S 18 SF 187/13 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 SF 187/13 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung der Erinnerungsführerin wird die Festsetzung vom 17.07.2013 geändert und die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 559,30 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe, insbesondere die Festsetzung der Terminsgebühr.

Dem Ausgangsverfahren lag eine Klage auf Gewährung von höherem Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zugrunde. Der Klägerin des Ausgangsverfahrens war mit Bescheid vom 31.10.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 06.11.2012 Arbeitslosengeld ab dem 11.10.2012 in Höhe von 14,25 EUR täglich, ausgehend von einer Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt von 20 Stunden, bewilligt worden. Gegen die Bewilligungsentscheidung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruches gab die Klägerin an, dass sie sich wöchentlich für 32 Stunden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt. Nach Zurückweisung des Widerspruches (Widerspruchsbescheid vom 05.12.2012) erhob die Klägerin Klage (Az.: S 18 AL 7/13). Mit der Klage begehrte die Klägerin ein höheres Arbeitslosengeld ab dem 11.10.2012. Mit Änderungsbescheid vom 30.01.2013 änderte die Beklagte die Bewilligungsentscheidung für die Zeit ab dem 13.11.2012 ab und gewährte nunmehr ein höheres Arbeitslosengeld von 22,02 EUR täglich. Die Beklagte trat im Klageverfahren dem geltend gemachten weiteren Anspruch für die Zeit vom 11.10. bis 12.11.2012 entgegen. Im Rahmen des Klageverfahrens wurde der Klägerin mit Beschluss vom 28.03.2013 Prozesskostenhilfe gewährt und die Erinnerungsführerin beigeordnet. Am 09.04.2013 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit im Hinblick auf die Neuberechnung insgesamt für erledigt

Die Erinnerungsführerin beantragte mit Schreiben vom 16.07.2013 die Kostenfestsetzung für Prozesskostenhilfe in Höhe von 559,30 EUR. Im Einzelnen: • Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR • Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR • Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR • 19 % Umsatzsteuer von 470,00 EUR (= 89,30 EUR).

Am 17.07.2013 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 321,30 EUR fest. Er berücksichtigte die Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR sowie die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR. Die Terminsgebühr berücksichtigte er nicht. Die Absetzungen begründete er damit, dass ein Termin nicht stattgefunden habe. Die Abgabe einer einfachen Erledigungserklärung reiche für eine fiktive Terminsgebühr nicht aus.

Gegen die Festsetzung hat die Erinnerungsführerin am 31.07.2013 Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die Terminsgebühr zu Unrecht abgesetzt wurde. Die Beklagte habe einen höheren Anspruch auf Arbeitslosengeld anerkannt. Hierauf sei das Verfahren für erledigt erklärt worden. Die löse die Terminsgebühr gem. Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG aus.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Beschluss vom 01.08.2013).

Der Erinnerungsgegner ist der Ansicht, dass die Erinnerung unbegründet sei.

II.

Die nach § 56 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthafte Erinnerung hat Erfolg.

Die von der Staatskasse gemäß § 55 RVG zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind auf 559,30 EUR festzusetzen.

Für die Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe hat die Erinnerungsführerin einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung einer Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) in Höhe von 250,00 EUR und der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR, wie sie bereits im Rahmen der Kostenfestsetzung berücksichtigt wurden.

Weiterhin hat die Erinnerungsführerin einen Anspruch auf die Berücksichtigung einer fiktiven Terminsgebühr gem. Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG. Nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.

Das Klageverfahren S 18 AL 7/13 endete nach einem angenommenen Teilanerkenntnis ohne mündliche Verhandlung. Die Bewilligungsentscheidung der Beklagten vom 30.01.2013, mit der ein höheres Arbeitslosengeld für einen Teil des von der Klägerin begehrten Zeitraumes bewilligt wurde, stellt ein Teilanerkenntnis im Sinn von § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Ein Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht. Wenn also der Beklagte "ohne Drehen und Wenden" zugibt, dass sich das Begehren des Klägers aus dem von ihm behaupteten Tatbestand ergibt. Soweit der geltend gemachte Anspruch teilbar ist, ist auch ein Teilanerkenntnis möglich (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. A. 2012, § 102 Rn. 20 m.w.N.). Ob ein Anerkenntnis gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln; das Wort "Anerkenntnis" muss nicht verwendet werden. Entsprechendes gilt für die erforderliche Annahme des Anerkenntnisses durch den Kläger (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn. 21 und 22). Indem die Beklagte durch den Änderungsbescheid vom 30.01.2013 ab dem 13.11.2012 ein höheres Arbeitslosengeld bewilligt hat, hat sie den geltend gemachten höheren Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld nicht bloß teilweise anerkannt, sondern auch bereits umgesetzt. Die sich hieran anschließenden Erledigungserklärung erfolgte im Hinblick auf die erfolgte Neuberechnung und ist daher zugleich auch als Annahme des Teilanerkenntnisses zu werten.

Für den Anfall der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG ist es unschädlich, dass es sich bei dem Anerkenntnis nur um ein Teilanerkenntnis gehandelt hat (ebenso: Sozialgericht für das Saarland, Beschluss vom 27.01.2012, S 19 SF 5/11 E; SG Dresden, Beschluss vom 18.01.2012, S 30 SF 646/11 E; SG Dortmund, Beschluss vom 28.01.2010, S 47 SF 6/10 E; SG Oldenburg, Beschluss vom 11.07.2007, S 10 SF 103/07; SG Trier, Beschluss vom 25.01.2007, S 6 SB 122/05; ablehnend: SG Lüneburg, Beschluss vom 27.07.2009, S 12 SF 73/09 E; SG Berlin, Beschluss vom 26.01.2009, S 165 SF 15/09 E; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26.11.2008, L 6 B 130/08 SF; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17.07.2008, L 6 B 93/07). Auch bei einem Teilanerkenntnis fällt eine fiktive Terminsgebühr an, wenn nach der Annahme des Teilanerkenntnisses der Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung endet. Für die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG ist nicht erforderlich, dass der Rechtsstreit im Sinn von § 101 Abs. 2 SGG durch die Annahme eines Anerkenntnisses endet. Während bei einem vollständigen Anerkenntnis durch dessen Annahme der Rechtsstreit ohne weitere Prozesshandlungen beendet wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. Rn. 23), ist für die Beendigung eines Rechtsstreites nach einem Teilanerkenntnis erforderlich, dass der Kläger neben der Annahme des Teilanerkenntnisses auch noch den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt. Nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG entsteht die fiktive Terminsgebühr jedoch nicht, wenn das Verfahren durch ein angenommenes Anerkenntnis endet, sondern wenn es nach einem angenommen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (so auch SG Dresden, a.a.O.). Vorliegend hat die Klägerin, nachdem die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und hierauf im Rahmen der Klageerwiderung abgestellt hatte, den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Insofern entspricht dies der Prozesssituation wie wenn ein Verfahren durch die Annahme eines (vollständigen) Anerkenntnisses endet. Dafür, dass die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG nur bei einem angenommenen vollständigen Anerkenntnis entsteht, bietet der Wortlaut der Vorschrift gerade keinen Anhaltspunkt. Würde man annehmen, dass bei einer Erledigungserklärung nach angenommenem Teilanerkenntnis keine fiktive Terminsgebühr entsteht, würde dies den Bevollmächtigten den Anreiz nehmen, das Verfahren im schriftlichen Verfahren für erledigt zu erklären. Das Gericht wäre dann gehalten, einen Termin zu bestimmen und der Bevollmächtigte würde durch die bloße Wahrnehmung des Termins, in dem er dann den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklären könnte, den Anfall der Terminsgebühr auslösen können (so SG Trier, a.a.O).

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass bei der Beendigung durch einen schrift-lichen Vergleich keine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG anfällt (LSG NRW, Be-schluss vom 23.03.2012, L 13 SB 180/11 B und Beschluss vom 13.05.2011, L 19 AS 726/11 B m.w.N.). Die Situation, dass ein Teilanerkenntnis angenommen und dann der Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt wird, unterscheidet sich grundsätzlich von der Situation, in der ein Rechtsstreit durch einen schriftlichen Vergleichsschluss beendet wird. Im Gegensatz zu einem Teilanerkenntnis ist im Rahmen eines Vergleichsschlusses zur Beendigung eines gerichtlichen Verfahrens ein wechselseitiges Nachgeben prägend. Demgegenüber stellt das Teilanerkenntnis ein einseitiges Zugeständnis dar, dass der geltend gemachte Anspruch im Umfang des Teilanerkenntnisses besteht. Dieses Zugeständnis ist dabei unabhängig von einem möglichen Nachgeben der anderen Seite, während bei einem Vergleichsschluss das Zugeständnis der einen Seite davon abhängig gemacht wird, dass auch die Gegenseite selbst ein Zugeständnis hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Anspruches macht.

Die Höhe der fiktiven Terminsgebühr entspricht der Mittelgebühr und erscheint entsprechend § 14 Abs. 1 RVG angemessen. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Annahme eines Durchschnittsfalles sprechen.

Insgesamt ergibt sich daher ein Anspruch der Erinnerungsführerin gegen die Staatskasse von 559,30 EUR (250,00 EUR + 200,00 EUR + 20,00 EUR zzgl. 89,30 EUR Umsatzsteuer).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Die Beschwerde war nicht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG gesondert zuzulassen, da der Beschwerdewert von 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) erreicht wird. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach der Differenz zwischen der festgesetzten und der geltend gemachten Gebühr zuzüglich Umsatzsteuer. Dies sind vorliegend 238,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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