L 12 AL 5519/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 4607/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5519/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.11.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.10.2008.

Die 1982 geborene Klägerin stand zuletzt bis 30.09.2008 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma R. Revisions- und Treuhandgesellschaft S. mbH in E. Am 20.11.2008 brachte die Klägerin ein Kind zur Welt.

Am 28.08.2008 meldete sich die Klägerin bei der Agentur für Arbeit (AA) Böblingen mit Wirkung zum 01.10.2008 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Im Antragsformular gab die Klägerin an, sie wolle ohne zwingenden Grund nur noch zeitlich eingeschränkt arbeiten. Die wöchentliche Arbeitszeit dürfe ohne Pausen und Wegezeiten höchstens vier Arbeitsstunden betragen. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma R. vom 15.09.2008 arbeitete die Klägerin seit 01.08.2007 an der Rezeption eines Hotels. Das Arbeitsverhältnis war zunächst unbefristet und wurde durch Arbeitsvertrag vom 31.03.2008 in ein bis 30.09.2008 befristetes umgewandelt. Mit Bescheid vom 05.11.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Klägerin sei ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld zuerkannt worden; deshalb ruhe ihr Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit ihrem am 11.11.2008 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom selben Tag Widerspruch. Sie trug vor, der von der Beklagten zugrundegelegte errechnete Geburtstermin (12.11.2008) sei unzutreffend. Ihr stehe deshalb ein Anspruch auf Alg ab 01.10.2008 zu. Dieser sei wiederum Voraussetzung für einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld gegenüber ihrer Krankenkasse. Sie habe dort Mutterschaftsgeld ab 01.10.2008 beantragt. Ihrem Widerspruch fügte die Klägerin das Schreiben der Beigeladenen vom 24.11.2008 bei. In diesem Schreiben wird mitgeteilt, die Phase der besonderen Schutzbedürftigkeit beginne unter Zugrundelegung des tatsächlichen Geburtstermins am 09.10.2008. Eine telefonische Rückfrage der Beklagten bei der Beigeladenen ergab, dass der zuletzt bekannte mutmaßliche Entbindungstermin der 12.11.2008 gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Klägerin sei ein Anspruch auf Alg ab 01.10.2008 nicht zuzubilligen, da sie den Vermittlungsbemühungen der AfA nicht zur Verfügung gestanden habe. Wegen der Schwangerschaft habe ab 01.10.2008 ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) bestanden; die Klägerin habe deshalb ab diesem Zeitpunkt nicht beschäftigt werden dürfen.

Mit der am 06.07.2009 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Ein Anspruch auf Alg stehe ihr zumindest nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Das MuSchG eröffne die Möglichkeit einer freiwilligen und widerruflichen Erklärung, dass betroffene Frauen auch während der Zeit des Beschäftigungsverbots arbeiten wollen. Werde eine solche Erklärung abgegeben, liege auch die für den Anspruch auf Alg erforderliche Verfügbarkeit vor. Die Klägerin habe von dieser Möglichkeit jedoch keine Kenntnis gehabt, sonst hätte sie eine entsprechende Erklärung abgegeben. Da die Mitarbeiter der Beklagten sie insoweit nicht umfassend beraten hätten, sei sie im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte sie sich den Vermittlungsbemühungen der AA ausdrücklich zur Verfügung gestellt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Beschluss vom 12.02.2010 hat das SG die AOK Plus S.-T. beigeladen und mit Urteil vom 15.11.2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zunächst auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2009 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die Klägerin sei jedenfalls nicht subjektiv verfügbar gewesen.

Gegen dieses ihrer Bevollmächtigten gemäß Empfangsbekenntnis am 28.11.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens am 15.12.2011 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Ob sie sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung habe stellen wollen, sei ausgehend von ihren bei Arbeitslosmeldung am 28.08.2008 abgegebenen Erklärungen auszulegen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie erklärt, sich uneingeschränkt den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung zu stellen. Auf ihre Erklärungen im erst am 27.10.2008 bei der AA abgegebenen Antragsformular komme es hingegen nicht an. Diese Erklärungen könnten keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des geltend gemachten Leistungsanspruchs entfalten. Außerdem habe sich die Angabe, sie wolle nur eingeschränkt bis zu vier Stunden wöchentlich arbeiten ersichtlich auf die Zeit nach Ablauf der Mutterschutzfrist beziehen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.11.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2009 zu verurteilen, ihr ab 01.10.2008 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 1. April 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid vom 05.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2009, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Alg ab 01.10.2008 abgelehnt hat. Dieser Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Alg ab 01.10.2008 nicht zu.

Nach § 118 Abs. 1 SGB III in der hier anwendbaren, bis 31. März 2012 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der AA arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 119 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, wenn er nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung steht. Nach § 119 Abs. 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der AA zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, bereit ist, jede Beschäftigung dieser Art anzunehmen und auszuüben, bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen und Vorschlägen der AA zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann.

Zur sog. objektiven Verfügbarkeit i.S.d. § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III gehört somit, dass der Arbeitslose durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine mehr als kurzzeitige bzw. eine beitragspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Er muss sich der Vermittlungstätigkeit der AA aktuell zur Verfügung halten (BSG, Urteil vom 25. April 1991 - 11 RAr 9/90 - SozR 3-4100 § 134 Nr. 7 m.w.N.). Voraussetzung ist ferner, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Wochenstunden umfassende Tätigkeit auch ausüben darf. Mithin darf ein gesetzliches Verbot der Aufnahme einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Die sog. subjektive Verfügbarkeit setzt voraus, dass der Arbeitslose bereit ist, alle Beschäftigungen aufzunehmen, die ihm nach Inhalt und Umfang entsprechend seiner Arbeitsfähigkeit zumutbar sind. Ist der Arbeitslose nicht bereit, eine wenigstens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufzunehmen, fehlt es an der für einen Anspruch auf Alg vorausgesetzten Arbeitsbereitschaft.

Im Fall der Klägerin lag zum maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich am 01.10.2008 weder objektive noch subjektive Verfügbarkeit vor. Das aufgrund des errechneten Geburtstermins zu bestimmende Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 2 MuSchG bestand, anders als von der Klägerin angenommen bereits ab 01.10.2008. Dass die Geburt des Kindes tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem errechneten Geburtstermin erfolgt ist, steht dem nicht entgegen. Die Klägerin hat gegenüber der AA zudem auch keine Erklärung dahingehend abgegeben, sie wolle trotz des bestehenden Beschäftigungsverbots einer Beschäftigung nachgehen. In diesem Sinne können, entgegen dem Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung auch nicht ihre Angaben bei Arbeitslosmeldung am 28.08.2008 ausgelegt werden. Zu diesem Zeitpunkt ging die Klägerin davon aus, das Beschäftigungsverbot beginne erst am 02.10.2008. Dass sie sich den Vermittlungsbemühungen der AA nicht nur für den 01.10.2008, sondern auch darüber hinaus zur Verfügung stelle, hat die Klägerin nicht erklärt und so konnte ihr Vorbringen auch nicht verstanden werden. Dementsprechend durfte die Klägerin bereits ab 01.10.2008 nicht beschäftigt werden; objektive Verfügbarkeit lag damit nicht vor.

Darüber hinaus war die Klägerin aber auch subjektiv nicht verfügbar. Sie hat im Antragsformular unmissverständlich angegeben, sich der Arbeitsvermittlung nur für Tätigkeiten mit einer Arbeitszeit von bis zu vier Arbeitsstunden wöchentlich zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin war somit nicht bereit, eine wenigstens 15 Wochenstunden umfassende Tätigkeit auszuüben und damit nicht in ausreichendem Maße arbeitsbereit. Dass sich diese Erklärung, wie die Klägerin meint, auf die Zeit nach Ende der Schonfrist bezogen haben soll, konnte weder ihrer Erklärung selbst, noch sonstigen Umständen entnommen werden. Selbst wenn dies dem tatsächlichen Willen der Klägerin entsprochen haben sollte, kann ihrer Erklärung ohne jeglichen Anknüpfungspunkt kein Bedeutungsgehalt beigemessen werden, der zu dem nach dem objektiven Empfängerhorizont Erklärten in diametralem Widerspruch steht.

Zutreffend hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass die Verfügbarkeit (objektive und subjektive) nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden kann. Auf die Frage, ob die Klägerin durch die Beklagte richtig beraten worden ist, kommt es deshalb nicht an. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 15.11.2011 Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG), macht sich diese vollinhaltlich zu eigen und sieht von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung der Klägerin insgesamt ohne Erfolg gewesen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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