L 11 KR 2460/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 3504/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2460/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer Kopforthesentherapie (sog Helmtherapie) in Höhe von 2.148,54 EUR.

Der Kläger ist 2010 als Zwilling geboren worden. Er ist über seine Mutter bei der Beklagten familienversichert. Von Geburt an bestand eine Schädelasymmetrie, die sich trotz gezielter Lagerung eher verschlechterte. Die Differenz zwischen den Schädeldiagonalen betrug 2,5 cm. In der Zeit vom 05.11.2010 bis 18.03.2012 wurde durch das Universitätsspital B. ambulant eine Helmtherapie durchgeführt. Ziel der Behandlung ist eine Normalisierung der Kopfform durch dauerhaftes Tragen eines nach Maß angefertigten Kunststoffhelmes (Kopforthese), wodurch der kindliche Schädel in die vorgegebene Form symmetrisch hineinwachsen soll. Bei Abschluss der Behandlung bestand noch eine Differenz zwischen den Schädeldiagonalen von 0,1 cm.

Im Februar 2011 wandte sich die Mutter des Klägers telefonisch an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung einer Kostenerstattung hinsichtlich der Kosten der Helmtherapie. Hierzu gingen am 01.03.2011 bei der Beklagten eine Rechnung über eine maßgefertigte Kopforthese iHv 1.819,00 EUR, Rechnungen über privatärztliche ambulante Behandlungen im Universitätsspital B., ein Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. K. vom 21.02.2011 und ein Bericht des Universitätsspitals B. vom 06.03.2011 ein. In Letzterem wurde ausgeführt, dass bei der Erstuntersuchung am 29.10.2010 eine nichtsynostotische Plagiocephalie iS eines Liegeschädels mit Asymmetrie diagnostiziert worden sei. Es sei eine occipitale Abflachung links zu erkennen mit rechts frontaler Mitbeteiligung und Earshift (linkes Ohr nach vorne verschoben). Aufgrund der Ausprägung der Asymmetrie sei die Indikation zur Kopforthesentherapie gestellt worden. Nachdem die Eltern des Klägers das Angebot der Beklagten, im Wege einer Einzelfallentscheidung die Hälfte der Kosten zu erstatten, abgelehnt hatten, holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. In dem Gutachten vom 22.03.2011 führte Dr. H. aus, die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung seien nicht erfüllt. Der Nutzen von Kopforthesen zur Behandlung des Plagiocephalus sei bisher nicht durch Studien mit der nötigen Evidenz belegt. Auch sei das Behandlungskonzept bislang nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) als neues Therapieverfahren zur Bewertung vorgelegt worden. Bei fehlender positiver Bewertung durch den GBA sei eine Kostenübernahme nur als Einzelfallentscheidung bei einem Systemversagen zulässig, wenn ohne die Anwendung der begehrten Methode erkrankungsbedingt mit dem Eintreten einer Verschlimmerung mit Todesfolge, einer schwerwiegenden Behinderung oder von Pflegebedürftigkeit zu rechnen sei. Eine vergleichbare Gefährdung der Gesundheit könne bei frühkindlichen Schädeldeformitäten nur in sehr seltenen Ausnahmefällen angenommen werden. Die etablierte Behandlung bestehe aus Erlernen und Vertiefen des individuell angepassten Handlings und der korrekten Lagerung sowie aktiver funktioneller Stimulation nach neurophysiologischen Behandlungskonzepten. Mit Bescheid vom 06.04.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Eine Kostenübernahme könne bei einer frühkindlichen Schädeldeformierung nur erfolgen, wenn diese eine schwerwiegende Gefährdung der Gesundheit zur Folge habe. Dies sei nicht ersichtlich.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011 zurück. Eine Kostenübernahme nach § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei schon deshalb nicht möglich, weil die Kostenerstattung nicht vor Inanspruchnahme der Leistung beantragt worden sei. Auch bei rechtzeitiger Antragstellung wäre eine Kostenerstattung nicht möglich gewesen, da eine Genehmigung für die Behandlung in der Schweiz nach dem maßgeblichen Sektoralabkommen nur dann zu erteilen sei, wenn die Behandlung im Inland nicht rechtzeitig möglich sei und unter die Leistungsverpflichtung des Mitgliedsstaates, der Bundesrepublik Deutschland, falle. Die Helmtherapie werde in Deutschland außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht und sei den neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zuzuordnen. Die Abrechnung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sei grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der GBA sich nicht zur Notwendigkeit und zum Nutzen der Methode geäußert habe. Eine entsprechende Empfehlung des GBA liege für die Helmtherapie nicht vor, so dass eine Kostenerstattung ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich die am 10.11.2011 zum Sozialgericht Köln erhobene Klage, die mit Beschluss vom 01.12.2011 an das zuständige Sozialgericht Reutlingen (SG) verwiesen worden ist. Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, die Behandlung sei unaufschiebbar gewesen. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Universitätsspitals B., wonach die Therapie zur Vermeidung einer Persistenz der Kopfform notwendig gewesen sei. Außerdem habe die Mutter des Klägers vor der Behandlung telefonisch mit der Beklagten Kontakt aufgenommen, es sei ihr erklärt worden, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen werde. Die Beklagte habe in der Vergangenheit bereits in mehreren Fällen die Kosten für eine Helmtherapie erstattet. Zusätzlich haben die Eltern des Klägers Rechnungen des Universitätsspitals B. über ambulante privatärztliche Behandlungen vom 24.11.2010, 16.02.2011, 21.04.2011 und 22.09.2011 in Höhe von umgerechnet insgesamt 329,54 EUR vorgelegt.

Mit Urteil vom 27.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten für die Helmtherapie seien nicht zu erstatten, da es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu leisten sei. Außerdem sei nicht nachgewiesen, dass die Eltern des Klägers vor Beginn der Behandlung einen Antrag auf Leistungen bei der Beklagten gestellt hätten. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V lägen nicht vor. Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne von § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V habe nicht vorgelegen. Zwar sei allgemein anerkannt, dass die Behandlung im günstigsten Fall bis zum 6. Lebensmonat begonnen werden sollte. Das Zeitfenster für die mögliche Behandlung sei jedoch nicht so eng, dass nicht zunächst ein Antrag bei der Krankenkasse hätte gestellt werden können. Aus dem Bericht des Universitätsspitals B. vom 06.03.2011 ergebe sich lediglich, dass Spontankorrekturen nur bis zum 4. oder 5. Lebensmonat zu erwarten seien, nicht jedoch, dass nur ein sofortiger Beginn der Behandlung erfolgversprechend sei. Auch sei der Beschaffungsweg iSv § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V nicht eingehalten worden, da nicht nachgewiesen sei, dass ein Antrag auf die Leistung vor Beginn der Behandlung gestellt worden sei. Letztlich könne dies dahinstehen, da die Leistung jedenfalls nicht zu Unrecht abgelehnt worden sei. Die Helmtherapie sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die keine Empfehlung des GBA vorliege. Die Behandlung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften zu gewähren, da offensichtlich keine lebensbedrohliche bzw regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliege. Es handele sich lediglich um eine ästhetische Abweichung vom normalen Erscheinungsbild, die möglicherweise negative psychosoziale Folgen habe. Wertungsmäßig könne dies einer lebensbedrohlichen Erkrankung nicht gleichgestellt werden. Auch ein Systemversagen wegen verzögerter Einleitung oder Durchführung des Verfahrens beim GBA liege nicht vor. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte oder andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten für die Helmtherapie übernommen hätten. Auf eine Gleichbehandlung im Unrecht (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) könne sich der Kläger nicht berufen. Eine Kostenerstattung komme auch unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Kopforthese um ein Hilfsmittel handele, nicht in Betracht. Hilfsmittel, die untrennbar mit neuen Therapien verbunden seien, könnten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden.

Gegen dieses, den Bevollmächtigten des Klägers am 22.05.2013 zugestellte Urteil, richtet sich die am 13.06.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung wird vorgetragen, es habe sich um eine unaufschiebbare Behandlung gehandelt. Wie durch ärztliche Stellungnahmen belegt, sei eine erfolgreiche Korrektur nur innerhalb der ersten sechs Monate nach Geburt möglich. Im Übrigen sei ein Telefonat mit der Beklagten geführt worden, dessen Inhalt substantiiert dargelegt worden sei, auch wenn der Name der Person, die auf Seiten der Beklagten das Gespräch geführt habe, nicht genannt werden könne. Selbst wenn man in dem Telefonat keine wirksame Antragstellung sehen würde, hätte es eines Hinweises der Gegenseite bedurft, dass ein schriftlicher Antrag gestellt werden müsse. Dass es sich lediglich um eine ästhetische Frage handele, werde durch die Lichtbilder des Klägers widerlegt. Außerdem gehe das SG nicht auf die Frage des Systemversagens ein, welches vorliegend offensichtlich sei. Aus Sicht des Klägers könne eine Krankenversicherung im Rahmen von freiwilligen Leistungen über den Leistungskatalog hinausgehende Leistungen erbringen. Dann sei aber von einer Selbstbindung auszugehen, weshalb der Grundsatz der Gleichbehandlung greife. Hinsichtlich der Ersetzungsfähigkeit der Untersuchungs- und Behandlungskosten sei nach § 137c SGB V eine Erstattungspflicht gegeben, wenn eine Negativprognose des GBA nicht vorliege.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.03.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 06.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kosten in Höhe von 2.148,54 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Die Eltern des Klägers hätten sich mit diesem zur Behandlung in die Schweiz begeben und erst nach Abschluss der Behandlung die Kostenerstattung beantragt. Eine vorherige Antragstellung sei weder im Rahmen eines Telefonats noch schriftlich erfolgt. Dem Kläger sei trotz Vorliegens einer ablehnenden Beurteilung des MDK und der Tatsache, dass eine Auslandsbehandlung ohne medizinische Notwendigkeit in Anspruch genommen worden sei, eine Kostenbeteiligung angeboten worden, um weitere Kosten zu verhindern. Dieses Angebot sei abgelehnt worden, wodurch der Beklagten nunmehr unnötige zusätzliche Kosten entstanden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 06.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Behandlung mittels Kopforthese entstandenen Kosten in Höhe von 2.148,54 EUR.

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs kommt allein § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (Bundessozialgericht (BSG) 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten. Vorliegend haben die Eltern des Klägers die durch die vorgelegten Rechnungen nachgewiesenen Kosten für die Kopforthese selbst und die damit in Zusammenhang stehenden privatärztlichen Behandlungen des Klägers in Höhe von insgesamt 2.148,54 EUR bereits beglichen, so dass ein Kostenerstattungsanspruch im Raum steht.

Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V lag zur Überzeugung des Senats nicht vor. Eine Leistung ist nur dann unaufschiebbar, wenn die Leistung in einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden muss, damit der erstrebte Erfolg überhaupt noch erreicht werden kann oder der Versicherte erhebliche Schmerzen leidet. Aus medizinischer Sicht darf keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr bestehen (BSG 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R, juris; Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: Juli 2013, § 13 RdNr 26 ff). Die Kopforthesenbehandlung des Klägers war in diesem Sinne nicht unaufschiebbar. Grundsätzlich soll die Kopforthesenbehandlung zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat des Kindes erfolgen; danach ist das Schädelwachstum weitgehend abgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Klägers muss die Behandlung keineswegs bis zum 6. Lebensmonat erfolgt sein, vielmehr wird idR bis zu diesem Zeitpunkt abgewartet, ob sich die lagebedingten Schädeldeformitäten aufgrund der zunehmenden motorischen Entwicklung des Säuglings spontan zurückbilden (vgl Funke et al, Der lagerungsbedingte Plagiozephalus - Diagnostik und Therapie, Kinder- und Jugendarzt 2010, S 437 ff; www.kinder-undjugendarzt.de). Nichts anderes ergibt sich aus dem Bericht des Universitätsspitals B., wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat. Hier war der Kläger zu Beginn der Behandlung erst fünf Monate alt, so dass keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass bei einer Verzögerung von wenigen Wochen eine erfolgreiche Behandlung der Schädelasymmetrie mittels Kopforthese nicht mehr möglich gewesen wäre. Unaufschiebbarkeit lag damit ersichtlich nicht vor.

Auch die Voraussetzung des § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alternative SGB V ist nicht erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris). Die streitgegenständliche Helmtherapie gehört indes nicht zu denen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen.

Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Ob der lagerungsbedingte Plagiozephalus bei Säuglingen an sich Krankheitswert hat, kann vorliegend dahinstehen (zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl Funke et al, Kinder- und Jugendarzt, 2010 S 437 ff und Biedermann, aaO S 723 ff). Denn der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).

Die Kopforthesenbehandlung stellt eine solche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar (Hessisches Landessozialgericht (LSG) 15.09.2011, L 1 KR 178/10; LSG Niedersachsen-Bremen 25.01.2012, L 1 KR 342/10; LSG Nordrhein-Westfalen 09.05.2012, L 11 KR 14/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg 19.10.2012, L 1 KR 140/12; LSG Sachsen-Anhalt 11.03.2013, L 4 KR 52/12 B, alle juris; Senatsurteil vom 14.05.2013, L 11 KR 4350/11; aA SG Dresden 08.06.2011, L 15 KR 286/10). Ärztliche bzw ärztlich verordnete Behandlungsmethoden iS der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. "Neu" ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (BSG 27.09.2005, B 1 KR 28/03 R, juris). So liegt der Fall hier. Eine Empfehlung des GBA zur Helmtherapie liegt nicht vor, es wurde bislang nicht einmal ein entsprechender Antrag zur Bewertung dieser Behandlungsmethode gestellt (www.g-ba.de).

Die Behandlung des Klägers mit der Kopforthese erschöpft sich auch nicht in der Überlassung eines Medizinprodukts als Hilfsmittel. Durch die Orthese, die etwa vier bis acht Monate lang 23 Stunden am Tag getragen wird, wird das physiologische Kopfwachstum in die gewünschte Richtung gelenkt. Während der Therapiedauer müssen regelmäßige Kontrollen und ggf Anpassungen erfolgen, insbesondere darf der Helm insgesamt nicht zu eng werden (Funke et al, Der lagerungsbedingte Plagiozephalus - Diagnostik und Therapie, Kinder- und Jugendarzt 2010, S 437 ff). Ein Hilfsmittel dient dagegen nicht der therapeutischen Einflussnahme, sondern ist dazu bestimmt, bestimmte körperliche Defekte auszugleichen (Wagner in Krauskopf, aaO, § 27 RdNr 43). Im Übrigen wäre, selbst wenn man die Kopforthese als Hilfsmittel iSv § 33 Abs 1 SGB V betrachten würde, dieses Hilfsmittel untrennbar mit der neuen Therapie verbunden, so dass auch unter diesem Aspekt bei fehlender Empfehlung des GBA eine Leistungserbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht käme (Senatsurteil vom 14.05.2013, L 11 KR 4350/11).

Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf. Eine lebensbedrohliche Situation war ersichtlich nicht gegeben. Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung (vgl Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5) sind daher nicht ersichtlich. Auch ein sogenanntes Systemversagen unter dem Aspekt, dass der GBA zu der fraglichen Methode noch keine Empfehlung abgegeben hat und das vorgesehene Anerkennungsverfahren für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trotz Anhaltspunkten für eine therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen heraus nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wurde bzw eine Aktualisierung der Richtlinien unterblieben ist (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12; BSG 10.05.2012, B 1 KR 78/11 B, SozR 4-2500 § 140f Nr 1), liegt nicht vor. Bislang wurde noch nicht einmal ein Antrag auf Bewertung der Helmtherapie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gestellt. Abgesehen davon liegen auch bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer drohenden Behinderung oder der Hinweise auf funktionelle Störungen randomisierte Studien nicht vor (Senatsurteil vom 14.05.2013, aaO). Ebenso sind mögliche Auswirkungen auf die Wirbelsäule (insbesondere HWS) durch das Gewicht des Helmes oder das Schlafen mit Helm oder auch die Frage nach Einfluss auf die Thermoregulation des Säuglings durch den Helm nicht ausreichend untersucht (Funke, aaO, S 438).

Ob der Beschaffungsweg iSv § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alt SGB V durch eine telefonische Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte vor Beginn der Behandlung eingehalten worden ist und ob die Voraussetzungen für eine Auslandsbehandlung zu Lasten der Beklagten vorliegen, kann nach alledem dahinstehen, da die streitige Helmtherapie jedenfalls nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.

Der Kläger hat auch unter dem Gesichtspunkt, dass möglicherweise in anderen Fällen auch von der Beklagten Kosten für die Helmtherapie übernommen worden sind, keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung. Hier sind keine zusätzlichen Leistungen iSv § 11 Abs 6 SGB V streitig, die von den Krankenkassen satzungsgemäß gewährt werden können, sondern es geht um Leistungen, die nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Insoweit gilt der Grundsatz keine Gleichbehandlung im Unrecht (vgl BVerfG 17.01.1979, 1 BvL 25/77, BVerfGE 50, 142).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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