Berücksichtigung einer wahrscheinlichen Beeinträchtigung im Bereich der rechten Schulter (Rotatorenmanschettenruptur). Die Bewertungsmaßstäbe bei Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufungskrankheit, 8. Aufl. 2010 (Schönberger et al.) seien nicht maßgebend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 16. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. November 2000 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Berichterstatter hat der Klägerin unter dem 27. Februar 2012 den rechtlichen Hinweis erteilt, dass der Berufung kein Erfolg beschieden sein dürfte, und ihr eine Frist zur Stellung eines Antrags auf Anhörung eines bestimmten Arztes gesetzt, welche die Klägerin hat verstreichen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte des SG S 2 U 142/03 verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist, indem mit ihm eine Verletztenrente abgelehnt wird, rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat keinen Anspruch auf Verletztenrente aus der hierfür einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage aus § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII).

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Versicherte Tätigkeit ist u. a. auch das zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a. a. O.). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris).

Hieran gemessen bestehen keine Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Die Klägerin zog sich in Ausübung ihrer versicherten Beschäftigung am 28. November 2000 eine Distorsion mit Außenbandteilriss im rechten Fuß zu. Es besteht auch hinsichtlich fortbestehender Funktionseinschränkungen eine haftungsausfüllende Kausalität.

Der Gesetzgeber bringt mit der wiederholten Formulierung "infolge" – vgl. §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Versicherungsfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).

Hiervon ausgehend ist der Senat im nach § 128 Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderlichen Maße überzeugt, dass bei der Klägerin infolge des unstreitigen und anerkannten Arbeitsunfalls vom 28. November 2000 Funktionseinschränkungen am rechten Fuß fortbestehen.

Für die klägerische Behauptung, auch die Beeinträchtigungen an der rechten Schulter seien unfallbedingt, liegen keine Anhaltspunkte vor, welche den Senat auch eingedenk der ihm obliegenden Untersuchungsmaxime (§ 103 SGG) zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen können. Es liegt nach der im Zwischenbericht von Dr. S vom 05. Februar 2002 zum Ausdruck gekommenen Unfallschilderung der Klägerin ("auf die rechte Seite gefallen") bereits kein für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneter Unfallmechanismus vor, weil es sich nur um eine sturzbedingte direkte Krafteinwirkung handelte (vgl. Schönberger et al., Kap. 8.2.5.2, S. 413). Es fehlt etwa auch an einem unfallnahen Befund, welcher den Rückschluss auf eine gerade durch das Unfallereignis herbeigeführte Ruptur als Gesundheitserstschaden zulässt (vgl. Schönberger et al., Kap. 8.2.5.4, S. 418). Der DAB vom 06. Dezember 2000 enthält hierzu keinerlei Feststellungen. Selbst bei der Untersuchung zum sog. Ersten Rentengutachten vom 31. Juli 2001 beklagte die Klägerin offenbar keine Schulterbeschwerden. Diese traten nach dem Zwischenbericht von Dr. Svom 05. Februar 2002 erstmals im Oktober 2001, also rund zehn Monate nach dem Unfall auf und lassen sich so von vornherein nicht in Beziehung zum Unfall setzen. Dies sah im Übrigen bereits Dr. R im Ergebnis ebenso, indem er den Zustand nach Rotatorenmanschettenruptur in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 20. März 2009 als Unfallfolge ausdrücklich ausschloss. Schließlich fehlt es an der unfallnahen Feststellung knöcherner Begleitverletzungen, ohne welche sich eine traumatische Ruptur einer gesunden Rotatorenmanschette grundsätzlich nicht denken lässt (Schönberger et al., a.a.O., S. 418). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin bei ihrem im Rahmen des Erörterungstermins vor dem Landessozialgericht (LSG) am 03. Juni 2008 gestellten Neufeststellungsantrag ausdrücklich nur auf die Beschwerden im rechten Fuß abstellte.

Soweit sich nach dem Vorstehenden die haftungsausfüllende Kausalität überhaupt nur bzgl. anhaltender Beschwerden am rechten Fuß annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der unfallbedingten MdE, welche im vorliegenden Fall noch keinen rentenberechtigenden Umfang von mindesten 20 v.H. erreicht.

Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Nach § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen (BSG a.a.O., Rn. 18).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zu fordernden Maße einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die MdE mehr 20 v.H. erreicht. Hier wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen ist, vgl. § 153 Abs. 2 SGG.

Nur ergänzend mag hier noch einmal unter Bezugnahme auf den Hinweis des Berichterstatters vom 27. Februar 2012 darauf verwiesen werden, dass Dr. Tinsbesondere keine Versteifung, sondern lediglich leichte Bewegungseinschränkungen beim Heben/ Senken nicht nur des rechten, sondern beider Sprunggelenke bei Bewegungsausmaßen von jeweils 5-0-40° (vgl. schriftliches Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 2010) gegenüber dem Normalwert 20-0-50° (vgl. Schönberger et al., Kap. 8.12.9, S. 680) festgestellt hat, wohingegen das unfallmedizinische Schrifttum überhaupt erst ab einer Bewegungseinschränkung des OSG von 0-0-30° zu einer messbaren MdE von dann allerdings auch nur 10 v.H. und erst bei einer Versteifung zu einer höheren MdE gelangt (vgl. Schönberger et al., Kap. 8.12.8, S. 678; Rompe/ Erlenkämper/ Schiltenwolf/ Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. Aufl. 2009, S. 721; Ludolph/ Lehmann/ Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Stand September 2013, III.1.1.2, S. 18). Auch Dr. R dokumentierte anlässlich seiner Begutachtung zwar stärkere Bewegungseinschränkungen; jedoch brachten die von ihm befundeten Bewegungsausmaße von 0-0-30° rechts gegenüber 0-0-50° links (vgl. Rentengutachten vom 20. März 2009) unter Zugrundelegung des vorzitierten einschlägigen arbeitsmedizinischen Schrifttums ebenfalls noch keine rentenberechtigende MdE mit sich. Auch die von Dr. Rseinerzeit festgestellte Einschränkung der Zehenbeweglichkeit (III-V rechts) vermittelt noch keine mit einschlägigen arbeitsmedizinischen Maßstäben messbare MdE; hierfür wird eine – auch von Dr. Rnicht befundete – Versteifung verlangt (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 8.12.8, S. 679). Zudem hat Dr. T bei ihrer Untersuchung der Klägerin am 23. September 2010 keine nennenswerte Einschränkung der Zehenbeweglichkeit rechts festgestellt. Es ist nach den Befunden von Dr. T im Übrigen auch keine besondere Schmerz- und Reizsymptomatik feststellbar, welche über das mit den noch bestehenden Unfallfolgen am rechten Fuß üblicherweise Einhergehende hinausgeht. Eine spezielle multimodale Schmerztherapie wegen Fußbeschwerden ist nicht erforderlich bzw. wird auch nicht durchgeführt. Zudem hat die Klägerin bei der Untersuchung angegeben, keine Schmerzmittel zu nehmen.

Auch die im Berufungsverfahren erhobenen Einwendungen verhelfen dem klägerischen Begehren nicht zum Erfolg.

An welchem formellen Mangel der angefochtene Bescheid leiden soll, indem die Beklagte nicht der MdE-Bewertung von Dr. R folgte, erschließt sich dem Senat von vornherein nicht und vermag die Klägerseite im Übrigen auch nicht normbezogen darzutun. Zudem würde allein schon das Vorliegen eines formellrechtlichen Mangels des Ablehnungsbescheids dem klägerischen Leistungsbegehren ohnehin noch nicht zum Erfolg verhelfen.

Warum das Ergebnis der von Dr. T durchgeführten Begutachtung nicht verwertbar sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zumindest dem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 2010 stehen von vornherein keine Verwertungshindernisse entgegen, zumal die Sachverständige unstreitig nur die von der Klägerin freigegebenen Unterlagen erhalten hat. Da bereits im schriftlichen Sachverständigengutachten selbst und nicht erst in der ergänzenden Stellungnahme von Dr. Tvom 28. Dezember 2010 die für die Begutachtung maßgeblichen Befunde und Schlussfolgerungen abschließend enthalten gewesen sind, lässt sich die Verwertung des schriftlichen Sachverständigengutachtens jedenfalls nicht damit in Zweifel ziehen, dass der Sachverständigen bei deren ergänzender Stellungnahme möglicherweise nicht freigegebene Unterlagen vorgelegen hätten.

Die Klägerin dringt auch nicht unter Hinweis auf die nach dem Unfall festgestellten thrombotischen Erscheinungen mit ihrem auf eine Verletztenrente gerichteten Begehren durch. Jedenfalls bereits im Zeitpunkt der von Dr. R vorgenommenen Begutachtung lagen bereits keinerlei Anhaltspunkte mehr für ein fortbestehendes, unfallbedingtes angiologisches Leiden vor. Dies stellte Dr. R in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 20. März 2009 ausdrücklich dahingehend fest, dass Folgen hinsichtlich des Zustandes nach Unterschenkelvenenthrombose rechts klinisch nicht mehr erkennbar waren und auf eine angiologischen Zusatzbegutachtung im Einvernehmen mit der Klägerin verzichtet wurde. Weder davor noch später ließen sich fortbestehende angiologische Unfallfolgen feststellen, vgl. schriftliche Sachverständigengutachten von Dr. B vom 20. Mai 2005 im Verfahren S 2 U 142/03 ("posttraumatische Thrombose folgenlos ausgeheilt") und Dr. T vom 17. Oktober 2010 ("Zustand nach Unterschenkelvenenthrombose rechts und Antikoagulation 2001, ohne nennenswerte Funktionsstörungen").

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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