Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4301/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4058/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.09.2012 und der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.08.2015 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte die Hälfte.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend.
Die am 30.04.1961 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin übersiedelte 1991 in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 29.01.2009 bezog sie zunächst Krankengeld und anschließend bis mindestens Juni 2011 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2010 wurden für jeden Monat Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden. Der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin betrug 50 ab dem 27.02.2008 und beträgt 60 seit dem 16.05.2011.
Am 02.12.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung und degenerativen Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden. Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Internisten Dr. S. ein. Dieser führte in seinem Gutachten, welches auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 09.01.2009 beruht, aus, bei der Klägerin stehe im Vordergrund eine recht deutliche Heberden´sche Polyarthrose vor allem der linken Hand. Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung sei nicht ganz auszuschließen. Das Krankheitsbild werde jedoch überlagert durch Sorgen über die Zukunft. Die Klägerin wirke dysthym, aber nicht schwerer depressiv. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei erheblich gefährdet und medizinische Rehabilitationsmaßnahmen dringend indiziert. Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin ein stationäres Rehabilitationsverfahren, welches in der Zeit vom 17.02. bis 10.03.2009 in B. S. durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 10.03.2009 werden folgende Diagnosen aufgeführt: chronisches Schmerzsyndrom Typ Fibromyalgie, psychophysische Erschöpfung bei lang andauernder privater und beruflicher Belastungssituation, chronisch rezidivierende, degenerativ bedingte Lumbalgien, chronisch rezidivierende, degenerativ bedingte Zervikobrachialgien, Fingergelenksarthrose beidseits am ehesten Bouchard-Typ. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe erfolge die Entlassung als arbeitsunfähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden. Gestützt auf das Gutachten des Dr. S. und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.01.2009 und Widerspruchsbescheid vom 09.07.2009 ab.
Am 23.07.2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 11 R 2576/09). Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Anschließend hat es Prof. Dr. S. vom Universitätsklinikum H. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.12.2010 ausgeführt, im Rahmen der Begutachtung sei ein strukturiertes klinisches Interview zur Diagnosestellung durch einen entsprechend geschulten Diplompsychologen durchgeführt worden. Dabei hätten eine schwere depressive Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung bei existenzieller Bedrohung mit Albträumen, mit vermehrter Erregbarkeit und Vermeidung der auslösenden Belastungssituationen festgestellt werden können. Psychische Gesundheitsstörungen müssten gegen Simulation und Aggravation abgegrenzt werden. Dabei helfe einerseits das verwendete klinische Instrumentarium, das als Goldstandard psychologischer Störungsdiagnostik aktuell gelte und weitgehend störunanfällig sei. Andererseits bestehe eine gute Konsistenz zu Vorbefunden, insbesondere zu den Angaben des Reha-Abschlussberichtes B. S. vom 10.03.2009. Auch dort sei auf die konflikthafte Arbeitsplatzsituation hingewiesen worden, mit der die Klägerin nicht mehr zurechtkomme, so dass sie sich gemobbt fühle und mit Schlafstörungen und Schmerzen reagiere. Problematisch erscheine die Diskrepanz in der Schwere der psychischen Gesundheitsstörungen und dem im Selbstvortrag noch festgestellten Leistungsvermögen. Die Klägerin habe berichtet, dass sie täglich dreimal einstündige Spaziergänge unternehme sowie dass sie den Haushalt führe, zuhause putze, hin und wieder auch koche und dass sie mit der Schwester oder dem Ehemann gemeinsam einkaufen gehe. Die Diskrepanz erkläre sich durch die beschützte Situation zuhause und der nicht geschützten Situation am letzten Arbeitsplatz, an welchem das Gefühl der Bedrohung durch frühere Lebenserfahrungen aktualisiert worden sei. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen im geschützten Umfeld zuhause auch auf das Leistungsvermögen am Arbeitsplatz zu übertragen sei. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bestünden zumindest seit der Rentenantragstellung. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens drei Stunden täglich verrichten. Diese zeitliche Einschränkung werde durch die psychischen Gesundheitsstörungen begründet. Insbesondere das Ausmaß der Depressivität schränke die Kraftentfaltung und Ausdauer ein.
Hierzu hat für die Beklagte die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. H. Stellung genommen. Sie hat ua ausgeführt, bei der Lektüre der Gutachten werde deutlich, dass die Klägerin kein einfaches Leben gehabt habe und auch zuletzt in Deutschland unter problematischen Arbeitsbedingungen gelitten habe. Dies könne aber die schwerwiegende Diagnose einer chronischen-posttraumatischen Belastungsstörung nicht rechtfertigen. Aufgrund ihrer langen klinischen Erfahrung müsse sie feststellen, dass die Aussagen der Klägerin mit dem Bild einer schweren depressiven Störung nicht zu vereinbaren seien. Schwer depressiv beeinträchtigte, antriebgestörte Menschen würden sich nicht so kämpferisch geben und auch nicht so zielgerecht handeln. Sie seien vielmehr resigniert, antriebsgehemmt und verunsichert. Bei realistischer Betrachtung der Befunde aus der Aktenlage und auch der aktuellen gutachterlichen Befunde spreche bei der Klägerin nichts für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens.
Daraufhin hat das SG ein weiteres Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 22.03.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Angst und depressive Störung gemischt, Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen, Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne eindeutig objektivierbare Funktionseinschränkung und ohne jegliche radikuläre Symptomatik, Fingergelenkspolyarthrose ohne Funktionseinschränkung, Bluthochdruck und undifferenzierte Somatisierungsstörung. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin noch in der Lage sei, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Küchenhilfe mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Es ergebe sich keine objektivierbare zeitliche Leistungseinschränkung. Auszuschließen seien allenfalls noch Tätigkeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit, mit besonderer Stressbelastung und hoher Eigenverantwortung. Das SG hat sich die Einschätzung des Dr. H. zu eigen gemacht und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2011 abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin (L 13 R 2303/11) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen.
Das SG hat in dem zurückverwiesenen Verfahren (S 11 R 4301/11) auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Innere Medizin Dr. P. gutachtlich gehört. Dieser hat die Klägerin am 22.02.2012 ambulant untersucht. In seinem Gutachten vom 28.02.2012 hat der Sachverständige ausgeführt, aufgrund der Aktenkunde und eigener Untersuchung komme er ua zu der Diagnose eines schweren chronischen depressiven Syndroms. Ein bewusstes oder bewusstseinsnahes Artefaktverhalten (Simulation, Aggravation) könne sicher ausgeschlossen werden. Seiner Ansicht nach sei daher das Leistungsvermögen der Klägerin vollständig aufgehoben.
Hierzu hat die Beklagte die Ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Labormedizin Dr. D. vom 25.04.2012 vorgelegt. Dr. D. legt darin ausführlich dar, weshalb aus ihrer Sicht dem Gutachten des Dr. P. nicht gefolgt werden könne.
Daraufhin hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. hat ausgeführt (Schreiben vom 14.05.2012), es bestehe das Bild einer somatoformen Störung. Die Klägerin leide unter mittelschweren bis zeitweise schweren Depressionen. Psychiatrische, psychotherapeutische und orthopädische Mitbehandlungen hätten keine Besserung der Beschwerden erbracht. Die Psychiaterin Dr. S. hat im Juni 2012 geantwortet und dargelegt, sie habe die Klägerin insgesamt viermal behandelt, zuletzt am 14.03.2011. Es liege eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Nach wie vor sei die Klägerin ihrer Auffassung nach aber in der Lage, eine sechsstündige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Orthopädin Dr. M.-R. hat die Meinung vertreten, der Klägerin sei es zuzumuten, halbtags zu arbeiten, und zwar sechs Stunden täglich. Außerdem hat das SG die Arztbriefe des Kreiskrankenhauses T. beigezogen. Darin wird über eine Vorstellung der Klägerin in der psychiatrischen Institutsambulanz am 27.04.2011 sowie am 12.10.2011 berichtet. Als Diagnose wird genannt: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere Episode bei weiterhin bestehender Arbeitslosigkeit und damit verbundenem chronischen Ehekonflikt.
Mit Urteil vom 13.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen seien nach dem Gerichtsgutachten von Prof. Dr. S., Dr. H. und Dr. P. erheblich und schränkten die Leistungsfähigkeit der Klägerin ein. Sie gingen jedoch nicht soweit, dass die Klägerin nicht mehr leichte körperliche Tätigkeiten mit den von den Sachverständigen genannten funktionellen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könnte. Das Gericht folge insoweit der überzeugend bekundeten Auffassung von Dr. H ... Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20.09.2012 zugestellt worden.
Am 26.09.2012 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor, das Gutachten des Dr. H. sei ihrer Auffassung nach nicht geeignet, eine gerichtliche Entscheidung zu tragen. Es gehe bei ihr vorrangig nicht um die Beurteilung orthopädischer Leistungseinschränkungen. Schlüssig und nachvollziehbar sei vielmehr das Gutachten des Dr. P ... Die hiergegen von Frau Dr. D. vorgebrachten Einwendungen halte sie nicht für durchschlagend. Außerdem habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.09.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.12.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat ein psychiatrisches Gutachten beim Ärztlichen Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum am W. Dr. M. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.08.2013 zusammenfassend ausgeführt, zunächst seien die Kriterien für das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erfüllt. Aufgrund der von der Klägerin beschriebenen Beschwerden, des Verlaufs in den ärztlichen Berichten und des im Rahmen der Exploration und Untersuchung erhobenen psychischen Befundes stehe mittlerweile diagnostisch eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome im Vordergrund. Dabei handele es sich um eine Zustand erheblicher Verzweiflung und unter Umständen Agitiertheit, mit Verlust des Selbstwertgefühls, Gefühls der Nutzlosigkeit und Schuld. Während der Exploration und der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation ergeben, wenn auch durchaus eine Verdeutlichungstendenz zu beobachten gewesen sei. Auch außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation sei es zu keinerlei Besserung gekommen. Von einer massiven Minderung der Belastbarkeit sei auszugehen. In vermeintlich unbeobachteten Momenten zeigten sich bei der Klägerin die gleichen Symptome wie im Rahmen der unmittelbaren Untersuchung. Die vorliegenden Erkrankungen und insbesondere die schwere depressive Episode bedingten eine derartige Leistungsminderung, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht in Betracht komme. Aus psychiatrischer Sicht sei insoweit von einem unter dreistündigen täglichen Leistungsvermögen auszugehen. Wie lange der festgestellte Gesundheitszustand schon bestehe, lasse sich retrospektiv nur schwer präzise einschätzen. Da es sich unter einer medikamentösen Therapie und bei Ausschöpfung ambulanter und stationärer Therapiemaßnahmen mittel- bis langfristig durchaus eine Besserung ergeben könne, sollte eine Nachuntersuchung nach etwa ein bis zwei Jahren erfolgen.
Die Beklagte hat hierzu auf die Stellungnahme von Frau Dr. D. vom 16.10.2003 verwiesen. Dem Sachverständigen sei zu folgen, dass die Klägerin zur Zeit nicht in der Lage sei, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Als gegebenenfalls zu diskutierender Leistungsfall müsse deshalb der Untersuchungstag (24.07.2013) bei der Fachbegutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen für die derzeit im Vordergrund stehende depressive Episode der Klägerin festgelegt werden. Da die Therapieoptionen aber noch nicht erschöpft seien, müsse aus prüfärztlicher Sicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ab dem Untersuchungszeitpunkt bei Dr. M. innerhalb von sechs Monaten bei derzeit bestehender aktueller Arbeitsunfähigkeit eine wesentliche Besserung der depressiven Symptomatik und damit auch Besserung des Leistungsvermögens erzielen könne. Eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung der Klägerin sei durch das Gutachten deshalb keinesfalls belegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig und teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 ist rechtswidrig (geworden) und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat aufgrund eines am 22.02.2012 eingetretenen Leistungsfalles Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.08.2015. Ein Rentenanspruch bereits ab dem 01.12.2008 besteht dagegen nicht; insoweit ist die Berufung der Klägerin unbegründet.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berück-sichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nur noch weniger als drei Stunden an fünf Tagen in der Woche einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Nachgewiesen ist diese Leistungseinschränkung seit der Untersuchung der Klägerin durch Dr. P. am 22.02.2012. Die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit beruht auf einer schweren depressiven Episode, an der die Klägerin mindestens seit Februar 2012 leidet. Das Vorliegen dieser Erkrankung ergibt sich in erster Linie aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Dr. M ... Dieser hat aufgrund der von der Klägerin beschriebenen Beschwerden und des bei seiner Untersuchung der Klägerin erhobenen psychischen Befundes festgestellt, dass bei der Klägerin inzwischen diagnostisch eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome im Vordergrund steht. Dabei handelt es sich um eine Zustand, der durch erhebliche Verzweiflung und unter Umständen Agitiertheit, mit Verlust des Selbstwertgefühls, Gefühls der Nutzlosigkeit und Schuld gekennzeichnet ist. Während der Exploration und der Untersuchung konnte der gerichtliche Sachverständige - abgesehen von einer gewissen Verdeutlichungstendenz - keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation erkennen. Auch außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation war es zu keinerlei Besserung gekommen. In vermeintlich unbeobachteten Momenten zeigten sich bei der Klägerin die gleichen Symptome wie im Rahmen der unmittelbaren Untersuchung. Der gerichtliche Sachverständige ist deshalb nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass die Belastbarkeit der Klägerin massiv gemindert ist. Seine Schlussfolgerung, dass die vorliegenden Erkrankungen und insbesondere die schwere depressive Episode eine derartige Leistungsminderung bedingten, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht in Betracht kommt, ist schlüssig und gut begründet. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung an.
Auch die Beklagte zieht diese Diagnose nicht mehr in Zweifel und geht davon aus, dass die Klägerin zur Zeit nicht in der Lage ist, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Soweit sie allerdings annimmt, dass eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung der Klägerin durch das Gutachten dennoch nicht belegt ist, weil die Therapieoptionen noch nicht erschöpft seien, folgt der Senat dieser Einschätzung nicht. Eine derart positive Prognose hat der gerichtliche Sachverständige nicht gestellt. Er hat zunächst festgehalten, dass eine willentliche Beeinflussung der Symptomatik nicht möglich erscheine. Außerdem hat er nur formuliert, dass die Erkrankung prinzipiell einer Behandlung zugänglich sei und sich die schwere depressive Episode dadurch bessern "dürfte." Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass mit einer wesentlichen Besserung innerhalb von sechs Monaten gerechnet werden kann. Zudem hat der Sachverständige eine Besserung mittel- und langfristig für möglich gehalten und eine Nachuntersuchung der Klägerin in ein bis zwei Jahren empfohlen. Der Senat folgert hieraus, dass die Depression nicht nur vorübergehend besteht und auch unter adäquater Behandlung nicht mit einer wesentlichen Besserung bereits innerhalb von sechs Monaten zu rechnen ist.
Der Senat ist - insoweit ebenfalls anders als die Beklagte - davon überzeugt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin nicht nur zur Zeit aufgehoben ist. Vielmehr steht fest, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung nachweislich bereits am 22.02.2012 vorlag. Dies entnimmt der Senat dem internistisch-psychosomatischen Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Internisten und Facharztes für Psychotherapeutische Medizin - Psychoanalyse Dr. P ... Dieser hat ebenfalls ein schweres depressives Syndrom diagnostiziert und das Vorleigen von Simulation und Aggravation sicher ausgeschlossen. Er hat dargelegt, dass sich insbesondere die Antriebsstörung bei der Klägerin seit den Vorbegutachtungen wesentlich verschlimmert hat. Der Senat hält dies für überzeugend und geht deshalb davon aus, dass ein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen mit dem Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch Dr. P. am 22.02.2012 nachgewiesen ist.
Für die Zeit vor Februar 2012 bestehen zwar Hinweise darauf, dass das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls bereits beeinträchtigt war. Es lässt sich aber trotz der vorliegenden Gutachten nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf weniger als sechs Stunden herabgemindert war. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Arztbrief der Psychiatrischen Institutsambulanz in T. vom 03.11.2011 noch von einer mittelgradigen depressiven Stimmungsauslenkung im Sinne einer Dysthymia berichtet wird. Damals fiel auf, dass das Denken auf die Verfolgung des Rentenbegehrens eingeschränkt war. Der von der Institutsambulanz beschriebene psychopathologische Befund bei der Klägerin war deutlich weniger gravierend als im Februar 2012. Aus diesem Grund vermag sich der Senat auch nicht der Leistungseinschätzung im Gutachten von Prof. Dr. S. anzuschließen. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass es nach dem Oktober 2011 zu einer maßgeblichen Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin gekommen ist. Auch nach Ansicht von Dr. P. ist "die Vorstellung einer fortschreitenden Verschlechterung nicht unrealistisch."
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung aufgrund eines am 22.02.2012 eingetretenen Leistungsfalles liegen vor. Im Zeitraum vom 22.02.2007 bis zum 21.02.2012 hat die Klägerin mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs 2 SGB VI). Unwahrscheinlich iS des § 102 Abs 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht (BSG 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R, SozR 4-2600 § 102 Nr 2). Im vorliegenden Fall sind die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft, eine Besserung ist daher nicht unwahrscheinlich. Folglich hat die Klägerin nur Anspruch auf eine befristete Rente. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs 1 SGB VI). Renten dürfen außerdem nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden (§ 102 Abs 1 Satz 3 SGB VI). Aus den genannten Bestimmungen folgt, dass bei einem Leistungsfall am 22.02.2012 die Rente am 01.09.2012 beginnt und nach Ablauf von drei Jahren am 31.08.2015 endet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat erachtet es als sachgerecht, dass die Beklagte von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren die Hälfte trägt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren trägt die Beklagte die Hälfte.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend.
Die am 30.04.1961 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Klägerin übersiedelte 1991 in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 29.01.2009 bezog sie zunächst Krankengeld und anschließend bis mindestens Juni 2011 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2010 wurden für jeden Monat Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden. Der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin betrug 50 ab dem 27.02.2008 und beträgt 60 seit dem 16.05.2011.
Am 02.12.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung und degenerativen Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden. Die Beklagte holte ein Gutachten bei dem Internisten Dr. S. ein. Dieser führte in seinem Gutachten, welches auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 09.01.2009 beruht, aus, bei der Klägerin stehe im Vordergrund eine recht deutliche Heberden´sche Polyarthrose vor allem der linken Hand. Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung sei nicht ganz auszuschließen. Das Krankheitsbild werde jedoch überlagert durch Sorgen über die Zukunft. Die Klägerin wirke dysthym, aber nicht schwerer depressiv. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei erheblich gefährdet und medizinische Rehabilitationsmaßnahmen dringend indiziert. Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin ein stationäres Rehabilitationsverfahren, welches in der Zeit vom 17.02. bis 10.03.2009 in B. S. durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 10.03.2009 werden folgende Diagnosen aufgeführt: chronisches Schmerzsyndrom Typ Fibromyalgie, psychophysische Erschöpfung bei lang andauernder privater und beruflicher Belastungssituation, chronisch rezidivierende, degenerativ bedingte Lumbalgien, chronisch rezidivierende, degenerativ bedingte Zervikobrachialgien, Fingergelenksarthrose beidseits am ehesten Bouchard-Typ. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe erfolge die Entlassung als arbeitsunfähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt werden. Gestützt auf das Gutachten des Dr. S. und den Entlassungsbericht der Reha-Klinik lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.01.2009 und Widerspruchsbescheid vom 09.07.2009 ab.
Am 23.07.2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben (S 11 R 2576/09). Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Anschließend hat es Prof. Dr. S. vom Universitätsklinikum H. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 07.12.2010 ausgeführt, im Rahmen der Begutachtung sei ein strukturiertes klinisches Interview zur Diagnosestellung durch einen entsprechend geschulten Diplompsychologen durchgeführt worden. Dabei hätten eine schwere depressive Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung bei existenzieller Bedrohung mit Albträumen, mit vermehrter Erregbarkeit und Vermeidung der auslösenden Belastungssituationen festgestellt werden können. Psychische Gesundheitsstörungen müssten gegen Simulation und Aggravation abgegrenzt werden. Dabei helfe einerseits das verwendete klinische Instrumentarium, das als Goldstandard psychologischer Störungsdiagnostik aktuell gelte und weitgehend störunanfällig sei. Andererseits bestehe eine gute Konsistenz zu Vorbefunden, insbesondere zu den Angaben des Reha-Abschlussberichtes B. S. vom 10.03.2009. Auch dort sei auf die konflikthafte Arbeitsplatzsituation hingewiesen worden, mit der die Klägerin nicht mehr zurechtkomme, so dass sie sich gemobbt fühle und mit Schlafstörungen und Schmerzen reagiere. Problematisch erscheine die Diskrepanz in der Schwere der psychischen Gesundheitsstörungen und dem im Selbstvortrag noch festgestellten Leistungsvermögen. Die Klägerin habe berichtet, dass sie täglich dreimal einstündige Spaziergänge unternehme sowie dass sie den Haushalt führe, zuhause putze, hin und wieder auch koche und dass sie mit der Schwester oder dem Ehemann gemeinsam einkaufen gehe. Die Diskrepanz erkläre sich durch die beschützte Situation zuhause und der nicht geschützten Situation am letzten Arbeitsplatz, an welchem das Gefühl der Bedrohung durch frühere Lebenserfahrungen aktualisiert worden sei. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass das Restleistungsvermögen im geschützten Umfeld zuhause auch auf das Leistungsvermögen am Arbeitsplatz zu übertragen sei. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bestünden zumindest seit der Rentenantragstellung. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin noch mindestens drei Stunden täglich verrichten. Diese zeitliche Einschränkung werde durch die psychischen Gesundheitsstörungen begründet. Insbesondere das Ausmaß der Depressivität schränke die Kraftentfaltung und Ausdauer ein.
Hierzu hat für die Beklagte die Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. H. Stellung genommen. Sie hat ua ausgeführt, bei der Lektüre der Gutachten werde deutlich, dass die Klägerin kein einfaches Leben gehabt habe und auch zuletzt in Deutschland unter problematischen Arbeitsbedingungen gelitten habe. Dies könne aber die schwerwiegende Diagnose einer chronischen-posttraumatischen Belastungsstörung nicht rechtfertigen. Aufgrund ihrer langen klinischen Erfahrung müsse sie feststellen, dass die Aussagen der Klägerin mit dem Bild einer schweren depressiven Störung nicht zu vereinbaren seien. Schwer depressiv beeinträchtigte, antriebgestörte Menschen würden sich nicht so kämpferisch geben und auch nicht so zielgerecht handeln. Sie seien vielmehr resigniert, antriebsgehemmt und verunsichert. Bei realistischer Betrachtung der Befunde aus der Aktenlage und auch der aktuellen gutachterlichen Befunde spreche bei der Klägerin nichts für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens.
Daraufhin hat das SG ein weiteres Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 22.03.2011 zu folgenden Diagnosen gelangt: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Angst und depressive Störung gemischt, Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen, Neigung zu Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne eindeutig objektivierbare Funktionseinschränkung und ohne jegliche radikuläre Symptomatik, Fingergelenkspolyarthrose ohne Funktionseinschränkung, Bluthochdruck und undifferenzierte Somatisierungsstörung. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Klägerin noch in der Lage sei, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Küchenhilfe mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Es ergebe sich keine objektivierbare zeitliche Leistungseinschränkung. Auszuschließen seien allenfalls noch Tätigkeiten mit besonders hohen Anforderungen an die psychische Belastbarkeit, mit besonderer Stressbelastung und hoher Eigenverantwortung. Das SG hat sich die Einschätzung des Dr. H. zu eigen gemacht und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.05.2011 abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin (L 13 R 2303/11) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückverwiesen.
Das SG hat in dem zurückverwiesenen Verfahren (S 11 R 4301/11) auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Facharzt für Innere Medizin Dr. P. gutachtlich gehört. Dieser hat die Klägerin am 22.02.2012 ambulant untersucht. In seinem Gutachten vom 28.02.2012 hat der Sachverständige ausgeführt, aufgrund der Aktenkunde und eigener Untersuchung komme er ua zu der Diagnose eines schweren chronischen depressiven Syndroms. Ein bewusstes oder bewusstseinsnahes Artefaktverhalten (Simulation, Aggravation) könne sicher ausgeschlossen werden. Seiner Ansicht nach sei daher das Leistungsvermögen der Klägerin vollständig aufgehoben.
Hierzu hat die Beklagte die Ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Labormedizin Dr. D. vom 25.04.2012 vorgelegt. Dr. D. legt darin ausführlich dar, weshalb aus ihrer Sicht dem Gutachten des Dr. P. nicht gefolgt werden könne.
Daraufhin hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. hat ausgeführt (Schreiben vom 14.05.2012), es bestehe das Bild einer somatoformen Störung. Die Klägerin leide unter mittelschweren bis zeitweise schweren Depressionen. Psychiatrische, psychotherapeutische und orthopädische Mitbehandlungen hätten keine Besserung der Beschwerden erbracht. Die Psychiaterin Dr. S. hat im Juni 2012 geantwortet und dargelegt, sie habe die Klägerin insgesamt viermal behandelt, zuletzt am 14.03.2011. Es liege eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor. Nach wie vor sei die Klägerin ihrer Auffassung nach aber in der Lage, eine sechsstündige leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Die Orthopädin Dr. M.-R. hat die Meinung vertreten, der Klägerin sei es zuzumuten, halbtags zu arbeiten, und zwar sechs Stunden täglich. Außerdem hat das SG die Arztbriefe des Kreiskrankenhauses T. beigezogen. Darin wird über eine Vorstellung der Klägerin in der psychiatrischen Institutsambulanz am 27.04.2011 sowie am 12.10.2011 berichtet. Als Diagnose wird genannt: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere Episode bei weiterhin bestehender Arbeitslosigkeit und damit verbundenem chronischen Ehekonflikt.
Mit Urteil vom 13.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Gesundheitsbeeinträchtigungen seien nach dem Gerichtsgutachten von Prof. Dr. S., Dr. H. und Dr. P. erheblich und schränkten die Leistungsfähigkeit der Klägerin ein. Sie gingen jedoch nicht soweit, dass die Klägerin nicht mehr leichte körperliche Tätigkeiten mit den von den Sachverständigen genannten funktionellen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könnte. Das Gericht folge insoweit der überzeugend bekundeten Auffassung von Dr. H ... Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20.09.2012 zugestellt worden.
Am 26.09.2012 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor, das Gutachten des Dr. H. sei ihrer Auffassung nach nicht geeignet, eine gerichtliche Entscheidung zu tragen. Es gehe bei ihr vorrangig nicht um die Beurteilung orthopädischer Leistungseinschränkungen. Schlüssig und nachvollziehbar sei vielmehr das Gutachten des Dr. P ... Die hiergegen von Frau Dr. D. vorgebrachten Einwendungen halte sie nicht für durchschlagend. Außerdem habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.09.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.12.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat ein psychiatrisches Gutachten beim Ärztlichen Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum am W. Dr. M. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.08.2013 zusammenfassend ausgeführt, zunächst seien die Kriterien für das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung erfüllt. Aufgrund der von der Klägerin beschriebenen Beschwerden, des Verlaufs in den ärztlichen Berichten und des im Rahmen der Exploration und Untersuchung erhobenen psychischen Befundes stehe mittlerweile diagnostisch eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome im Vordergrund. Dabei handele es sich um eine Zustand erheblicher Verzweiflung und unter Umständen Agitiertheit, mit Verlust des Selbstwertgefühls, Gefühls der Nutzlosigkeit und Schuld. Während der Exploration und der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation ergeben, wenn auch durchaus eine Verdeutlichungstendenz zu beobachten gewesen sei. Auch außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation sei es zu keinerlei Besserung gekommen. Von einer massiven Minderung der Belastbarkeit sei auszugehen. In vermeintlich unbeobachteten Momenten zeigten sich bei der Klägerin die gleichen Symptome wie im Rahmen der unmittelbaren Untersuchung. Die vorliegenden Erkrankungen und insbesondere die schwere depressive Episode bedingten eine derartige Leistungsminderung, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht in Betracht komme. Aus psychiatrischer Sicht sei insoweit von einem unter dreistündigen täglichen Leistungsvermögen auszugehen. Wie lange der festgestellte Gesundheitszustand schon bestehe, lasse sich retrospektiv nur schwer präzise einschätzen. Da es sich unter einer medikamentösen Therapie und bei Ausschöpfung ambulanter und stationärer Therapiemaßnahmen mittel- bis langfristig durchaus eine Besserung ergeben könne, sollte eine Nachuntersuchung nach etwa ein bis zwei Jahren erfolgen.
Die Beklagte hat hierzu auf die Stellungnahme von Frau Dr. D. vom 16.10.2003 verwiesen. Dem Sachverständigen sei zu folgen, dass die Klägerin zur Zeit nicht in der Lage sei, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Als gegebenenfalls zu diskutierender Leistungsfall müsse deshalb der Untersuchungstag (24.07.2013) bei der Fachbegutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen für die derzeit im Vordergrund stehende depressive Episode der Klägerin festgelegt werden. Da die Therapieoptionen aber noch nicht erschöpft seien, müsse aus prüfärztlicher Sicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ab dem Untersuchungszeitpunkt bei Dr. M. innerhalb von sechs Monaten bei derzeit bestehender aktueller Arbeitsunfähigkeit eine wesentliche Besserung der depressiven Symptomatik und damit auch Besserung des Leistungsvermögens erzielen könne. Eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung der Klägerin sei durch das Gutachten deshalb keinesfalls belegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig und teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2009 ist rechtswidrig (geworden) und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat aufgrund eines am 22.02.2012 eingetretenen Leistungsfalles Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.08.2015. Ein Rentenanspruch bereits ab dem 01.12.2008 besteht dagegen nicht; insoweit ist die Berufung der Klägerin unbegründet.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berück-sichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nur noch weniger als drei Stunden an fünf Tagen in der Woche einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Nachgewiesen ist diese Leistungseinschränkung seit der Untersuchung der Klägerin durch Dr. P. am 22.02.2012. Die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit beruht auf einer schweren depressiven Episode, an der die Klägerin mindestens seit Februar 2012 leidet. Das Vorliegen dieser Erkrankung ergibt sich in erster Linie aus dem vom Senat eingeholten Gutachten des Dr. M ... Dieser hat aufgrund der von der Klägerin beschriebenen Beschwerden und des bei seiner Untersuchung der Klägerin erhobenen psychischen Befundes festgestellt, dass bei der Klägerin inzwischen diagnostisch eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome im Vordergrund steht. Dabei handelt es sich um eine Zustand, der durch erhebliche Verzweiflung und unter Umständen Agitiertheit, mit Verlust des Selbstwertgefühls, Gefühls der Nutzlosigkeit und Schuld gekennzeichnet ist. Während der Exploration und der Untersuchung konnte der gerichtliche Sachverständige - abgesehen von einer gewissen Verdeutlichungstendenz - keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation erkennen. Auch außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation war es zu keinerlei Besserung gekommen. In vermeintlich unbeobachteten Momenten zeigten sich bei der Klägerin die gleichen Symptome wie im Rahmen der unmittelbaren Untersuchung. Der gerichtliche Sachverständige ist deshalb nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass die Belastbarkeit der Klägerin massiv gemindert ist. Seine Schlussfolgerung, dass die vorliegenden Erkrankungen und insbesondere die schwere depressive Episode eine derartige Leistungsminderung bedingten, dass eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht in Betracht kommt, ist schlüssig und gut begründet. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung an.
Auch die Beklagte zieht diese Diagnose nicht mehr in Zweifel und geht davon aus, dass die Klägerin zur Zeit nicht in der Lage ist, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Soweit sie allerdings annimmt, dass eine zeitlich überdauernde quantitative Leistungsminderung der Klägerin durch das Gutachten dennoch nicht belegt ist, weil die Therapieoptionen noch nicht erschöpft seien, folgt der Senat dieser Einschätzung nicht. Eine derart positive Prognose hat der gerichtliche Sachverständige nicht gestellt. Er hat zunächst festgehalten, dass eine willentliche Beeinflussung der Symptomatik nicht möglich erscheine. Außerdem hat er nur formuliert, dass die Erkrankung prinzipiell einer Behandlung zugänglich sei und sich die schwere depressive Episode dadurch bessern "dürfte." Daraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass mit einer wesentlichen Besserung innerhalb von sechs Monaten gerechnet werden kann. Zudem hat der Sachverständige eine Besserung mittel- und langfristig für möglich gehalten und eine Nachuntersuchung der Klägerin in ein bis zwei Jahren empfohlen. Der Senat folgert hieraus, dass die Depression nicht nur vorübergehend besteht und auch unter adäquater Behandlung nicht mit einer wesentlichen Besserung bereits innerhalb von sechs Monaten zu rechnen ist.
Der Senat ist - insoweit ebenfalls anders als die Beklagte - davon überzeugt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin nicht nur zur Zeit aufgehoben ist. Vielmehr steht fest, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung nachweislich bereits am 22.02.2012 vorlag. Dies entnimmt der Senat dem internistisch-psychosomatischen Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Internisten und Facharztes für Psychotherapeutische Medizin - Psychoanalyse Dr. P ... Dieser hat ebenfalls ein schweres depressives Syndrom diagnostiziert und das Vorleigen von Simulation und Aggravation sicher ausgeschlossen. Er hat dargelegt, dass sich insbesondere die Antriebsstörung bei der Klägerin seit den Vorbegutachtungen wesentlich verschlimmert hat. Der Senat hält dies für überzeugend und geht deshalb davon aus, dass ein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen mit dem Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch Dr. P. am 22.02.2012 nachgewiesen ist.
Für die Zeit vor Februar 2012 bestehen zwar Hinweise darauf, dass das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls bereits beeinträchtigt war. Es lässt sich aber trotz der vorliegenden Gutachten nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf weniger als sechs Stunden herabgemindert war. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Arztbrief der Psychiatrischen Institutsambulanz in T. vom 03.11.2011 noch von einer mittelgradigen depressiven Stimmungsauslenkung im Sinne einer Dysthymia berichtet wird. Damals fiel auf, dass das Denken auf die Verfolgung des Rentenbegehrens eingeschränkt war. Der von der Institutsambulanz beschriebene psychopathologische Befund bei der Klägerin war deutlich weniger gravierend als im Februar 2012. Aus diesem Grund vermag sich der Senat auch nicht der Leistungseinschätzung im Gutachten von Prof. Dr. S. anzuschließen. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass es nach dem Oktober 2011 zu einer maßgeblichen Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin gekommen ist. Auch nach Ansicht von Dr. P. ist "die Vorstellung einer fortschreitenden Verschlechterung nicht unrealistisch."
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung aufgrund eines am 22.02.2012 eingetretenen Leistungsfalles liegen vor. Im Zeitraum vom 22.02.2007 bis zum 21.02.2012 hat die Klägerin mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI.
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs 2 SGB VI). Unwahrscheinlich iS des § 102 Abs 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht (BSG 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R, SozR 4-2600 § 102 Nr 2). Im vorliegenden Fall sind die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft, eine Besserung ist daher nicht unwahrscheinlich. Folglich hat die Klägerin nur Anspruch auf eine befristete Rente. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs 1 SGB VI). Renten dürfen außerdem nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden (§ 102 Abs 1 Satz 3 SGB VI). Aus den genannten Bestimmungen folgt, dass bei einem Leistungsfall am 22.02.2012 die Rente am 01.09.2012 beginnt und nach Ablauf von drei Jahren am 31.08.2015 endet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat erachtet es als sachgerecht, dass die Beklagte von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren die Hälfte trägt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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