L 10 R 1462/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2937/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1462/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, streitig.

Der am 1960 geborene Kläger erlernte von 1976 bis 1979 den Beruf des Malers und Lackierers und war anschließend fortlaufend in seinem Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete wegen Konkurs des Arbeitgebers im April 2002. Seither ist der Kläger - unterbrochen durch eine dreiwöchige Tätigkeit im Oktober 2004 - arbeitslos (vgl. Versicherungsverlauf vom 23.03.2011, Bl. 191 f.).

Am 08.12.2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete den Antrag mit "Bluthochdruck, Hüftprobleme, Kniearthrose, kribbelnde Hände" und verwies im Übrigen auf den "Befundbericht" des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 06.08.2010, wonach bei ihm ein schwerer depressiver Verstimmungszustand vorliege. Die Beklagte zog verschiedene medizinische Unterlagen bei, u.a. das für die Bundesagentur für Arbeit erstattete Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. (Untersuchung im Oktober 2008), der von psychiatrischer Seite eine vielschichtige, von jeher bestehende Persönlichkeitsstörung beschrieb und den Kläger bei Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, besonderer nervöser Anspannung, Nacht- oder Wechselschicht, Arbeiten an gefährdenden Maschinen, im direkten Publikumsverkehr und mit überdurchschnittlich fordernden sozialen Interaktionen für vollschichtig leistungsfähig erachtete. Der von der Beklagten sodann mit einer Begutachtung beauftragte Arzt für Neurologie und Psychiatrie S. , der den Kläger im März 2011 untersuchte, beschrieb im Wesentlichen eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vermehrten Stimmungsschwankungen, ein L. jährig bestehendes, medikamentös behandeltes Bluthochdruckleiden, ein ausgeprägtes Übergewicht mit daraus resultierenden Rücken- und Gelenkbeschwerden bei angegebenem Verschleiß im rechten Hüft- und Kniegelenk sowie eine Somatisierungsstörung. Die Ausübung einer vollschichtigen mittelschweren Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes erachtete er bei Vermeidung von Arbeiten mit Nachtschicht und ständig erhöhtem Zeitdruck für zumutbar; ungünstig seien darüber hinaus Tätigkeiten mit häufigem Knien und Hocken sowie häufigen Wirbelsäulenzwangshaltungen. Er verwies auf eine erhebliche Verdeutlichungstendenz bei der Schilderung der Beschwerden und eine Aggravationsneigung bei der Untersuchung. Es liege ein deutliches Rentenbegehren vor, wobei der Kläger mit dem Erwerbsleben erkennbar dauerhaft abgeschlossen habe.

Mit Bescheid vom 23.03.2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers daraufhin mit der Begründung ab, er könne sowohl in seinem bisherigen Beruf als Maler und Lackierer als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest noch sechs Stunden täglich tätig sein und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2011 zurückgewiesen.

Seine am 26.08.2011 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage hat der Kläger im Wesentlichen damit begründet, dass er insbesondere auf Grund seiner orthopädischen Beeinträchtigungen jedenfalls den Anforderungen in seinem erlernten Beruf nicht mehr gewachsen sei. Auf die von der Beklagten im weiteren Verlauf des Verfahrens genannten Verweisungstätigkeiten könne er nicht verwiesen werden. So seien die Tätigkeiten eines Poststellenmitarbeiters und eines Telefonisten wegen des erforderlichen Kundenkontakts nicht mit den zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen in EinkL. zu bringen und für die Tätigkeit eines Registrators seien neben einer kaufmännischen Ausbildung Computerkenntnisse erforderlich, über die er nicht verfüge, nachdem er nicht einmal einen privaten PC nutze.

Mit dem Einverständnis des Klägers hat die Beklagte gutachtliche Untersuchungen in ihrem Sozialmedizinischem Zentrum in K. veranlasst, wobei er im März 2012 von chirurgischer Seite durch Dr. L. , Fachärztin für Chirurgie, und von internistischer Seite durch den Med.-Dir. L. untersucht worden ist. Die Gutachter haben linksbetonte Kniegelenksbeschwerden ohne Bewegungseinschränkung bei nachgewiesenen degenerativen Meniskus- und Knorpelschäden, Belastungsbeschwerden der Rumpfwirbelsäule bei geringen degenerativen Veränderungen (ohne Funktionseinbuße, ohne neurologische Ausfälle), einen unter Mehrfachkombination gut eingestellten Bluthochdruck (ohne Hinweise auf Zielorganschäden), den Verdacht auf eine latente Hypothyreose sowie eine diskrete Handgelenksarthrose links nach alter Speichenfraktur mit Belastungsbeschwerden und diskreter Bewegungsbehinderung diagnostiziert und ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten (auch mit kurzfristig mittelschweren Belastungsspitzen) im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich gesehen. Zu vermeiden seien Zeitdruck, Nachtschicht, Tätigkeiten mit Verletzungsgefahren, Zwangshaltungen, häufigem Bücken oder dem Anheben von Gegenständen in gebückter Haltung sowie Arbeiten, die erhöhte Anforderungen an Kraft und Dauerbelastbarkeit des linken Handgelenks stellen. Da für den Kläger Arbeiten auf Leitern und Gerüsten nicht mehr in Betracht kämen, könne er in der Tätigkeit als Maler und Lackierer nur noch in Teilbereichen eingesetzt werden.

Unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes, wonach auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen bestehe und auch Berufsunfähigkeit nicht vorliege, hat die Beklagte wegen des eingeschränkten Leistungsvermögens in der Tätigkeit als Maler und Lackierer nunmehr Verweisungstätigkeiten benannt und zuletzt die Auffassung vertreten, der Kläger könne zumutbar jedenfalls auf die Tätigkeit eines Registrators und Poststellenmitarbeiters verwiesen werden. Insoweit hat sie sich auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 25.01.2005, L 11 RJ 4993/03, gestützt, das sie als Kopie vorgelegt hat.

Mit Urteil vom 27.02.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest noch leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Publikumsverkehr, ohne Nachtschicht, ohne besondere Verletzungsgefahren, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und Anheben von Gegenständen aus gebückter Haltung sowie ohne erhöhte Anforderungen an Kraft und Dauerbelastbarkeit des linken Handgelenks im Umfang von sechs Stunden täglich verrichten und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Auch eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit liege mangels Berufsschutz nicht vor. Denn im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelung sei der vom Kläger erlernte Beruf des Malers und Lackierers nicht mehr als bisheriger Beruf anzusehen, da er sich von diesem aus anderen als gesundheitlichen Gründen gelöst habe. Ausschlaggebend sei der Konkurs des Arbeitgebers gewesen, wobei sich der Kläger in der Folgezeit nicht mehr auf Arbeitsstellen in seinem Beruf beworben habe, obwohl ihm dies möglich gewesen sei.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 12.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.04.2013 beim LSG Berufung eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, er habe sich weder freiwillig von seinem erlernten Beruf gelöst noch einer anderen versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zugewandt. Der bloße Zeitablauf seit der letztmaligen Tätigkeit in seinem Ausbildungsberuf führe zu keiner Lösung vom bisherigen Beruf. Ungeachtet dessen habe er seiner Arbeit zuletzt allerdings auch aus gesundheitlichen Gründen kaum mehr in zumindest mittlerer Qualität nachkommen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27.02.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger zumutbar auf die Tätigkeiten eines Registrators oder Poststellenmitarbeiters verwiesen werden könne.

Der Senat hat den behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat über einen im Wesentlichen gleichbleibenden Gesundheitszustand des Klägers während der Behandlung seit dem Jahr 2005 bis zu seiner Praxisaufgabe im April 2013 berichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht erwerbsgemindert. Ihm steht daher weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit zu.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das SG hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne besonderen Zeitdruck, ohne Publikumsverkehr, ohne Nachtschicht, ohne besondere Verletzungsgefahren, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken oder Anheben von Gegenständen aus gebückter Haltung, ohne erhöhte Anforderungen an Kraft und Dauerbelastbarkeit des linken Handgelenks) körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an und sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ebenso wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Kläger in seinem beruflichen Leistungsvermögen im Wesentlichen von orthopädischer und nervenärztlicher Seite sowie durch ein allerdings gut eingestelltes Bluthochdruckleiden eingeschränkt ist, den insoweit bestehenden Gesundheitsstörungen (LWS-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne wesentliche Funktionseinbußen, linksbetonte Kniegelenksbeschwerden bei degenerativen Meniskus- und Knorpelschäden ohne wesentlichen Reizzustand und ohne Funktionseinbußen, links betonte Handgelenksbeschwerden bei diskreten Funktionseinbußen nach Handgelenksfrakturen beidseits, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vermehrten Stimmungsschwankungen) jedoch mit den oben näher dargelegten qualitativen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen werden kann, so dass auch der Senat keine Gründe sieht, die bei Beachtung dessen der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich entgegenstehen könnten. Die übereinstimmenden Einschätzungen des im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachters S. und der im erstinstanzlichen Verfahren mit den Gesundheitsstörungen des Klägers befassten Ärzte, des Internisten L. und der Chirurgin Dr. L. , sind insoweit schlüssig und überzeugend. Mit dem so beschriebenen Leistungsvermögen liegt im Sinne der oben dargelegten Regelung weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor.

Der Kläger ist im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI darüber hinaus auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Hiervon ist das SG im Ergebnis zutreffend ausgegangen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist danach der bisherige Beruf (hierzu und zum Nachfolgenden: BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 13 RJ 34/03 R, in SozR 4-2600 § 43 Nr. 1; Urteil vom 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R in SozR 4-2600 § 43 Nr. 4). Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist.

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend auf die vom Kläger bis April 2002 ausgeübte Tätigkeit des Malers und Lackierers abzustellen. Ob sich der Kläger im Sinne der Rechtsauffassung des SG von dem Beruf des Malers und Lackierers gelöst hat und dieser daher nicht mehr als bisheriger Beruf angesehen werden kann, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Denn dem Kläger kann zwar dieser Beruf, der das Ersteigen von Leitern und Gerüsten erfordert und angesichts des bestehenden Bluthochdruckleidens (Blutdruckschwankungen und damit einhergehenden Schwindelerscheinungen) mit Verletzungsgefahren verbunden ist, nicht mehr zugemutet werden, jedoch ist er damit noch nicht berufsunfähig. Vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn es auch keine andere Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30.09.1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29.03.1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Unter Anwendung dieser Kriterien kann der Kläger, dessen zuletzt ausgeübte Tätigkeit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist, sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle verwiesen werden, die - wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen M. eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme und der Entlohnung einer solchen Tätigkeit, so der Sachverständige, nach der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) entschieden hat - eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit darstellt. Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen M. ; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, L 13 R 4924/09 - juris - auf der Grundlage umfangreicher Auskünfte von Arbeitgebern im Bereich des öffentlichen Dienstes, von gesetzlichen Krankenkassen, von privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen).

Nach dem BAT wird der Mitarbeiter in der Poststelle in Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - eingestuft. Bei der Vergütungsgruppe VIII BAT handelt es sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), des Bundes (TV-Bund) und für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber (TV-VKA) zunächst nichts geändert, weil eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung zunächst nicht vereinbart worden ist. Dies gilt für die Beschäftigen des Bundes und der Kommunen auch derzeit. Für die Beschäftigten der Länder ist am 01.01.2012 die Entgeltordnung der Länder (Anlage A zum TV-L) in Kraft getreten. Zwar gilt damit für Beschäftigte des Landes die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT nicht mehr. Indessen ist hierdurch für die Frage der Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle keine Änderung eingetreten. Die Vergütungsgruppe VIII BAT (Tätigkeiten schwierigerer Art) entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Entgeltgruppe (EG) 3 der neuen Entgeltordnung der Länder, sodass die bisher nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnten Beschäftigten - und damit auch der Mitarbeiter in der Poststelle - nach EG 3 entlohnt werden. Dies haben die Ermittlungen des 13. Senats im genannten Verfahren L 13 R 4924/09 bestätigt, s. Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.

Ebenso wie Tätigkeiten, die nach Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt werden, sind Tätigkeiten nach EG 3 der Entgeltordnung der Länder einem Facharbeiter sozial zumutbar (Urteil des Senats vom 13.12.2012, L 10 R 1162/09; Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.). Nach Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" dieser Entgeltordnung erfasst die EG 3 Tätigkeiten, die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erfordern, die über eine Einarbeitung i.S. der EG 2 (= einfache Tätigkeiten) hinausgeht. Wie bei Vergütungsgruppe VIII BAT (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.1991, 5 RJ 34/90 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17) ist damit eine längere Anlernzeit erforderlich. Demgegenüber gilt die EG 4 für schwierige Tätigkeiten (Nr. 1) und erfasst (EG 4 Nr. 2) auch Tätigkeiten der EG 3, die mindestens zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordern; insoweit handelt es sich um früher in BAT VIII Nr. 1b aufgeführte, einen Bewährungsaufstieg nach BAT VII ermöglichende Tätigkeiten. Dies zeigt, dass die Vergütungsgruppe BAT VIII im Wesentlichen der EG 3 entspricht. Entsprechend sehen die Tarifverträge zur Überleitung der Beschäftigten (TVÜ-Länder, TVÜ-Bund, TVÜ-VKA) eine Entlohnung der in Vergütungsgruppe VIII BAT eingruppierten Beschäftigten nach EG 3 bis zum Inkrafttreten der Entgeltordnung vor. Auch die EG 3 der neuen Entgeltordnung der Länder enthält, da sie inhaltlich, also hinsichtlich der qualitativen Anforderungen der Vergütungsgruppe BAT VIII entspricht, somit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass in anderen Bereichen der Entgeltordnung für die Länder die Einstufung nach EG 4 einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf erfordert. So betrifft die EG 4 nach Teil III "Beschäftigte mit körperlich / handwerklich geprägten Tätigkeiten" und dort Nr. 1 "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale" Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von weniger als drei Jahren und damit gerade auch Facharbeiter i.S. des oben dargestellten Mehrstufenschemas (mehr als zwei Jahre Ausbildungszeit). Entsprechend sind von der nächst niedrigen tariflichen Entgeltgruppe erfasste Tätigkeiten einem Facharbeiter zumutbar (BSG, Urteil vom 07.10.1987, 4a RJ 91/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 149), hier also jene der EG 3.

Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle umfasst (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 im Anschluss an den Sachverständigen M. ; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.04.2011, L 5 R 331/09 - juris -; zusammenfassend Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O.) die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (Urteil des Senats vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen M. ). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so bereits LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).

Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht diesem Anforderungsprofil. Denn mit körperlichen Belastungen, die in Widerspruch zu den beim Kläger zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen bestehen, ist die in Rede stehende Tätigkeit nicht verbunden. Entsprechendes hat der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht. Soweit er im Klageverfahren darauf hingewiesen hat, dass Tätigkeiten mit Kundenkontakt für ihn nicht in Betracht kämen, trägt die Tätigkeit in der Poststelle diesem Erfordernis Rechnung. Denn diese ist nicht mit direktem Publikumsverkehr verbunden und fordert keine überdurchschnittlichen sozialen Interaktionen.

Der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist der Kläger auch nach seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen. Zwar ist der bisher ausgeübte Beruf eines Malers und Lackierers im handwerklichen Bereich angesiedelt. Allerdings hindert dies eine Verweisung auf eine nicht artverwandte Tätigkeit dann nicht, wenn der Versicherte nach seinen durch Ausbildung, beruflichen Werdegang und sonstige Betätigung erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen zur vollwertigen Ausübung einer solchen Tätigkeit - nach einer zumutbaren betrieblichen Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten - in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 5 RJ 96/76 in SozR 2200 § 1246 Nr. 23; BSG, Urteil vom 08.09.1982, 5 b RJ 36/82). Für die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist eine längere Einarbeitung als drei Monate in der Regel nicht notwendig (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen M. ; ebenso das Ergebnis der Ermittlungen des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.). Der Senat geht auch davon aus, dass der Kläger die Anforderungen an die Tätigkeit in einer Poststelle innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig erfüllen kann. Der Senat sieht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die von Dr. B. und dem Gutachter S. beschriebenen Persönlichkeitsstörungen, die der Kläger in das Berufsleben einbrachte und die eine L. jährige Tätigkeit als Maler und Lackierer zuließen, dem entgegenstehen könnten. Schon der bisherige Beruf erforderte bereits gewisse organisatorische Grundkenntnisse und -fertigkeiten. Auch fand der Neurologe und Psychiater S. , der den Kläger im Verwaltungsverfahren untersuchte, keine Einschränkung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, ein gutes Auffassungsvermögen und eine rasche Umstellungsfähigkeit bei intakten Gedächtnisleistungen.

Soweit der Kläger vorträgt, er sei nicht mit Personalcomputern vertraut, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Für die Tätigkeit in der Poststelle genügen einfache, grundlegende PC-Kenntnisse (Urteil des 13. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.09.2012, a.a.O), die auch ohne Vorkenntnisse bzw. ohne Übung in der Bedienung einer Tastatur innerhalb einer Einarbeitungsphase von drei Monaten erworben werden können (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 08.02.2012, L 1 R 1005/09 in juris m.w.N. und dem folgend Urteil des erkennenden Senats vom 19.12.2013, L 10 R 4214/12). Angesichts der oben bereits dargelegten, vom Neurologen und Psychiater S. beschriebenen Fähigkeiten und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit kann der Kläger die Grundkompetenz zum Einsatz des Personalcomputers jedenfalls innerhalb des genannten Zeitraums zu erwerben, selbst wenn er keinerlei Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen sollte.

Unerheblich ist, ob dem Kläger ein freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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