L 5 R 456/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2661/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 456/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.1.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1962 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. 1991 übersiedelte er von der T. nach Deutschland, wo er zuletzt bis 1999 als Kommissionierer in einem Tiefkühllager versicherungspflichtig beschäftigt war; ab 2002 übte er eine geringfügige Beschäftigung aus (ab 1.1.2005 Bezug von Arbeitslosengeld II).

Am 7.6.2011 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 22.7.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag nach Beiziehung von Arztunterlagen (u.a. der Arbeitsverwaltung) ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers erhob die Beklagte das Gutachten der Dr. H.-Z. vom 8.6.2012. Diese diagnostizierte eine langjährig bekannte chronische Hepatitis C, prinzipiell Indikation für medik. Viruselimination, Dysthymie (ausreichend stabil unter Medikation), behandlungsbedürftigen Bluthochdruck, ein Nierensteinleiden sowie Verschleiß der unteren LWS mit Bandscheibenschaden, keine Funktionsminderung. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf der Kläger am 10.8.2012 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhob.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte. Die Internistin/Gastroenterologin Dr. K. teilte mit, der Kläger habe sich lediglich zweimal zur Diagnostik (Sonographie, Laborkontrolle) vorgestellt; eine Leistungseinschätzung sei nicht möglich (Bericht vom 18.10.2012). Der Allgemeinarzt Dr. A. führte im Bericht vom 12.10.2012 aus, der Kläger leide (neben Hepatitis C u.a.) seit Jahren an einer Depression. Er könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bis zu 6 Stunden täglich verrichten. Der Urologe Dr. P. gab im Bericht vom 31.10.2012 an, der Kläger könne leichte Arbeiten 6 Stunden täglich leisten. Der Neurologe und Psychiater Dr. F. teilte im Bericht vom 5.11.2012 mit, der Kläger stelle sich meist in mehrmonatigen Abständen (durchschnittlich einmal im Quartal) vor, vornehmlich zur Weiterverordnung von Medikamenten. Auszugehen sei von eine Dysthymie; für weiterführende therapeutische Maßnahmen (z.B. Psychotherapie) sei der Kläger nicht zu gewinnen gewesen. Bei der letzten Konsultation habe er keine gravierenden Auffälligkeiten festgestellt. Der Kläger wirke stabil und habe selbst angegeben, sich besser als früher zu fühlen. Eine nennenswerte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bestehe auf psychiatrischem Fachgebiet nicht. Der Orthopäde E.-A. vertrat im Bericht vom 27.11.2012 (ebenfalls) die Auffassung, der Kläger (der unter einer Arthralgie des rechten Handgelenks und an einem lumbalen Syndrom leide) könne leichte Tätigkeiten 6 Stunden täglich verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.1.2013 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger stehe Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu, weil er - wie alle behandelten Ärzte übereinstimmend mitgeteilt hätten - leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne und deshalb nicht erwerbsgemindert sei (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Auf den ihm am 25.1.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.1.2013 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei er erwerbsgemindert. Man möge ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet erheben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.1.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.7.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.7.2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. L. vom 2.10.2013 erhoben. Der Gutachter hat ein Entwurzelungssyndrom mit depressiven Tendenzen i. S. einer Dysthymie, eine Leberzirrhose bei vorbekannter Hepatitis C (Hepatomegalie, erhöhte Transaminasen, leicht erhöhtes AFP nach den neueren Werten, ohne Progredienz, Z. n. Abbruch einer Interferontherapie 2001), eine früher bestehende psychische Erkrankung (nicht näher bekannt, mit Behandlung anamnestisch seit etwa 1994/1995 durch Psychiater), eine bekannte arterielle Hypertonie, Nierensteine (Z. n. Stoßwellentherapie 2012), Ausschluss relevanter körperlicher Defizite an Gelenken sowie am Achsorgan (grenzwertiger Prolaps L4/L5 im NMR 2011 vorbeschrieben), derzeit keine sensomotorischen Defizite bei Lumbalgien. Der Kläger - der frühmorgens im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung Backwaren ausfahre - könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen: keine Zwangshaltungen, ebenerdig, möglichst kein Akkord, keine Stressbelastung, kein Zeitdruck) vollschichtig verrichten. Er sei auch wegefähig. Es werde angeregt, durch eine Begutachtung auf neuropsychiatrischem Fachgebiet zu klären, ob die (angegebene) Müdigkeit und die (angegebene) anhaltende Leistungsminderung Grund für den Rückzug und die subjektiv erlebte Schwäche seien.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. J. vom 21.10.2013 vorgelegt. Darin ist ausgeführt, eine psychiatrische Begutachtung sei nicht notwendig. Der behandelnde Psychiater Dr. F. habe im Bericht vom 5.11.2012 lediglich eine Dysthymie mitgeteilt, also eine leichte Form der depressiven Störung, die im Schweregrad unter dem einer leichten depressiven Episode liege. Eine nennenswerte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet habe Dr. F. nicht festgestellt. Es bleibe bei der bisherigen Leistungseinschätzung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht (übereinstimmend) aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. H.-Z. vom 8.6.2012, den Berichten der vom Sozialgericht befragten behandelnden Ärzte und dem vom Senat gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten des Dr. L. vom 2.10.2013 hervor. Stichhaltige Einwendungen gegen die Leistungseinschätzung der genannten Ärzte sind nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtlichen Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet, insbesondere einer zu zeitlichen Einschränkungen des Leistungsvermögens führenden Depressionserkrankung, bestehen nicht. Wie Dr. J. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21.10.2013 zutreffend dargelegt hat, hat der behandelnde Psychiater Dr. F. (Bericht vom 5.11.2012) lediglich eine Dysthymie mitgeteilt, aus der rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht abzuleiten sind. Eine leitliniengerechte Depressionsbehandlung findet auch nicht statt (vgl. dazu näher auch Senatsurteil vom 4.9.2013, - L 5 R 2647/11 -). Die Erhebung eines psychiatrischen Gutachtens drängt sich dem Senat bei dieser Sachlage nicht auf; die Beratungsärztin Dr. J. hat die Erhebung eines psychiatrischen Gutachtens ebenfalls überzeugend für entbehrlich erachtet (Stellungnahme vom 21.10.2013). Auch im Übrigen sind angesichts der vorliegenden Arztberichte und Gutachten weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht nicht anzustellen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved