L 8 U 337/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2801/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 337/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 1. Oktober 2012 abgeändert. Es wird festgestellt, dass eine Anpassungsstörung des Klägers weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 18. April 2007 ist. Die Beklagte wird verurteilt, Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 40 v.H. ab 12. Juli 2008 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 7/10 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob psychische Erkrankungen weitere Folgen des Arbeitsunfalls am 18.04.2007 sind und dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. zusteht.

Der 1963 geborene Kläger stürzte am 18.04.2007 während seiner Arbeit als Stuckateur von einem Gerüst aus ca. 2 m Höhe, wobei er sich eine distale Fraktur des Radius rechts, eine Thorax- und Beckenprellung sowie eine Riss-/Quetschwunde am Kopf rechts frontal zuzog (Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. G., Universitätsklinikum U., vom 18.04.2007). Der Kläger wurde stationär im Universitätsklinikum U. vom 18.04.2007 bis 24.04.2007 behandelt und mit einer dorsalen Plattenosteosynthese rechts versorgt (Entlassungsbericht des Universitätsklinikums U. vom 24.04.2007). Aufgrund persistierender Schmerzsymptomatik bei Verdacht auf diskreter Schraubenfehllage im Bereich des radialseitigen Handgelenks wurde die Plattenosteosynthese frühzeitig während der stationären Behandlung vom 11.07.2007 bis 12.07.2007 entfernt (Berichte des Universitätsklinikums U. vom 24.05 und 26.06.2007). Eine ab 20.08.2007 aufgenommene Belastungserprobung brach der Kläger wegen starker Schmerzen ab. Berufshelfer D. beurteilte nach seiner gemeinsamen Vorsprache mit dem Kläger im Universitätsklinikum U. am 05.09.2007 den Kläger als derzeit nicht mehr fähig, seinen Beruf als Gipser wettbewerbsfähig auszuüben, da hierfür eine freie Handgelenksbeweglichkeit und Handgelenksbelastbarkeit erforderlich sei. Allein der Gipspumpenschlauch habe ein Gewicht von 40 kg (Bericht im Besuchsdienst der Beklagten vom 06.09.2007). Nach Durchführung der vom Universitätsklinikum U. empfohlenen erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) stellte sich der Kläger am 10.10.2007 erneut im Universitätsklinikum U. vor, wo nach Rücksprache mit dem Berufshelfer D. davon ausgegangen wurde, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im erlernten Beruf als Gipser und Stuckateur nicht mehr zu rechnen sei. Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde ab dem 11.10.2007 festgestellt (Berichte des Universitätsklinikums U. vom 06.09. und 16.10.2007). Der Kläger erhielt Verletztengeld bis 10.10.2007.

Vom 28.07. bis 01.08.2008 befand sich der Kläger wegen persistierender Beschwerdesymptomatik in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik). Dort wurde am 29.07.2008 operativ eine komplette Handgelenksdenervierung vorgenommen (Entlassungsbericht der BG Klinik vom 01.08.2008). Arbeitsunfähigkeit wurde seitens der BG-Klinik bis 05.09.2008 bescheinigt (Bericht vom 22.08.2008).

Die sich anfangs nicht für zuständig erachtende Agentur für Arbeit U. (Telefonvermerk der Beklagten vom 06.05.2008) gewährte dem Kläger Trainingsmaßnahmen für den Metallbereich in der Zeit vom 11.02. bis 02.05.2008. Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit führten zu keinem Erfolg. Der Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit schätzte den Kläger aufgrund der bestehenden Unfallfolgen als ungeeignet ein, eine Tätigkeit in einem metallverarbeitenden Beruf auszuüben (Bericht über Versichertengespräch am 11.06.2008, Aktenvermerk der Agentur für Arbeit vom 07.05.2008). Dem Kläger wurde Arbeitslosengeld ab 05.11.2007 gewährt. Mit Bescheid vom 22.09.2008 wurde die Arbeitslosengeldbewilligung mit Wirkung ab 08.09.2008 nach Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall aufgehoben.

In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 15.01.2008 beschrieb Prof. Dr. S. u.a. einen knöchern fest verheilten Speichenbruch rechts mit Gelenkbeteiligung, eine seichte Stufe in der Speichengelenksfläche sowie Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk für alle Bewegungsqualitäten ohne Muskelverschmächtigung am rechten Arm und ohne Achsenabknickung bei subjektiven Beschwerden als Unfallfolgen. Die hierauf beruhende MdE schätzte er auf 20 v.H. Mit Bescheid vom 02.04.2008 gewährte die Beklagte Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H.

Hiergegen legte der Kläger am 07.05.2008 Widerspruch ein.

Unter der Diagnose einer depressiven Episode, mittelschwer bis schwer (F32.1) bescheinigte der Psychiater Dr. S. eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit ab 05.09.2008 (Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.09.2008). In seinem Arztbrief vom 27.08.2008 führte Dr. S. aus, der Berufsunfall im letzten Jahr und dessen Folgen, einschließlich der Auflösung des Arbeitsvertrages, der Berufsunfähigkeit, des verweigerten Schmerzensgelds seitens der Berufsgenossenschaft und der fehlenden Zukunftsperspektive hätten zur Ausbildung einer glaubhaften Depressivität geführt. Auf Anfrage der Beklagten teilte er mit, die depressive Erkrankung habe sich erst infolge des Arbeitsunfalls entwickelt, vorher hätten keine depressiven Störungen bestanden (Schreiben vom 10.11.2008).

Die Beklagte holte das nervenärztliche Gutachten vom 06.12.2008 ein. Darin diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. beim Kläger eine Anpassungsstörung, die Unfallfolge sei. Der Kläger sei als Kurde in der Türkei mehrfach inhaftiert gewesen. Sein Asylantrag in Deutschland sei ohne Erfolg geblieben. Hinweise auf frühere relevante psychiatrische Auffälligkeiten hätten sich nicht ergeben. Seit seiner Einreise in die Bundesrepublik 1990 habe er sich gut etabliert. Ausschlaggebend für den auffälligen psychiatrischen Befund sei allein das stattgehabte Trauma und seine Folgen, die mehrfachen operativen Interventionen. Die Anpassungsstörung bedinge bis zum Ende des zweiten Unfallfolgejahres eine MdE um 20 v.H.

Im unfallchirurgischen Gutachten vom 24.02.2009 zur Entscheidung über die Rente auf unbestimmte Zeit beschrieb Dr. F. ein weiteres Fortschreiten der posttraumatischen Arthrose des rechten Radiocarpalgelenks mit Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit in der dorsalen Extension bei anhaltenden subjektiven Beschwerden (Bewegungsschmerzen, Druckschmerz) als Unfallfolgen. Die hieraus resultierende MdE betrage 20 v.H, die Gesamt-MdE bis zum Ende des zweiten Unfalljahres betrage 40 v.H.

In der von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. R. vom 24.03.2009 stimmt er dem Gutachten von Dr. L. als überzeugend und zutreffend zu, folgte jedoch nicht dessen Einschätzung, dass das Unfallgeschehen das rechtlich wesentliche Moment für die psychische Dekompensation darstelle. Beim Kläger sei es nach dem Unfall zwar zur zunehmenden psychischen Destabilisierung im Sinne einer depressiven Anpassungsstörung gekommen, jedoch hätte es durch ein beliebiges anderes Ereignis zu eben diesem Zeitpunkt auch dazu kommen können, dass die Anpassungs- und Kompensationsmechanismen des Klägers überstrapaziert worden wären.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Widerspruchsbescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass beim Sozialgericht Augsburg Klage zu erheben sei.

Der Kläger erhob am 14.05.2009 beim Sozialgericht Augsburg Klage, das mit Beschluss vom 28.07.2009 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Ulm (SG) verwies.

Das SG holte das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK B. - Die Gesundheitskasse Geschäftsstelle N.-U. vom 14.04.2010 für den Zeitraum ab 01.01.2005 sowie die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. S. vom 21.05.2010 (Depression und Wesensänderung des Klägers seien unfallbedingt, eine MdE von 20 v.H. sei angemessen) und 01.09.2010 sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 17.05.2010 (reaktive mittelgradige Depression als Folge eines Arbeitsunfalls, chronisches Schmerzsyndrom an der rechten Hand) ein. Letzterer fügte den Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Prof. Dr. W. vom 25.10.2009 bei. Seitens des Klägers wurden vorgelegt die ärztlichen Atteste von Dr. F. und von Dr. S., beide vom 21.06.2010, in denen fortwährende Arbeitsunfähigkeit des Klägers bescheinigt wurde.

Das SG holte von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 01.10.2010 ein. Der Sachverständige Dr. W. diagnostizierte beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode im Rahmen einer protrahierten Anpassungsstörung sowie eine Minderung des Berührungsempfindens der rechten Hand nach Radiusfraktur rechts und dreifacher Operation einschließlich selektiver Denervierung. Die depressive Symptomatik sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Der diagnostischen Zuordnung von Dr. L. als Anpassungsstörung könne zugestimmt werden. Nach dem Diagnoseschlüssel ICD-10 werde aber gefordert, dass die Störung innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis oder der Lebensveränderung auftrete. Beim Kläger sei die Symptomatik jedoch frühestens sieben Monate nach dem Unfallereignis im Januar 2008 aufgetreten. Viel wahrscheinlicher sei als Ursache der Anpassungsstörung die Problematik im Hinblick auf die Berufstätigkeit. Hierbei habe es sich um eine Verschiebung der Wesensgrundlage gehandelt, da Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden finanziellen, gegebenenfalls auch familiäre Probleme als wesentliche Ursache der Anpassungsstörung anzusehen sei.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Psychiater und Neurologen Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 26.09.2011 mit ergänzender Äußerung vom 22.02.2012 führte der Sachverständige aus, beim Kläger liege eine sekundäre reaktive Anpassungsstörung vor, die nicht direkt auf dem Unfallereignis, sondern auf den damit veränderten Lebensänderungen beruhe. Insgesamt sei von der Symptomatik einer Anpassungsstörung auszugehen, die allerdings dann mit zunehmender Angst, mittelgradig bestehender Depressivität und einer Störung des Sozialverhaltens mit Rückzug zu einer andauernden Persönlichkeitsveränderung geführt habe. Insbesondere gelte dies für das Erleben nach der dritten Operation mit der Erkenntnis, dass die verletzte Hand nicht mehr richtig hergestellt werden könne. Es handle sich insofern um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, was eine Teil-MdE von 40 v.H. begründe. Die Gesamt-MdE betrage 50 v.H.

Die Beklagte legte zum Gutachten von Prof. Dr. W. die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 13.01.2012 vor. Danach seien die diagnostischen Kriterien einer Anpassungsstörung nicht erfüllt, die Unfallfolge sei nicht im Vollbeweis gesichert. Die Anamneseerhebung und Befunderhebung seien unvollständig. Die Diagnose einer sekundären reaktiven Anpassungsstörung existiere in der Medizin nicht. Nach den Diagnosekriterien müsse sich eine Anpassungsstörung innerhalb von drei Monaten nach dem belastenden Ereignis manifestieren, die auch nicht länger als sechs Monate anhalte. Infolgedessen könne im Laufe des Jahres 2011 keine Anpassungsstörung als Folge des Unfalls mehr vorgelegen haben. Die depressive Verstimmung sei erstmals Mitte 2008 dokumentiert worden, somit über ein Jahr nach dem Unfallereignis. Die MdE-Einschätzung sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 01.10.2012 wies das SG die Klage ab. Dr. L. habe sich in seinem Gutachten nicht damit auseinandergesetzt, weshalb er eine Anpassungsstörung, die in der Regel nicht länger als sechs Monate dauere, annehme. Soweit er die depressive Symptomatik als unfallbedingt beurteile, setze er sich nicht damit auseinander, dass zwischen dem Arbeitsunfall und der auftretenden depressiven Symptomatik der Zeitraum von drei Monaten bei weitem überschritten sei. Eine angenommene Traumatisierung verkenne die Schwere des Unfalls und verleihe ihm eine unzutreffende Wertigkeit als lebensbedrohendes Erlebnis. Prof. Dr. W. führe zutreffend aus, dass eine Anpassungsstörung nicht im Zusammenhang mit dem Unfall stehe. Die aufgetretenen Lebensveränderungen seien in der Erwerbsbiografie des Klägers und nicht im Arbeitsunfall begründet. Der Kläger habe aufgrund der marginalen Schulbildung und der geringen Deutschkenntnisse nur eingeschränkte Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 13.12.2012 zugestellte Urteil hat er am 10.01.2013 vor dem SG Berufung eingelegt und ausgeführt, die Annahme des SG, eine Anpassungsstörung müsse innerhalb kurzer Zeit auftreten, sei wissenschaftlich nicht haltbar. Dies beziehe sich auf die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch dies sei mittlerweile nicht mehr zutreffend, denn seit einigen Jahren sei die Verzögerung einer posttraumatischen Belastungsstörung auch in der Literatur anerkannt. Außerdem verkenne das SG den Grund der Anpassungsstörung. Ursache sei die organische Veränderung an der Hand und die damit einhergehende Unfähigkeit, seinen bis dahin ausgeübten Beruf auszuüben. Folglich sei der Arbeitsunfall nicht nur wesentlich für die Erkrankung, sondern auch dessen alleinige Ursache.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 01.10.2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 02.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2009 abzuändern und als weitere Folge des Unfalls vom 18.04.2007 eine Anpassungsstörung festzustellen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Ausführungen in der Berufungsbegründung zur posttraumatischen Belastungsstörung verfehlt seien, denn diskutiert werde von den Sachverständigen allein eine Anpassungsstörung. Hierzu werde auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Der Senat hat vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die dort angefallene Akte zum Asylverfahren des Klägers angefordert. Die Behörde hat in ihrer Auskunft vom 08.04.2013 mitgeteilt, dass nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungspflicht nach Asylablehnung 1994 die Akte bereits vernichtet worden sei.

Mit den Beteiligten ist der Rechtsstreit in nicht-öffentlicher Sitzung am 09.09.2013 auf der Basis des richterlichen Hinweises vom 30.07.2013 erörtert worden. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Sie ist auch zum Teil begründet. Eine Anpassungsstörung in der nachstehenden dargestellten Ausprägung als Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 18.04.2007 liegt vor (A). Auch hat der Kläger Anspruch auf höhere Verletztenrente (B). Insoweit war das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 02.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.04.2009 abzuändern. Dagegen war die Berufung zurückzuweisen (C), soweit eine Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 40 v.H. begehrt wurde

A. Die mit der Berufung verfolgte Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger kann mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage die Feststellung einer Erkrankung als Unfallfolge begehren (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Über dieses Feststellungsbegehren ist durch die Beklagte auch durch den angefochtenen Verwaltungsakt entschieden worden, denn das Vorliegen von weiteren Unfallfolgen als die im Bescheid vom 02.04.2008 genannten wurde verneint, weshalb die prozessuale Voraussetzung einer Verwaltungsentscheidung und eines durchgeführten Vorverfahrens vorliegt. Voraussetzung ist auch für diese Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 SGG), dass ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht. Dieses besondere Feststellungsinteresse liegt hier vor, da ein Gesundheitsschaden behauptet wird, der Anspruch auf Heilbehandlung und höhere Verletztenrente begründet.

Die Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Unfallfolge.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 B 2 U 27/04 R BSGE 94, 269 = SozR 4 2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit )Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R., veröffentlicht in juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3 5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

A1. Nach diesen Grundsätzen sind zur Überzeugung des Senats die Gesundheitsstörung einer Anpassungsstörung und in deren Folge das Auftreten einer Depressivität mit Persönlichkeitsänderung nachgewiesen. Dies folgt für den Senat aus den nachvollziehbaren Gutachten von Dr. L., Dr. W. und Prof. Dr. W., die beim Kläger übereinstimmend zunächst eine Anpassungsstörung diagnostiziert haben. Diese Ärzte haben für den Senat plausibel dargelegt, dass die Diagnosekriterien einer Anpassungsstörung nach ICD-10 vorliegen, wobei ein subjektives Leiden und eine emotionale Beeinträchtigung mit Einschränkung der sozialen Funktionen und Leistungen nach entscheidenden Lebensveränderungen (z.B. Emigration, soziale Destabilisierung) oder belastenden Ereignissen (z.B. schwere Verletzung, Todesfall, Trennung) gefordert wird, wie im Gutachten von Dr. L. ausgeführt. Im wesentlichen sind die genannten Ärzte sich darin einig, dass im Sinne des Diagnosekriteriums "nach entscheidenden Lebensveränderungen" die Erkenntnis, dass die nicht erfolgreiche Behandlung seiner unfallbedingten Handgelenksverletzung eine dauerhaften Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand bedeutet, und der Verlust des Arbeitsplatzes sowie die nicht gelingende Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt die psychische Störung beim Kläger ausgelöst haben. Keiner der Ärzte vertritt die Auffassung, dass das Unfallereignis selbst sich traumatisierend auf die Psyche des Klägers auswirkte. Insbesondere haben sie alle überzeugend das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung abgelehnt. Professor Dr. W. hat im Einklang mit den Vorgutachten für den Senat überzeugend ausgeführt, dass auch die zeitliche Zuordnung der erst Monate nach dem Unfallereignis auftretenden psychischen Auffälligkeiten zu den dargelegten auslösenden Belastungsmomenten - nämlich das Erkennen der dauerhaften Leistungsstörung und des sozialen Abstiegs durch Arbeitsplatzverlust - im Sinne der Diagnosekriterien passt (Gutachten vom 26.09.2011). Insbesondere trifft dies für das Erleben der dritten Operation am unfallverletzten Handgelenk am 29.07.2008 zu, da hierbei der Kläger subjektiv die Erkenntnis gewonnen hat, dass die verletzte Hand nicht mehr richtig hergestellt werden kann (ergänzende Äußerung von Professor Dr. W. vom 22.02.2012). Diese Einschätzung findet weitgehend Übereinstimmung mit dem dokumentierten Krankheitsverlauf. Danach war der Kläger nach den gescheiterten Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit im Mai/Juni 2008 unter der Diagnose einer depressiven Episode vom 10.06. bis 11.07.2008 arbeitsunfähig und schließlich im Zusammenhang mit der erforderlich gewordenen Behandlung einschließlich der operativen Handgelenksdenervierung am 29.07.2008 erneut für mehrere Monate, nämlich vom 28.07.2008 bis 22.05.2009, u.a. auch unter der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode arbeitsunfähig erkrankt (Verzeichnis der AOK vom 14.04.2010). Der Einwand von Professor Dr. S., die Diagnosekriterien einer Anpassungsstörung seien nicht erfüllt, trifft zur Überzeugung des Senats daher nicht zu.

Soweit Professor Dr. W. in seiner ergänzenden Äußerung vom 22.02.2012 – in Reaktion zu dem Einwand von Professor Dr. S., eine sekundäre reaktive Anpassungsstörung existiere in der Medizin nicht – für die Beschreibung des von ihm in der Untersuchungssituation erhobenen Befunds von der Diagnose einer Anpassungsstörung nach ICD-10 F 43.2 abgerückt ist, obgleich sowohl Dr. W., Dr. L. als auch Beratungsarzt Professor Dr. R. eine solche Diagnose gestellt hatten, ändert dies nichts an der Beurteilung des Senats. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen von Professor Dr. W., dass der von ihm erhobene aktuelle Befund mit einer Anpassungsstörung allein nicht zu beschreiben ist, sondern sich aus der anfänglichen Anpassungsstörung im Sinne einer misslungenen Anpassung die von ihm auch beschriebene mittelgradige Depressivität mit Persönlichkeitsveränderung entwickelt hat. Diese Entwicklung hat er als sekundäre Anpassungsstörung umschrieben. Die von ihm genannte depressive Episode bzw. Persönlichkeitsveränderung ist in den Diagnosenschlüsseln ICD-10 bzw. den DSM IV aber enthalten. Insoweit ist dem Einwand, dass eine Anpassungsstörung in der Regel binnen mehrerer Monate abklingt, Rechnung getragen, denn bereits bei der Untersuchung im September 2010 durch Dr. W. stand die auch von ihm diagnostizierte mittelgradige depressive Episode "im Rahmen einer protrahierten Anpassungsstörung" im Vordergrund. Eine mittelgradige depressive Episode nach ICD-10 F32.1 wurde auch während der vom Rentenversicherungsträger veranlassten Rehabilitationsmaßnahme vom 08.12.2009 bis 12.01.2010 in der Z.-Klinik in S. B. diagnostiziert (Reha-Entlassungsbericht der Z.-Klinik vom 19.01.2006). Für den Senat ist damit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt, dass sich im Juni/Juli 2008 beim Kläger eine Anpassungsstörung entwickelt hat, die bei Fortwirken der sie maßgebend verursachenden äußeren Umstände zunehmend vom Krankheitsbild einer depressiven Episode geprägt wurde und sich nach Professor Dr. W. auch verselbständigte. Dies haben Professor Dr. W. wie auch Dr. W. für den Senat nachvollziehbar dargelegt.

A2. Diese Gesundheitsstörung ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. und Professor Dr. W. wesentlich durch den verzögerten schmerzbedingten Heilungsverlauf der Handgelenkverletzung und durch den Verlust des Arbeitsplatzes als Gipser und die danach eingetretene dauerhafter Arbeitslosigkeit mit den hieraus erwachsenden wirtschaftlichen Folgen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Dr. W. hat eindrücklich geschildert, dass der Kläger bei der Untersuchung einen nicht zu übersehenden Stolz auf das von ihm wirtschaftlich Erreichte an den Tag legte. Er betonte, als Gipser sogar am Reichstagumbau und am Bau des Bundeskanzleramts in Berlin beteiligt gewesen zu sein. Der Kläger übte jedenfalls ununterbrochen seit 2002 zunächst bei der Firma E. (Arbeitszeugnis der E. GmbH vom 04.02.2008) und ab 2005 bei dem Unfallbetrieb den Beruf eines Gipsers und Stuckateurs aus. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. L. und Dr. W. hatte er bereits vor dem Unfall eine Eigentumswohnung erworben und fühlte sich gut situiert. Durch den Verlust seiner gut bezahlten Arbeitsstelle als Gipser fürchtete der Kläger, dass sein Lebenswerk durch den Unfall zerstört würde. Diese auch von Dr. S. beschriebene Angst mit der subjektiv negativen Zukunftsprognose vor dem Hintergrund des berechtigten und nicht eingebildeten Argwohns darüber, dass keine vollständige Ausheilung der Unfallverletzung zu erreichen ist und zuständige Sozialversicherungsträger keine optimale Hilfestellung leisten - so hielt sich die Agentur für Arbeit U. zunächst nicht für zuständig, dann wurden Trainingsmaßnahmen für einen metallverarbeitenden Beruf bewilligt, um später zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Kläger aufgrund der Handgelenkverletzung im Metallbereich nicht vermittelbar sei -, führte zu der von Dr. L. beschriebenen Anpassungsstörung und in der weiteren Folge zum Auftreten der Depressivität.

Hinweise auf andere (Mit-)Ursachen fanden sich nicht. Eine psychische Traumatisierung durch das vom Kläger behauptete Verfolgungsschicksal als Kurde in der Türkei ist als Ursache der jetzt diagnostizierten psychischen Erkrankung nicht nachgewiesen. Ob ein glaubhaftes Verfolgungsschicksal zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland 1990 vorgetragen worden ist, konnte der Senat nicht feststellen, da hierüber keine Unterlagen mehr von der zuständigen Behörde beigezogen werden konnten. Außerdem haben sowohl Professor Dr. W. wie auch Dr. L. dargelegt, dass frühere relevante psychiatrische Auffälligkeiten – bei Unterstellung eines früher tatsächlich erlebten relevanten Verfolgungsschicksals – anamnestisch nicht zu erheben und den beigezogenen Krankenakten nicht zu entnehmen waren. Soweit in dem Arztbrief von Dr. S. vom 27.08.2008 auch auf die Sorge des Klägers wegen der Erkrankung der Ehefrau und deren Getreideunverträglichkeit mit der Notwendigkeit der Einhaltung einer teuren Diät eingegangen wird, ist dies neben den oben genannten Ursachen der psychischen Erkrankung nicht ursächlich geworden. Dr. S. stellt hinsichtlich der von ihm diagnostizierten Depressivität auf den Unfall ab. Darüber hinaus ist seinen Ausführungen zu entnehmen, dass die Sorge um die Ehefrau bzw. der Familie aufgrund der aufgetretenen wirtschaftlichen Probleme in der Zeit der Arbeitslosigkeit zugenommen hatte und daher letztlich auch Folge der Arbeitslosigkeit ist (Attest von Dr. S. vom 22.11.2010). Dr. S. beschreibt dies im Zusammenhang mit der fehlenden Zukunftsperspektive des Klägers, die zur Ausbildung des deutlich depressiven Syndroms geführt hatte. Andere Konkurrenzursachen für die depressive Entwicklung sind von der Beklagten nicht vorgetragen und hat der Senat den Akten nicht entnehmen können. Eine bewusstseinsnahe Aggravation hinsichtlich der funktionellen Einschränkungen der Handgelenksbelastung, die Dr. W. in seinem Gutachten diskutierte, wird von keinem anderen untersuchenden Arzt angenommen. Vielmehr ist den unfallchirurgischen Gutachten eine Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit zu entnehmen. Eine Alltagsbelastung kann der Kläger mit dem rechten Handgelenk bewältigen, Dauerbelastung oder beruflich bedingte Höherbelastungen des Handgelenks sind von Professor Dr. S. und Dr. F., wie auch zuletzt von der BG-Klinik, ausgeschlossen worden. Die Agentur für Arbeit U. hat ausdrücklich die Motivation des Klägers für eine Wiedereingliederung auf dem Arbeitsmarkt betont. Hinweise auf ein Rentenbegehren als wesentliche Allein- oder Mitursache der psychiatrischen Erkrankung sind von keinem Arzt überzeugend dargelegt worden.

A3. Entgegen der Auffassung von Dr. W. und Professor Dr. R. ist die psychische Erkrankung des Klägers auch unfallbedingt. Bei geklärtem medizinischem Sachverhalt ist die wertende Entscheidung, welche der aus dem jeweiligen Fachgebiet dargelegten Bedingungen wesentlich ist, eine Rechtsfrage, die dem Gericht vorbehalten ist (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013 – L 8 U 2652/12 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass auch auf den Unfall selbst wesentlich zurückzuführende, später aufgetretene Umstände, die ihrerseits nach wissenschaftlichem Verständnis weitere Erkrankungen in der Folge verursachen, den Zusammenhang dieser Folgeerkrankungen mit dem Unfall begründen können (Urteil des Senats vom 17.05.2013 a.a.O.). Dagegen hat der Senat den wesentlichen unfallbedingten Zusammenhang eines psychischen Leidens verneint, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften durch das Unfallereignis, durch die psychischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers nur stimuliert werden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist vielmehr, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.08.2010 L 8 U 1427/10 , juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Eine bereits vorbestehende Depressivität oder sonstige Krankheitsanlage die durch den Unfall oder die Unfallabwicklung lediglich stimuliert wurde, wird von keinem psychiatrischen Gutachten belegt. Eine persönlichkeitsbedingte subjektive Fehleinschätzung äußerer Umstände, z.B. bei der Unfallabwicklung ungerecht behandelt worden zu sein (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013, a.a.O.) liegt nicht vor. Vielmehr hat der Kläger wegen seiner Unfallverletzung am rechten Handgelenk seinen Arbeitsplatz als Gipser und Stuckateur verloren, weil eine leidensgerechte Arbeitsplatzumgestaltung nicht möglich war. Die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur U. führten nicht zur Wiedereingliederung des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, weil dem Kläger mit der unfallbedingten fehlenden Belastungsfähigkeit des rechten Handgelenks keine Stelle im Metallbereich oder auf dem sonstigen Arbeitsmarkt zu vermitteln war. Entgegen der Auffassung der Beklagten stand der eingeschränkten Vermittelbarkeit des Klägers auf dem Arbeitsmarkt nicht sein geringer Ausbildungsstand und unzureichende deutsche Sprachkenntnisse entgegen. Diese auch fachfremde Einschätzung von Dr. S. (Attest vom 22.11.2010), der auf eine angeblich marginale Schulbildung und ebenso auf mangelhafte deutsche Sprachkenntnisse verweist, ist im Hinblick der sachkundigeren Beurteilung des Arbeitsvermittlers bei der Agentur für Arbeit U. nicht zu folgen. Dem Bericht des Arbeitsvermittlers der Agentur für Arbeit U. ist zu entnehmen, dass die verminderte Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand das alleinige Vermittlungshindernis war. Im Gutachten von Dr. W. wird das Sprachverständnis auf Deutsch als gut qualifiziert, lediglich die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten seien etwas begrenzt gewesen. Der Sachverständige beschreibt, dass der Kläger aber zu keinem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen wäre, seine Beschwerden nicht hinreichend zu schildern. Die im Rahmen der Unfallabwicklung dem Kläger gewährte Heilbehandlung wurde nach den psychiatrischen Gutachten übereinstimmend als frustrierend erlebt. Dazu kommt der allein auf die Unfallverletzung zurückzuführende Verlust des konkreten Arbeitsplatzes, die ebenso hierauf zurückzuführende Unmöglichkeit den bisher ausgeübten Beruf bei einem anderen Arbeitgeber weiter auszuüben und der ebenso auf die Unfallverletzung zurückzuführende Umstand, auch nicht in einen anderen Beruf vermittelbar zu sein. Damit stand die erlebte Arbeitslosigkeit nicht nur aus subjektiver Sicht des Klägers, sondern auch objektiv wesentlich im Zusammenhang mit dem anerkannten Arbeitsunfall bzw. den hierauf beruhenden physischen Unfallfolgen.

Die Beurteilung von Dr. W., bei der von ihm diagnostizierten depressiven Episode habe es sich um eine Verschiebung der Wesensgrundlage gehandelt, weshalb der Arbeitsunfall nicht als wesentliche Ursache hierfür angesehen werden könne, bzw. jede andere Form der Arbeitslosigkeit hätte auch mit Wahrscheinlichkeit zu derselben depressiven Symptomatik geführt, ist einerseits rechtlich nicht zutreffend und entbehrt andererseits einer ausreichenden medizinischen Grundlage. Dies gilt auch für die Annahme von Professor Dr. R. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.03.2009, wonach es bei jedem anderen beliebigen Ereignis zu eben diesem Zeitpunkt auch zu der von ihm angenommenen Überstrapazierung der Anpassungs- und Kompensationsmechanismen des Klägers gekommen wäre. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage ist dem Gutachten von Dr. W. nicht zu entnehmen. Dr. W. verkennt, dass die die Depressivität auslösenden Ursachen gar nicht von Anfang an in dem Unfallereignis lagen, sondern die Erkrankung durchgehend der eingetretenen Arbeitslosigkeit und der dieser vorausgegangenen, auch objektiv nicht optimal verlaufenden Heilbehandlung zuzurechnen ist. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage hat es daher nicht gegeben. Ob eine solche bei andauernder Störung künftig festgestellt werden kann, wäre gegebenenfalls in einem von der Beklagten einzuleitenden Nachprüfungsverfahren zu klären. Ebenso wenig ist eine Gelegenheitsursache anzunehmen. Hierzu haben Dr. W. und Professor Dr. R. bereits nicht dargelegt, worin sie die beim Kläger vorbestehende Krankheitsanlage sehen. Diese müsste zudem vor dem Unfallereignis bereits in einer so starken Ausprägung zumindest latent beim Kläger angelegt gewesen sein, dass auch ohne das Unfallgeschehen jederzeit mit ihrem Akutwerden zu rechnen war. Auch hierzu finden sich keine Ausführungen in den gutachterlichen Stellungnahmen von Professor Dr. R. und Dr. W., ihre Einschätzung erweist sich damit als spekulativ. Außerdem ist die Bestimmung einer "Alltagsbelastung", die für die Verursachung des Akut-Werdens einer psychischen Vorerkrankung ausreicht, im Hinblick auf die Varianz individueller psychodynamischer Prozesse schwierig; jedoch ist das Realisieren, einer verletzungsbedingten Einschränkung auf Dauer zu unterliegen und deshalb auch arbeitslos zu sein und diesen Umstand nicht alsbald abändern zu können, kein "Alltagserlebnis" in dem oben genannten Sinne. Ein Rückschluss auf eine unfallvorbestehende Krankheitsanlage in der vorbeschriebenen, den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz ausschließenden Ausprägung aus einer eine Alltagsbelastung nicht übersteigenden Unfalleinwirkung ist von der Beklagten daher nicht bewiesen (vgl. zur Beweislast hierfür Urteil des Senats vom 01.07.2011 – L 8 U 197/11 – juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die Beurteilung, der Kläger hätte auch bei einer betriebsbedingten Kündigung, die gleiche depressive Symptomatik entwickelt, führt in diesem Zusammenhang daher auch nicht weiter.

B. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf höhere Verletztenrente ist teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 40 v.H. ab 12.07.2008. Die darüber hinausgehende Klage auf Rente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. ist dagegen unbegründet.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII ). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).

Da die Beklagte über Rente auf unbestimmte Zeit innerhalb 3 Jahre nach dem Unfall nicht entschieden hat, ist bereits deshalb die mit angefochtenem Bescheid gewährte Rente als vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit in der festgestellten Höhe nach einer MdE um 20 v.H. weiterzuzahlen.

B1. Ab 12.07.2008 steht dem Kläger wegen der festgestellten Unfallfolgen "eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit und Handgelenksbelastung rechts" und "Anpassungsstörung" in der oben dargestellten Folge-Ausprägung eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 mwN). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; zuletzt BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

B1.1 Nach diesen Grundsätzen ist die aus orthopädisch/unfallchirurgischer Sicht zu beurteilende Handgelenksverletzung des Klägers mit einer Teil-MdE um 20 v.H. zutreffend bewertet. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Aus dem Gutachten von Dr. F. vom 24.02.2009 ergibt sich, dass ohne Aussicht auf Besserung eine erhebliche Einschränkung des rechten Handgelenks in der Streckung, endgradige Einschränkungen der Palmarflexion des Handgelenks und der Unterarmeinwärtsdrehung sowie des rechten Daumensattelgelenkes und des Daumengrundgelenkes unfallbedingt vorliegen. Diese Funktionseinschränkung an der rechten Hand ist vom Sachverständigen Dr. F. in Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur bewertet worden. Danach ist das Verletzungsmuster eines Speichenbruchs mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80° mit einer MdE um 20-30 v.H. einzustufen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 544). Die von Dr. F. ermittelten Bewegungsmaße der Handgelenke ergeben ausweislich des seinem Gutachten beigefügten Messblatts eine Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks in allen Bewegungsrichtungen nach der Neutral-Null-Methode von insgesamt 160° im Vergleich zur Beweglichkeit des linken Handgelenks (handrückenwärts/hohlhandwärts: 0/0/20 rechts, 70/0/80 links; ellenwärts/speichenwärts: 0/0/30 rechts, 20/0/40 links). Zwar ist nach dem Röntgenbefund keine Achsenabweichung zu diagnostizieren, jedoch ergibt sich eine unfallbedingte arthrotische Veränderung mit einem dorsalen Radiuskantenosteophyt, der die Gelenksfunktionen im Sinne einer Extensionsbehinderung beeinträchtigt und die gemessene erhebliche Bewegungseinschränkung erklärt. Die funktionelle Beeinträchtigung der rechten Hand des Klägers entspricht der Schwere des unfallmedizinisch erfassten Verletzungsmusters für eine MdE um 20 v.H., zumal die hierfür geforderte Bewegungseinschränkung von insgesamt 80° bei weitem überschritten ist.

B1.2 Die Gefühlsstörung an der rechten Hand, wie sie von Dr. W. und Professor Dr. W. beschrieben wird, rechtfertigt nach deren Ausführungen keine auf neurologischem Gebiet anzunehmende Teil-MdE, was für den Senat überzeugend ist. Hiergegen hat der Kläger auch nichts eingewandt.

B1.3 Die auf psychiatrischem Gebiet diagnostizierte weitere Unfallfolge einer Anpassungsstörung ist in der vom Senat angenommenen Ausprägung mit einer Teil-MdE um 20 v.H. zutreffend bewertet. Nach den unfallmedizinischen MdE-Bewertungsgrundsätzen wird eine Anpassungsstörung, die mit stärkergradiger sozial-kommunikativer Beeinträchtigung, zusätzlich zur psychisch-emotionalen Störung, wie Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder Rückzug einhergeht, mit einer MdE bis 20 v.H. und das Vorliegen einer depressiven Episode bei Verstimmung, die nicht den Schweregrad einer leichten depressiven Episode erreicht, mit einer MdE um 10 v.H., dagegen Beeinträchtigungen entsprechend dem Schweregrad einer leichten depressiven Episode mit einer MdE bis 20 v.H., beim Schweregrad einer mittelgradigen depressiven Episode mit einer MdE um 40 v.H. bewertet (Schönberger u.a., a.a.O., Seite 156).

Hiervon ausgehend ist die Einschätzung der psychischen Störung des Klägers mit einer Teil-MdE von 20 v.H. durch Dr. L. für den Senat nachvollziehbar. Seinem Gutachten ist der psychische Befund zu entnehmen, wonach der Kläger wenig flexibel ist, über reduzierte verbale Konfliktlösungsstrategien verfügt und somatisierend in Belastungs- und Einengungssituationen reagiert. Beim Kläger bestehen Angst, Unruhe, Anspannung und teilweise ist Panik festzustellen, seine Stimmung bei der Untersuchung war depressiv. Dr. L. beurteilte die Störung des Klägers als durchaus anhaltend mittelschweres depressives Bild mit Einengung und Rückzug. Diese Explorationsergebnisse finden sich durchgehend in nur geringer Abweichung bzw. mit anderweitiger Akzentuierung in den Gutachten von Dr. W. und Professor Dr. W ... Dr. W. beschreibt eine depressive herabgestimmte Stimmungslage des Klägers mit eingeschränkter affektiver Schwingungsfähigkeit, die aber auflockerbar war. Antrieb und Psychomotorik waren leichtgradig herabgesetzt. Tageszeitliche Schwankungen waren anamnestisch nicht zu erheben. Produktiv-psychotische Erlebnisweisen waren nicht nachzuweisen. Er diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode. Professor Dr. W. gibt in seinem Gutachten unter dem psychischen Befund weitgehend die Beschwerdeschilderung des Klägers wieder, worauf Professor Dr. S. insoweit zutreffend kritisch hinweist, geht aber in zusammenfassender Wertung davon aus, dass insgesamt keine Suizidalität anzunehmen ist, tageszeitliche Stimmungsschwankungen und Traurigkeit vorliegen. Im Gespräch waren keine höhergradigen Konzentrationsstörungen des zeitlich und örtlich orientierten Klägers zu beobachten. Psychomotorisch wirkte der Kläger bedrückt und ängstlich. In Übereinstimmung zu Dr. L. beschreibt er eine Anpassungsstörung, die zu Angst, einer mittelgradigen Depressivität und sozialem Rückzug geführt hat. Seine weitergehende Befundbeschreibung ergibt keine zur Überzeugung des Senats gesicherten Befundtatsachen. Das bei Professor Dr. W. erstmals vom Kläger geschilderte Gefühl, außerhalb seines Hauses würden die Leute über ihn lachen, wird von Professor Dr. W. nicht weiter psychiatrisch gewürdigt. Die Beschwerdeschilderung des Klägers zur vermeintlichen Reaktion seiner Umwelt steht auch im Gegensatz zum Befund von Dr. W., der produktiv-psychotische Erlebnisweisen verneinte.

Die MdE-Einschätzung von Dr. L., die er noch unter der von ihm aufgrund der Untersuchung des Klägers am 26.11.2008 diagnostizierten Anpassungsstörung vorgenommen hat, ist mit dem von ihm beschriebenen psychische Befund dem Richtwert nach einer MdE bis 20 v.H. für die Anpassungsstörung überzeugend zugeordnet. Zum Untersuchungszeitpunkt passte die Anpassungsstörung auch noch in den von Professor Dr. S. angenommenen zeitlichen Rahmen der grundsätzlichen Krankheitsdauer einer Anpassungsstörung, da ihr Beginn auf Juni/Juli 2008 im Zusammenhang mit der Handgelenksoperation am 29.07.2008 datiert wird. Soweit in der Folge die Anpassungsstörung in den Hintergrund getreten ist und die depressive Verstimmung des Klägers selbstständige Bedeutung erlangte, wie der Senat es den Gutachten von Dr. W. und Professor Dr. W. entnimmt, ist auch unter dem von Professor Dr. W. noch zusätzlich angenommenen Übergang in eine Persönlichkeitsstörung, deren funktionelle Auswirkung aber nicht näher begründet wird, der psychische Befund nicht deutlich verändert zu beschreiben, wie dargelegt.

Soweit Prof. Dr. W. eine MdE von 40 v.H. für die psychische Störung für gerechtfertigt erachtet, ist dies, insoweit folgt der Senat den Ausführungen von Professor Dr. S., nicht nachvollziehbar. Die in seinem psychischen Befund beschriebenen Ängste – auch im Zusammenhang mit Vermeidungsverhalten –, und die als gewissermaßen paranoide Beziehungssetzung umschriebene Vorstellung des Klägers, seine Umgebung würde über ihn lachen oder sich über ihn Gedanken machen, sind für den Senat kein hinreichend gesicherter psychiatrischer Befund und daher bei der MdE-Einschätzung nicht zu berücksichtigen. Professor Dr. W. bezieht sich für seine MdE-Einschätzung auf Widder/Gaidzik (Begutachtung in der Neurologie, 1. Auflage, 2007), wo für eine stärker behindernde Störung ein MdE-Bewertungsrahmen von 20-40 v.H. angegeben ist (Seite 445, Tab. 36.15). Weshalb die angenommene stärker behindernde Störung des Klägers die Ausschöpfung des Rahmens bis an die Obergrenze der Bewertungsstufe rechtfertigt, wird von dem Sachverständigen nicht dargelegt, obgleich der Sachverständige Dr. L. mit seiner MdE-Einschätzung um 20 v.H. die psychische Störung des Klägers faktisch auch der Bewertungsstufe einer stärker behinderten Störung zugeordnet hatte. Außerdem ist in der Neuauflage des Werkes diese MdE-Tabelle nicht mehr enthalten und durch die oben angegebenen Bewertungskriterien in Schönberger u.a (a.a.O., Seite 156) ersetzt (vgl. Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage, 2011, Seite 583, Tab. 42.22).

Die Beurteilung einer mittelgradigen depressiven Episode, was grundsätzlich eine MdE um 40 v.H. rechtfertigen würde, findet in den dargelegten psychischen Befunden der genannten Gutachten sowie im Bericht der Z.-Klinik keine Stütze. Die Einstufung der depressiven Episode als leicht, mittelgradig oder schwer ist von Anzahl und Schwere der Symptome abhängig (ICD-10 F 32.-). Die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode erfordert aber vier oder mehr der unter F 32 des Diagnoseschlüssels angegebenen Symptome und große Schwierigkeiten des betreffenden Patienten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen. Dr. L. bezieht sich nicht auf die Klassifikation nach ICD-10, sondern umschreibt ein "mittelschweres depressives Bild mit Einengung und Rückzug" im Zusammenhang mit der diagnostizierten Anpassungsstörung. Dr. W. führt zu seiner Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F 32.1) aus, zum jetzigen Zeitpunkt sei der Schweregrad der depressiven Symptomatik als "etwa" mittelgradig anzusehen (Seite 16 seines Gutachtens) und stützt sich hierbei auf eine glaubhaft geschilderte Reduktion der Libido sowie einen deutlichen sozialen Rückzug – was nur 2 Symptome umfasst –, wobei er den Antrieb nur als leichtgradig herabgesetzt einstuft und die verminderte affektive Schwingungsfähigkeit durchaus als auflockerbar beurteilte. Zum konkreten Ausmaß der als mittelgradig bezeichneten Depressivität und der sozialen Zurückgezogenheit hat Professor Dr. W. keine Feststellungen getroffen, eine depressive Episode wird von ihm unter den angegebenen Diagnosen auch nicht aufgeführt. Die Voraussetzungen für die angenommene MdE um 40 v.H. sind für den Senat auch in dem Bericht der Z.-Klinik nicht überzeugend dargelegt. Der Senat geht deshalb bei funktionell im wesentlichen gleich gebliebenem Befund davon aus, dass die MdE-Einschätzung von Dr. L. noch weiter gerechtfertigt ist, was der Einstufung der psychischen Störung des Klägers wie bei einer eher leichten depressiven Episode entspricht.

B2. Ausgehend von der Teil-MdE von 20 v.H. für die Funktionseinschränkung am Handgelenk und der Teil-MdE von 20 v.H. für die Anpassungsstörung mit Folgewirkungen ergibt sich eine unfallbedingte Gesamt-MdE von 40 v.H. Die Unfallfolgen bestehen aus unterschiedlichen, voneinander getrennt einwirkenden Beeinträchtigungen, deren Auswirkungen sich auch nicht partiell überlagern. Es ist daher eine kumulative und nicht nur eine integrative Berücksichtigung der Teil-MdE-Werte angemessen. Der Senat geht davon aus, dass eine MdE-relevante Funktionseinschränkung durch die Anpassungsstörung mit der erstmals aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit unter der psychiatrisch belangvollen Diagnose "depressive Episode" ab 10.06.2008 nachgewiesen ist. Im Hinblick auf die bis 11.07.2008 andauernde Arbeitsunfähigkeit war die höhere Verletztenrente nach Maßgabe der geänderten unfallbedingten MdE von 40 v.H. erst ab 12.07.2008 festzusetzen (§ 74 Abs. 2 SGB VII).

C. Soweit mit der Berufung Verletztenrente nach einer MdE um mehr als 40 v.H. begehrt wird, war die Berufung insoweit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass der Kläger mit seiner Feststellungsklage ganz und mit seiner Leistungsklage teilweise obsiegt hat. Der Feststellungsklage kommt hierbei gegenüber der Leistungsklage eine etwas geringere wirtschaftliche Bedeutung zu, da sie nur Grundlage für etwaige künftige Leistungsansprüche schafft. Der Senat erachtet für die Feststellung eine Quote von 4/10 als angemessen. Bezüglich der Leistungsklage – in der Kostenquote dann mit 6/10 zu berücksichtigen – hat der Senat nach Maßgabe des ursprünglichen Klageziels, Verletztenrente statt nach einer MdE um 20 v.H. mit 50 v.H. zu bemessen, den Teilerfolg des Klägers – Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. – mit einer Erstattungspflicht der Beklagten um die Hälfte berücksichtigt. Der Kläger hat das Klageziel der bei einer MdE um 50 v.H. gegebenen Schwerverletzteneigenschaft mit der damit verbundenen Zulage (§ 57 SGB VII), weshalb dies besondere wirtschaftliche Bedeutung hat, nicht erreicht. Daraus ergibt sich die tenorierte Kostenquote von 7/10 (4/10 plus 3/10 (1/2 aus 6/10) =7/10).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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