Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 SB 90138/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 28/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Entziehung eines Grades der Behinderung (GdB) mit Wegfall der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
Der am ... 1957 geborene Kläger beantragte am 27. Oktober 2003 die Feststellung von Behinderungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch– Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) und die Ausstellung eines Ausweises. Er gab an, unter einem Hodentumor und unter Bluthochdruck zu leiden. Der Beklagte holte von dem Facharzt für Urologie Dipl.-Med. G. die Epikrise der Klinik für Urologie des J.-Krankenhauses S. vom 23. Juli 2003 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. Juli bis 23. Juli 2003 ein. Der Kläger war dort wegen eines nichtseminomatösen Hodentumors rechts – Stadium 2a nach Lugano (pT2, pN1, MO) behandelt worden. Im histologischen Befund der Klinik waren vier Lymphknotenmetastasen des Hodentumors genannt und als Therapie eine retroperitoneale Pick-up-Lymphadenektomie am 14. Juli 2003 sowie die Einlage eines venösen Portsystems am 22. Juli 2003 aufgeführt. Anschließend sollte eine Chemotherapie erfolgen.
Daraufhin stellte der Beklagte nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes mit Bescheid vom 9. Februar 2004 einen GdB von 60 ab 27. Oktober 2003 fest. Er stützte diese Entscheidung auf eine Funktionsbeeinträchtigung infolge einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens im Stadium der Heilungsbewährung. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung eines Bluthochdrucks bedinge keinen messbaren Einzel-GdB von wenigstens 10 und könne daher nicht als Behinderung im Sinne des SGB IX festgestellt werden. Ferner gab er an, dass sich die anerkannte Funktionsbeeinträchtigung einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens derzeit noch im Stadium der Heilungsbewährung befinde. Daher werde die Funktionsbeeinträchtigung, obwohl dies durch die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen nicht gerechtfertigt sei, zunächst mit einem höheren GdB als zustehend bewertet. Nach Ablauf der Heilungsbewährung, die im Juli 2008 ende, werde der GdB überprüft und entsprechend der dann noch verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung ggf. neu festgestellt.
Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens holte der Beklagte zunächst einen Befundschein von Dipl.-Med. G. vom 3. September 2008 ein. Danach bestand bei dem Kläger ein Zustand nach Hodentumor rechts, nach RLA (Laparoskopische Retroperitoneale Lymphadenektomie) und nach Polychemotherapie. Zum Befund des Hodens teilte der Arzt mit, rechts befände sich eine Prothese, der linke Hoden sei unauffällig. Unter Hinweis auf einen von anderen Ärzten erhobenen MRT-Befund vom 31. März 2008 gab er an, das MRT des Abdomens sei unverändert regelrecht, ohne Hinweis für Metastasen oder vergrößerte Lymphknoten. Aufgrund seiner Untersuchungen bestehe derzeit kein Hinweis auf einen Progress oder ein Rezidiv. Dennoch halte er Nachsorgeuntersuchungen im Abstand von sechs Monaten für erforderlich. Der ärztliche Dienst des Beklagten gab nach Auswertung des Befundberichtes an, nach Ablauf der Hodenerkrankung in Heilungsbewährung ohne Rezidiv betrage der GdB nunmehr 0. Daraufhin hörte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2009 zum beabsichtigten Erlass eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an, da nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung der GdB nur noch nach der tatsächlich bestehenden Beeinträchtigung zu beurteilen sei. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "Geschwulsterkrankung des rechten Hodens" sei die vorgesehene Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen. Insoweit sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten. Der maßgebliche Feststellungsbescheid solle wie folgt geändert werden: "Herabsetzung des GdB auf 0 für die Zukunft". Die verbliebene Gesundheitsstörung bedinge, da nach Aussage des behandelnden Arztes kein Krankheitsrezidiv aufgetreten sei, keinen GdB mehr. Der Kläger äußerte sich dazu nicht.
Mit Aufhebungsbescheid vom 7. April 2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 9. Februar 2004 mit Wirkung vom 1. Mai 2009 auf. Zur Begründung gab er an, nach § 48 SGB X sei eine Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen, wenn in den gesundheitlichen Verhältnissen, die der letzten Feststellung zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Wesentlich sei eine Änderung, wenn ein bereits festgestellter GdB sich um wenigstens 10 nach oben oder unten ändere oder wenn die Voraussetzungen für die Feststellung von weiteren Merkzeichen nachträglich einträten oder wegfielen. Die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers hätten sich seit der letzten Entscheidung insoweit geändert, als für die festgestellte Behinderung "Geschwulsterkrankung des rechten Hodens" die Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen sei. Dieser Bewertung liege eine versorgungsärztliche Stellungnahme zu Grunde, die sich auf einen ärztlichen Befundbericht des behandelnden Arztes Dipl.-Med. G. stütze. Der Vergleich der beigezogenen Befundberichte mit den der letzten Feststellung des GdB zu Grunde liegenden Befundunterlagen habe ergeben, dass die genannte Gesundheitsstörung infolge rezidivfreien Verlaufs als überwunden gelte. Damit entfielen außer der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung. Nach der Versorgungsmedizin-Verordnung sei nach der Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Insbesondere gelte dies für ausgewählte bösartige Geschwulstkrankheiten. Die Dauer der Heilungsbewährung betrage je nach dem Ausmaß der dem Krankheitsbild eigenen Rezidivgefahr bis zu fünf Jahre. Nach Ablauf der Heilungsbewährung erfolge unter Beiziehung und Auswertung aktueller Befunde der behandelnden Ärzte stets eine versorgungsärztliche Beurteilung. Im Ergebnis dieser Beurteilung seien allein die Funktionseinschränkungen und Organveränderungen als Behinderungen zu berücksichtigen, die tatsächlich noch vorliegen. Allgemeine Leistungsminderung und die Angst vor einem erneuten Tumor bedingten nach der maßgeblichen Versorgungsmedizin-Verordnung keinen messbaren GdB und könnten daher auch nicht als Behinderung im Sinne des SGB IX festgestellt werden. Da kein Krankheitsrezidiv aufgetreten sei, sei kein GdB mehr festzustellen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11. Mai 2009 Widerspruch ein und machte geltend, es müsse wenigstens ein GdB von 30 festgestellt werden, da sein gesundheitlicher Allgemeinzustand nicht zufriedenstellend sei. Er habe nach wie vor erhebliche gesundheitliche Probleme und sei in ständiger ärztlicher Behandlung. Probleme machten der Blutdruck und längeres Sitzen, was sich jedoch bei seiner beruflichen Tätigkeit nicht vermeiden lasse. Erschwerend komme hinzu, dass er infolge der Entfernung von mehreren Lymphknoten gesundheitlich sehr anfällig sei und bei einer Erkrankung eine wesentlich längere Genesungszeit benötige.
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundschein von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vom Juni 2009 (genaues Datum nicht benannt) ein, wonach der Kläger seit 2002 unter Bluthochdruck leide. Dieser sei im März 2009 neu eingestellt worden, liege aber mit Werten um 150/90 mmHg noch nicht im Normbereich. Angaben zu der Hodenerkrankung des Klägers machte die Ärztin nicht, da ihr der ehemalige Hausarzt nicht die vollständigen Unterlagen übermittelt habe. Der erneut beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten hielt in Auswertung dieses Berichtes eine Änderung der bisherigen Einschätzung für nicht gerechtfertigt, so dass dem Widerspruch aus medizinischer Sicht nicht abgeholfen werden könne. Der Bluthochdruck bedinge aber einen GdB von 10.
Mit zweitem Anhörungsschreiben vom 15. Juli 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dem Widerspruch nach Auswertung des Befundberichtes von Dr. T. nicht abgeholfen werden könne. Zur Begründung gab er im Wesentlichen die Argumente an, die er dem angefochtenen Bescheid vom 7. April 2009 zugrunde gelegt hatte. Ferner gab er zum Bluthochdruck des Klägers an, dieser sei unter entsprechender Medikation weitgehend ausgeglichen und erreiche nur einen GdB von 10. Ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 liege daher insgesamt nicht mehr vor, so dass eine Feststellung von Behinderungen und eines Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht mehr möglich sei. Damit verbleibe es bei der bisherigen Entscheidung mit Bescheid vom 7. April 2009.
Mit Schreiben vom 18. August 2009 trug der Kläger erneut vor, es dürfe nicht nur der Bluthochdruck bewertet werden, sondern es müsse auch berücksichtigt werden, dass er im Falle einer Erkrankung eine wesentlich längere Genesungszeit benötige als gesunde Menschen. Bei längerem Sitzen habe er Probleme, die er vor seiner Erkrankung nicht gehabt habe. Seit den beiden Operationen sei er nicht mehr so belastbar und habe gesundheitliche Probleme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass der Vergleich der jetzt vorliegenden ärztlichen Unterlagen mit den der letzten Feststellung des GdB zu Grunde liegenden ärztlichen Unterlagen ergeben habe, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers insofern eingetreten sei, als dass die Zeit der Heilungsbewährung für die Tumorerkrankungen erfolgreich abgelaufen sei. Die Heilungsbewährung nach Entfernung eines Tumors im Juli 2003 sei im Juli 2008 abgelaufen. Bei bösartigen Erkrankungen lasse sich nach rückfallfreiem Verlauf von fünf Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen sagen, dass die Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist. Nunmehr werde nur noch die tatsächliche Funktionsbeeinträchtigung beurteilt. Beim Kläger sei keine Funktionsbeeinträchtigung mit einem messbaren GdB verblieben. Die bei ihm weiter vorliegenden Gesundheitsstörungen rechtfertigten nach versorgungsärztlicher Auswertung keinen GdB von wenigstens 20.
Mit der am 4. Dezember 2009 beim Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und auf erhebliche Rückenprobleme, Probleme beim Sitzen sowie auf eine Bluthochdruckerkrankung hingewiesen.
Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von Dr. T. vom Mai 2010 (ohne Datum), Dipl.-Med. G. vom 12. Mai 2010 und Dipl.-Med. F. vom 21. Mai 2010 eingeholt, denen teilweise weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren. Dr. T. hat einen am 26. März 2009 gemessenen Blutdruckwert von RR 200/100 mmHg mit nachfolgender medikamentöser Einstellung mitgeteilt. Beim Kläger liege eine Hypertonie im Stadium II vor, die regelmäßig kontrolliert werde. Die Werte hätten zwischen 145/95 bis 170/100 mmHg gelegen, sich im Februar 2010 aber wieder auf 190/100 mmHg erhöht, was vom Kläger selbst gemessen worden sei. Arbeitsunfähig sei der Kläger vom 27. März bis 15. April 2009, vom 19. bis 31. Oktober 2009 und vom 12 bis 16. Februar 2010 gewesen. Seit 12. Februar 2010 habe er sich nicht wieder vorgestellt. Dem beigefügten Bericht der Fachärztin für Innere Medizin R. vom 22. Oktober 2009 ist die Diagnose einer arteriellen Hypertonie des Stadiums II-III, einer Hyperproteninämie und einer Hyperurikämie zu entnehmen, dem weiteren Bericht dieser Ärztin vom 17. November 2009 eine ergometrische Untersuchung mit einer schrittweisen Belastung bis zu 200 Watt, die der Kläger über zwei min beschwerdefrei absolviert habe. Der Abbruch sei wegen körperlicher Erschöpfung bei Erreichen der Ausbelastungsfrequenz erfolgt. Der Blutdruck sei von 140/180 auf 220/110 mmHg angestiegen. Es hätten sich keine signifikanten Endstreckenveränderungen und keine Herzrhythmusstörungen gezeigt. Die Ausgangswerte seien nach 5 min Ruhe wieder erreicht worden. Es bestehe kein Hinweis für eine manifeste koronare Insuffizienz. Dipl.-Med. G. hat angegeben, beim Kläger seit April 2004 Nachsorgeuntersuchungen ohne Hinweis auf ein Rezidiv der Krebserkrankung durchzuführen. Dipl.-Med. F. hat berichtet, den Kläger am 16. Februar 2010 wegen eines grippalen Infektes gehandelt zu haben. Der Infekt sei geheilt und der Bluthochdruck sei am 5. Mai 2010 therapeutisch eingestellt worden. In Auswertung dieser Unterlagen durch seinen ärztlichen Dienst hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Einstellung des Bluthochdrucks beim Kläger zunächst noch optimierungsbedürftig gewesen sei. Aus dem Ergometer-Belastungstest gehe eine Leistungsfähigkeit bis 200 Watt hervor, wobei der Ausgangsblutdruck im Normbereich gelegen habe und bereits fünf min nach Abbruch der Belastung wieder erreicht worden sei. Organveränderungen seien nicht belegt, so dass auch diesbezüglich keine Behinderung festgestellt werden könne. Ein grippaler Infekt und die anderen akuten Erkrankungen bedingten keinen GdB. In seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2011 hat der Kläger vorgetragen, es müssten weitere Befundberichte eingeholt werden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es infolge der Chemotherapie zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Knochenstruktur, verbunden mit starken Schmerzen gekommen sei. Dadurch werde insbesondere die Tätigkeit als Busfahrer/Kraftfahrer beeinträchtigt und könne oft nur unter starken Schmerzen verrichtet werden. Außerdem sei seine Lebensqualität infolge des Bluthochdruckes stark beeinträchtigt. Daraufhin hat das SG einen weiteren Befundbericht von der Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. B. vom 30. Mai 2011 eingeholt, die angegeben hat, den Kläger einmal am 29. Juli 2010 wegen akuter Knieschmerzen behandelt zu haben. Als Diagnosen teilte sie eine retropatellare Chondrose, eine Gonarthrose, multiple Wirbelsäulen-Blockierungen und einen Zustand nach Hodentumor mit. Da sich der Kläger nur einmal bei ihr vorgestellt habe, könne sie den Verlauf seiner gesundheitlichen Entwicklung nicht beurteilen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. März 2012 hat das nach Aufhebung des SG Stendal zum 1. November 2010 zuständig gewordene SG Magdeburg die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung sei der Grad der Behinderung nur noch nach der tatsächlich bestehenden funktionellen Beeinträchtigung zu beurteilen. Für den Verlust eines Hodens sei nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Nr. 13.2, S. 68) kein GdB festzustellen. Der Bluthochdruck bedinge einen GdB von 10, der medikamentös eingestellt und wegen des Ergebnisses der Ergometrieuntersuchung als leicht einzustufen sei. Da kein GdB von mindestens 20 erreicht werde, könnten keine Behinderungen festgestellt werden.
Den ihm am 15. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid greift der Kläger mit der am 12. April 2012 über die Rechtsantragsstelle des SG in Stendal beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an. Er wendet sich weiterhin gegen die Aufhebung seines GdB und macht geltend, aus medizinischen Gründen einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von wenigstens 30 zu haben. Das Ausmaß des Bluthochdrucks und die Folgen der Entfernung der Lymphknoten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es würden ständig langwierige gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten und sein Bluthochdruck sei immer noch nicht abschließend behandelt. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Befunde seien nicht umfassend.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat zu der Frage der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers zum Zeitpunkt des 5. Novembers 2009 Befundberichte von Dipl.-Med. F., Dr. K. und Dipl.-Stom. F. eingeholt. Dipl.-Stom. F. hat mitgeteilt, den Kläger einmal am 2. Januar 2003 und dann wieder am 23. März 2012 behandelt zu haben. Dr. K. hat mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm erstmals am 31. Mai 2011 vorgestellt.
Dipl.-Med. F. hat angegeben, den Kläger bis zum 5. November 2009 nicht behandelt zu haben. Den beigefügten Unterlagen ist ein Bericht des Nierenzentrums S. vom 23. Oktober 2012 mit den von Dr. K. erhobenen Diagnosen einer arteriellen Hypertonie, ED 2003 mit Nephrosklerose (I12.00), einer chronischen Niereninsuffizienz, Stadium I, N18.1, und eines Hodenkarzinoms 2003 mit Operation und Polychemotherapie (C 62.9) zu entnehmen. Der Blutdruck habe am 4. Oktober 2012 210/109 mmHg betragen. In der zusammenfassenden Beurteilung wird ausgeführt, es sei zwischenzeitlich zu einer hypertensiven Entgleisung gekommen, weshalb die Medikation erheblich erweitert worden sei. Dadurch hätten die Blutdruckwerte auf 156/92 mmHg gesenkt werden können. Vom 5. bis 21. Oktober 2012 sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen.
Der ärztliche Dienst des Beklagten hat in Auswertung dieser Befunde mitgeteilt, nach Neueinstellung infolge einer akuten Blutdruckentgleisung im Oktober 2012 seien akzeptable Blutdruckwerte erreicht worden. Hinsichtlich der mitgeteilten Niereninsuffizienz sei keine Neufeststellung möglich, weil keine Kreatininwerte vorlägen. Bei einem Stadium I seien allerdings auch keine maßgeblichen Einschränkungen im Sinne der Versorgungsmedizin-Verordnung zu erwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte beider Rechtszüge verwiesen. Diese Akten haben in der mündlichen Verhandlung und anschließenden Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 zu Recht den Bescheid vom 9. Februar 2004 aufgehoben und festgestellt, dass die verbliebenen Gesundheitsstörungen keinen GdB von wenigstens 20 bedingen und somit keine Behinderung mehr darstellen. Die angefochtenen Bescheide und der Gerichtsbescheid des SG vom 12. März 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide der Erlass des Widerspruchsbescheids am 5.November 2009 und damit die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R -, juris).
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere ist die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung zu einer beabsichtigten Aufhebung des Grads der Behinderung von 50 mit Wirkung für die Zukunft mit Schreiben vom 25. Februar 2009 und 15. Juli 2009 erfolgt.
Ihre materielle Ermächtigungsgrundlage finden die vom Kläger angefochtenen Bescheide in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Anlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt, wobei dies sowohl hinsichtlich der Besserung als auch Verschlechterung anzunehmen ist, jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.
Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte wirksam den Bescheid vom 9. Februar 2004 aufgehoben und die Funktionsstörungen des Klägers ohne einen Behinderungsgrad von mindestens 20 neu festgestellt. In der Zeit zwischen Erlass dieses Bescheids und dem Widerspruchbescheid am 5. November 2009 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf einer Heilungsbewährung eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 9. Februar 2004 festgestellten GdB von 60, sondern ab 1. Mai 2009 keinen Grad der Behinderung von mindestens 20 rechtfertigt. Die Behandlungen aufgrund der Hodenkrebserkrankung waren zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides bereits über fünf Jahre abgeschlossen und ein Rezidiv ist nach dem Bericht des Dipl.-Med. G. nicht wieder aufgetreten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Dieser Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten. Vielmehr ist hier zunächst für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos der Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995, 9 RVs 14/94, juris).
Für die Feststellung des GdB anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzen Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2009) ist das SGB IX maßgebend. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft (bzw. Funktionsbeeinträchtigungen) vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch § 30 Ab. 16 BVG ermächtigt ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen.
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der GdS-Tabelle sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte (Teil B 1a). In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Teil A Nr. 2 e genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein GdB von mindestens 20 festgestellt werden. Die bei ihm nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren im Jahre 2008 bzw. 2009 vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen nach den eingeholten Befundberichten nebst Anlagen unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen zum Zeitpunkt des 5. Novembers 2009 keinen höheren GdB als 10.
a)
Die Gesundheitsstörungen infolge der Hodenkrebsoperation sind dem Funktionssystem Geschlechtsapparat zuzuordnen und bedingen keinen GdB.
Für den Verlust eines Hodens bei intaktem anderem Hoden ist nach den VMG (Abschnitt B 13.2, S. 84) kein GdB festzustellen, der GdB beträgt 0. Während der Heilungsbewährungszeit von fünf Jahren nach Entfernung eines nichtseminomatösen Tumors im Stadium (T1 bis T2) N1 M0 bzw. T3 N0 M0 ist ein GdB von 60 festzustellen (VMG a.a.O, S. 85). Da dieser Zeitraum abgelaufen ist und, abgesehen von dem Verlust eines Hodens, keine Funktionseinschränkungen verblieben sind, ist für die überstandene Krebserkrankung kein GdB mehr festzustellen.
b)
Der vom Kläger geltend gemachte Bluthochdruck ist dem Funktionssystem Herz und Kreislauf zuzuordnen. Allerdings ist den Befundunterlagen nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um erhebliche Funktionsstörungen handelt. Wenngleich die Blutdruckwerte häufiger außerhalb der Norm gelegen haben, handelt es sich unter medikamentöser Behandlung um eine (noch) leichte Form ohne oder mit nur geringen Leistungsbeeinträchtigungen, die nach den VMG (B 9.3, S. 67) einen GdB von 0-10 bedingen. Eine mittelschwere Form, die einen GdB von 20-40 bedingen würde, wäre erst bei einer Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen und/oder Linkshypertrophie des Herzens) und einem diastolischen Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung anzunehmen. Eine in dieser Weise mittelschwere Form des Bluthochdrucks ist den vorhandenen Befundunterlagen allerdings nicht zu entnehmen. Hinweise auf eine Organbeteiligung lagen bis zum 5. November 2009 nicht vor. Insbesondere der Ergometerbelastung vom 16. November 2009 ist eine noch ausreichende Leistungsfähigkeit des Klägers zu entnehmen, die eine normale Herzleistung aufgezeigt hat und daher gegen die Annahme einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks spricht.
c)
Bei der aufgrund des Befundberichts des Dipl.-Med. F. 24. März 2013 bekannt gewordenen chronischen Niereninsuffizienz im Stadium I könnte es sich allerdings um eine Organbeteiligung handeln, die der Bluthochdruckerkrankung zuzurechen wäre mit der Folge, dass möglicherweise die Grenze zu einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks erreicht wird. Jedoch ist die Niereninsuffizienz hier nicht zu berücksichtigen, da sie nach den ärztlichen Unterlagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des 5. November 2009 noch nicht vorgelegen hat. Die von Dipl.-Med. F. am 24. März 2013 mitgeteilte Diagnose geht auf den Bericht des Nierenzentrums S. vom 23. Oktober 2012 zurück, dem Dr. K. angehört. Dieser Arzt hat angegeben, den Kläger erstmals am 31. Mai 2011 behandelt zu haben, so dass die Niereninsuffizienz am 5. November 2009 noch nicht bekannt gewesen ist und folglich vom Beklagten nicht berücksichtigt werden konnte. Die Frage, welcher GdB aus dieser Erkrankung nach den VMG (Funktionssystem Harnorgane, B12, S. 79 ff.) für die Zeit ab der Erstdiagnose zu folgern ist, hat der Senat demzufolge nicht zu beantworten. Zutreffend erscheint allerdings der Hinweis des ärztlichen Dienstes des Beklagten, wonach auch die derzeitigen Befundunterlagen für eine Feststellung noch nicht ausreichen, weil in ihnen keine Serumkreatininwerte genannt worden sind. Die Überprüfung und Bewertung dieses Leidens hat der Kläger ggf. in einem Neufeststellungsverfahren zu veranlassen.
d)
Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gerechtfertigt haben, sind nicht erkennbar. Die eher allgemein gehaltenen Ausführungen des Klägers, wonach er unter körperlicher Schwäche und einer generell verlängerten Genesungszeit nach Erkrankungen leidet, finden in den Befundunterlagen keine Stütze. Es lässt sich daher nicht feststellen, inwieweit der Kläger durch die Entfernung der Lymphknoten und die stattgefundene Chemotherapie in seinem allgemeinen Befinden tatsächlich eingeschränkt ist. Die Tatsache, dass er seine berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer inzwischen wieder seit Jahren ausüben kann, spricht aber eher dagegen, dass erhebliche Funktionseinschränkungen vorliegen.
e)
Bei nur einer leichtgradigen Einzelbehinderung von 10 kann kein Behinderungsgrad von 20 oder mehr festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Entziehung eines Grades der Behinderung (GdB) mit Wegfall der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
Der am ... 1957 geborene Kläger beantragte am 27. Oktober 2003 die Feststellung von Behinderungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch– Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) und die Ausstellung eines Ausweises. Er gab an, unter einem Hodentumor und unter Bluthochdruck zu leiden. Der Beklagte holte von dem Facharzt für Urologie Dipl.-Med. G. die Epikrise der Klinik für Urologie des J.-Krankenhauses S. vom 23. Juli 2003 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. Juli bis 23. Juli 2003 ein. Der Kläger war dort wegen eines nichtseminomatösen Hodentumors rechts – Stadium 2a nach Lugano (pT2, pN1, MO) behandelt worden. Im histologischen Befund der Klinik waren vier Lymphknotenmetastasen des Hodentumors genannt und als Therapie eine retroperitoneale Pick-up-Lymphadenektomie am 14. Juli 2003 sowie die Einlage eines venösen Portsystems am 22. Juli 2003 aufgeführt. Anschließend sollte eine Chemotherapie erfolgen.
Daraufhin stellte der Beklagte nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes mit Bescheid vom 9. Februar 2004 einen GdB von 60 ab 27. Oktober 2003 fest. Er stützte diese Entscheidung auf eine Funktionsbeeinträchtigung infolge einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens im Stadium der Heilungsbewährung. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung eines Bluthochdrucks bedinge keinen messbaren Einzel-GdB von wenigstens 10 und könne daher nicht als Behinderung im Sinne des SGB IX festgestellt werden. Ferner gab er an, dass sich die anerkannte Funktionsbeeinträchtigung einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens derzeit noch im Stadium der Heilungsbewährung befinde. Daher werde die Funktionsbeeinträchtigung, obwohl dies durch die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen nicht gerechtfertigt sei, zunächst mit einem höheren GdB als zustehend bewertet. Nach Ablauf der Heilungsbewährung, die im Juli 2008 ende, werde der GdB überprüft und entsprechend der dann noch verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung ggf. neu festgestellt.
Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens holte der Beklagte zunächst einen Befundschein von Dipl.-Med. G. vom 3. September 2008 ein. Danach bestand bei dem Kläger ein Zustand nach Hodentumor rechts, nach RLA (Laparoskopische Retroperitoneale Lymphadenektomie) und nach Polychemotherapie. Zum Befund des Hodens teilte der Arzt mit, rechts befände sich eine Prothese, der linke Hoden sei unauffällig. Unter Hinweis auf einen von anderen Ärzten erhobenen MRT-Befund vom 31. März 2008 gab er an, das MRT des Abdomens sei unverändert regelrecht, ohne Hinweis für Metastasen oder vergrößerte Lymphknoten. Aufgrund seiner Untersuchungen bestehe derzeit kein Hinweis auf einen Progress oder ein Rezidiv. Dennoch halte er Nachsorgeuntersuchungen im Abstand von sechs Monaten für erforderlich. Der ärztliche Dienst des Beklagten gab nach Auswertung des Befundberichtes an, nach Ablauf der Hodenerkrankung in Heilungsbewährung ohne Rezidiv betrage der GdB nunmehr 0. Daraufhin hörte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2009 zum beabsichtigten Erlass eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an, da nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung der GdB nur noch nach der tatsächlich bestehenden Beeinträchtigung zu beurteilen sei. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "Geschwulsterkrankung des rechten Hodens" sei die vorgesehene Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen. Insoweit sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten. Der maßgebliche Feststellungsbescheid solle wie folgt geändert werden: "Herabsetzung des GdB auf 0 für die Zukunft". Die verbliebene Gesundheitsstörung bedinge, da nach Aussage des behandelnden Arztes kein Krankheitsrezidiv aufgetreten sei, keinen GdB mehr. Der Kläger äußerte sich dazu nicht.
Mit Aufhebungsbescheid vom 7. April 2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 9. Februar 2004 mit Wirkung vom 1. Mai 2009 auf. Zur Begründung gab er an, nach § 48 SGB X sei eine Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen, wenn in den gesundheitlichen Verhältnissen, die der letzten Feststellung zu Grunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Wesentlich sei eine Änderung, wenn ein bereits festgestellter GdB sich um wenigstens 10 nach oben oder unten ändere oder wenn die Voraussetzungen für die Feststellung von weiteren Merkzeichen nachträglich einträten oder wegfielen. Die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers hätten sich seit der letzten Entscheidung insoweit geändert, als für die festgestellte Behinderung "Geschwulsterkrankung des rechten Hodens" die Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen sei. Dieser Bewertung liege eine versorgungsärztliche Stellungnahme zu Grunde, die sich auf einen ärztlichen Befundbericht des behandelnden Arztes Dipl.-Med. G. stütze. Der Vergleich der beigezogenen Befundberichte mit den der letzten Feststellung des GdB zu Grunde liegenden Befundunterlagen habe ergeben, dass die genannte Gesundheitsstörung infolge rezidivfreien Verlaufs als überwunden gelte. Damit entfielen außer der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung. Nach der Versorgungsmedizin-Verordnung sei nach der Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Insbesondere gelte dies für ausgewählte bösartige Geschwulstkrankheiten. Die Dauer der Heilungsbewährung betrage je nach dem Ausmaß der dem Krankheitsbild eigenen Rezidivgefahr bis zu fünf Jahre. Nach Ablauf der Heilungsbewährung erfolge unter Beiziehung und Auswertung aktueller Befunde der behandelnden Ärzte stets eine versorgungsärztliche Beurteilung. Im Ergebnis dieser Beurteilung seien allein die Funktionseinschränkungen und Organveränderungen als Behinderungen zu berücksichtigen, die tatsächlich noch vorliegen. Allgemeine Leistungsminderung und die Angst vor einem erneuten Tumor bedingten nach der maßgeblichen Versorgungsmedizin-Verordnung keinen messbaren GdB und könnten daher auch nicht als Behinderung im Sinne des SGB IX festgestellt werden. Da kein Krankheitsrezidiv aufgetreten sei, sei kein GdB mehr festzustellen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11. Mai 2009 Widerspruch ein und machte geltend, es müsse wenigstens ein GdB von 30 festgestellt werden, da sein gesundheitlicher Allgemeinzustand nicht zufriedenstellend sei. Er habe nach wie vor erhebliche gesundheitliche Probleme und sei in ständiger ärztlicher Behandlung. Probleme machten der Blutdruck und längeres Sitzen, was sich jedoch bei seiner beruflichen Tätigkeit nicht vermeiden lasse. Erschwerend komme hinzu, dass er infolge der Entfernung von mehreren Lymphknoten gesundheitlich sehr anfällig sei und bei einer Erkrankung eine wesentlich längere Genesungszeit benötige.
Der Beklagte holte daraufhin einen Befundschein von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vom Juni 2009 (genaues Datum nicht benannt) ein, wonach der Kläger seit 2002 unter Bluthochdruck leide. Dieser sei im März 2009 neu eingestellt worden, liege aber mit Werten um 150/90 mmHg noch nicht im Normbereich. Angaben zu der Hodenerkrankung des Klägers machte die Ärztin nicht, da ihr der ehemalige Hausarzt nicht die vollständigen Unterlagen übermittelt habe. Der erneut beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten hielt in Auswertung dieses Berichtes eine Änderung der bisherigen Einschätzung für nicht gerechtfertigt, so dass dem Widerspruch aus medizinischer Sicht nicht abgeholfen werden könne. Der Bluthochdruck bedinge aber einen GdB von 10.
Mit zweitem Anhörungsschreiben vom 15. Juli 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dem Widerspruch nach Auswertung des Befundberichtes von Dr. T. nicht abgeholfen werden könne. Zur Begründung gab er im Wesentlichen die Argumente an, die er dem angefochtenen Bescheid vom 7. April 2009 zugrunde gelegt hatte. Ferner gab er zum Bluthochdruck des Klägers an, dieser sei unter entsprechender Medikation weitgehend ausgeglichen und erreiche nur einen GdB von 10. Ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 liege daher insgesamt nicht mehr vor, so dass eine Feststellung von Behinderungen und eines Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht mehr möglich sei. Damit verbleibe es bei der bisherigen Entscheidung mit Bescheid vom 7. April 2009.
Mit Schreiben vom 18. August 2009 trug der Kläger erneut vor, es dürfe nicht nur der Bluthochdruck bewertet werden, sondern es müsse auch berücksichtigt werden, dass er im Falle einer Erkrankung eine wesentlich längere Genesungszeit benötige als gesunde Menschen. Bei längerem Sitzen habe er Probleme, die er vor seiner Erkrankung nicht gehabt habe. Seit den beiden Operationen sei er nicht mehr so belastbar und habe gesundheitliche Probleme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass der Vergleich der jetzt vorliegenden ärztlichen Unterlagen mit den der letzten Feststellung des GdB zu Grunde liegenden ärztlichen Unterlagen ergeben habe, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers insofern eingetreten sei, als dass die Zeit der Heilungsbewährung für die Tumorerkrankungen erfolgreich abgelaufen sei. Die Heilungsbewährung nach Entfernung eines Tumors im Juli 2003 sei im Juli 2008 abgelaufen. Bei bösartigen Erkrankungen lasse sich nach rückfallfreiem Verlauf von fünf Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen sagen, dass die Krankheit mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist. Nunmehr werde nur noch die tatsächliche Funktionsbeeinträchtigung beurteilt. Beim Kläger sei keine Funktionsbeeinträchtigung mit einem messbaren GdB verblieben. Die bei ihm weiter vorliegenden Gesundheitsstörungen rechtfertigten nach versorgungsärztlicher Auswertung keinen GdB von wenigstens 20.
Mit der am 4. Dezember 2009 beim Sozialgericht (SG) Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und auf erhebliche Rückenprobleme, Probleme beim Sitzen sowie auf eine Bluthochdruckerkrankung hingewiesen.
Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von Dr. T. vom Mai 2010 (ohne Datum), Dipl.-Med. G. vom 12. Mai 2010 und Dipl.-Med. F. vom 21. Mai 2010 eingeholt, denen teilweise weitere medizinische Unterlagen beigefügt waren. Dr. T. hat einen am 26. März 2009 gemessenen Blutdruckwert von RR 200/100 mmHg mit nachfolgender medikamentöser Einstellung mitgeteilt. Beim Kläger liege eine Hypertonie im Stadium II vor, die regelmäßig kontrolliert werde. Die Werte hätten zwischen 145/95 bis 170/100 mmHg gelegen, sich im Februar 2010 aber wieder auf 190/100 mmHg erhöht, was vom Kläger selbst gemessen worden sei. Arbeitsunfähig sei der Kläger vom 27. März bis 15. April 2009, vom 19. bis 31. Oktober 2009 und vom 12 bis 16. Februar 2010 gewesen. Seit 12. Februar 2010 habe er sich nicht wieder vorgestellt. Dem beigefügten Bericht der Fachärztin für Innere Medizin R. vom 22. Oktober 2009 ist die Diagnose einer arteriellen Hypertonie des Stadiums II-III, einer Hyperproteninämie und einer Hyperurikämie zu entnehmen, dem weiteren Bericht dieser Ärztin vom 17. November 2009 eine ergometrische Untersuchung mit einer schrittweisen Belastung bis zu 200 Watt, die der Kläger über zwei min beschwerdefrei absolviert habe. Der Abbruch sei wegen körperlicher Erschöpfung bei Erreichen der Ausbelastungsfrequenz erfolgt. Der Blutdruck sei von 140/180 auf 220/110 mmHg angestiegen. Es hätten sich keine signifikanten Endstreckenveränderungen und keine Herzrhythmusstörungen gezeigt. Die Ausgangswerte seien nach 5 min Ruhe wieder erreicht worden. Es bestehe kein Hinweis für eine manifeste koronare Insuffizienz. Dipl.-Med. G. hat angegeben, beim Kläger seit April 2004 Nachsorgeuntersuchungen ohne Hinweis auf ein Rezidiv der Krebserkrankung durchzuführen. Dipl.-Med. F. hat berichtet, den Kläger am 16. Februar 2010 wegen eines grippalen Infektes gehandelt zu haben. Der Infekt sei geheilt und der Bluthochdruck sei am 5. Mai 2010 therapeutisch eingestellt worden. In Auswertung dieser Unterlagen durch seinen ärztlichen Dienst hat der Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Einstellung des Bluthochdrucks beim Kläger zunächst noch optimierungsbedürftig gewesen sei. Aus dem Ergometer-Belastungstest gehe eine Leistungsfähigkeit bis 200 Watt hervor, wobei der Ausgangsblutdruck im Normbereich gelegen habe und bereits fünf min nach Abbruch der Belastung wieder erreicht worden sei. Organveränderungen seien nicht belegt, so dass auch diesbezüglich keine Behinderung festgestellt werden könne. Ein grippaler Infekt und die anderen akuten Erkrankungen bedingten keinen GdB. In seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2011 hat der Kläger vorgetragen, es müssten weitere Befundberichte eingeholt werden. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es infolge der Chemotherapie zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Knochenstruktur, verbunden mit starken Schmerzen gekommen sei. Dadurch werde insbesondere die Tätigkeit als Busfahrer/Kraftfahrer beeinträchtigt und könne oft nur unter starken Schmerzen verrichtet werden. Außerdem sei seine Lebensqualität infolge des Bluthochdruckes stark beeinträchtigt. Daraufhin hat das SG einen weiteren Befundbericht von der Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. B. vom 30. Mai 2011 eingeholt, die angegeben hat, den Kläger einmal am 29. Juli 2010 wegen akuter Knieschmerzen behandelt zu haben. Als Diagnosen teilte sie eine retropatellare Chondrose, eine Gonarthrose, multiple Wirbelsäulen-Blockierungen und einen Zustand nach Hodentumor mit. Da sich der Kläger nur einmal bei ihr vorgestellt habe, könne sie den Verlauf seiner gesundheitlichen Entwicklung nicht beurteilen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. März 2012 hat das nach Aufhebung des SG Stendal zum 1. November 2010 zuständig gewordene SG Magdeburg die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung sei der Grad der Behinderung nur noch nach der tatsächlich bestehenden funktionellen Beeinträchtigung zu beurteilen. Für den Verlust eines Hodens sei nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Nr. 13.2, S. 68) kein GdB festzustellen. Der Bluthochdruck bedinge einen GdB von 10, der medikamentös eingestellt und wegen des Ergebnisses der Ergometrieuntersuchung als leicht einzustufen sei. Da kein GdB von mindestens 20 erreicht werde, könnten keine Behinderungen festgestellt werden.
Den ihm am 15. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid greift der Kläger mit der am 12. April 2012 über die Rechtsantragsstelle des SG in Stendal beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt erhobenen Berufung an. Er wendet sich weiterhin gegen die Aufhebung seines GdB und macht geltend, aus medizinischen Gründen einen Anspruch auf Feststellung eines GdB von wenigstens 30 zu haben. Das Ausmaß des Bluthochdrucks und die Folgen der Entfernung der Lymphknoten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es würden ständig langwierige gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten und sein Bluthochdruck sei immer noch nicht abschließend behandelt. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Befunde seien nicht umfassend.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene und nicht vertretene Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. März 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat zu der Frage der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers zum Zeitpunkt des 5. Novembers 2009 Befundberichte von Dipl.-Med. F., Dr. K. und Dipl.-Stom. F. eingeholt. Dipl.-Stom. F. hat mitgeteilt, den Kläger einmal am 2. Januar 2003 und dann wieder am 23. März 2012 behandelt zu haben. Dr. K. hat mitgeteilt, der Kläger habe sich bei ihm erstmals am 31. Mai 2011 vorgestellt.
Dipl.-Med. F. hat angegeben, den Kläger bis zum 5. November 2009 nicht behandelt zu haben. Den beigefügten Unterlagen ist ein Bericht des Nierenzentrums S. vom 23. Oktober 2012 mit den von Dr. K. erhobenen Diagnosen einer arteriellen Hypertonie, ED 2003 mit Nephrosklerose (I12.00), einer chronischen Niereninsuffizienz, Stadium I, N18.1, und eines Hodenkarzinoms 2003 mit Operation und Polychemotherapie (C 62.9) zu entnehmen. Der Blutdruck habe am 4. Oktober 2012 210/109 mmHg betragen. In der zusammenfassenden Beurteilung wird ausgeführt, es sei zwischenzeitlich zu einer hypertensiven Entgleisung gekommen, weshalb die Medikation erheblich erweitert worden sei. Dadurch hätten die Blutdruckwerte auf 156/92 mmHg gesenkt werden können. Vom 5. bis 21. Oktober 2012 sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen.
Der ärztliche Dienst des Beklagten hat in Auswertung dieser Befunde mitgeteilt, nach Neueinstellung infolge einer akuten Blutdruckentgleisung im Oktober 2012 seien akzeptable Blutdruckwerte erreicht worden. Hinsichtlich der mitgeteilten Niereninsuffizienz sei keine Neufeststellung möglich, weil keine Kreatininwerte vorlägen. Bei einem Stadium I seien allerdings auch keine maßgeblichen Einschränkungen im Sinne der Versorgungsmedizin-Verordnung zu erwarten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte beider Rechtszüge verwiesen. Diese Akten haben in der mündlichen Verhandlung und anschließenden Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung ist unbegründet. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2009 zu Recht den Bescheid vom 9. Februar 2004 aufgehoben und festgestellt, dass die verbliebenen Gesundheitsstörungen keinen GdB von wenigstens 20 bedingen und somit keine Behinderung mehr darstellen. Die angefochtenen Bescheide und der Gerichtsbescheid des SG vom 12. März 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide der Erlass des Widerspruchsbescheids am 5.November 2009 und damit die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R -, juris).
Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere ist die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung zu einer beabsichtigten Aufhebung des Grads der Behinderung von 50 mit Wirkung für die Zukunft mit Schreiben vom 25. Februar 2009 und 15. Juli 2009 erfolgt.
Ihre materielle Ermächtigungsgrundlage finden die vom Kläger angefochtenen Bescheide in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Anlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt, wobei dies sowohl hinsichtlich der Besserung als auch Verschlechterung anzunehmen ist, jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.
Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte wirksam den Bescheid vom 9. Februar 2004 aufgehoben und die Funktionsstörungen des Klägers ohne einen Behinderungsgrad von mindestens 20 neu festgestellt. In der Zeit zwischen Erlass dieses Bescheids und dem Widerspruchbescheid am 5. November 2009 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf einer Heilungsbewährung eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 9. Februar 2004 festgestellten GdB von 60, sondern ab 1. Mai 2009 keinen Grad der Behinderung von mindestens 20 rechtfertigt. Die Behandlungen aufgrund der Hodenkrebserkrankung waren zum Zeitpunkt des Aufhebungsbescheides bereits über fünf Jahre abgeschlossen und ein Rezidiv ist nach dem Bericht des Dipl.-Med. G. nicht wieder aufgetreten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Dieser Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten. Vielmehr ist hier zunächst für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos der Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995, 9 RVs 14/94, juris).
Für die Feststellung des GdB anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzen Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2009) ist das SGB IX maßgebend. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft (bzw. Funktionsbeeinträchtigungen) vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch § 30 Ab. 16 BVG ermächtigt ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen.
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der GdS-Tabelle sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte (Teil B 1a). In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Teil A Nr. 2 e genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein GdB von mindestens 20 festgestellt werden. Die bei ihm nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren im Jahre 2008 bzw. 2009 vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen nach den eingeholten Befundberichten nebst Anlagen unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen zum Zeitpunkt des 5. Novembers 2009 keinen höheren GdB als 10.
a)
Die Gesundheitsstörungen infolge der Hodenkrebsoperation sind dem Funktionssystem Geschlechtsapparat zuzuordnen und bedingen keinen GdB.
Für den Verlust eines Hodens bei intaktem anderem Hoden ist nach den VMG (Abschnitt B 13.2, S. 84) kein GdB festzustellen, der GdB beträgt 0. Während der Heilungsbewährungszeit von fünf Jahren nach Entfernung eines nichtseminomatösen Tumors im Stadium (T1 bis T2) N1 M0 bzw. T3 N0 M0 ist ein GdB von 60 festzustellen (VMG a.a.O, S. 85). Da dieser Zeitraum abgelaufen ist und, abgesehen von dem Verlust eines Hodens, keine Funktionseinschränkungen verblieben sind, ist für die überstandene Krebserkrankung kein GdB mehr festzustellen.
b)
Der vom Kläger geltend gemachte Bluthochdruck ist dem Funktionssystem Herz und Kreislauf zuzuordnen. Allerdings ist den Befundunterlagen nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um erhebliche Funktionsstörungen handelt. Wenngleich die Blutdruckwerte häufiger außerhalb der Norm gelegen haben, handelt es sich unter medikamentöser Behandlung um eine (noch) leichte Form ohne oder mit nur geringen Leistungsbeeinträchtigungen, die nach den VMG (B 9.3, S. 67) einen GdB von 0-10 bedingen. Eine mittelschwere Form, die einen GdB von 20-40 bedingen würde, wäre erst bei einer Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen und/oder Linkshypertrophie des Herzens) und einem diastolischen Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung anzunehmen. Eine in dieser Weise mittelschwere Form des Bluthochdrucks ist den vorhandenen Befundunterlagen allerdings nicht zu entnehmen. Hinweise auf eine Organbeteiligung lagen bis zum 5. November 2009 nicht vor. Insbesondere der Ergometerbelastung vom 16. November 2009 ist eine noch ausreichende Leistungsfähigkeit des Klägers zu entnehmen, die eine normale Herzleistung aufgezeigt hat und daher gegen die Annahme einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks spricht.
c)
Bei der aufgrund des Befundberichts des Dipl.-Med. F. 24. März 2013 bekannt gewordenen chronischen Niereninsuffizienz im Stadium I könnte es sich allerdings um eine Organbeteiligung handeln, die der Bluthochdruckerkrankung zuzurechen wäre mit der Folge, dass möglicherweise die Grenze zu einer mittelschweren Form des Bluthochdrucks erreicht wird. Jedoch ist die Niereninsuffizienz hier nicht zu berücksichtigen, da sie nach den ärztlichen Unterlagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des 5. November 2009 noch nicht vorgelegen hat. Die von Dipl.-Med. F. am 24. März 2013 mitgeteilte Diagnose geht auf den Bericht des Nierenzentrums S. vom 23. Oktober 2012 zurück, dem Dr. K. angehört. Dieser Arzt hat angegeben, den Kläger erstmals am 31. Mai 2011 behandelt zu haben, so dass die Niereninsuffizienz am 5. November 2009 noch nicht bekannt gewesen ist und folglich vom Beklagten nicht berücksichtigt werden konnte. Die Frage, welcher GdB aus dieser Erkrankung nach den VMG (Funktionssystem Harnorgane, B12, S. 79 ff.) für die Zeit ab der Erstdiagnose zu folgern ist, hat der Senat demzufolge nicht zu beantworten. Zutreffend erscheint allerdings der Hinweis des ärztlichen Dienstes des Beklagten, wonach auch die derzeitigen Befundunterlagen für eine Feststellung noch nicht ausreichen, weil in ihnen keine Serumkreatininwerte genannt worden sind. Die Überprüfung und Bewertung dieses Leidens hat der Kläger ggf. in einem Neufeststellungsverfahren zu veranlassen.
d)
Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gerechtfertigt haben, sind nicht erkennbar. Die eher allgemein gehaltenen Ausführungen des Klägers, wonach er unter körperlicher Schwäche und einer generell verlängerten Genesungszeit nach Erkrankungen leidet, finden in den Befundunterlagen keine Stütze. Es lässt sich daher nicht feststellen, inwieweit der Kläger durch die Entfernung der Lymphknoten und die stattgefundene Chemotherapie in seinem allgemeinen Befinden tatsächlich eingeschränkt ist. Die Tatsache, dass er seine berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer inzwischen wieder seit Jahren ausüben kann, spricht aber eher dagegen, dass erhebliche Funktionseinschränkungen vorliegen.
e)
Bei nur einer leichtgradigen Einzelbehinderung von 10 kann kein Behinderungsgrad von 20 oder mehr festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
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