L 3 AS 808/13 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 28 AS 936/13 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 808/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

2. Es ist inkonsequent, wenn ein Jobcenter einerseits die Auffassung vertritt, ein Antragsteller habe seinen Wohnsitz im Ausland, er andererseits aber bei der Leistungsberechnung als Mitglied der
Haushaltsgemeinschaft der übrigen Antragsteller geführt wird mit der Folge, dass ihm ein Mietanteil an der Wohnung in Deutschland zugerechnet wird.
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 21. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller zu 1 bis 3 begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) unter Berücksichtigung des Antragstellers zu 2 als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

Die am 1984 geborene Antragstellerin zu 1 ist deutsche Staatsangehörige und Mutter des am 12. September 2006 geborenen Antragstellers zu 3, dessen Vater von ihnen getrennt lebt. Sie bezieht seit 2005 ununterbrochen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Seit dem 29. Dezember 2012 ist sie mit dem am 10. Juni 1985 geborenen Antragsteller zu 2 verheiratet. Der Antragsteller zu 2 ist polnischer Staatsangehöriger und seit dem 4. Januar 2013 mit seinem Wohnsitz in G gemeldet. Ein gemeinsames Kind wurde am 2013 geboren.

Die Antragstellerin zu 1 informierte den Antragsgegner am 10. Januar 2013 über die erfolgte Eheschließung mit dem Antragsteller zu 2 und teilte zugleich mit, dass dieser am 4. Januar 2013 seinen Wohnsitz bei ihr genommen habe. Der Antragsteller zu 2 blieb zudem auch noch in der polnischen Gemeinde W , die etwa 300 km von G entfernt liegt, gemeldet. Unter dem 11. Januar 2013 stellte die Antragstellerin zu 2 einen Folgeantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Antragsteller bewohnen eine Wohnung mit einer Größe von 60 qm, für die eine Grundmiete in Höhe von 229,20 EUR zuzüglich einer Vorauszahlung für Betriebskosten in Höhe von 55,80 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 66,00 EUR, insgesamt 351,00 EUR, zu zahlen ist. Die Antragstellerin zu 1 erhält für den Antragsteller zu 3 Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR und verfügt im Übrigen über keine Einnahmen, insbesondere erhält sie keinen Unterhalt für das Kind. Für das am 24. April 2013 geborene Kind erhält die Antragstellerin zu 1 aufgrund des Bescheids der Familienkasse vom 3. Juni 2013 ebenfalls Kindergeld in Höhe von monatlich 184,00 EUR, welches erstmals als Nachzahlung am 6. Juni 2013 in Höhe von 368,00 EUR zur Auszahlung kam. Der Antragsteller zu 2 ist seit dem 1. März 2013 bei der Firma "S.c. PHU "Metz II" import-export" in Z /Polen erwerbstätig und erhält hierfür einen monatlichen Lohn in Höhe von 1.600 Zloty (brutto) = 1.181,38 Zloty (netto), welches bei einem Umrechnungskurs von 4,15 Zloty/EUR einem Betrag von 284,67 EUR (netto) entspricht und zum 10. des Folgemonats in bar ausgezahlt wird.

Der Antragsgegner erließ am 31. Januar 2013 Leistungsbescheide ohne eine bedarfsmäßige Berücksichtigung des Antragstragstellers zu 2, da dieser sich ohne Aufenthaltsstatus in der Wohnung der Antragsteller aufhalte. Hiergegen legte die Antragstellerin zu 1 durch ihren Prozessbevollmächtigten am 7. Februar 2003 Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 18. Februar 2013 wurden die Leistungen der Antragsteller zu 1 und 3 wegen Wegfall des Wohngelds für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Januar 2013 auf 713,97 EUR und für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 28. Februar 2013 auf 708,65 EUR abgeändert. Mit Änderungsbescheid vom gleichen Tag bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1 und 3 für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. April 2013 in Höhe von 808,65 EUR (Regelleistung der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 403,54 EUR und anteilige Kosten der Unterkunft von 117,00 EUR und Regelleistung für den Antragsteller zu 3 in Höhe von 71,00 EUR und anteilige Kosten der Unterkunft in Höhe von 117,00 EUR) sowie für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 31. August 2013 in Höhe von 650,00 EUR (Regelleistung der Antragstellerin zu 1 in Höhe von 345,00 EUR und anteilige Kosten der Unterkunft in Höhe von 117,00 EUR und Regelleistung für den Antragsteller zu 3 in Höhe von 71,00 EUR und anteilige Kosten der Unterkunft von 117,00 EUR). Der Antragsteller zu 2 wurde bei der Bedarfsberechnung nicht berücksichtigt, die Kosten der Unterkunft allerdings wegen dessen Mietanteils gekürzt.

Am 14. Februar 2013 beantragten die Antragsteller vor dem Sozialgericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und rügten die fehlende Berücksichtigung des Antragstellers zu 2 als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sowie die Kürzung der Unterkunftskosten. Der Antragsteller zu 2 habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in G und halte sich Anfang des Jahres nicht mehr in Polen auf. Soweit er noch in Polen gemeldet sei, beruhe dies allein darauf, dass er sich bislang dort nicht abgemeldet habe. Für die Mietzahlungen, die sie bisher erbracht hätten, hätten sie sich bei Verwanden verschulden müssen. Der Lebens-unterhalt sei zwischenzeitlich aus den Grundsicherungsleistungen für die Antragsteller zu 1 und 3, aus Familiendarlehen und aus Sonderleistungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestritten worden.

Mit Beschluss vom 21. März 2013 hat das Sozialgericht dem Antrag insoweit stattgegeben als der Antragsgegner verpflichtet wurde, dem Antragsteller zu 2 als Angehörigem der Bedarfsgemeinschaft mit den weiteren Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2013 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Auch dem Antragsteller zu 2 seien vorläufig Grundsicherungsleistungen zuzusprechen, da dieser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hinreichend glaubhaft gemacht habe und damit die Zuständigkeit des Antragsgegners gegeben sei. Seitens der Antragsteller zu 1 und 2 sei eidesstattlich versichert worden, dass der Antragsteller zu 2 in die Wohnung der Antragstellerin zu 1 eingezogen sei und seit Jahresbeginn seinen gewöhnlichen Aufenthalt in G habe. Hierfür sprechen auch die Eheschließung und die bevorstehende Geburt des gemeinsamen Kindes. Die eidesstattliche Versicherung werde nicht dadurch widerlegt oder erschüttert, dass der Antragsteller zu 2 sich melderechtlich noch nicht in Polen abgemeldet habe, nunmehr eine nach deutschen Verhältnisse schlechte Erwerbstätigkeit in Z /Polen aufgenommen habe und vom Antragsgegner anlässlich eines Hausbesuchs am 21. Februar 2013 nicht angetroffen worden sei. Der Antragsteller zu 2 sei auch als Ehepartner einer deutschen Staatsangehörigen nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zeitweise oder dauerhaft von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen und habe auch im Übrigen das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen von § 7 SGB II glaubhaft gemacht.

Gegen den am 25. März 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 22. April 2013 Beschwerde erhoben. Er ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen vorläufigen Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vorlägen, da der Antragsteller zu 2 in Polen einen weiteren Wohnsitz unterhalte. Er habe zudem weder nachgewiesen, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite, noch wie er seinen Wohnsitz in Polen finanziere bzw. ob er in Polen Sozialleistungen beziehe. Zudem seien seine Vermögensverhältnisse dort nicht bekannt. Aufgrund des vorgelegten Lohnzettels sei nicht erkennbar, ob der Antragsteller zu 2 krankenversichert sei und ob Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Bedürftigkeit könne daher nicht festgestellt werden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 21. März 2013 aufzuheben und den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Die Antragssteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts zutreffend sei. Außerdem bestehe für das Beschwerdeverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, nachdem der Antragsgegner die Leistungen für die Monate März bis Mai 2013 in vollem Umfang ausgezahlt hätten.

In Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts hat der Antragsgegner am 2. Mai 2013 sowie am 4. Juni 2013 Änderungsbescheide für den Zeitraum März bis August 2013 erlassen. Am 18. Juni 2013 hat der Antragsgegner den Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 31. Januar 2013 in der Fassung der Bescheide vom 18. Februar 2013, 2. Mai 2013 und 4. Juni 2013 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

II.

1. Beteiligte am Beschwerdeverfahren sind auf Antragstellerseite nur die Antragsteller zu 1 bis 3, nicht hingegen das am 24. April 2013 geborene gemeinsames Kind der Antragsteller zu 1 bis 2. In Bezug auf dieses Kind wurde keine subjektive Erweiterung des Beschwerdeverfahrens erklärt.

2. Die Beschwerde ist statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen, da bei Berücksichtigung der vollständigen Unterkunftskosten sowie der für den Antragsteller zu 2 zu gewährenden Regelleistung auch unter Berücksichtigung seines Einkommens Grundsicherungsleistungen von mehr als 750,00 EUR für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2013 im Raum stehen.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis des Antragsgegners an der Durchführung des Beschwerdeverfahrens durch die Umsetzung des sozialgerichtlichen Beschlusses mit den vorläufigen Änderungsbescheiden vom 2. Mai 2013 und 4. Juni 2013 nicht entfallen. Der Antragsgegner ist damit nur seinen aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Bindung an Recht und Gesetz nachgekommen, da die einstweilige Anordnung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG vorläufig vollstreckbar ist. Eine Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 199 Abs. 2 SGG ist nicht erfolgt. Wenn dem Antragsgegner bei einer gesetzmäßige Befolgung der einstweiligen Anordnung das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen würde, würde ihm entgegen den Regelungen in §§ 172 ff. SGG das Beschwerderecht abgeschnitten.

3. Die Beschwerde des Antragsgegners ist aber unbegründet.

a) Die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Sozialgerichts nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i. V. m. § 929 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) scheidet aus, da der Beschluss des Sozialgerichts vom 21. März 2013 ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnis dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller erst am 8. April 2013 zugestellt wurde und die Umsetzung der einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 2. Mai 2013 somit binnen eines Monats seit dem Tag der Zustellung an den Antragsteller erfolgte.

b) Die Beschwerde des Antragsgegners bleibt auch ohne Erfolg, da das Sozialgericht den Antragsgegner zu Recht verpflichtet hat, auch dem Antragsteller zu 2 als Angehöriger der Bedarfsgemeinschaft ihm Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2013 bis 31. Mai 2013 zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG vor Klageerhebung zulässig ist, den Antragsgegner zu einer einstweiligen Gewährung einer beantragten oder abgelehnten Leistung verpflichten. Voraussetzung hierzu ist, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

(1) Der Antragsteller zu 2 hat einen Anordnungsanspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2013 glaubhaft gemacht.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Personen (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) Leistungen nach dem SGB II, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Der Antragsteller zu 2 erfüllt für den streitigen Zeitraum diese Anspruchsvoraussetzungen.

Der Antragsteller zu 2, bei dem unstreitig die Voraussetzungen aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II gegeben sind, ist erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB II. Es gibt keine Anhaltspunkte, die dagegen sprechen würden, er sei nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch die Sonderregelung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB II steht seiner Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Danach können im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Als Unionsbürger, der mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland eingereist ist, wäre ihm auch grundsätzlich die Aufnahme eine Beschäftigung im Inland im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II erlaubt, gegebenenfalls nach Genehmigung der für ihn zuständigen Bundesagentur für Arbeit, so dass von einer Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 37/12 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 33 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 34 = JURIS-Dokument, jeweils Rndr. 15).

Die Antragsteller haben durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller zu 2 seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit dem 4. Januar 2013 in der Bundesrepublik hat. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (vgl. § 37 Satz 1 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll – auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr – ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O., Rdnr. 18, m. w. N.)

Einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat der Antragsteller zu 2 an Eides statt (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO) versichert. Bedenken an der Richtigkeit der strafbewährten Versicherung an Eides statt (vgl. § 156 der Strafprozessordnung [StPO]) bestehen nicht. Für die Verlagerung des Schwerpunktes seiner Lebensverhältnis in das Bundesgebiet sprechen nicht nur der Umstand, dass sich der Antragsteller zu 2 ordnungsgemäß in G angemeldet hat, sondern vor allem die Eheschließung mit einer im Inland lebenden deutschen Staatsangehörigen, die Gründung einer Familie sowie die Aufnahme einer Arbeit in unmittelbarer Wohnortnähe. Demgegenüber spricht allein der Umstand, dass der Antragsteller zu 2 (auch) einen Wohnsitz in der Republik Polen unterhält, nicht gegen die Verlagerung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse in die Bundesrepublik Deutschland. Zudem hat der Antragsteller zu 2 im Rahmen seiner Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht, dass er sich dort seit seinem Umzug nach Deutschland nicht mehr aufhalte.

Im Übrigen ist die Haltung des Antragsgegners im Zusammenhang mit der Aufenthalts-frage widersprüchlich. Unabhängig davon, dass in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II auf den Aufenthalt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) und nicht auf den Wohnsitz (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I) abgestellt wird, ist es inkonsequent, wenn einerseits die Auffassung ver-treten wird, der Antragsteller zu 2 habe seinen Wohnsitz zu 2 in Polen, er andererseits aber bei der Leistungsberechnung als Mitglied der Haushaltsgemeinschaft der Antragsteller zu 1 und 3 geführt wird mit der Folge, dass ihm ein Mietanteil an der Wohnung in G zugerechnet wird.

Ferner haben die Antragsteller mit der Vorlage ihrer Versicherung an Eides statt sowie der Vorlage des Arbeitsvertrages und der Gehaltsbescheinigung für den Monat März 2013 glaubhaft gemacht, dass auch Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGG i. V. m. § 9 SGB II für den streitigen Zeitraum vom 1. März 2013 bis 31. Mai 2013 besteht. Die Antragsteller können danach ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern und erhalten die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen (vgl. § 9 Abs. 1 SGG). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts zum Leistungsbedarf der Antragsteller genommen. Ergänzend hierzu ist auszuführen, dass sich der Bedarf nach der Geburt des zweiten Kindes um die anteilige Regelleistung für die Zeit vom 24. April 2013 bis 30. April 2013 in Höhe von 52,27 EUR sowie die volle Regelleistung für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis 31. Mai 2013 um 224,00 EUR erhöht hat, dem im streitgegenständlichen Zeitraum noch kein Bezug von Kindergeld gegenüberstand. Demgegenüber haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass ihnen erstmals ab dem Monat April ein Einkommen des Antragstellers zu 2 nach Abzug von Steuern und Beiträgen für die Sozialversicherungen in Höhe von etwa 284,67 EUR zur Verfügung stand. Unter Berücksichtigung eines Grundfreibetrags in Höhe von 100,00 EUR und eines weiteren Freibetrags in Höhe von 36,93 EUR gemäß § 11b Abs. 3 Nr. 1 SGB II, einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR sowie einer allgemeiner Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 EUR verbleibt danach lediglich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 102,41 EUR, welches nicht geeignet ist, eine Hilfebedürfigkeit der Antragsteller für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2013 zu vermeiden.

Schließlich ist der Antragsteller zu 2 auch weder nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II noch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sind von Leistungen nach dem SGB II Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, ausgenommen.

Als Ausländer, der als Familienangehöriger einer Deutschen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, ist der Antragsteller zu 2 jedoch nicht in den ersten Monaten seines Aufenthalts von diesem Leistungsausschluss erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O., Rdnr. 14). Ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II scheidet bereits deshalb aus, da sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 2 aus dem Familiennachzug ergibt und damit nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Rdnr. 25, m. w. N.).

(2) Aus der glaubhaft gemachten Hilfebedürftigkeit der Antragsteller resultiert auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Da die Antragsteller im Rahmen ihrer Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht haben, keine Sozialleistungen der Republik Polen zu erhalten und nicht über ausreichende finanzielle Mittel, insbesondere Ersparnisse, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu verfügen, war den Antragstellern angesichts ihrer individuellen Interessenlage nicht zuzumuten, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche den Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu verweisen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2012 – L 3 AS 678/12 B ER – JURIS-Dokument Rdnr. 17; Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Mai 2009 – L 3 B 586/07 AS-ER – JURIS-Dokument Rdnr. 33, m. w. N.).

Dem Hauptsacheverfahren wird es vorbehalten bleiben, das exakte Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum zu ermitteln. Zudem kann in einem Hauptsacheverfahren von den Antragstellern die Vorlage weiterer Nachweise, insbesondere zum Lohn und dessen Auszahlung, der Steuern und Sozialversicherungsabgaben sowie einer Krankenversicherung in der Republik Polen, verlangt werden. Das Gleiche gilt für die vom Antragsgegner verlangten Nachweise über den fehlenden Bezug von Sozialleistungen in der Republik Polen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

5. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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