L 8 U 1506/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4282/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1506/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.03.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin, die am 22.06.2012 auf dem Weg vom Mittagessen mit Kollegen kommend im Gebäude der Sparkasse P. eine Treppe hinabstürzte, einen Arbeitsunfall erlitt.

Die Klägerin (geboren am 29.09.1973) ist seit September 2005 als angestellte Lehrerin am T.-H.-G. in P. beschäftigt. Die Schule verfügt über keine Kantine. Nach Angaben der Klägerin nehmen die Lehrer der Schule ihr Mittagessen üblicherweise in der in der Nähe der Schule gelegenen Kantine der Sparkasse P. ein.

Am 22.06.2012 ging die Klägerin nach Unterrichtsende um 12:05 Uhr mit Kollegen in die Kantine der Sparkasse P., um dort zu Mittag zu essen. Für 14:00 Uhr war in den Gebäuden der Schule eine Gesamtlehrerkonferenz angesetzt (zum Zeitablauf vgl. die Unfallanzeige, Blatt 1 = 5 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf dem Weg zurück zur Schule blieb die Klägerin - außerhalb der Kantine, aber noch im Gebäude der Sparkasse - um 13:45 Uhr, im Gespräch mit einem Kollegen vertieft, beim Heruntergehen einer Treppe mit der Schuhsohle an einer Stufe hängen, stürzte und verdrehte das rechte Knie (Unfallanzeige vom 25.06.2012, Blatt 1 der Verwaltungsakte der Beklagten). Dabei zog sich die Klägerin eine Ruptur des vorderen Kreuzbands mit begleitender Rissbildung im Bereich des Außenmeniskushinterhorns und Zerrung der medialen und ventromedialen Gelenkkapsel rechts unter Einbeziehung tiefer ansatznaher Innenbandanteile und des medialen Retinakulums zu (Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 26.06.2012, Blatt 44 der Verwaltungsakte der Beklagten; zu den Durchgangsarzt, H-Arzt- und Nachschauberichten vgl. Blatt 2, 5, 10, 15, 29 der Verwaltungsakte der Beklagten).

Mit Bescheid vom 13.07.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall ab (Blatt 24, 25 der Verwaltungsakte der Beklagten). Wege zur Aufnahme des Mittagessens stünden grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Führe der Weg zur Nahrungsaufnahme aber aus dem eigenen Betrieb hinaus, beginne und ende der gesetzliche Unfallversicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde.

Hiergegen legte die Klägerin am 24.07.2012 (Blatt 37bis 39 bzw. 41 bis 43 der Verwaltungsakte der Beklagten, zur weiteren Begründung vgl. Blatt 45, 56 der Verwaltungsakte der Beklagten) Widerspruch ein und trug im Wesentlichen unter Hinweis auf den Beschluss des Bayerischen VGH vom 10.05.1999 (Az 3 ZB 98.2893) vor, der Unfall habe sich noch innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. ereignet, in welchem die Kantine untergebracht sei. Unfallversicherungsschutz sei daher gegeben. Sie sei auch keinerlei Umweg gegangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012 (Blatt 51 bis 54 = Blatt 59 bis 62 der Verwaltungsakte der Beklagten) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auf Wegen zur oder von der Nahrungsaufnahme sei ein Versicherter regelmäßig im gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraums geschützt. Mit dem Durchschreiten der Außentür des Sparkassengebäudes sei der öffentliche Verkehrsraum indes verlassen und im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder erreicht gewesen, weshalb die Klägerin im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe.

Die Klägerin hat am 26.11.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, die das SG mit Gerichtsbescheid vom 05.03.2013 abgewiesen hat. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ende der Versicherungsschutz auf dem Hinweg zur Arbeit oder zur Nahrungsaufnahme und beginne auf dem Rückweg jeweils mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem z.B. die Wohnung, die Gaststätte oder - wie hier - die Kantine liege. Der Versicherungsschutz erstrecke sich damit nicht auf Unfälle auf Wegen in dem Gebäude, in dem die Kantine liege. Vorliegend habe die Klägerin den Unfall nach Verlassen der Kantine auf einer Treppe im Innern und noch vor dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes der Sparkasse P. erlitten. Sie habe damit den "öffentlichen Verkehrsraum" noch nicht wieder erreicht gehabt. Dass es sich bei der Sparkasse P. um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handele, rechtfertige keine andere Entscheidung. Denn "öffentlicher Verkehrsraum" sei nicht gleichzusetzen mit jeder Verkehrsfläche, die einer unbestimmten Anzahl von Nutzern offenstehe; gemeint sei vielmehr allein der öffentliche "Straßen"Verkehrsraum. Denn auch das Betreten eines an die Straße auf dem Weg zur oder von der Arbeit angrenzenden Geschäfts, z.B. einer Bäckerei, um dort für das Abendessen einzukaufen, führe infolge Verlassens des öffentlichen Verkehrsraums zur Unterbrechung des versicherten Weges.

Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 07.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.04.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin ausführlich dargelegt (dazu vgl. Blatt 20 bis 26 = 27 bis 33 der Senatsakte), weshalb der Entscheidung des SG sowie der Rechtsprechung des BSG, die nicht nachvollziehbar und falsch sei, nicht zu folgen sei. Die Rechtsprechung des BSG beruhe auf einer Entscheidung aus dem Jahr 1973. Die damals herangezogenen Merkmale seien willkürlich. So gehe hieraus nicht hervor, warum eine Grenze bei der Tür zum Gebäude und nicht bei der Tür zur Kantine gezogen werde; eine Begründung für diese willkürliche Grenze fehle vollständig. Auch sei diese Rechtsprechung vorliegend nicht einschlägig, sei veraltet und führe nicht zur Rechtssicherheit. Desweiteren sei das Urteil von 1973 unter ganz anderen Lebensumständen bzw. städtebaulichen Voraussetzungen ergangen. So werde zum Beispiel nicht zwischen privaten und öffentlichen Straßen, sowie privaten und öffentlichen Gebäude unterschieden. Insoweit sei der öffentliche Verkehrsraum bezüglich Straßen sowie bezüglich öffentlicher Gebäude gleich zu bewerten; auch das öffentliche Gebäude sei öffentlicher Verkehrsraum. Insoweit werde in der Rechtsprechung gerade nicht auf die Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Raum und privatrechtlichen Raum abgestellt. So sei die Einflussnahmemöglichkeit bei privaten Mietwohnung oder der eigenen Eigentumswohnung eine andere als im öffentlichen Verkehrsraum, da dort durch Hausordnung und Mietverträge bzw. das Eigentum der Versicherte jederzeit Einfluss nehmen könne und in der Verantwortung für die Fläche sei. Hierauf werde in keinem der Urteile eingegangen. Anhand dieses Merkmals sei aber eine klare Unterscheidung zwischen einem Wohnhaus, in dem der Arbeitnehmer auch den Flur mit gemietet oder erworben habe und beim Eintreten durch die Außentür seine Einflusssphäre und seinen privaten Bereich betrete und einem öffentlichen Raum möglich. Auch hätten sich die städtebaulichen Gegebenheiten durch größere Bürokomplexe und Einkaufszentren geändert; so habe es 1973 noch keine Einkaufszentren oder Bürokomplexe gegeben. Soweit die Rechtsprechung auf den öffentlichen Verkehrsraum abstelle, müsse das auch für die öffentlichen Gebäude bzw. Gebäude wie Einkaufszentren und Gebäude öffentlich-rechtlicher Träger gelten. Mit der Rechtsprechung unterbreche aber auch das bloße Betreten der Sparkasse zum bloßen Durchlaufen den Versicherungsschutz. Dies gehe völlig fehl. Daher sei der Weg zur Nahrungsaufnahme erst mit dem Durchschreiten der Tür der Kantine oder zum Restaurant beendet. Zum öffentlichen Verkehrsraum zählten nämlich alle Verkehrsflächen, auf denen ohne Rücksicht auf verwaltungsrechtliche Widmung oder eigentumsrechtliche Verhältnisse bei stillschweigender oder ausdrücklicher Duldung des Verfügungsberechtigten eine Nutzung durch einen unbestimmten Kreis zugelassen werde. Dies gelte auch in Gebäuden. Maßgeblich sei daher die Außentür der bewirteten Räume, nicht der Außentüre des Gebäudes selbst. Auch habe der Bayerische VGH deutlich gemacht, dass der Weg bis zum Betreten eines Ladens versichert sei. Auch seien bei der Entwicklung der RVO Konstellationen wie die vorliegende nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen müsse ein Einkaufzentrum einer Einkaufsstraße gleichgestellt werden. Eine Unterscheidung nur aufgrund einer Überdachung sei nicht nachzuvollziehen. Gelange der Versicherte durch eine Einkaufsstraße in eine Gaststätte, so ende der Versicherungsschutz mit Betreten der Gaststätte bzw. der Kantine. Durchschreite er jedoch ein öffentliches Einkaufszentrum, um dort ohne andere Tätigkeiten zu verrichten eine eindeutig trennbare Gaststätte oder Kantine aufzusuchen, sei nicht erklärlich, warum eine andere Definition verwendet werde. Im Sinne der Gleichbehandlung müsse darauf abgestellt werden, dass mit Betreten der Gaststätte der Versicherungsschutz ende. Die Baulichkeit der Kantine oder Gaststätte oder der Ort, an dem sie sich befinde, dürfe keine Rolle spielen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.03.2013 sowie den Bescheid vom 13.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2012 aufzuheben und das Unfallereignis vom 22.06.2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Rechtsprechung des BSG stelle eine klare, objektive Grenzziehung zwischen versichertem und unversichertem Bereich dar, welche sich bewährt habe. Das abstellen auf eine öffentliche-rechtliche Rechtsstruktur der Körperschaft in dessen Eigentum das Gebäude stehe, in welchem das Mittagessen eingenommen werde, unterlaufe diesen Gesichtspunkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Denn das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zutreffend zurückgewiesen und einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Ereignisses vom 22.06.2012 als Arbeitsunfall verneint.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris, jeweils RdNr. 10 m.w.N.; BSG 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 = juris m.w.N.).

Die Klägerin war als abhängig beschäftigte, nicht verbeamtete Lehrerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zwar versichert, zum Zeitpunkt des Sturzes übte die Klägerin aber keine versicherte Tätigkeit aus. Die Verrichtung der Klägerin - Rückkehr vom Mittagessen - gehörte zur Zeit des Unfalls innerhalb der Räume der Sparkasse P. (noch) nicht zu den versicherten Wegen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift gehört zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Versichert ist dabei aber nur das Zurücklegen des Weges selbst; der Aufenthalt am Zielort unterfällt nicht mehr der Vorschrift des § 8 Abs. 2 SGB VII. Nach Erreichen des Wegeziels richtet sich der Versicherungsschutz alleine nach § 8 Abs. 1 SGB VII; liegt - wie im Falle einer rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit - keine versicherte Tätigkeit vor, besteht am Zielort kein Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII.

Die Unfallversicherung des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der (jeweiligen) versicherten Tätigkeit schützt nur gegen Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen.

Die Wegeunfallversicherung wurde mit der Regelung des § 545a Reichsversicherungsordnung durch das Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14.7.1925 (RGBl I 97) eingeführt. Danach galt als Beschäftigung in einem der Versicherung unterliegenden Betriebe der mit der Beschäftigung in diesem Betriebe zusammenhängende Weg nach und von der Arbeitsstätte. Hintergrund dieser Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes war, dass die "Wege umfangreicher und durch die motorische Zurücklegung auch gefährlicher" geworden seien und daher "diese Gefahren" erfasst werden müssten (vgl. Bericht des 9. Ausschusses für Soziale Angelegenheiten Nr 1060 S 6).

An diesem Schutzzweck hat sich bis heute nichts geändert. Zwar ist nunmehr in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII bestimmt, dass zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit zählt. Dadurch ist aber nur verdeutlicht worden, dass nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen, also der Vorgang des Sichfortbewegens, versichert ist. Auch der Versicherungstatbestand des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII trägt daher allein Gefahren Rechnung, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken (BSG, Urt. vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, juris).

Begründet wird der Versicherungsschutz auf dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit damit, dass diese Wege nicht aus privatem Interesse, sondern wegen der versicherten Tätigkeit, also mit einer auf die versicherte Tätigkeit bezogenen Handlungstendenz unternommen werden (vgl BSG 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 RdNr. 13 = juris; BSG 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R, BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 29 RdNr. 21). Das Zurücklegen eines Weges durch einen in Vollzeit Beschäftigten in der betrieblichen Mittagspause mit der Handlungstendenz, sich an einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort Nahrungsmittel für die Mittagsmahlzeit zu besorgen oder, wie vorliegend, dort das Mittagessen einzunehmen, um seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten, ist bereits nach Einführung des (damaligen) § 545a RVO durch das Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 14.07.1925 (RGBl I 97) in einer Entscheidung des Reichsversicherungsamts vom 18.10.1927 (EuM 21, 281 f) als eine solche regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlung angesehen worden, die geeignet ist, die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und ihm damit zu ermöglichen, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Diese Auffassung ist in ständiger Rechtsprechung beibehalten worden (BSG 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R, juris RdNr. 14 mit Hinweis auf BSG 02.07.1996 - 2 RU 34/95, SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 S. 55 mwN).

Der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 SGB VII beginnt/endet einerseits an der Außentüre des Wohngebäudes/Gebäudes in dem sich die Wohnung des Beschäftigten befindet, andererseits am Ort der versicherten Tätigkeit. Begrenzt ist der versicherte Weg damit mit dem Ende/Anfang des Wegs zur bzw. von der Arbeitsstelle, mithin mit dem Erreichen/Verlassen des Betriebsbereichs (BSG 22.09.1988 - 2 RU 11/88, SozR 2200 § 725 Nr. 12 = Breith 1989, 120, 122 = juris; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Stand 78. EL 2013 RdNr. 185). Der Betriebsbereich beginnt/endet aber grds. an der Außentüre des Gebäudes in dem sich der Betrieb befindet bzw. am Werkstor des Betriebsgeländes (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Stand 78. EL 2013 RdNr. 185), mithin an der Stelle, an der der öffentliche Verkehrsraum verlassen wird - und zwar auch dann, wenn der Betrieb mit anderen in einem Gebäude gelegen und daher z.B. erst durch ein Treppenhaus und weitere Türen zu erreichen ist. Umgekehrt beginnt/endet ein versicherter Betriebsweg, der von der Wohnung des Beschäftigten aus angetreten wird oder dort endet, regelmäßig mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem der Beschäftigte wohnt (BSG 07.11.2000 - B 2 U 39/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 3 = juris; BSG 31.5.1988 - 2/9b RU 6/87, BSGE 63, 212 = SozR 2200 § 550 Nr. 80 = juris). Das gilt nicht nur bei Mehrfamilienhäusern (BSG 13.03.1956 - 2 RU 124/54, BSGE 2, 239, 243 = juris; BSG 27.10.1976 - 2 RU 247/74, BSGE 42, 293, 294 = juris; zuletzt vom BSG 12.12.2006 - B 2 U 28/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 20 = juris), sondern auch bei Einfamilienhäusern (BSG 27.10.1976 - 2 RU 247/74, BSGE 42, 293, 294 = juris), bei denen der Wohnraum direkt an die Außentüre des Hauses grenzt und auch grds. dann, wenn Arbeitsräume innerhalb des privaten Wohnhauses liegen (BSG 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R, BSGE 98, 20-26 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 21 = juris). Seit der grundlegenden Entscheidung des BSG zum Wegeunfall (13.03.1956 - 2 RU 124/54 - BSGE 2, 239 = juris) sieht die Rechtsprechung Wege in dem vom Versicherten bewohnten Haus als nicht vom Versicherungsschutz mitumfasst an. Denn die Räume innerhalb dieser Gebäude - unter Einschluss des Treppenhauses in einem Mehrfamilienhaus - stellen keinen öffentlichen Raum dar. Insoweit gilt das von der Klägerin benannte Kriterium der Einwirkungsmöglichkeiten, als dem jeweiligen Versicherten diese Räume besser als anderen Personen bekannt sind und er für diese "Gefahrenquelle" mitverantwortlich ist (BSG 13.03.1956 a.a.O.; stRspr zuletzt vgl. BSG 12.12.2006 – B 2 U 1/06 R, BSGE 98, 20-26 = juris; BSG 07.11.2000 - B 2 U 39/99, SozR 3-2700 § 8 Nr 3 = SGb 2001, 394 = juris; BSG 31.05.1988 - 2/9b RU 6/87, BSGE 63, 212 = SozR 2200 § 550 Nr. 80 = juris).

Diese Rechtsprechung, die Beginn und Ende des versicherten Weges an der Außentüre des Wohn- bzw. Betriebsgebäudes beginnen lässt, hat das BSG auch in den Fällen zur Anwendung gebracht, in denen der versicherte Weg den Beschäftigten nicht nach Hause bzw. von dort zur Arbeit, sondern zum Mittagessen bzw. von dort zurück in die Betriebsräume führt. So beginnt auch in diesen Fällen der versicherte Weg von der Arbeit zu der Nahrungsaufnahme und zurück jeweils an der Außentüre. Er endet bzw. beginnt somit mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses, in dem die Gaststätte bzw. Kantine liegt (BSG 24.03.2003 – B 2 U 24/02 R, HVBG-INFO 2003, 2451-2454 = juris; LSG Berlin-Brandenburg 20.08.2008 - L 3 U 119/07, juris). Der Weg innerhalb der Kantine/Gaststätte bzw. innerhalb des Gebäudes, in dem sich die Kantine/Gaststätte befindet, bis zur Außentüre des Gebäudes gehört damit nicht zu den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Wegen.

Der Versicherungsschutz des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erstreckt sich damit nicht auf Unfälle beim Aufenthalt am Zielort - vorliegend der zur Einnahme des Essens aufgesuchten Stelle. Mit dem Betreten des dem öffentlichen Verkehrsraum durch die Außentüre erkennbar entzogenen Bereichs gelangt der Versicherte in eine private Sphäre, die er aufsucht, um dort eine Mahlzeit einzukaufen bzw. einzunehmen. Sein weiterer Weg innerhalb des Gebäudes weist einen ebenso intensiven Bezug zum unversicherten privaten Bereich der Essenseinnahme auf, wie der Weg des von seiner versicherten Tätigkeit zurückkehrenden Bewohners eines Mehrfamilienhauses, der von der Außentür des Mehrfamilienhauses bis zu seiner Wohnungstür innerhalb des Gebäudes ebenfalls nicht unter Versicherungsschutz steht. Die Außentür eines Gebäudes als Grenze des Versicherungsschutzes dient der klaren Grenzziehung zwischen versichertem und unversichertem Bereich im Interesse der Rechtssicherheit (Bayerisches LSG 06.03.2002 - L 18 U 202/01 -, juris).

Mit der Beschränkung auf den öffentlichen Verkehrsraum, der durch die Außentüre von Gebäuden begrenzt ist, wird auch den von der Klägerin angesprochenen sich verändernden städtebaulichen und baulichen Entwicklungen Rechnung getragen. Soweit die Klägerin die Entscheidung des BSG vom 26.04.1973 (2 RU 213/71, juris) nicht mehr für zeitgemäß hält, kann der Senat ihr daher nicht beitreten. Denn unabhängig davon, ob die Kantine/Gaststätte o.ä. direkt von der Straße aus oder durch ein Gebäude zu betreten ist, oder ob es sich bei der Gaststätte/Kantine um einen mit Wänden umschlossenen Raum oder - wie in Einkaufzentren verbreitet - auch einen bloß noch optisch abgrenzbaren, offenen Raum handelt, endet der versicherte Weg spätestens an der Außentüre des Gebäudes, in dem sich die Kantine/Gaststätte usw. befindet. Mit diesem Merkmal können Wege eindeutig und objektiv abgegrenzt werden, sodass selbst bei sich verändernden städtebaulichen Gegebenheiten ein einleuchtendes, einfach zu handhabendes und für den Beschäftigten leicht erkennbares Kriterium vorhanden ist.

Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG ein versicherter Betriebsweg, der von der Wohnung des Beschäftigten aus angetreten wird oder dort endet, regelmäßig mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem der Beschäftigte wohnt, beginnt bzw. endet (BSG 07.11.2000 - B 2 U 39/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 3 = juris; BSG 31.5.1988 - 2/9b RU 6/87, BSGE 63, 212 = SozR 2200 § 550 Nr. 80 = juris) und das BSG hierfür die Einwirkungsmöglichkeiten des Beschäftigten bzw. seine Mitverantwortung für die Gefahrenquelle als ausschlaggebend angesehen hat. Im Hinblick auf die dem Versicherungsfall des Arbeitsunfalles zugrunde liegende Unternehmerhaftung, dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung trennt die "Außentür des Gebäudes" klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab. Dass der Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII lediglich durch eine eigene Mitverantwortlichkeit des Beschäftigten entfällt, ist aber der Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen. Vielmehr ist die Grenze dort zu ziehen, wo wegen privatwirtschaftlicher Verrichtungen ein innerer Zusammenhang mit einer in die Risikosphäre des Unternehmers fallenden versicherten Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann. Insoweit können dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung Wege nur soweit zugerechnet werden, wie sie auf einen öffentlichen Raum entfallen. Vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz werden nach dem Willen des Gesetzgebers die typischen Gefahren des "Wegerisikos" bei Teilnahme am Straßenverkehr im öffentlichen Verkehrsraum erfasst. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es deshalb sachgerecht, den zwar einer Öffentlichkeit zugänglichen, aber außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums liegenden Bereich, z.B. die Wege im Gebäude eines Einkaufszentrums, nicht dem typischen Gefahrenbereich des allgemeinen Verkehrs zuzuordnen. Typischerweise ist im öffentlichen Straßenraum ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für Unfälle zu sehen, das qualitativ auf den mannigfachen Verkehrsbeziehungen, wie Fußgängerverkehr, Radfahrer und unterschiedlicher motorisierte Verkehr, im Gegensatz zu der typischerweise auf die Verkehrsbeziehung von Fußgängern beschränkten Öffentlichkeit in Ladenpassagen eines Einkaufszentrums beruht. Auch im Hinblick auf den typischerweise durch die straßenrechtliche Widmung eröffneten, weitergehenden Allgemeingebrauch des öffentlichen Verkehrsraums, der im innerörtlichen Bereich nicht nur der Fortbewegung, sondern auch der Kommunikation im weiteren Sinne, wie dem Austausch oder der Publizierung von Meinungen, dient, wird im Gegensatz zu der begrenzt zugelassenen Öffentlichkeit in den Gebäuden eines Einkaufszentrums und vergleichbaren Einrichtungen auch ein größerer Kreis der Öffentlichkeit mit weitergehenden Aktivitäten angesprochen. Dies rechtfertigt entgegen der Auffassung der Klägerin die den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzende sachgerechte Differenzierung zwischen öffentlichem Verkehrsraum und allen anderen, diesem Verkehrsraum entzogenen Bereichen. Ein solcher öffentlicher Verkehrsraum kann daher längstens bis zur Außentüre eines Gebäudes, das nicht aus Anlass einer versicherten Tätigkeit betreten wird, angenommen werden. Daher kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Inhaber des Gebäudes ein öffentlich-rechtlich tätiger Träger ist oder das Gebäude privatwirtschaftlich betrieben wird.

Soweit die Klägerin in der Sache auf den Zweck abstellt, zu welchem ein Gebäude betreten wird, so führt dieses Argument nicht weiter. Zwar mag es zivilrechtlich (vgl. z.B. das Nichteingreifen der vertragsrechtlichen Haftung beim bloßen Betreten eines Geschäfts zum Schutz vor Regen, ohne Kaufabsicht, dazu § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder i.S.d. StVO (zur Abgrenzung von öffentlichem Straßenverkehr auf privaten Flächen vgl. OLG Hamm 14.05.2009 - 2 Ss OWi 934/08 -, juris RdNr. 25) auf den Zweck des Betretens oder eine Zulassung durch den Inhaber ankommen, doch betrat die Klägerin das Gebäude der Sparkasse P. zu einem rein privatwirtschaftlich veranlassten Zweck, dem der Einnahme des Mittagessens. Die Verfolgung solcher rein privatwirtschaftlicher Zwecke am Zielort können aber die die eigentliche Unternehmerhaftung verdrängende Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auslösen.

Damit kommt es nach dem vom BSG geschaffenen Abgrenzungsmerkmal des versicherten vom unversicherten Weg anhand des Durchschreitens der Außentüre des Gaststätten-/Kantinengebäudes weder auf eine Zulassung/Berechtigung des Beschäftigten zum Betreten des Gebäudes an, noch darauf, in wessen Eigentum das Gebäude steht oder ob dieses zu öffentlich-rechtlichen Zwecken betrieben wird. Denn der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ist grds. auch nicht von einer geduldeten oder gestatteten privaten oder öffentlich-rechtlichen Nutzung von Flächen/Räumen durch eine unbestimmte Vielzahl von Menschen beeinflusst, sondern dadurch, ob es sich um eine versicherte Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 und 2 SGB VII handelt. Dieser innere Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit kann aber dann nicht angenommen werden, bevor bzw nachdem der Weg von bzw. zur Arbeit geendet/begonnen hat. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Außentüre des Gebäudes, in dem sich die Wohnung des Beschäftigten oder - im Fall des Mittagessens - die Gaststätte/Kantine befindet.

Mit diesem Merkmal liegt auch ein handhabbares, sachgerechtes und verfassungsrechtlich gesichertes Kriterium für die von der Klägerin genannten Fallkonstellationen vor, in denen die Gaststätte zwar über eine - ggf. überdachte - Einkaufsstraße, aber von dort aus betreten wird, bzw. in denen die Gaststätte durch eine durch (Außen-)Türen abgeschlossene Einkaufspassage betreten wird (zu letzterem vgl. BSG 02.07.1996 - 2 RU 34/95, SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 = juris).

Dass der Begriff des "öffentlichen (Verkehrs-)Raumes" in verschiedenen Rechtsbereichen unterschiedlich definiert sein mag, ist für die Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ohne Bedeutung. Denn im Rahmen einer die Unternehmenshaftung ablösenden gesetzlichen Unfallversicherung stellt die Ausdehnung der Haftung auf Wegeunfälle gemäß § 8 Abs. 2 SGB VII eine erweiternde Ausnahme dar. Ausgehend von einer Unternehmerhaftung besteht aber kein Grund, auch Wege zu erfassen, die nach Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes zum Zwecke rein privatwirtschaftlicher Verrichtungen (hier: Mittagessen) zurückgelegt werden. Insoweit steht das Risiko eines Unfalles des Beschäftigten beim Mittagessen und dem Weg zurück zur Außentüre des Gaststätten-/Kantinengebäudes nicht in einem inneren Zusammenhang mit der eigentlichen Tätigkeit, die den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung auslöst. Weshalb aber dieses Risiko dennoch der die Haftung des Arbeitgebers verdrängenden gesetzlichen Unfallversicherung zugewiesen werden soll, hat auch die Klägerin nicht darlegen können.

Der angefochtene Bescheid vom 13.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2012 war damit nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 22.06.2012 als Arbeitsunfall. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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